TE Vwgh Beschluss 2020/11/27 Ra 2020/16/0094

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2020
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §274 Abs1 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des T B in W, vertreten durch Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 5. Mai 2020, Zl. RV/7100360/2020, betreffend Gewährung (erhöhter) Familienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug einen Antrag des 1989 geborenen Revisionswerbers auf Gewährung von Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Auf Grund des Antrags des Revisionswerbers habe das Finanzamt ein Gutachten vom 13. Juni 2019 eingeholt, worin eine Fachärztin für Psychiatrie einen Grad der Behinderung von 60 % und eine seit April 2016 voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit des Revisionswerbers wegen undifferenzierter Schizophrenie festgestellt habe. Dieses Ergebnis sei durch ein vom Finanzamt beim „Sozialministeriumservice“ angefordertes neuerliches Gutachten vom 16. Oktober 2019 bestätigt worden. Das - im Wortlaut wiedergegebene - Gutachten vom 13. Juni 2019 sei schlüssig, die Gutachter hätten sämtliche ihnen vorliegende Unterlagen gewürdigt.

3        Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

4        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Gemäß § 6 Abs. 2 lit. d des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie - im Revisionsfall unstrittige - Voraussetzungen zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

7        Die voraussichtliche dauernde Unfähigkeit, sich selbst Unterhalt zu verschaffen, ist gemäß § 8 Abs. 6 und 7 FLAG durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

8        In der Begründung der Zulässigkeit seiner Revision rügt der Revisionswerber zunächst das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht. Er räumt allerdings ein, eine solche nicht beantragt zu haben. Auf eine mündliche Verhandlung, wenn es der Einzelrichter für erforderlich hält (§ 274 Abs. 1 Z 2 BAO), besteht indes kein Rechtsanspruch (vgl. VwGH 29.4.2019, Ra 2019/16/0090; VwGH 21.3.2012, 2009/16/0272 ua; VwGH 23.9.2010, 2006/15/0142).

9        Weiters rügt der Revisionswerber, ihm sei kein Parteiengehör (§ 183 Abs. 4 BAO) gewährt worden. Seine Beschwerde sei mit Beschwerdevorentscheidung vom 21. Oktober 2019 abgewiesen worden, ohne dass ihm das Gutachten vom 16. Oktober 2019 zur Kenntnis gebracht worden wäre. Demgegenüber hat das Finanzamt dieses Gutachten in der Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich erwähnt (zur Vorhaltwirkung einer Beschwerdevorentscheidung vgl. etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2019/13/0071; und VwGH 9.9.2015, 2013/16/0049). Dass dem Revisionswerber, der somit Kenntnis von einem solchen Gutachten hatte, im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht nicht möglich gewesen wäre, auch vom Inhalt dieses Gutachtens Kenntnis zu erlangen, behauptet er nicht. Vor allem zeigt der Revisionswerber - wie nachstehend ausgeführt - nicht die Relevanz der gerügten Verfahrensfehler auf.

10       Im wesentlichen wendet sich der Revisionswerber nämlich gegen die Schlüssigkeit der Gutachten. Er legt indes nicht dar, welche Unterlagen die Gutachter nicht berücksichtigt hätten. Die behauptete Untauglichkeit des Revisionswerbers (nämlich zum Wehrdienst) im Stellungsverfahren und der Bezug einer unbefristeten Invaliditätspension sowie ein Patientenbrief des AKH aus dem Dezember 2008, welche die Gutachter allesamt berücksichtigt haben, vermögen nicht, die Gutachten zu entkräften, wonach die Erwerbsunfähigkeit ab dem Jahr 2016 (und somit nach dem in § 6 Abs. 2 lit. d FLAG genannten 25. Lebensjahr) und nicht - wie der Revisionswerber behauptet - schon seit seinem 19. Lebensjahr vorliege (zu dem für die Erfüllung des Tatbestandes des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG maßgeblichen Zeitpunkt bei einer bestehenden, im Lauf der Zeit zur Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, führenden Krankheit vgl. VwGH 20.11.2014, Ra 2014/16/0010).

11       Schließlich führt der Revisionswerber Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an, wonach eine berufliche Tätigkeit noch keinen Nachweis einer Erwerbsfähigkeit darstelle, womit er offenbar dem Bundesfinanzgericht unterstellt, von dieser Rechtsprechung abgewichen zu sein. Das Bundesfinanzgericht hat seine tragende Begründung allerdings nicht auf eine solche Berufstätigkeit des Revisionswerbers gestützt, sondern im Rahmen der Beweiswürdigung seinen aus den Gutachten ausführlich begründet gezogenen Schlüssen lediglich noch ergänzend den Satz angefügt, dass „diese Einschätzung“ durch den Umstand erhärtet werde, der Revisionswerber sei (das Bundesfinanzgericht dabei ausdrücklich relativierend:) „immer wieder nur kurzfristig und mit Unterbrechungen und bei wechselnden Dienstgebern“ bis Mai 2016 berufstätig gewesen.

12       Der Revisionswerber zeigt somit nicht auf, dass die Revision von einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.

13       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 27. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160094.L00

Im RIS seit

15.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten