TE Vwgh Erkenntnis 1997/8/5 95/11/0350

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Veröffentlicht am 05.08.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3 lita;
StVO 1960 §99 Abs1;
VStG §45 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. August 1995, Zl. MA 65-8/352/95, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 wegen Verkehrsunzuverlässigkeit für zehn Monate (ab Abnahme des Führerscheines) vorübergehend entzogen.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die bekämpfte Entscheidung beruht auf der - in selbständiger Beurteilung der Vorfrage gewonnenen - Annahme, die Beschwerdeführerin habe am 5. September 1993, nachdem sie einen Verkehrsunfall mit erheblichem Sachschaden verschuldet habe, trotz entsprechender Aufforderung durch ein Straßenaufsichtsorgan wegen des Verdachtes der Alkoholbeeinträchtigung die Untersuchung der Atemluft verweigert und dadurch eine ihre Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 gesetzt. Dem stehe der Umstand, daß das wegen Begehung eines Alkoholdeliktes geführte Strafverfahren eingestellt worden sei, nicht entgegen, weil die Einstellung bloß aus einem formellen Grund erfolgt sei.

Die Beschwerdeführerin bemängelt zum einen, daß kein rechtskräftiger Strafbescheid nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 oder nach Art. IX Abs. 1 Z. 3 EGVG vorliege, und zum anderen, daß die belangte Behörde, die das Entziehungsverfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt habe, die Bindung an die Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde, mit der das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden sei, nicht beachtet habe.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 auf die BEGEHUNG einer Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 abstellt und nicht eine Bestrafung nach dieser Bestimmung voraussetzt. Das Fehlen einer rechtskräftigen Bestrafung der Beschwerdeführerin ist daher kein Hindernis für die Annahme des Vorliegens einer bestimmten Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967. Gleiches gilt im Ergebnis für den Vorwurf, die belangte Behörde sei nicht in der Lage gewesen festzustellen, ob eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 oder eine solche nach Art. IX Abs. 1 Z. 3 EGVG (nunmehr: § 83 SPG) vorliege. Abgesehen davon, daß die belangte Behörde - nach der Aktenlage unbedenklich - eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 (Verweigerung der Untersuchung der Atemluft) angenommen hat, läge zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 66 Abs. 2 lit. e, letzter Halbsatz, KFG 1967 eine bestimmte Tatsache nach dieser Gesetzesstelle selbst dann vor, wenn die Tat nach § 83 SPG zu beurteilen wäre.

Auch in der Frage der vermeintlichen Bindung der belangten Behörde an die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz wurde ihr zunächst angelastet, am 5. September 1993 UM 22.00 UHR eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 begangen zu haben. Dieses Strafverfahren wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 1. September 1994 gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG eingestellt, weil die Beschwerdeführerin die ihr spruchmäßig angelastete Tat (Verweigerung der Atemluftuntersuchung UM 22.00 UHR) nicht begangen habe; die Verweigerung sei erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. In der Folge wurde der Beschwerdeführerin von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz angelastet, die besagte Übertretung am 5. September 1993 UM 22.30 UHR begangen zu haben. Dieses Strafverfahren wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 7. Juni 1995 gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Beide Einstellungen sind, wie die belangte Behörde zutreffend festgestellt hat, bloß aus einem formellen Grund erfolgt. Eine Entscheidung, daß die Beschwerdeführerin am 5. September 1993 kein Alkoholdelikt begangen habe, wurde damit nicht getroffen. Stellt die Verwaltungsstrafbehörde - wie hier - ein Strafverfahren wegen eines Alkoholdeliktes bloß aus einem formellen Grund ein, so erwächst daraus für die Kraftfahrbehörde keine Bindung in der Frage der Begehung dieses Alkoholdeliktes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1987, Slg. Nr. 12555/A, und das Erkenntnis vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0094). Dies verkennt die Beschwerdeführerin offensichtlich.

Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995110350.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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