TE Vwgh Beschluss 1997/8/12 96/17/0435

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Veröffentlicht am 12.08.1997
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Index

E1E;
E3L E09301000;
E6J;
L74007 Fremdenverkehr Tourismus Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E177 EGV Art177;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61984CJ0295 Rousseau Wilmot VORAB;
61986CJ0252 Gabriel Bergandi VORAB;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61990CJ0109 Giant VORAB;
61990CJ0200 Dansk Denkavit und Poulsen Trading VORAB;
61990CJ0347 Aldo Bozzi VORAB;
61991CJ0208 Raymond Beaulande VORAB;
61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;
TourismusG Tir 1991 §2 Abs1;
TourismusG Tir 1991 §23;
TourismusG Tir 1991 §30;
TourismusG Tir 1991 §33;
TourismusG Tir 1991 §4;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 97/0139 * EuGH-Zahl: C-344/97 Wr Städtische Allgemeine Versicherung AG * EuGH-Entscheidung:EuGH 61997CJ0338 8. Juni 1999 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 99/17/0233 E 30. August 1999 Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/17/0438 97/17/0171 97/17/0069 97/17/0070 97/17/0084 97/17/0094 97/17/0100 97/17/0101 97/17/0134 97/17/0138 97/17/0150 97/17/0159 97/17/0163 97/17/0169 97/17/0170 97/17/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, in den Beschwerdesachen

1. der Wiener Städtischen Allgemeinen Versicherungs AG in Wien, vertreten durch Heller, Löber, Bahn & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Seilergasse 16 (Zl. 96/17/0435) und weitere 15 Bfr, jeder vertreten durch deren Rechtsanwalt, gegen die Bescheide der Berufungskommission nach §38 des Tiroler TourismusG 1991 jeweils betreffend Vorschreibung eines Tourismusbeitrages nach dem Tiroler TourismusG 1991 für 1995 und/oder 1996 den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 177 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern, 77/388/EWG, ABl 1977 L 145 (6. Mehrwertsteuer-Richtlinie), hinsichtlich des Merkmales "Charakter von Umsatzsteuern" so auszulegen, daß er einen Mitgliedstaat daran hindert, von Unternehmern eine Fremdenverkehrsabgabe (Beitrag) einzuheben, die derart ausgestaltet ist,

-

daß die Geldleistung von den unmittelbar oder mittelbar am Tourismus interessierten Unternehmern und damit von einer großen Zahl von Unternehmern, aber nicht von allen Unternehmern eingehoben wird,

-

daß der Beitrag einem örtlichen Fremdenverkehrsverband zur Finanzierung der Förderung des Fremdenverkehrs bzw. einem für das gesamte Landesgebiet zuständigen Fonds zufließt,

-

daß die Bemessungsgrundlage der Jahresumsatz mit bestimmten Ausnahmen, so insbesondere mit Ausnahme des Umsatzes für Leistungen an Abnehmer, die ihren Wohnsitz (Sitz) außerhalb des Geltungsbereiches der Norm haben, soweit es sich nicht um Leistungen für eine Betriebsstätte im räumlichen Geltungsbereich der Norm (dem Bundesland des bundesstaatlich aufgebauten Mitgliedstaates) und nicht um Leistungen an Letztverbraucher handelt, sowie mit Ausnahme des Umsatzes für sonstige Leistungen, soweit sie nicht ausschließlich oder überwiegend im räumlichen Geltungsbereich der Norm (dem Bundesland des Mitgliedstaates) erbracht wurden, bildet,

-

daß die Höhe der Abgabe je nach dem vom Gesetzgeber für die jeweilige Branche, der der Abgabepflichtige angehört, angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr gestaffelt ist,

-

daß die Höhe der Abgabe in tourismusintensiven Orten höher ist als in anderen Orten und

-

daß ein Vorsteuerabzug nicht vorgesehen ist?

