TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/2 W224 2233318-1

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

B-VG Art130 Abs3
B-VG Art132 Abs3
B-VG Art133 Abs4
PrivSchG §14
VwGVG §16 Abs1
VwGVG §16 Abs2

Spruch

W224 2233318-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde des Vereins „ XXXX “ gegen den Bescheid des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung vom 04.06.2020, Zl. 2020-0.319.785, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der beschwerdeführende Verein beantragte die Genehmigung des Organisationsstatus der von ihm geführten Privatschule in XXXX , ab dem Schuljahr 2019/2020.

2. Mit Schreiben vom 20.05.2020 erhob der beschwerdeführende Verein Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den von ihm gestellten Antrag.

3. Mit Bescheid vom 02.06.2020, GZ.: BMBWF-24.441/0002-II/4/2019, genehmigte der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung das Organisationsstatut für die vom beschwerdeführenden Verein geführte Privatschule ab dem Schuljahr 2020/21. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

4. Mit Bescheid vom 04.06.2020, Zl. 2020-0.319.785, hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung (im Folgenden: belangte Behörde) das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG eingestellt und im Wesentlichen damit begründet, dass durch den Bescheid vom 02.06.2020, mit welchem das Organisationsstatut für die vom beschwerdeführenden Verein geführte Privatschule ab dem Schuljahr 2020/21 genehmigt wurde, der „geforderte Bescheid“ erlassen worden sei.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der beschwerdeführende Verein Beschwerde und führte dabei im Wesentlichen aus, das Organisationsstatut sei zwar für das Schuljahr 2020/21 genehmigt worden. Es sei jedoch nicht der ursprünglichen Säumnisbeschwerde bzw. dem ursprünglichen Ansuchen um Genehmigung entsprochen worden, weil die belangte Behörde nicht über die Genehmigung des Organisationsstatuts für das Schuljahr 2019/20 abgesprochen habe.

6. Mit Schreiben vom 23.07.2020 übermittelte die belangte Behörde die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verein „ XXXX “ beantragte die Genehmigung des Organisationsstatus der von ihm geführten Privatschule in XXXX , ab dem Schuljahr 2019/2020.

Das Organisationsstatut der vom Verein „ XXXX “ geführten Privatschule in XXXX , wurde ab dem Schuljahr 2020/2021 genehmigt.

Über die Genehmigung des Organisationsstatuts für das Schuljahr 2019/2020 der vom Verein „ XXXX “ geführten Privatschule in XXXX , wurde nicht abgesprochen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem verwaltungsbehördlichen Verfahren und dem Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

Gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG kann die Behörde im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid erlassen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, ist das Verfahren einzustellen. Dies sowohl bei fristgerechter als auch bei verspäteter Bescheiderlassung, weil das Gesetz als Tatbestandsvoraussetzung für die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens die Erlassung des Bescheides bestimmt, ohne in diesem Zusammenhang zu differenzieren, ob der nachgeholte Bescheid noch innerhalb oder erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist erlassen wurde. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen, wenn sie den Bescheid nicht nachholt. Die Berechtigung zur Geltendmachung der behördlichen Entscheidungspflicht setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass durch die Säumigkeit der Behörde in die Rechtssphäre des Devolutionswerbers eingegriffen wird (vgl. VwGH 29.10.2015, Ra 2015/07/0080). Eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde richtet sich also darauf, dass der Behörde die Möglichkeit zur Nachholung des Bescheides und damit zur Erledigung der Verwaltungssache gegeben wird.

Eine „Verletzung der Entscheidungspflicht“ kann geltend machen, wer als Partei in einem Verwaltungsverfahren Anspruch auf Erlassung eines Bescheides hat (vgl. auch VwGH 25.11.2015, Ra 2015/08/0102, wonach Zweck des Rechtsbehelfes der Säumnisbeschwerde es ist, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in seiner Sache zu erlangen [vgl. Pabel, Das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Rz 82 in Fischer/Pabel/N. Raschauer, Handbuch der Verwaltungsgerichtsbarkeit]).

Zielsetzung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist es, nach dem Eintritt der Säumnis die Fällung einer Sachentscheidung in der kürzestmöglichen Frist herbeizuführen. Je früher dieses Ziel, auf welchem Weg immer (durch die Behörde oder das Verwaltungsgericht), erreicht wird, desto eher wird dieser Zielsetzung entsprochen. Der zeitlich kürzeste Weg, den das Gesetz vorsieht, ist der der Nachholung des Bescheides durch die Behörde bis zum Ablauf der nach § 16 Abs. 1 VwGVG eingeräumten Frist. Die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist nach der Systematik des § 16 VwGVG von der Verwaltungsbehörde vorzunehmen, weil § 16 Abs. 2 VwGVG die Vorlage der Beschwerde unter Anschluss der Akten (nur) für den Fall vorsieht, dass die Bescheiderlassung von der Behörde nicht nachgeholt wird.

