TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/27 Ro 2020/01/0001

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §293
StbG 1985 §10 Abs1 Z7
StbG 1985 §10 Abs5
StbG 1985 §10 Abs5 idF 2013/I/136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Tiroler Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 16. Oktober 2019, Zl. LVwG-2019/17/0271-1, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: A R in I, vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

Vorverfahren

1        Mit Bescheid vom 3. Jänner 2019 wies die Tiroler Landesregierung als Staatsbürgerschaftsbehörde (Amtsrevisionswerberin) den Antrag des Mitbeteiligten, eines subsidiär schutzberechtigten, afghanischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 6 Z 1 sowie § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.

2        Begründend führte die Amtsrevisionswerberin aus, der Mitbeteiligte verfüge über Deutschkenntnisse auf dem Niveau „B2“ des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS). Ihm sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30. September 2010 gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine bis 29. September 2011 befristete und nach fristgerechter Antragstellung zunächst bis 3. Oktober 2012 verlängerte Aufenthaltsberechtigung erteilt worden. Der Mitbeteiligte habe erst am 10. Oktober 2012 die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung beantragt, die ihm mit Bescheid des Bundesasylamts vom gleichen Tag bis 10. Oktober 2013 erteilt worden sei. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 7. Oktober 2014 sei die befristete Aufenthaltsgenehmigung bis 11. Oktober 2016 verlängert worden. Erst nach Ablauf der Befristung am 12. Oktober 2016 habe der Mitbeteiligte die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung beantragt. Mit Bescheid des BFA vom 13. Oktober 2016 sei dem Antrag stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung bis 11. Oktober 2018 verlängert worden. Auf Grund der zweimaligen nicht rechtzeitig beantragten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung habe sich der Mitbeteiligte nicht gemäß § 11a Abs. 6 Z 1 StbG mindestens sechs Jahre rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten.

Im Übrigen habe der Mitbeteiligte von 20. Dezember 2017 bis zumindest 5. April 2018 gemeinsam mit N.N. in einer Mietwohnung im gemeinsamen Haushalt gelebt, wobei N.N. vom 1. Februar 2018 bis 28. Februar 2018 Mindestsicherung für Miete in der Höhe von € 20,14 bezogen habe. Den Mindestsicherungsbezug seines Mitbewohners müsse sich der Mitbeteiligte anrechnen lassen, weshalb er auch nicht die Verleihungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts iSd § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 StbG erfülle.

3        Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht).

Angefochtenes Erkenntnis

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde dahingehend statt, dass dem Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 1 StbG die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Nachweises seines Ausscheidens aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaats binnen zwei Jahren zugesichert wurde. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren relevant - aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Gesetzgeber mit dem letzten Satz des § 24 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) für die Zeit zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels im Fall rechtzeitiger Antragstellung auf Verlängerung dem Antragsteller bis zur Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag dieselbe Rechtsstellung einräumen wollen, die er nach dem Inhalt des letztgültigen Aufenthaltstitels innegehabt habe. Darüber hinaus normiere § 24 Abs. 2 NAG, dass Fremde dann keinen Verlängerungsantrag mehr stellen können, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung ihr Aufenthaltsrecht bereits sechs Monate beendet gewesen sei. Der Mitbeteiligte habe nach Ablauf der befristeten Aufenthaltsberechtigung am 3. Oktober 2012 innerhalb von sechs Monaten und zwar am 10. Oktober 2012 einen Verlängerungsantrag gestellt. Er komme daher in den Genuss des § 24 Abs. 2 letzter Satz NAG. Demnach sei sein Aufenthalt im Bundesgebiet als „weiterhin rechtmäßig“ anzusehen gewesen.

Über den mit 11. Oktober 2016 datierten Verlängerungsantrag des Mitbeteiligten, bei der Behörde eingelangt am 12. Oktober 2016, habe die Behörde am 13. Oktober 2016 durch Erteilung einer weiteren, bis 11. Oktober 2018 befristeten Aufenthaltsberechtigung entschieden. Indem die Behörde die Gültigkeitsdauer des bisher innegehabten Aufenthaltstitels bis 11. Oktober 2016 angenommen habe und den neuen Aufenthaltstitel ebenfalls bis zum 11. Oktober 2018 befristet habe, sei eindeutig, dass sie über einen Verlängerungsantrag vom 11. Oktober 2016 abgesprochen habe, weswegen der Mitbeteiligte auch für den 12. Oktober 2016 über einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel verfügt habe. Es sei daher ein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt des Mitbeteiligten im maßgeblichen Zeitraum vorgelegen.

Im Übrigen habe der Mitbeteiligte in 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt (26. März 2018) über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von € 1.119,47, somit um € 237,83 mehr als das gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG geforderte Mindesteinkommen verfügt.

Der Mindestsicherungsbezug des seit 20. Dezember 2017 im gemeinsamen Haushalt lebenden, gegenüber dem Mitbeteiligten nicht unterhaltspflichtigen Mitbewohners N.N. schade nicht. Abgesehen davon könne der Mindestsicherungsbezug des Mitbewohners von € 20,14 in keiner Weise spürbar zum Lebensunterhalt des Mitbeteiligten beitragen. Dem stehe „auch der Sicherungszweck dieser Mindestsicherung“ entgegen, zumal der Mitbeteiligte die gesamte Miete in der Höhe von € 500,-- entrichte.

Wesentlich sei, dass dem Mitbeteiligten auf Grund seiner eigenen Einkünfte eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen im maßgeblichen Durchrechnungszeitraum möglich gewesen sei. Der Mitbeteiligte verfüge somit über einen hinreichend gesicherten Lebensunterhalt iSd § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG.

Der Mitbeteiligte erfülle auch sonst die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Staatsbürgerschaft, weshalb in Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 1 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Nachweises über das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaats zuzusichern gewesen sei.

6        Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zur Rechtsfrage, ob nach § 10 Abs. 5 StbG der Sozialhilfebezug der im gemeinsamen Haushalt lebenden, nicht unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltsberechtigten „Großmutter“ (gemeint wohl: des Mitbewohners) bei der Beurteilung und Berechnung des erforderlichen Lebensunterhalts „der antragstellenden Enkeltochter“ (gemeint wohl: des Mitbeteiligten) zu berücksichtigen sei, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes fehle.

7        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision. Der Mitbeteiligte beantragte in der Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zulässigkeit

8        Die Amtsrevision bringt ergänzend zur Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts in ihren gesonderten Zulässigkeitsausführungen in Bezug auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt des Mitbeteiligten zusammengefasst vor, das NAG sei vorliegend nicht anzuwenden. Überdies sei § 24 Abs. 2 NAG in der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Fassung seit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 nicht mehr in Kraft. In Bezug auf die bis 11. Oktober 2016 befristete Aufenthaltsberechtigung hätte der Mitbeteiligte spätestens am 11. Oktober 2016 einen Verlängerungsantrag einbringen müssen. Daraus folge, dass der Mitbeteiligte im jeweiligen Zeitraum zwischen dem Ablauf der befristeten Aufenthaltsberechtigungen und der Bewilligung der verspäteten Verlängerungsanträge nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei und somit die Verleihungsvoraussetzung des § 11a Abs. 6 StbG nicht erfüllt sei. Das Verwaltungsgericht weiche insofern von der eindeutigen Rechtslage und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab.

9        Die Amtsrevision ist zulässig und begründet.

Rechtslage

10       § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 sowie § 11a Abs. 6 Z 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, in der vorliegend anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 136/2013, lauten:

Verleihung

§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn

...

7.   sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und

...

(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes - KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.

...

§ 11a. ...

(6) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

1.   er, abweichend von § 10a Abs. 1 Z 1, einen Nachweis über Deutschkenntnisse gemäß dem B2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) erbringt, oder“

Rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 11a Abs. 6 Einleitungssatz StbG

11       Mit den Rechtsfolgen eines verspätet gestellten Verlängerungsantrags nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 in Bezug auf die Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung des durchgehend legalen Aufenthalts des Verleihungswerbers im Bundesgebiet in der gemäß § 11a Abs. 6 StbG erforderlichen Mindestdauer von sechs Jahren hat sich der Verwaltungsgerichtshof zuletzt im Beschluss vom 29. Juni 2020, Ra 2019/01/0120, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, näher auseinander gesetzt. Dass die Verleihungsvoraussetzung des § 11a Abs. 6 Einleitungssatz StbG nicht erfüllt ist, wenn der subsidiär schutzberechtigte Verleihungswerber während der erforderlichen Mindestdauer den Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltsrechts gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erst nach Ablauf der befristeten Aufenthaltsberechtigung gestellt hat, begründete der Verwaltungsgerichtshof wie folgt:

„Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist als das vorübergehende, verlängerbare Einreise- und Aufenthaltsrecht, das Österreich Fremden nach den Bestimmungen des AsylG 2005 gewährt, von der gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zusätzlich zu erteilenden Berechtigung zu unterscheiden (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

Gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 gilt die anlässlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilende Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr und wird über Antrag für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Wird der Verlängerungsantrag vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt, so besteht diese gemäß § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG 2005 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts (vgl. wiederum VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

Mit der Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter ist ein rechtmäßiger Aufenthalt gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 FPG verbunden (vgl. dazu erneut VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281, mwN).

Der Gesetzgeber gibt mit der Anordnung des § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG 2005 zu erkennen, dass grundsätzlich - (wenn auch) eingeschränkt auf den Fall der rechtzeitigen Antragstellung - erst mit der dem Antrag nicht Folge gebenden Entscheidung der Verlust der Aufenthaltsberechtigung eintreten soll (vgl. ebenfalls VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007; VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281).