Begründung

1. Sachverhalt (Ausgangsverfahren):

Beim Verwaltungsgerichtshof sind eine Reihe von Beschwerden von natürlichen und juristischen Personen anhängig, die sich gegen Berufungsbescheide der Berufungskommission nach § 38 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 richten, mit denen die Berufung des jeweiligen Beschwerdeführers gegen die Vorschreibung von Abgaben nach dem Tiroler Tourismusgesetzes 1991 abgewiesen wurde. Bei den Abgaben handelt es sich einerseits um Beiträge an die örtlichen Tourismusverbände und andererseits um Beiträge an den Tiroler Tourismusförderungsfonds. Die Vorschreibungen stützen sich jeweils auf die unten (vgl. 3.) näher dargestellten gesetzlichen und auf Verordnungsstufe stehenden Grundlagen, nämlich das Tiroler Tourismusgesetz 1991, die Beitragsgruppenverordnung 1991 und die Ortsklassenverordnung 1994.

Die Beitragsvorschreibungen betreffen jeweils das Jahr 1995, in einzelnen Fällen auch das Jahr 1996; mit der unter 10. genannten Beschwerde wurde auch eine Beschwerde betreffend die Vorschreibung für das Jahr 1990 eingebracht, die zur hg. Zl. 97/17/0135 protokolliert ist.

Die Beschwerdeführer haben jeweils bereits im Verwaltungsverfahren und auch in den Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht, daß die Einhebung der Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 insoweit dem Gemeinschaftsrecht der EG widerspreche, als Art. 33 der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie dieser Einhebung entgegenstehe.

In einzelnen Beschwerden (so in der unter 6. genannten) wird darüber hinaus insoferne eine Verfassungswidrigkeit des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 geltend gemacht, als die Tourismusabgabe als ausschließliche Landesabgabe unzulässigerweise neben der Bundesabgabe "Umsatzsteuer" erhoben werde.

Mit den oben genannten angefochtenen Bescheiden wurde jeweils die Berufung des jeweiligen Beschwerdeführers bzw. der jeweiligen Beschwerdeführerin gegen die Vorschreibung der Beiträge durch die Behörde erster Instanz durch die Berufungskommission nach § 38 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde setzt sich in diesen Bescheiden nach kurzer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens jeweils - überwiegend in gleicher oder ähnlicher Weise - mit der Argumentation auseinander, daß das Tiroler Tourismusgesetz 1991 hinsichtlich der Vorschriften über die Beiträge zu den Tourismusverbänden bzw. zum Tiroler Tourismusförderungsfonds mit EG-Recht, nämlich Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, unvereinbar sei und daher in dem jeweiligen Beschwerdefall nicht anzuwenden sei.

2. Voraussetzungen der Vorlage nach Art. 177 EGV:

2.1. In sämtlichen Beschwerdeverfahren hängt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes davon ab, ob die von den Beschwerdeführern vorgetragenen Bedenken gegen die Einhebung der Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 im Hinblick auf Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie zutreffen oder nicht.

Angesichts der Bestimmtheit des Gebots in Art. 33 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, welcher den Mitgliedstaaten auch kein Ermessen einräumt, ist davon auszugehen, daß Vorschriften, die Art. 33 Abs. 1 der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie widersprechen, nicht anwendbar sind, daß vielmehr im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des EU-Rechts und die unmittelbare Anwendung auch von Richtlinien der EU, wenn diese nicht vollständig in einem Mitgliedstaat umgesetzt sind, von der Unanwendbarkeit der entgegenstehenden nationalen Vorschriften und damit auch der unten näher dargestellten Rechtsgrundlagen für die Erhebung der Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 auszugehen wäre.

Soferne somit die Einhebung der Beiträge zu den Tourismusverbänden und des Beitrages zum Tiroler Tourismusförderungsfonds gegen Art. 33 Abs. 1 der

6. Mehrwertsteuer-Richtlinie verstößt, wären die jeweiligen Vorschriften nicht anzuwenden, um dem Gebot, die Anwendung des Europarechts sicherzustellen, genüge zu tun.

Die vorgelegten Fragen sind somit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof entscheidungserheblich.

2.2. Da eine ausdrückliche Aussage des Europäischen Gerichtshofes zu Tourismusabgaben oder Fremdenverkehrsabgaben oder vergleichbaren Beiträgen in der Ausgestaltung, wie sie die Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 aufweisen, in der bisherigen Rechtsprechung nicht enthalten ist, sind die Fragen auch noch nicht Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht dabei davon aus, daß sich aus der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie zwar zahlreiche Anhaltspunkte auch für die Beantwortung der hier zu beurteilenden Frage ergeben. Die Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 unterscheiden sich jedoch von jenen Abgaben, die bislang Gegenstand von Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften waren (Urteil vom 27. November 1985, Rs 295/84, S.A. Rousseau Wilmot, Slg 1985, 3759ff, Zulässigkeit einer von Unternehmen eingehobenen Abgabe nichtsteuerlicher Art zugunsten von Einrichtungen sozialer Sicherheit, Bemessungsgrundlage Gesamtumsatz, Urteil vom 3. März 1988, Rs 252/86, Gabriel Bergandi, Slg. 1988, 1343ff, Abgabe lediglich auf die Bereitstellung des Gegenstandes (Spielapparates) ohne Berücksichtigung der durch die Bereitstellung tatsächlich zu erzielenden Einnahmen, ebenso Urteil vom 15. März 1989, verbundene Rs 317/86, 48, 49, 285, 363 bis 367/87, 66 und 78 bis 80/88, Slg. 1989, 787ff, Urteil vom 13. Juli 1989, verbundene Rs 93/88 und 94/88, Wisselink & Co BV und Abemij BV und Hart Nibbrig en Greeve BV ua, Slg. 1989, 2671, besondere Verbrauchssteuer (nur) auf Pkw und Mopeds, Urteil vom 7. Mai 1992, Rs C-347/90, Aldo Bozzi, Slg. 1992, I 2947ff, Zulässigkeit eines zusätzlichen Beitrages von Rechtsanwälten und Procuratori legali, keine allgemeine Abgabe und überdies nicht immer proportional zu der Vergütung, die der Mandant für die Dienstleistung zu erbringen hat, Urteil vom 19. März 1991, Rs C-109/90, Giant NV, Slg. 1991, I-1385ff, besondere Vergnügungssteuer nur auf begrenzte Gruppe von Gegenständen und Dienstleistungen, Urteil vom 31. März 1990, Rs C-200/90, Dansk Denkavit, Slg. 1992, I-2217, Unzulässigkeit einer Arbeitsmarktabgabe, die auf derselben Bemessungsgrundlage erhoben wird, nach der sich auch die Mehrwertsteuer bestimmt, also in Form eines Prozentsatzes vom Betrag der getätigten Verkäufe abzüglich des Betrags der getätigten Einkäufe, Urteil vom 16. September 1992, Rs C-208/91, Raymonds Beaulande, Slg. 1992, I-6709, Eintragungsgebühr für den Erwerb von Grundstücken bei Nichteinhaltung der Verpflichtung, innerhalb einer vorgeschriebenen Frist zu bauen).

2.3. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts kann im vorliegenden Fall auch nicht als offenkundig bezeichnet werden. Eine Beurteilung der gegenständlichen europarechtlichen Frage durch den Verwaltungsgerichtshof - wenn auch unter Einbeziehung der in den oben genannten Urteilen des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zum Ausdruck kommenden Grundsätze, wann eine Abgabe mit den wesentlichen Merkmalen der Mehrwertsteuer vorliegt - würde die Auslegung von sekundärem Gemeinschaftsrecht bedeuten, die keineswegs als offenkundig angesehen werden kann.

2.4. Da der Verwaltungsgerichtshof ein Gericht im Sinn des Art. 177 EGV ist und überdies ein Gericht im Sinn des Art. 177 Abs. 3 EGV, sind die Voraussetzungen für eine Vorlage gegeben (bzw. ist die Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorlage gegeben; vgl. EuGH Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81 - CILFIT, Slg. 1982, 3415).

3. Rechtsgrundlagen für die Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991:

Die in den eingangs genannten Beschwerdefällen vorgeschriebenen Beiträge stützen sich jeweils auf das Tiroler Tourismusgesetz 1991, LGBl. für Tirol Nr. 24, in der Fassung der Landesgesetze LGBl. Nr. 71/1992 und 111/1994 (die Beiträge betreffen jeweils das Jahr 1995, in Einzelfällen auch 1996; der vorliegende Vorlagebeschluß erstreckt sich nicht auf die mit der zur Zl. 97/17/0134 protokollierten Beschwerde verbundenen Beschwerde betreffend die Vorschreibung für das Jahr 1990, die zur hg. Zl. 97/17/0135 protokolliert wurde; nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften ist daher die Novelle zum Tiroler Tourismusgesetz 1991 LGBl. Nr. 9/1996 insoferne noch nicht anzuwenden; die Novelle LGBl. Nr. 9/1996 ist nach deren Art. II mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung, das war der 31. Jänner 1996, in Kraft getreten; sie kann daher erst für die Berechnung von Beiträgen für Zeiträume ab dem Februar 1996 herangezogen werden und ist insoferne nur in jenen Verfahren anzuwenden, in denen der jeweilige beschwerdeführende Unternehmer auch die Beitragsvorschreibung für 1996 bekämpft) sowie die Beitragsgruppenverordnung 1991 der Tiroler Landesregierung, LGBl. Nr. 84/1990 in der Fassung LBGl. Nr. 134/1993, 3/1994 und 124/1994, und die Ortsklassenverordnung der Tiroler Landesregierung, LGBl. Nr. 94/1993 in der Fassung LGBl. Nr. 102/1993.

Die Aufgaben der Tourismusverbände ergeben sich aus § 4 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 und bestehen demgemäß in der "Wahrung, Förderung und Vertretung der örtlichen Belange des Tourismus unter Bedachtnahme auf seine sozialen, kulturellen, ethischen und ökologischen Auswirkungen". § 4 Abs. 2 zählt demonstrativ die Aufgaben im besonderen auf.

Hinsichtlich der Aufbringung der Mittel sieht § 23 vor, daß die erforderlichen Mittel durch die Beiträge der Mitglieder (§§ 30ff), Zuweisungen des Landes aus der Aufenthaltsabgabe (§ 8 des Aufenthaltsabgabegesetzes), Erträge aus erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit, Erträge aus Vermietungen, Verpachtungen, Vermögensveräußerungen, Aufnahme von Krediten und freiwillige Zuwendungen aufgebracht werden.

Der Tiroler Tourismusförderungsfonds ist in den §§ 48ff des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 geregelt.

Der Fonds besitzt Rechtspersönlichkeit und wird durch Beiträge der Pflichtmitglieder und freiwilligen Mitglieder des Tourismusverbandes (gemeint: der Tourismusverbände im Land) sowie durch allfällige Zuschüsse des Landes und durch sonstige Zuwendungen finanziert.

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß alle Unternehmer iS des Umsatzsteuergesetzes 1994, die im Sinne des § 2 Abs. 1 des Tiroler Tourismusgesetzes 1991 "unmittelbar oder mittelbar" am Tourismus in Tirol interessiert sind, Pflichtbeiträge an den Tourismusverband und den Tiroler Tourismusförderungsfonds zu entrichten haben. Eine Konkretisierung des Kreises der solcherart erfaßten Pflichtmitglieder ergibt sich aus der sogenannten Beitragsgruppenverordnung nach § 33 Tiroler Tourismusgesetz 1991. Diese Verordnung, die die Pflichtmitglieder in Beitragsgruppen einzureihen hat, zeigt, welche Berufsgruppen grundsätzlich nach Auffassung der verordnungserlassenden Landesregierung die Kriterien des § 33 Abs. 1 Tiroler Tourismusgesetz 1991 erfüllen. Die Subsumtion unter eine der in der Verordnung enthaltenen Berufsgruppen hat im Einzelfall aus Anlaß der Beitragsvorschreibung zu erfolgen. Für Zweifelsfälle betreffend die Pflichtmitgliedschaft ist im Gesetz die Erlassung eines Feststellungsbescheides über das Bestehen der Pflichtmitgliedschaft ausdrücklich vorgesehen. In der für die Beschwerdefälle, die die Ausgangsfälle für die vorliegende Vorlagefrage bilden, maßgebenden Beitragsgruppenverordnung 1991, LGBl. Nr. 84/1990, in der Fassung LGBl. Nr. 134/1993, 3/1994 und 124/1994, sind rund 700 Berufsgruppen erfaßt. Die Nennung einer Berufsgruppe in der Beitragsgruppenverordnung bedeutet nicht eine endgültige Festlegung, daß alle Angehörigen der jeweiligen Berufsgruppe auch Pflichtmitglieder des örtlich zuständigen Tourismusverbandes sind. Soferne im Einzelfall nachweisbar ist, daß kein unmittelbares oder mittelbares Interesse am Fremdenverkehr gegeben ist, ist im Sinne des § 2 Abs. 1 des Tourismusgesetzes 1991 auch keine Pflichtmitgliedschaft gegeben.

