TE Vwgh Erkenntnis 1997/8/5 97/11/0112

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.1997
beobachten
merken

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs1 litb;
KFG 1967 §66 Abs2 litc;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1997, Zl. MA 65-8/81/97, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von 24 Monaten, nämlich vom 30. Jänner 1997 - dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Entziehungsbescheides - bis 30. Jänner 1999, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf; etwaige Haftzeiten sind in diese Frist nicht einzurechnen (nach Behauptung des Beschwerdeführers wurde der Vollzug der gegen den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 23a des Suchtgiftgesetzes aufgeschoben).

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer eine strafbare Handlung (Verbrechen) nach § 12 des Suchtgiftgesetzes begangen hat. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Jänner 1997 wurde er dieses im November 1996 begangenen Verbrechens (Einfuhr von ca. 107 g Kokain) sowie wegen des Vergehens nach § 16 des Suchtgiftgesetzes (wiederholter Erwerb und Besitz von Haschisch und Kokain zwischen 1990 und 1996) für schuldig erkannt. Deswegen wurde eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt. In der erstgenannten strafbaren Handlung erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967, aus der die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers abzuleiten sei.

Der Beschwerdeführer bemängelt die Wertung dieser bestimmten Tatsache durch die belangte Behörde. Aus der strafbaren Handlung allein hätte nicht "automatisch" ein Entzug der Lenkerberechtigung abgeleitet werden dürfen. So hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, daß sich der Beschwerdeführer nur einmal ein Paket mit der Post von den Niederlanden nach Österreich geschickt habe. Die vom Beschwerdeführer eingeführte Menge sei zwar eine große Menge im Sinne des § 12 Abs. 1 SGG, entspreche aber nicht der strafverschärfend wesentlich größeren Menge im Sinne des § 12 Abs. 3 Z. 3 SGG. Zu der von der belangten Behörde angenommenen gefährlichen Neigung zur Begehung von Suchtgiftdelikten fehlten jegliche Feststellungen. Die strafbare Handlung sei ohne Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangen worden. Der Beschwerdeführer habe seit November 1996 nichts mehr mit Suchtgiften zu tun.

Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, aus der unbestritten vorliegenden bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 ergebe sich, daß der Beschwerdeführer als verkehrsunzuverlässig zu qualifizieren sei. Die Einfuhr einer die Untergrenze einer großen Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 SGG um ein Mehrfaches übersteigenden Menge Kokain ist in hohem Maß verwerflich und im Hinblick auf den Kreis der potentiellen Abnehmer im Inland auch gefährlich. Dazu bedurfte es keiner besonderen Feststellungen der belangten Behörde. Dasselbe gilt für die seit der Tat verstrichene Zeit von erst etwa viereinhalb Monaten. Es ist schließlich darauf hinzuweisen, daß die Begehung von Suchtgiftdelikten wie dem vorliegenden durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typischerweise erleichtert wird, sodaß es nicht darauf ankommt, ob konkret ein Kraftfahrzeug verwendet wurde oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai 1989, Zl. 89/11/0055).

Die belangte Behörde hat aber die Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 nicht dem Gesetz entsprechend bemessen. Auszugehen ist zunächst davon, daß der Beschwerdeführer ein einziges Mal Suchtgift eingeführt hat, daß also in Ansehung des § 12 Abs. 1 SGG eine einzige Tathandlung vorliegt. Die belangte Behörde hat diesem Umstand zu wenig Beachtung geschenkt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 91/11/0109, zum Ausdruck gebracht, daß die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mit zwei Jahren in einem Fall nicht dem Gesetz entspricht, in dem die betreffende Person eine Verurteilung wegen Inverkehrsetzens von insgesamt 260 g Kokain in neun Tathandlungen in einem Zeitraum von etwa 6 Monaten aufgewiesen hat.

Die belangte Behörde spricht ferner von einer "gefährlichen Neigung zur Begehung von Suchtgiftdelikten", begründet diese Annahme aber nicht. Sollte sie sich damit der Sache nach auf eine in Deutschland erfolgte Verurteilung wegen "unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln" beziehen, so liegt diese Verurteilung einerseits etwa acht Jahre zurück und ist nach dem Inhalt der Verwaltungsakten völlig offen, um welche Art von "Betäubungsmitteln" es sich gehandelt hat; es handelte sich im übrigen um die Verurteilung durch ein Amtsgericht zu einer Geldstrafe.

Die nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mit zwei Jahren bemessene Zeit ist zu lang. Dies hat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zu führen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997110112.X00

Im RIS seit

19.03.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten