TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/30 L503 2234149-1

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Veröffentlicht am 30.09.2020
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Entscheidungsdatum

30.09.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
BBG §48
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L503 2234149-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 10.01.2020, XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) verfügte aufgrund von Epilepsie zuletzt über einen bis zum 31.10.2019 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung im Ausmaß von 60 v. H.

2. Am 13.8.2019 beantragte der BF beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass. Ergänzend dazu führte er mit Schreiben an das SMS vom 8.8.2019 (beim SMS eingelangt am 20.8.2019) aus, er sei aufgrund der schon bekannten Epilepsie auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen; er dürfe weder Auto, noch Fahrrad fahren. Er sei der Ansicht, dass er die Eintragung, dass er die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann, in Anspruch nehmen könne und ersuche um entsprechende Bearbeitung.

3. In weiterer Folge holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 28.11.2019 von Dr. S. H., Ärztin für Allgemeinmedizin Fachärztin für Psychiatrie, untersucht.

In dem in weiterer Folge von Dr. S. H. am 30.12.2019 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird auszugsweise wie folgt ausgeführt:

„Derzeitige Beschwerden:

Seit der frühen Kindheit bestehe eine Epilepsie - damals habe er alle paar Jahre einen Grand-mal-Anfall gehabt, seit 2006 bestehe eine deutliche Zunahme der Frequenz. Seither nehme er eine antiepileptische Therapie ein. Derzeit habe er vor 2 Monaten den letzten starken Anfall gehabt, meist alle paar Monate - mit Einnässen und Zungenbiß. Es sei schon oft die Rettung da gewesen. Er verweigere dann immer jegliche Behandlung - das wolle er eigentlich nicht machen - passiere aber immer postiktal.

Im Oktober hatte er einen Termin auf der Neurochirurgie zum Erstgespräch bezüglich der operativen Versorgung des Basilarisspitzenaneurysmas. Eine endgültige Entscheidung habe er noch nicht getroffen.

Derzeit konsumiere er Cannabis (ca. 5-6 g/Woche), Alkohol habe er seit April deutlich reduziert - derzeit trinke er gar nichts.

Ende 2015 Benzodiazepin- und Opiatentzug - davor 8 Jahre Substitutionstherapie.

In der Jugend begann er am Wochenende Cannabis zu konsumieren und Amphetamine und XTC. Mit ca. 26 begann er Heroin nasal zu konsumieren. 2008 probierte er einige Male i.v. Konsum. Da er einmal überdosierte ließ er sich im Substitutionsprogramm aufnehmen.

Seit 2015 bestehe keine Berufstätigkeit mehr. Er habe oft bei Kursen epileptische Anfälle gehabt. Es sei bereits zu vielen Verletzungen gekommen. Auf Schwedenofen, Heizungskanten, Gehsteigkanten. Merhere Nasenfrakturen. Er gehe zB am Gehsteig immer weit weg von der Straße, traue sich nicht Radfahren, gebe nur einige Zentimeter Wasser in die Badewanne. Er könne nicht selbst Auto fahren - wenn er mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiter weg fährt, hat er meistens eine Begleitperson dabei - zur eigenen Sicherheit und um versorgt zu sein.“

Zusammengefasst wurde im Gutachten vom 30.12.2019 als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Epilepsie mit generalisiert tonisch-klonischen Anfällen.

Alle 2 Monate generlisiert tonisch-klonische Anfälle, mit mehrfachen Verletzungen, trotz Zweifachtherapie.

04.10.02

60 vH

02

Z.n. Polytoxikomanie;

Geringer Cannabisabusus, Alkoholabhängigkeit - derzeit anamnestisch abstinent, Z.n. Opiat- und Benzodiazepinabhängigkeit;

03.08.01

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, das Leiden Nummer 1 bestimme den Gesamtgrad der Behinderung von 50%; das Leiden Nummer 2 steigere aufgrund von Geringfügigkeit nicht weiter.

4. Am 8.1.2020 wurde dem BF (wiederum) ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v. H. ausgestellt.

5. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 10.1.2020 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber des Passes kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42, 45 und 48 BBG abgewiesen.

Begründend wurde – nach Darstellung insbesondere von § 48 BBG - ausgeführt, die begehrte Zusatzeintragung könne nicht vorgenommen werden, da der BF keine der in § 48 BBG genannten Voraussetzungen erfülle.

6. Mit Schreiben vom 20.1.2020 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.1.2020. Eingangs stellte der BF die rhetorische Frage, welche Diagnosen er noch brauche, „um die 70% für die Eintragung zu bekommen“. Sodann führte der BF aus, er dürfe mit keinem Fahrrad fahren und kein Auto lenken; alles könne man nicht zu Fuß erledigen. In einem öffentlichen Fahrzeug sei er sicher. Er sei Notstandshilfeempfänger und auf finanzielle Hilfe angewiesen. Er leide – wie dem SMS bekannt sei – an Epilepsie und seit 2019 an einem Aneurysma, wobei er eine diesbezügliche Operation abgesagt habe. Jedenfalls bleibe seine Epilepsie, er sei diesbezüglich laufend in Kontrolle und mehr könne er nicht machen.

7. Im Gefolge der Beschwerde holte das SMS ein weiteres Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 26.6.2020 von Dr. A. K., Facharzt für Neurologie und Arzt für Allgemeinmedizin, untersucht und führte der Gutachter in seinem Gutachten vom 9.7.2020 auszugsweise wie folgt aus:

„Derzeitige Beschwerden:

Der Antragsteller erhebt Einspruch gegen das Vorgutachten. Nach seinen eigenen Angaben, kommt es etwa 3-4x pro Jahr zu sogenannten generalisierten tonisch klonischen Anfällen. Er nimmt Gerolamic sowie Levebon zur Anfallsprophyaxe ein.

Im Zusammenhang mit den Anfällen, ist es mehrmals schon zu schwereren Verletzungen gekommen. Der letzte Anfall war im April diesen Jahres.

Bez. seines Konsumverhaltens berichtet er aktuell über einen täglichen Cannabiskonsum, Alkohol würde er derzeit nur gelegentlich konsumieren. Sonstige Substanzen werden aktuell negiert.

[…]

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Ambulanzbericht Abteilung für Epilepsie Klinikum W., 19.09.2019

Diagnosen:

Anamnestisch Epilepsie mit generalisierten tonisch-klonischen Anfällen seit dem Kindesalter.

Basilarisspitzenaneurysma

Polytoxikomanie

Aktueller Abusus: Nikotin 5 Zigaretten pro Tag, Alkohol 2-3 Halbliter Bier pro Tag, Cannabis (täglich) Heroin (einmal pro Monat)

Z.n. Benzodiazepinentzug 2015

Z.n. Kokainabusus bis 2015“

Zusammengefasst wurde im Gutachten vom 9.7.2020 als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Epilepsie mit generalisierten tonisch klonischen Anfällen.

3-4 generalisierte tonisch klonische Anfälle pro Jahr. Moderate konvulsive zweifache antikonvulsive Therapie.

04.10.02

60 vH

02

Z.n. Polytoxikomanie.

Anhaltender Cannabis Abusus, aktuell gelegentlicher Alkoholkonsum. Derzeit anamnestisch keine sonstigen Substanzen.

03.08.01

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, die Positionsnummer 1 werde durch die Positionsnummer 2 aufgrund der Geringfügigkeit bzw. fehlenden negativen Beeinflussung nicht erhöht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:

„Z.n. offener Orbitadachfratkur, Fract. frontobasal sin., Fract. orbitae sin., Vlc. supraorbit. dext. - folgenlos abgeheilt

Basilarisspitzenaneurysma - asymptomatisch.“

8. Mit Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs vom 14.7.2020 teilte das SMS dem BF mit, dass der Grad der Behinderung 60% betrage; die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung „Fahrpreisermäßigung“ würden daher nicht vorliegen. Dem BF werde die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Beigelegt wurde dem Schreiben das Gutachten von Dr. A. K. vom 9.7.2020.

9. Eine Stellungnahme des BF ist nicht aktenkundig.

10. Am 18.8.2020 legte das SMS den Akt dem BVwG vor und wies darauf hin, dass die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgelaufen sei.

11. Mit Schreiben vom 24.8.2020 teilte das SMS dem BVwG auf Nachfragen mit, dass der BF keine Stellungnahme zum Parteiengehör vom 14.7.2020 abgegeben habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist 1977 geboren und in Österreich wohnhaft. Er verfügt über einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v. H.

Am 20.8.2019 beantragte der BF die Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber des Passes kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ in den Behindertenpass.

1.2. Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Epilepsie mit generalisierten tonisch klonischen Anfällen.

3-4 generalisierte tonisch klonische Anfälle pro Jahr. Moderate konvulsive zweifache antikonvulsive Therapie.

04.10.02

60 vH

02

Z.n. Polytoxikomanie.

Anhaltender Cannabis Abusus, aktuell gelegentlicher Alkoholkonsum. Derzeit anamnestisch keine sonstigen Substanzen.

03.08.01

20 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

60 vH

 

Die Positionsnummer 1 wird durch die Positionsnummer 2 aufgrund der Geringfügigkeit bzw. fehlenden negativen Beeinflussung nicht erhöht. Folgende Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: Zustand nach offener Orbitadachfratkur, Fract. frontobasal sin., Fract. orbitae sin., Vlc. supraorbit. dext. - folgenlos abgeheilt; Basilarisspitzenaneurysma - asymptomatisch.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zum BF, zu seinem Behindertenpass und seinem Antrag auf Vornahme einer Zusatzeintragung ergeben sich unmittelbar aus dem Akteninhalt.

2.3. Die getroffenen Feststellungen zu den beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem (zuletzt) – aufgrund der Beschwerde des BF - vom SMS eingeholten (weiteren) Sachverständigengutachten vom 9.7.2020 von Dr. A. K. Dazu ist zunächst zu betonen, dass dieses Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist und keine Widersprüche aufweist. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 26.6.2020 erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Zudem ist zu betonen, dass der BF zu diesem Gutachten trotz Gelegenheit (Parteiengehör des SMS vom 14.7.2020) keine Stellungnahme abgegeben hat und dem Gutachten somit nicht entgegengetreten ist. Darüber hinaus war der BF in seiner Beschwerde dem Erstgutachten – welches im Ergebnis mit dem nunmehrigen Gutachten von Dr. A. K. vom 9.7.2020 übereinstimmte – in keiner Weise konkret entgegengetreten, sondern verwies auf seine Epilepsie und den Umstand, dass er aus diesem Grunde weder mit dem Auto, noch mit dem Fahrrad fahren könne; zudem leide er seit 2019 an einem Aneurysma. Auch in objektiver Hinsicht ist nicht zu beanstanden, dass die Epilepsie des BF (die den eigenen Angaben des BF den Ärzten gegenüber zu etwa drei bis vier generalisierten tonisch klonischen Anfällen pro Jahr führt) als „mittelschwere Form mit seltenen bis mäßig gehäuften Anfällen“ nach Pos. Nr. 04.10.02 mit 60% eingeschätzt wurde. Nachvollziehbar hat Dr. A. K. zudem dargelegt, dass die Suchterkrankung des BF mit leichten körperlichen und psychischen Veränderungen (Cannabis Abusus und gelegentlicher Alkoholkonsum – 20% nach Pos. Nr. 03.08.01) das führende Leiden (Epilepsie) aufgrund einer fehlenden negativen Beeinflussung nicht erhöht. Schließlich hat Dr. A. K. auch das vom BF in seiner Beschwerde erwähnte Basilarisspitzenaneurysma samt den entsprechenden Befunden berücksichtigt, wobei er nachvollziehbar zum Ergebnis kam, dass dieses asymptomatisch sei (siehe dazu auch den Ambulanzbericht vom 28.2.2020: „… Herr K. verneint Kopfschmerzen …“) und somit keinen Grad der Behinderung erreicht.

Aus den dargelegten Gründen konnte sich das BVwG somit auf die Ausführungen von Dr. A. K. in seinem Gutachten vom 9.7.2020 stützen und war somit zu den getroffenen Feststellungen – samt Gesamtgrad der Behinderung im Ausmaß von 60 v.H. - zu gelangen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, […]

§ 42. (1) […] Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[…]

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. […]

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

§ 48. Für folgende Gruppen behinderter Menschen kann im Rahmen der jeweils im Bundesfinanzgesetz für diesen Zweck verfügbaren Mittel mit Verkehrsunternehmen des öffentlichen Verkehrs eine Fahrpreisermäßigung vereinbart werden:

1. Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder die selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen, sofern bei ihnen ein Grad der Behinderung von mindestens 70% oder die voraussichtlich dauernde Selbsterhaltungsunfähigkeit festgestellt wurde;

2. Bezieher von Pflegegeld sowie von anderen vergleichbaren Leistungen auf Grund bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften;

3. Bezieher von Versehrtenrenten nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70%;

4. Bezieher wiederkehrender Geldleistungen nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 152/1957, dem Opferfürsorgegesetz, BGBl. Nr. 183/1947, dem Heeresversorgungsgesetz, BGBl. Nr. 27/1964, dem Impfschadengesetz, BGBl. Nr. 371/1973, und dem Verbrechensopfergesetz, BGBl. Nr. 288/1972, sowie Personen, denen solche Geldleistungen umgewandelt wurden, jeweils ab einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 70%;

5. begünstigte Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, ab einem Grad der Behinderung von 70%.

3.3. § 1 Abs 4 Z 2 lit b der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016, lautet:

[…] (4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: […]

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes […]

b) die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann;

diese Eintragung ist bei Menschen mit Behinderung, die dem Personenkreis des § 48 des Bundesbehindertengesetzes angehören, bei Vorliegen eines festgestellten Grades der Behinderung/einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70% bzw. bei Bezug von Pflegegeld oder anderen vergleichbaren Leistungen nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften vorzunehmen.

[…]

3.4. Im konkreten Fall bedeutet dies:

Gänzlich unbestritten ist im vorliegenden Fall, dass der BF kein Pflegegeld bezieht (§ 48 Z 2 BBG) und auch keinen der in § 48 Z 1 und Z 3 bis Z 4 BBG genannten Tatbestände erfüllt, die zur Zusatzeintragung, dass er die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann, führen würden. Wie aus seinem Beschwerdevorbringen hervorgeht (arg. „Welche Diagnosen brauche ich noch, um die 70% für die Eintragung zu bekommen?“), zielt er auf die Bestimmung des § 48 Z 5 BBG ab, wonach die Fahrpreisermäßigung begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes ab einem Grad der Behinderung von 70% gewährt werden kann. Die Frage, ob beim BF ein Grad der Behinderung von zumindest 70% vorliegt – und er somit auch begünstigter Behinderter mit einem Grad der Behinderung von zumindest 70% ist -, war im vorliegenden Verfahren somit implizit zu klären.

Wie im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, ist das Sachverständigengutachten vom 9.7.2020 richtig, vollständig und schlüssig. Die aktuellen Funktionseinschränkungen des BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist beim BF sohin von einem Grad der Behinderung von 60% auszugehen. Der BF erfüllt somit auch nicht die Voraussetzung des § 48 Z 5 BBG für die begehrte Zusatzeintragung.

Folglich ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. klare Rechtslage betreffend Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber des Passes kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ stützen.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.

Schlagworte

Behindertenpass Fahrtkosten Grad der Behinderung Voraussetzungen Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2234149.1.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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