TE Vwgh Beschluss 2020/11/30 Ra 2020/19/0342

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Veröffentlicht am 30.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §19 Abs3
AVG §42 Abs4
AVG §45 Abs1
AVG §58
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwGVG 2014 §29 Abs2
VwGVG 2014 §29 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Y C A in W, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Schießstattgasse 30/1, gegen das am 6. November 2019 mündlich verkündete und mit 7. Jänner 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G301 2211003-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Kubas, stellte am 9. Mai 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, aufgrund seiner sexuellen Orientierung im Herkunftsstaat verfolgt zu werden. Überdies sei ihm vorgeworfen worden, kein Kommunist zu sein, weswegen er aus der Schule geworfen worden sei.

2        Mit Bescheid vom 7. November 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kuba zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

4        Das BVwG führte am 6. November 2019 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Revisionswerber unentschuldigt nicht erschien. Die Verhandlung fand daraufhin in Abwesenheit der Parteien statt.

5        Mit am 6. November 2019 mündlich verkündetem und am 7. Jänner 2020 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

6        Begründend führte das BVwG - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber sei homosexuell und trete zu bestimmten Anlässen und zeitlich beschränkt in Frauenkleidern auf, weswegen er in Kuba auf der Straße und in der Universität immer wieder beschimpft worden sei. Seine Homosexualität sei auch den staatlichen Einrichtungen Kubas und den Militärbehörden bekannt gewesen. Aufgrund seiner Homosexualität sei er im November 2016 von Angehörigen der staatlichen Polizei festgenommen und eine Nacht lang angehalten worden. Es sei jedoch nicht glaubhaft, dass der Revisionswerber aufgrund seiner Homosexualität oder einer ihm allenfalls unterstellten regierungskritischen oder anti-kommunistischen Gesinnung vor seiner legalen Ausreise aus Kuba einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen sei bzw. im Fall der Rückkehr nach Kuba einer solchen ausgesetzt wäre. Zudem habe der Revisionswerber Kuba nicht aufgrund der von ihm geschilderten Vorfälle verlassen, sondern seinen eigenen Angaben nach zu dem Zweck, um in Österreich einen Freund zu besuchen und um Urlaub zu machen. Auch wenn gesellschaftliche Diskriminierung von Homosexuellen und Angehörigen der LGBTIQ-Gruppe sowie diskriminierende und willkürliche Handlungen seitens staatlicher Organe - wie von Angehörigen der kubanischen Nationalpolizei - nicht ausgeschlossen werden könnten, erreichten solche Fälle nicht die für eine Asylrelevanz erforderliche Eingriffsintensität. Der Revisionswerber habe somit keine ihm aktuell drohende Verfolgungsgefahr oder sonstige im Herkunftsstaat Kuba drohende Gefährdung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention abschließend genannten Gründen glaubhaft machen können, weshalb sein Vorbringen, im Fall der Rückkehr wegen seiner sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität sowie wegen seiner anti-kommunistischen Äußerungen von den staatlichen Stellen Kubas verfolgt, verhaftet und verurteilt zu werden, der Entscheidung nicht als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt werde.

7        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Juni 2020, E 4584/2019-11, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 29. Juli 2020, E 4584/2019-13, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, der Begründung des mündlich verkündeten Erkenntnisses fehle der Bezug zum Vorbringen des Revisionswerbers zu den Verfolgungshandlungen, denen er in Kuba ausgesetzt gewesen sei. Eine Darstellung der wesentlichen Entscheidungsgründe iSd § 29 Abs. 2 VwGVG und der - näher genannten - Rechtsprechung lasse die Niederschrift über die mündliche Verhandlung gänzlich vermissen.

12       Die Nichteinhaltung der Bestimmungen über die mündliche Verkündung nach § 29 Abs. 2 VwGVG („mit den wesentlichen Entscheidungsgründen“), über die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen nach den §§ 58 und 60 AVG iVm § 17 VwGVG, und/oder über die Verpflichtung zur Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung nach § 29 Abs. 4 VwGVG stellt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar. Für eine Aufhebung eines Erkenntnisses oder Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ist es nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG erforderlich, dass das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Erkenntnis oder Beschluss hätte kommen können, es muss also die „Relevanz“ des Verfahrensfehlers vorliegen. Der Revisionswerber hat die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten. Er darf sich nicht darauf beschränken, einen Verfahrensmangel (nur) zu rügen, ohne die Relevanz für den Verfahrensausgang durch ein konkretes tatsächliches Vorbringen aufzuzeigen (vgl. VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0558, Pkt. 4.2., mwN). Mit dem Vorbringen hinsichtlich der unzureichenden Begründung des Erkenntnisses bei dessen mündlicher Verkündigung wird aber ein relevanter Verfahrensfehler in der hier vorliegenden Konstellation nicht dargetan.

13       Darüber hinaus führt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung aus, das BVwG habe sich über erhebliches Vorbringen und Beweisanträge, insbesondere die beantragte Einvernahme eines Zeugen, ohne Begründung hinweggesetzt. Der aufgezeigte Verfahrensmangel sei relevant, weil die in der Vergangenheit erfolgten Verfolgungshandlungen ein Hinweis darauf seien, dass die Furcht des Revisionswerbers vor Verfolgung begründet sei und der Zeuge über persönliche Eindrücke zu diesem Vorfall verfüge. Der Umstand, dass die Festnahme als solche als glaubwürdig betrachtet werde, entbinde das BVwG nicht davon, den beantragten Zeugen anzuhören. Die vorgelegten polizeilichen Dokumente, deren sachverständige Überprüfung der Revisionswerber beantragt habe, hätten einen Hinweis darauf gegeben, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet sei. Zudem übergehe das BVwG auch diesen Beweisantrag stillschweigend. Auch weiche das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach eine vorgreifende, antizipierende Beweiswürdigung unzulässig sei. Der Beweiswürdigung des BVwG sei substantiiert entgegengetreten worden. In Zusammenschau mit dem gesamten Vorbringen des Revisionswerbers sei der Sachverhalt nicht als geklärt anzusehen und es hätte der Einvernahme des Revisionswerbers und des Zeugen bedurft. Aufgrund der Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers und des Zeugen erachte sich der Revisionswerber auch in seinem Recht nach § 24 Abs. 1 VwGVG und Art. 47 Abs. 2 GRC verletzt. Die dargestellten Mängel würden sich als für den Verfahrensausgang relevant darstellen, zumal das unbeachtet gebliebene Vorbringen des Revisionswerbers sowie die gestellten Beweisanträge dazu dienen würden, das Vorbringen des Revisionswerbers, in Kuba asylrelevante Verfolgung zu fürchten, zu beweisen.

14       Soweit das Zulässigkeitsvorbringen darüber hinaus Begründungsmängel behauptet, richtet es sich der Sache nach gegen die Beweiswürdigung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/20/0396, mwN). Eine derartige Unvertretbarkeit wird aber in der Revision nicht dargelegt.

15       Das BVwG erachtete es nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zu welcher der Revisionswerber, der ordnungsgemäß geladen worden war, unentschuldigt nicht erschienen ist - als glaubhaft, dass der Revisionswerber aufgrund seiner Homosexualität und seines Auftretens in Frauenkleidern in Kuba Diskriminierung und Beschimpfungen ausgesetzt gewesen und aus diesem Grund auch eine Nacht lang von der Nationalpolizei angehalten worden sei, ging jedoch davon aus, dass solche Fälle der Diskriminierung vor dem Hintergrund aktueller herkunftsstaatsbezogener Informationsquellen nicht die für eine Asylrelevanz iSd der Genfer Flüchtlingskonvention erforderliche Eingriffsintensität erreichen würden.

16       Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

17       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt auch für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das BVwG hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0012, mwN).

18       Darüber hinaus reicht es - wie bereits oben (Rz 12) ausgeführt - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 15.5.2020, Ra 2020/14/0176; 19.5.2020, Ra 2019/14/0599; jeweils mwN).

19       Das BVwG ist im vorliegenden Fall zum Ergebnis gelangt, dass aus den aktuellen herkunftsstaatsbezogenen Informationsquellen keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen seien, dass staatliche Einrichtungen Kubas systematische oder sonst zielgerichtete Verfolgungshandlungen gegen Personen ausschließlich aufgrund ihrer Homosexualität oder Zugehörigkeit zu einer LGBTIQ-Gruppe anordneten oder duldeten. Vielmehr ergebe sich daraus, dass die Rechtslage Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung bei Beschäftigung, Wohnen, Staatenlosigkeit oder Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung verbiete. Dem vermag die Revision nicht substantiiert entgegen zu treten.

20       Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die Vollständigkeit der herangezogenen Länderinformationen rügt, zeigt sie nicht auf, welche relevanten Feststellungen das BVwG unterlassen hätte (vgl. VwGH 24.1.2020, Ra 2020/18/0008).

21       Wenn in der Revision weiters gerügt wird, der beantragte Zeuge sei nicht geladen und einvernommen worden, ist dazu festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Unterlassung einer Beweisaufnahme dann kein Verfahrensmangel gelegen ist, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist. Beweisanträge dürfen weiters dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel (ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung) untauglich ist. Ob eine Beweisaufnahme in diesem Sinn notwendig ist, unterliegt aber der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0478, mwN).

22       Entgegen dem Vorbringen in der Revision begründete das BVwG, warum es dem Beweisantrag des Revisionswerbers nicht nachkam. So stellte es - anders als noch die belangte Behörde - die Festnahme des Revisionswerbers durch die staatliche Polizei im November 2016 aufgrund seiner Homosexualität und seines nach außen getragenen „feminisierten“ Verhaltens entsprechend den Angaben des Revisionswerbers fest, sodass insofern eine Vernehmung des Zeugen als nicht mehr erforderlich angesehen werden durfte.

23       Überdies legt die Revision mit dem Vorbringen, der Zeuge wäre in der Lage gewesen, die konkreten Umstände der Festnahme des Revisionswerbers zu schildern, was für die Beurteilung, ob diese Festnahme willkürlich oder aufgrund der sexuellen Orientierung des Revisionswerbers erfolgt sei, relevant gewesen wäre, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar. Dazu wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret darzulegen, was die betreffenden Personen im Fall ihrer Vernehmung aussagen hätten können und welche anderen Feststellungen aufgrund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0502, mwN).

24       Darüber hinaus bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, dass in Bezug auf die vom Revisionswerber vorgebrachte Furcht, in Kuba eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung zu erwarten, dem BVwG des Weiteren anzulasten sei, sich nicht mit der drohenden Verurteilung des Revisionswerber sowie den ihm drohenden Haftbedingungen auseinandergesetzt zu haben. Der Verwaltungsgerichtshof habe zur Begründungspflicht bereits wiederholt ausgesprochen, dass das BVwG neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise auch die Pflicht habe, auf das Parteienvorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein könne, einzugehen. Das Vorbringen des Revisionswerbers zur strafrechtlichen Verfolgung und zur unmenschlichen Behandlung in Haft sei insbesondere vor dem Hintergrund der vom BVwG festgestellten Verhaftung des Revisionswerbers entscheidungsrelevant und insbesondere hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erheblich. Auch aus diesem Grund sei das BVwG von den dargestellten Grundsätzen seiner Ermittlungs- und Begründungspflicht abgewichen.

25       Das BVwG hat sich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu der behaupteten polizeilichen Vorladung und eines - wegen Nichterscheinens zu dem Termin - gegen ihn bestehenden Haftbefehls sowie dem verhängten Hausarrest und den diesbezüglich vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt und dazu ausgeführt, dass es sich bei diesen Unterlagen um Kopien handle, weshalb die Echtheit dieser Unterlagen, deren Originale sich nach eigenen Angaben des Revisionswerbers bei seiner Mutter in Kuba befänden, nicht einer näheren Überprüfung unterzogen werden könnten. Es ergebe sich aus diesen Kopien auch kein hinreichender Anhaltspunkt dafür, welches konkrete Verhalten des Revisionswerbers zur Ausstellung dieser Vorladungen bzw. sonstigen Zwangsmaßnahmen geführt habe. Auch der Revisionswerber habe diesbezüglich lediglich Vermutungen angestellt.

26       Diesen Ausführungen tritt die Revision nicht konkret entgegen. Wenn in diesem Zusammenhang wiederum Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - behauptet werden, gelingt es der Revision auch in diesem Zusammenhang nicht, die Relevanz darzutun (vgl. VwGH 5.8.2019, Ra 2019/20/0307, mwN).

27       Auch mit dem Vorbringen zur Rückführung des Revisionswerbers nach Kuba und der in Verbindung damit behaupteten drohenden unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung zeigt die Revision keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzuzeigende Mangelhaftigkeit des Verfahrens auf.

28       Schließlich rügt die Revision die Nichtdurchführung einer weiteren Verhandlung und die Nichteinvernahme des Revisionswerbers.

29       Das BVwG hat am 6. November 2019 eine mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers durchgeführt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ist der ordnungsgemäß geladene Revisionswerber unentschuldigt nicht erschienen.

30       Grundsätzlich hindert das Nichterscheinen einer ordnungsgemäß geladenen Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/14/0209, mwN). Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist somit eine „ordnungsgemäße Ladung“. Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der in § 19 Abs. 3 AVG genannten - das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigenden - Gründe vorliegt. Eine rechtswirksam geladene Partei hat die zwingenden Gründe für ihr Nichterscheinen darzutun. Sie muss etwa im Fall einer Erkrankung nicht nur deren Vorliegen behaupten und dartun, sondern auch die Hinderung am Erscheinen bei der Verhandlung aus diesem Grund. Die Triftigkeit des Nichterscheinens muss überprüfbar sein (vgl. VwGH 11.11.2019, Ra 2019/18/0448, mwN).

31       Aus den Verfahrensakten ergibt sich - was vom Revisionswerber auch nicht bestritten wird -, dass der Revisionswerber ordnungsgemäß und rechtswirksam geladen wurde. Der Revisionswerber bringt auch nicht vor, am Erscheinen gehindert gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund ist den Ausführungen des Revisionswerbers zur Notwendigkeit der neuerlichen Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Boden entzogen (vgl. erneut VwGH Ra 2018/14/0209, mwN).

32       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190342.L00

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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