TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/22 W176 2234998-1

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Veröffentlicht am 22.09.2020
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Entscheidungsdatum

22.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §1 Z5
GEG §2 Abs1
GEG §6a
VwGVG §28 Abs2
ZPO §40

Spruch

W176 2234998-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von Mbundila Patrick KITENGE gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17.06.2020, Zl. 100 Jv 2602/20v-33a, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Dem gegenständlichen Rechtsstreit liegt das vor dem Bezirksgericht XXXX zur Zl. XXXX geführte Verfahren über die am 19.11.2019 von der XXXX gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer erhobene Räumungsklage zugrunde.

1.2. Bei der in diesem Verfahren durchgeführten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 10.12.2019 gab der Beschwerdeführer nach dem Protokoll an, er spreche die französische Sprache und verstehe die Erklärung wegen des Versäumungsurteils nicht. Daraufhin wurde ihm aufgetragen, zwecks Bestellung eines Dolmetscher für die französische Sprache EUR 460,-- bei Gericht zu erlegen. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer von der Richterin – auch auf Französisch – mitgeteilt, dass ein Dolmetscher notwendig sei, da er die Rechtsbelehrung nicht verstanden habe. Schließlich wurde die Tagsatzung zur Protokollierung des weiteren Vorbringens und Bestellung eines Dolmetschers für die französische Sprache auf den 28.01.2020 erstreckt.

1.3. Mit am 13. bzw. am 14.01.2020 eingebrachten Schriftsätzen teilte der Beschwerdeführer dem Gericht mit, dass er keinen Dolmetscher benötige und am 28.01.2020 ohne Dolmetscher zur Verhandlung kommen werde, da von seiner Seite aus keiner benötigt werde und auch nicht bezahlt werden könne.

1.4. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 28.01.2020 war eine vom Gericht bestellte Dolmetscherin für die französische Sprache anwesend, die eine Dolmetschergebühr idHv EUR 91,-- verzeichnete.

1.5. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 28.01.2020 wurden die verzeichneten Dolmetschergebühren idHv EUR 91,-- antragsgemäß bestimmt und die Buchhaltungsagentur des Bundes zur vorläufigen Auszahlung aus Amtsgeldern angewiesen.

2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17.06.2020 schrieb die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (im Folgenden: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer die gemäß § 2 Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (GEG), zu ersetzenden Dolmetschergebühren idHv EUR 91,-- sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG idHv EUR 8,--, insgesamt daher den Betrag von EUR 99,--, zur Zahlung vor.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass die Bestellung der Dolmetscherin und deren Tätigkeit in der Tagsatzung vom 28.01.2020 im Interesse des Beschwerdeführers gewesen sei, weshalb dieser die Dolmetscherkosten zu tragen habe.

2.2. Dagegen erhob die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wiederholte er im Wesentlichen sein Vorbringen, die Dolmetscherkosten nicht bezahlen zu müssen, da er bekanntgegeben habe, keinen Dolmetscher zu brauchen. Auch sei er in Wien in die Schule gegangen und habe mit einer Österreicherin zwei Kinder. Abschließend wies er darauf hin, dass er derzeit Notstandshilfe beziehe und sein Einkommen „sehr zu gering“ sei.

2.3. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht von dem unter Punkt I. dargelegten Sachverhalt aus.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vollständig vorgelegten, unstrittigen Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des gerichtlichen Grundverfahrens.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1.  Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

3.1.2.  Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.3.  Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idF BGBl. I Nr. 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

3.2.    Zu A)

3.2.1.1. Gemäß § 2 Abs. 1 GEG sind die im § 1 Z 5 leg. cit. genannten Kosten, sofern hiefür kein Kostenvorschuss erlegt wurde oder keine andere Regelung getroffen ist, aus Amtsgeldern zu berichtigen; diese und die im § 1 Z 7 leg. cit. genannten Kosten sind dem Bund von der Partei zu ersetzen, die nach den bestehenden Vorschriften hiezu verpflichtet ist. Hiebei ist, wenn über die Kostenersatzpflicht der Parteien schon rechtskräftig entschieden worden ist, von dieser Entscheidung auszugehen. Mangels einer Vorschrift oder Entscheidung sind diese Beträge von denjenigen Beteiligten zu ersetzen, die sie veranlasst haben oder in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wurde. Mehrere Personen, die zum Ersatz desselben Betrages verpflichtet sind, haften zur ungeteilten Hand. Sind in bürgerlichen Rechtssachen die Kosten einer Amtshandlung, die den Betrag von € 300,-- übersteigen, aus Amtsgeldern zu berichtigen oder berichtigt worden, so hat das erkennende Gericht (der Vorsitzende) gemäß § 2 Abs. 2 GEG mit der Auszahlungsanweisung oder, wenn die Auszahlung nicht vom Richter angeordnet wird, unverzüglich nach dieser Anweisung mit gesondertem Beschluss dem Grunde nach zu bestimmen, welche Partei in welchem Umfang diese Kosten nach Abs. 1 leg. cit. zu ersetzen hat.

§ 1 GEG lautet (auszugsweise):

„Das Gericht hat nachstehende Beträge von Amts wegen einzubringen:

[…]

5. in bürgerlichen Rechtssachen alle Kosten, die aus Amtsgeldern berichtigt wurden, sofern sie von einer Partei zu ersetzen sind. Solche Kosten sind insbesondere:

[…]

c) die Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetsche und Beisitzer,

[…]“

Gemäß § 40 Abs. 1 Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895 (ZPO), hat jede Partei die durch ihre Prozesshandlungen verursachten Kosten zunächst selbst zu bestreiten. Die Kosten solcher gerichtlicher Handlungen, welche von beiden Parteien gemeinschaftlich veranlasst oder vom Gericht im Interesse beider Parteien auf Antrag oder von amtswegen vorgenommen werden, sind von beiden Parteien gemeinschaftlich zu bestreiten.

3.2.1.2. § 40 Abs. 1 ZPO ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die „bestehende Vorschrift“, nach der gemäß § 2 GEG die Parteien in Zivilprozessen die Kosten zu ersetzen haben. Im Regelfall wird daher der Beweisführer die Kosten zu tragen haben. In den Fällen, in denen keine der Parteien einen Antrag auf Vornahme der Amtshandlung gestellt hat, wird es darauf ankommen, in wessen Interesse sie vorgenommen worden ist (vgl. Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren, 11. Auflage (2014), S 383f).

Die Frage, wer die im Zivilprozess entstandenen Kosten – unbeschadet einer allfälligen Ersatzpflicht des Gegners – zunächst zu tragen hat, regelt § 40 Abs. 1 ZPO. Danach hat jede Partei die durch ihre Prozesshandlungen verursachten Kosten selbst zu bestreiten (vgl. etwa VwGH 26.09.1979, 237, 2328/79; 29.03.1990, 89/17/0164). Wenn auch § 40 ZPO nicht ausdrücklich die Ersatzpflicht für aus Amtsgeldern zur Bestreitung von Prozesskosten vorläufig ausgelegten Beträge regelt, so ist doch darin eine Vorschrift zu erblicken, die nach dem ersten Satz des § 2 Abs. 1 GEG heranzuziehen ist (vgl. VwGH 05.12.1961, 294/60; 16.12.1983, 83/17/0176)

3.2.2.1. Der gegenständliche Fall betrifft die Frage der Tragung von Dolmetscherkosten unter dem Schwellenwert von EUR 300,--. Es wurde daher zu Recht vom Gericht im Grundverfahren kein Grundsatzbeschluss getroffen; vielmehr ist über die Kostentragung im Einbringungsverfahren durch die Justizverwaltung zu entscheiden.

3.2.2.2. Die belangte Behörde ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die Dolmetscherkosten zu tragen hat:

Denn wie sich aus dem Protokoll der Tagsatzung vom 10.12.2019 ergibt, erfolgte die Bestellung der Dolmetscherin zweifelsohne deshalb, da der Beschwerdeführer aus sprachlichen Gründen die ihm erteilte Rechtsbelehrung nicht verstand – und somit in seinem Interesse.

Dass der Beschwerdeführer mehrmals bekannt gab, keinen Dolmetscher zu brauchen, ist dabei ebenso wenig von Relevanz wie die Frage, ob er über Deutschkenntnisse verfügt, die zur Bewältigung des normalen täglichen Lebens durchaus genügen.

3.2.3.  Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit abschließend zum Ergebnis, dass dem angefochtenen Bescheid keine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten ist, weshalb die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen war.

3.2.4. Ob die Beschwerdeausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers als Nachlassantrag iSd § 9 GEG zu deuten sind, ist vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien (Einbringungsstelle) zu entscheiden.

3.2.5. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von „civil rights“ unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305 mwN). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art. 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll. Unter Verweis auf § 39 Abs. 2 Z 6 Verwaltungsgerichtshofgesetz, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), welcher im Wesentlichen § 24 Abs. 4 VwGVG entspricht, hat der Verwaltungsgerichtshof von der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung in einer Frage der Gebührenpflicht nach dem Gerichtsgebührengesetz, BGBl. Nr. 501/1984 (GGG), Abstand genommen (VwGH 28.03.2014, 2013/16/0218).

3.3.    Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. insbesondere die unter Punkt 3.2. angeführte Judikatur). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht uneinheitlich. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Dolmetscher Dolmetschgebühren mündliche Verhandlung Sprachkenntnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W176.2234998.1.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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