Für die Einreihung in die einzelnen Beitragsgruppen ist das Verhältnis des von der einzelnen Berufsgruppe nach allgemeinen wirtschaftlichen Erfahrungen aus dem Tourismus unmittelbar oder mittelbar erzielten Erfolges zum entsprechenden Gesamterfolg aller Berufsgruppen maßgebend. Die Einreihung erfolgt in sieben Gruppen und ist überdies gesondert nach den Ortsklassen A, B und C, die durch die Anzahl der Gästenächtigungen je Einwohner definiert sind, vorzunehmen. Die Zuordnung der einzelnen Tourismusverbände zu den Ortsklassen hat ebenfalls durch Verordnung der Landesregierung (auf fünf Jahre, entsprechend dem fünfjährigen Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre) zu erfolgen.

Die Bemessungsgrundlage für die Beiträge ist grundsätzlich der vom Unternehmer erzielte Jahresumsatz, wobei unter den Ausnahmen insbesondere jene zu erwähnen sind, denen zufolge bestimmte Lieferungen und Leistungen außerhalb Tirols aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden werden können (§ 31 Abs. 1 lit. b und c Tiroler Tourismusgesetz 1991). Mit diesen Ausnahmen soll gewährleistet werden, daß nur jene Umsätze erfaßt werden, bei denen tatsächlich davon ausgegangen werden kann, daß sie zumindest mittelbar in bestimmter Hinsicht auch durch den Tourismus in Tirol veranlaßt sind.

Die in Rede stehenden Beiträge sind daher zwar von einer Vielzahl von Berufsgruppen zu entrichten, nicht jedoch von allen. Es läßt sich jedoch im Unterschied von den oben genannten Fällen, die vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu entscheiden waren, nicht sagen, daß es sich lediglich um einzelne Umsätze, die von der Abgabe betroffen sind, handle.

Da nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nicht auszuschließen ist, daß auch "Abgaben nichtsteuerlicher Art" unter das aus Art. 33 Abs. 1 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie ableitbare Gebot, keine der Umsatzsteuer gleichartige Abgaben einzuheben, fallen (vgl. das Urteil vom 27. November 1985, Rs 295/84, S.A. Rousseau Wilmot, und das Urteil vom 7. Mai 1992, Rs C-347/90, Aldo Bozzi, Slg. 1992, I 2947ff), könnten auch die gegenständlichen Beiträge nach dem Tiroler Tourismusgesetz 1991 grundsätzlich den Charakter einer das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beeinträchtigenden Abgabe haben.

5. Zur Klärung, ob die sich aus den dargestellten Rechtsgrundlagen ergebenden besonderen Merkmale ausreichen, wie in den oben genannten Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften diesen Charakter zu verneinen, war die einleitend formulierte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Gerichtsentscheidung

EuGH 61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
EuGH 61984CJ0295 Rousseau Wilmot VORAB;
EuGH 61986CJ0252 Gabriel Bergandi VORAB;
EuGH 61988CJ0093 Wisselink VORAB;
EuGH 61990CJ0109 Giant VORAB;
EuGH 61990CJ0200 Dansk Denkavit und Poulsen Trading VORAB;
EuGH 61990CJ0347 Aldo Bozzi VORAB;
EuGH 61991CJ0208 Raymond Beaulande VORAB
EuGH 61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996170435.X00

Im RIS seit

05.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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