TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/17 97/09/0164

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Veröffentlicht am 17.07.1997
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §111 Abs1;
BDG 1979 §118 Abs1 Z1;
BDG 1979 §118;
BDG 1979 §121;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §97 Abs3 idF 1983/138;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 2. April 1997, Zl. 114/7-DOK/96, betreffend Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge hat die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen mit Bescheid vom 23. August 1996 beschlossen, gegen den Beschwerdeführer - auf Grund seiner Selbstanzeige - gemäß § 123 Abs. 1 in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 kein Disziplinarverfahren einzuleiten.

Gegen diesen Nichteinleitungsbeschluß erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er beantragte, die "Überprüfung des Sachverhalts und die Nichteinleitung bzw. die Einstellung des Disziplinarverfahrens im Sinne der Bestimmung des § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 wegen der gegen ihn in der schriftlichen Ermahnung zu Unrecht ausgesprochenen Anschuldigungen".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 2. April 1997 hat die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers wie folgt abgesprochen:

"In der Disziplinarsache gegen Bez.Insp. R ist gemäß § 94 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG Verjährung eingetreten.

Auf die Berufung des Beschuldigten gegen den Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 23. August 1996 ist daher nicht mehr einzugehen."

Zur Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, die Disziplinarbehörde habe von Dienstpflichtverletzungen (spätestens) am 20. Juni 1996 Kenntnis erlangt. Die Frist zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens (wegen der in der Selbstanzeige behaupteten Dienstpflichtverletzungen) sei am 20. Dezember 1996 abgelaufen. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sei wegen der (von Amts wegen zu beachtenden) Verjährung der Strafbarkeit der Dienstpflichtverletzungen im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 nicht mehr möglich. Auf die Berufung des Beschwerdeführers sei daher nicht näher einzugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "Sachentscheidung über seine Disziplinar-Selbstanzeige zufolge unrichtiger Annahme einer Verjährung" verletzt. Er bringt dazu vor, die belangte Behörde habe die gegenständliche Angelegenheit beenden wollen, weil sie Verjährung angenommen habe. Eine derart beabsichtigte Verfahrenseinstellung hätte eines ausdrücklichen Ausspruches bedurft. Durch (während des Verfahrens eingetretene) Verjährung werde dem Verfahren nicht sein Gegenstand entzogen. Ausgehend von ihrer Rechtsansicht - es sei Verjährung eingetreten - hätte die belangte Behörde seine Berufung abweisen müssen. Er sei in seinem (verfahrensrechtlichen) Anspruch auf Berufungsentscheidung verletzt. Eine Verfahrensbeendigung wegen Verjährung widerspreche dem Gesetz. Die Selbstanzeige bezwecke die Klarstellung der Schuldlosigkeit eines Beamten. Sein Recht auf Berufung sei im vorliegenden Fall gegeben gewesen, da die auf § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 gestützte erstinstanzliche Entscheidung im Hinblick auf seine Schuldlosigkeit verfehlt gewesen sei. Im Sinne einer verfassungskonformen und am Willen des Gesetzgebers orientierten Interpretation verhindere der Ablauf der Verjährungsfrist eine Sachentscheidung nicht. Komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß er Dienstpflichtverletzungen begangen habe, hätte sie seine Berufung abzuweisen gehabt. Im Falle der Verneinung von Dienstpflichtverletzungen habe die belangte Behörde die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend abzuändern, daß eine "Verfahrenseinleitung gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 erster Fall BDG 1979 unterbleibt". Bei dem in erster Instanz angewendeten Nichteinleitungsgrund bleibe aber ein Makel zurück, dessen Beseitigung als ein legitimer Anspruch des Beamten gewertet werden müsse.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Gemäß § 111 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) hat jeder Beamte das Recht, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen. Hat der Beamte die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt, so ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle nach § 110 vorzugehen. Auf Verlangen des Beamten ist dieser Antrag unverzüglich dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt zu übermitteln.

Die Dienstbehörde hat nach § 110 Abs. 1 leg. cit. auf Grund der Disziplinaranzeige oder des Berichtes des Dienstvorgesetzten

1.

eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder

2.

die Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Dienstbehörde von der Erlassung einer Disziplinarverfügung oder der Weiterleitung der Disziplinaranzeige absehen, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind. Auf Verlangen des Beamten ist dieser hievon formlos zu verständigen.

