TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/3 96/01/0810

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Veröffentlicht am 03.09.1997
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs1 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des R in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. Mai 1996, Zl. Ia 370-388/92, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. Mai 1996 wies die belangte Behörde das Ansuchen des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina - vom 8. Juli 1992 gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG, wonach die Staatsbürgerschaft einem Fremden verliehen werden könne, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden, nicht erfülle. Der Beschwerdeführer habe seit 11. August 1977 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Er sei von der Bezirkshauptmannschaft D in 14 im einzelnen aufgezählten Fällen rechtskräftig wegen Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) und dem Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) bestraft worden. Hievon seien insbesondere das dreimalige Nichtbeachten von Geschwindigkeitsbegrenzungen, aber auch die Tatbestände der Fahrerflucht sowie das "Fahren ohne Führerschein" zu erwähnen. Bei all diesen Delikten handle es sich um Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die zum Schutz und der Abwehr von Gefahren für das Leben und der Gesundheit von Menschen sowie der allgemeinen Sicherheit erlassen worden seien. Insbesondere die Häufigkeit dieser Verstöße zeige die negative Einstellung des Verleihungswerbers gegenüber diesen Vorschriften. Insbesondere sei auch zu beachten, daß sogar nach Einbringung des Staatsbürgerschaftsansuchens fortlaufend schwerwiegende Delikte begangen worden seien (Geschwindigkeitsübertretungen). Dieses Verhalten lasse den Schluß zu, daß der Verleihungswerber möglicherweise auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit sowie öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften mißachten werde.

In der dagegen erhobenen Beschwerde rügt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, daß die belangte Behörde übersehe, daß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ihr eine Beurteilung der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers, also eine Zukunftsprognose auftrage. Sieben Übertretungen stammten aus dem Jahr 1989, als der Beschwerdeführer rund 17 Jahre alt gewesen sei. Es seien in allen Fällen lediglich Bagatellstrafen verhängt worden. Die letzte, in der Strafkartei des Beschwerdeführers aufscheinende Verwaltungsübertretung datiere mit August 1994 und liege somit zum Zeitpunkt der Entscheidung über zwei Jahre zurück. Das "verkehrssündige Verhalten" des Beschwerdeführers habe mit zunehmenden Alter "deutlich abgenommen". Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde die betreffenden Strafakten nicht eingesehen habe. Hätte die belangte Behörde die entsprechenden Strafakten tatsächlich eingesehen, hätte sie festgestellt, daß die Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers keinesfalls dazu angetan seien, einen Schluß auf Persönlichkeitsmängel zuzulassen, die seine Verläßlichkeit ausschlössen oder fragwürdig erscheinen ließen.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Bei der gemäß der angeführten Gesetzesstelle vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebene Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ausgehend von den den rechtskräftigen Strafen zugrunde liegenden Straftaten - deren Begehung der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht in Abrede stellt - die geforderte Zukunftsprognosse angestellt. Der Gesetzgeber stellt bei dieser vorzunehmenden Beurteilung nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 96/01/0215, mwH). Dies ist auch bei Verstößen gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, der Fall (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0376).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dem angefochtenen Bescheid entnehmbar, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu einer für ihn ungünstigen Prognose gekommen ist. So hat die belangte Behörde sowohl die

14 Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers angeführt und insbesondere aus den zugrunde liegenden Übertretungen der Nichteinhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen, der "Fahrerflucht sowie das Fahren ohne Führerschein" auf das Vorliegen des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG geschlossen. Wie der Beschwerdeführer selbst richtig ausführt, sind auch an sich getilgte Vorstrafen bzw. Verwaltungsstrafvormerkungen zur Beurteilung der Zuverlässigkeit nach dem StbG heranzuziehen. Angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer nach sieben Bestrafungen im Jahr 1989 beginnend mit dem Jahr 1992 weitere siebenmal straffällig geworden ist (drei Bestrafungen resultieren aus 1992, eine aus 1993, drei aus 1994) entbehrt das Argument des Beschwerdeführers, das "verkehrssündige Verhalten des Beschwerdeführers" habe mit zunehmendem Alter deutlich abgenommen, jeder Grundlage. Daß der Beschwerdeführer alle verhängten Strafen als "nur geringe bzw. Bagatellstrafen" ansieht, ist angesichts einer beispielsweisen Bestrafung der Geschwindigkeitsübertretungen mit Geldstrafen von S 5.000,--, S 2.000,-- und S 2.500,-- angesichts des Strafrahmens des § 99 Abs. 3 lit. a StVO bis S 10.000,-- nicht nachvollziehbar.

Mit der Verharmlosung der von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen verkennt der Beschwerdeführer außerdem, daß die in den wiederholten Bestrafungen wegen Verstößen gegen die StVO und das KFG zum Ausdruck kommende Beharrlichkeit des Beschwerdeführers bei der Begehung derartiger Straftaten als besonders schwerwiegender Gesichtspunkt für die Beurteilung seines Gesamtverhaltens gewertet werden muß. Nicht zuletzt hat die belangte Behörde auch den Umstand, daß etliche Verwaltungsübertretungen aus der Zeit nach Stellung des Ansuchens um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft resultieren, zu Recht als Argument gegen die Annahme zukünftigen Wohlverhaltens des Beschwerdeführers miteinbezogen. Insoferne der Beschwerdeführer dahingehend argumentiert, die letzte aufscheinende Verwaltungsübertretung liege über zwei Jahre zurück, ist ihm zu entgegnen, daß das in der Beschwerde damit implizit behauptete Wohlverhalten seit der letzten Bestrafung vom 11. August 1994 im Hinblick auf die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst verstrichenen relativ kurze Zeit und auch im Hinblick auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer zwischen den Bestrafungen des Jahres 1989 sich bis zu seinen neuerlichen Straffälligkeiten ab den Jahren 1992 der Aktenlage nach wohlverhalten hat, von der belangten Behörde zu Recht nicht als Anhaltspunkt dafür herangezogen wurde, daß aus diesem Umstand bereits auf künftig zu erwartendes Wohlverhalten des Beschwerdeführers geschlossen werden könnte.

Da der Beschwerdeführer die den rechtskräftigen Bestrafungen zugrunde liegenden Tatbestände nicht bestreitet, war eine Einholung der Strafakten für die im konkreten Fall notwendige Beurteilung im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall StbG nach Art, Schwere und Häufigkeit der Verwaltungsübertretungen nicht erforderlich. Der Beschwerdeführer hat zudem nicht in concreto angegeben, welche besonderen Umstände in den jeweiligen Verwaltungsakten enthalten gewesen wären, um das in der jeweiligen rechtskräftigen Bestrafung zum Ausdruck gebrachte Unwerturteil in Zweifel stellen zu können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010810.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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