Bei der Entscheidung der Behörde, das Verfahren einzustellen, handelt sich um die Entscheidung der Behörde, im Säumnisbeschwerdeverfahren wegen Erreichung des Rechtsschutzzieles keine weiteren Schritte zu setzen. Wegen der Bedeutung dieser Entscheidung für den Rechtsschutzsuchenden im Säumnisbeschwerdeverfahren kommt aus Rechtsschutzgründen nur eine bescheidmäßige Einstellung in Betracht, weil dadurch der Antragsteller in die Lage versetzt wird, gegen die Einstellung im Wege eines eigenen Beschwerdeverfahrens vorzugehen, wenn er die Ansicht vertritt, dass die Verwaltungsangelegenheit durch den ergangenen Bescheid nicht oder nicht zur Gänze erledigt worden sei (vgl. zum Erfordernis der förmlichen Einstellung eines vom Verwaltungsgericht geführten Beschwerdeverfahrens VwGH 29.4.2015, Fr 2014/20/0047).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001) geht spätestens nach Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit auf das Verwaltungsgericht über und dieses hat nunmehr in der Verwaltungssache alleine zu entscheiden. Die Unzuständigkeit der Behörde ist gemäß § 27 VwGVG vom Verwaltungsgericht im Bescheidbeschwerdeverfahren von Amts wegen aufzugreifen (vgl. auch Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017) K 5 zu § 16 VwGVG, 124). Der die Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde begründende Zuständigkeitsübergang tritt unabhängig von einer allfälligen nachträglichen Bescheiderlassung alleine auf Grund des ungenützten Verstreichens der dreimonatigen Nachholfrist nach Einbringung einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde ein. Er bleibt als Rechtsfolge des Ablaufs der Nachholfrist aufrecht. Im Falle der Behebung des nachgeholten Bescheides fällt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. abermals VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001) der Zuständigkeitsübergang nicht weg. Dies muss nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auch für die Behebung des Bescheides gelten, mit dem das Säumnisbeschwerdeverfahren eingestellt worden ist, insbesondere, wenn der Bescheid zur Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens aufgehoben wird, weil die Verwaltungsangelegenheit durch ebendiesen Bescheid nicht oder nicht zur Gänze erledigt worden ist. Die als Rechtsfolge der Ingangsetzung des Fristenlaufs eingetretene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache ist dem weiteren Beschwerdeverfahren zugrunde zu legen. Eine von der Behörde vorgenommene Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens ändert daran nichts. Mit der Einstellung wurde lediglich erklärt, dass die Behörde im Säumnisbeschwerdeverfahren keine weiteren Schritte setzen werde. Diese beseitigt jedoch nicht die bereits eingetretene Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs, der im Verfahren über die Verwaltungsangelegenheit berücksichtigt werden muss. Der Behörde nach Ablauf der ihr gesetzlich vorgeschriebenen Entscheidungsfrist und nach Ablauf durch § 16 Abs. 1 VwGVG eingeräumten Nachholfrist eine neuerliche Zuständigkeit für eine Entscheidung in der Sache zuzuschreiben, findet hingegen weder im Gesetz noch in der Systematik des mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 geschaffenen Verfahrensrechts Deckung.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zu Unrecht ein, weil sie mit dem nachgeholten Bescheid vom 02.06.2020 die Verwaltungsangelegenheit nicht zur Gänze erledigt hat.

Aus diesen Gründen war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Nunmehr hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht unter Anschluss aller relevanten Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen, weil er den Bescheid nicht entsprechend nachgeholt hat. In weiterer Folge ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig zur Entscheidung über die Genehmigung des Organisationsstatuts der vom Verein „ XXXX “ geführten Privatschule in XXXX , für das Schuljahr 2019/2020.

Eine mündliche Verhandlung wurde nicht beantragt und konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe dazu etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Stattgabe der Beschwerde und Aufhebung des angefochtenen Bescheides ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 16 VwGVG (vgl. VwGH 19.9.2017, Ro 2017/20/0001; 29.4.2015, Fr 2014/20/0047; 29.10.2015, Ra 2015/07/0080).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Entscheidung in der Sache Entscheidungspflicht ersatzlose Behebung Organisationsstatut Privatschule Säumnisbeschwerde Verfahrenseinstellung Voraussetzungen Zuständigkeitsübergang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W224.2233318.1.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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