Nach § 94 Abs. 1 leg. cit. darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

              1.       innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

              2.       innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Ziffer 1 genannte Frist um sechs Monate.

Das Disziplinarverfahren ist zufolge § 118 Abs. 1 leg. cit. mit Bescheid einzustellen, wenn

              1.       der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

...

              4.       die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der Verletzung der Dienstpflichten abzuhalten oder der Verletzung von Dienstpflichten durch andere Beamten entgegenzuwirken.

Im Beschwerdefall hat die (in erster Instanz zuständige) Disziplinarkommission auf Grund der Selbstanzeige des Beschwerdeführers das Disziplinarverfahren nach § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 eingestellt. Ein Einleitungsbeschluß nach § 123 leg. cit. wurde von der Disziplinarkommission nicht gefaßt. Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, daß er durch die Einstellung nach § 118 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. mit dem Vorwurf belastet war, eine Dienstpflichtverletzung begangen zu haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0098, vom 25. April 1991, Zl. 91/09/0012, und vom 8. September 1993, Zl. 93/09/0253) war es dem Beschwerdeführer daher nicht verwehrt, die mit der genannten Einstellung verbundene Bejahung des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung im Instanzenzug zu bekämpfen.

Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers war insoweit erfolgreich, als die belangte Behörde den Einstellungstatbestand des § 118 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. - der von materieller Art ist - zur Beendigung des Disziplinarverfahrens nicht herangezogen hat. Entgegen anderslautenden Beschwerdeausführungen ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides aber erkennbar zu entnehmen, daß die Rechtsfolge der Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. angeordnet und damit im Ergebnis der Berufung entsprochen wurde. Die Absicht der belangten Behörde zu einem derartigen normativen Abspruch ergibt sich zudem deutlich aus der zur Auslegung des Spruches heranzuziehenden Bescheidbegründung. Die sachverhaltsmäßigen (zeitlichen) Bezugspunkte, die zu der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde führten, daß Verjährung eingetreten sei, werden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Daß in einem Verfahren über eine Selbstanzeige (§ 111 leg. cit.) kein Einleitungsbeschluß (§ 123 leg. cit.) zu fassen oder die Bestimmungen über die Verjährung (§ 94 leg. cit.) nicht anzuwenden wären, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (vgl. in dieser Hinsicht etwa auch das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0113). Die Beschwerdeausführungen vermögen daher an der (aus objektiver Betrachtung gegebenen) Verjährung und der demnach erfolgten Verwirklichung des Einstellungstatbestandes gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. nichts zu ändern.

Die belangte Behörde durfte das Disziplinarverfahren in dem im Beschwerdefall gegebenen Verfahrensstadium auch durch Einstellung beenden, da noch kein Verhandlungsbeschluß gefaßt worden war. Ein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Freispruch von (ihm in einem Verhandlungsbeschluß zur Last gelegten) Anschuldigungspunkten bestand jedenfalls nicht (vgl. in dieser Hinsicht auch das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200, Slg. N.F. Nr. 13.213/A).

Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Verfahrenseinstellung nach § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 darf keine nachteiligen rechtlichen Auswirkungen für den Beschwerdeführer haben (vgl. auch den hg. Beschluß vom 28. Juni 1990, Zl. 90/09/0027; sowie Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage, Seite 422f); sie hat im vorliegenden Fall auch keine derartigen Auswirkungen, da der im Bescheid der ersten Instanz enthaltene Vorwurf dadurch beseitigt wurde. Bei diesem Ergebnis war es demnach nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Hinblick auf diese Verfahrensbeendigung ein weiteres Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers verneinte und solcherart (im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) eine weitere Behandlung seiner Berufung für entbehrlich angesehen hat. Die von der belangten Behörde ausgesprochene Verfahrenseinstellung wurde zudem vom Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich begehrt. Eine derartige Beendigung des Disziplinarverfahrens wird auch in der Beschwerde selbst vorgeschlagen.

Der Beschwerdeführer wurde somit aus den dargelegten Gründen durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem (fortwirkenden) subjektiv-öffentlichen Recht verletzt.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von dem Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997090164.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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