Durch diese Rechtsprechung ist somit bereits geklärt, dass die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 letzter Satz AsylG 2005 nur im Fall eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags (bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts) weiter besteht (vgl. auch bereits VwGH 24.5.2018, Ro 2017/01/0007-0012, Rn. 17).

Angesichts dieser in § 8 Abs. 4 AsylG 2005 getroffenen Regelungen verbietet sich auch die in der Zulässigkeitsbegründung behauptete analoge Heranziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG (vgl. zu den maßgeblichen Unterschieden des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 vom Regelungssystem des NAG: VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281, Rn. 26 ff).“

12       Nach dem Wortlaut des § 11a Abs. 6 StbG, wie auch des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG, § 11a Abs. 1 StbG und § 11a Abs. 4 Z 1 StbG („rechtmäßig und ununterbrochen“) ist Verleihungsvoraussetzung der durchgehende legale Aufenthalt des Verleihungswerbers im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer, zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde (vgl. VwGH 29.6.2020, Ra 2019/01/0120, Rn. 11, mwN).

13       Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs steht vorliegend der (verspätet) gestellte Verlängerungsantrag der Verleihungsvoraussetzung des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts des Mitbeteiligten im Bundesgebiet iSd § 11a Abs. 6 Einleitungssatz StbG entgegen.

14       Das Verwaltungsgericht hat insofern das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

„Inanspruchnahme“ von Sozialhilfeleistungen

15       Das Verwaltungsgericht begründete das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts iSd § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG dahin, dass der Mitbeteiligte innerhalb der geltend gemachten 36 Monate des Durchrechnungszeitraums über ein eigenes die durchschnittliche Höhe der Ausgleichszulagenrichtsätze übersteigendes Einkommen verfügt habe und ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen möglich gewesen sei. Der Mindestsicherungsbezug des im gemeinsamen Haushalt lebenden, gegenüber dem Mitbeteiligten nicht unterhaltspflichtigen Mitbewohners N.N. schade nicht.

16       Nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 5 zweiter Satz StbG müssen die eigenen Einkünfte im geltend gemachten Zeitraum dem Fremden eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre entsprechen. Die Voraussetzungen der Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen einerseits und die den Ausgleichszulagenrichtsätzen entsprechende durchschnittliche Höhe der Einkünfte andererseits müssen demnach kumulativ vorliegen (vgl. VwGH 4.4.2019, Ra 2019/01/0085, Rn. 12; sowie VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010, Rn. 45). Deshalb reicht allein ein über dem Durchschnitt der Ausgleichszulagenrichtsätze der letzten drei Jahre liegendes Einkommen des Antragstellers nicht aus für das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG.

17       Der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts steht die zwischenzeitig ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entgegen, wonach gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG der Bezug von Sozialhilfeleistungen durch dritte Personen, die mit dem Antragsteller (ohne Unterhaltsverpflichtungen) im gemeinsamen Haushalt leben, dem Antragsteller zugerechnet werden muss, wenn die Sozialhilfeleistungen dem Antragsteller in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zugutekommen. In diesem Fall kann er daher keine „Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften“ nachweisen (vgl. grundlegend VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010; vgl. auch VwGH 2.9.2020, Ra 2020/01/0237, Rn. 10; sowie VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0135, Rn. 13).

18       Gemäß § 10 Abs. 5 dritter Satz StbG werden feste und regelmäßige eigene Einkünfte durch regelmäßige Aufwendungen, insbesondere etwa durch Mietbelastungen, geschmälert und wirkt sich daher notwendig jede Minderung dieser Aufwendungen positiv auf die nachzuweisenden Einkünfte aus (vgl. erneut VwGH 12.12.2019, Ro 2019/01/0010; sowie VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0135, Rn. 14).

19       Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Bezug von Mindestsicherung für Miete des „im gemeinsamen Haushalt lebenden Mitbewohners“ nicht maßgeblich sei, ist daher verfehlt.

20       Vielmehr ist im Hinblick auf die gemeinsame Haushaltsführung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die vom Mitbewohner bezogene Mindestsicherung auch dem Mitbeteiligten zugutegekommen ist. In einem solchen Fall obliegt es dem Mitbeteiligten als Antragsteller, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht die Annahme zu widerlegen (vgl. abermals VwGH Ro 2019/01/0010; sowie VwGH Ra 2020/01/0135, Rn. 16).

21       Das Verwaltungsgericht hat das angefochtene Erkenntnis auch in Bezug auf die Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Mitbeteiligten mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Ergebnis

22       Das angefochtene Erkenntnis war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

23       Der Mitbeteiligte hat bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz (vgl. etwa VwGH 7.9.2020, Ro 2019/01/0005, Rn. 24, mwN).

Wien, am 27. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020010001.J00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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