TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/17 Ra 2020/13/0064

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Veröffentlicht am 17.11.2020
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §115 Abs1
BAO §115 Abs2
BAO §162 Abs1
BAO §183
BAO §183 Abs4
BAO §269 Abs1

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/13/0061 E 04.12.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der GmbH in W, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 8/2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. März 2020, Zl. RV/7106441/2019, betreffend Körperschaftsteuer 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Bei der Revisionswerberin, einer im Baugewerbe tätigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Jahre 2007 bis 2009 durchgeführt. Der Prüfer stellte fest, der Aufwand für Leistungen von zwei Subunternehmern (B GmbH und F GmbH) des Wirtschaftsjahres 2008/2009 (Bilanzstichtag 30. Juni) werde nicht anerkannt, da trotz Aufforderung zur Empfängernennung gemäß § 162 BAO nur die bisher angeführten Empfänger genannt worden seien, obwohl es sich hiebei nicht um die tatsächlichen Empfänger der Zahlungen handle. Die Revisionswerberin machte im Rahmen der Außenprüfung geltend, es seien zwar keine Besuche vor Ort durchgeführt worden, um die tatsächliche Existenz aller Subunternehmer zu überprüfen, dies sei jedoch nicht allgemein üblich und in der Praxis bei einer Vielzahl von Subunternehmern (die Aufforderung nach § 162 BAO hatte sich auf insgesamt 29 Subunternehmer bezogen) sogar unmöglich. Die Revisionswerberin habe die Subunternehmer auf andere Weise genau überprüft. So seien z.B. Gewerbeberechtigungen, Eintragungen im Firmenbuch und die Gültigkeit der UID-Nummer überprüft worden, worüber dem Prüfer eine umfangreiche Dokumentation vorgelegt worden sei. Die Revisionswerberin gehe davon aus, dass die Leistungen von den genannten Unternehmern erbracht worden seien. Andere als die bereits genannten Empfänger könnten nicht genannt werden, da solche nicht bekannt seien.

2        Mit Bescheid vom 30. Mai 2012 setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer für 2009 fest; die Zahlungen an die beiden Subunternehmer wurden nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt. In der Begründung verwies das Finanzamt auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der Niederschrift und dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

3        Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Zusammengefasst machte die Revisionswerberin geltend, sie habe alle erforderliche Vorsicht walten lassen, die weit über die im Baugewerbe übliche hinausgehe. Sie habe nicht nur in Firmenbuch und Auftragskataster Einsicht genommen. Sie habe sich auch die Steuernummer, die UID-Nummer, den Gewerbeschein sowie Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Finanzamt und der Gebietskrankenkasse geben lassen. Es seien also über das übliche Maß hinaus Prüfungen vorgenommen worden, um die Existenz des Auftragnehmers/Leistungserbringers zu überprüfen. Auch die persönlichen Dokumente der auf der Baustelle anwesenden Mitarbeiter der Subunternehmer seien durch die Projekt-/Bauleiter laufend überprüft worden. Die Revisionswerberin habe alle Zahlungen auf die ihr genannten Bankkonten getätigt. Bei einer Kontoänderung habe es zum Standardablauf gehört, dass die neue Kontonummer von der Bank als für die angefragte Firma gültige Nummer habe bestätigt werden müssen. Es sei aber absolut branchenunüblich, dass man vor Aufnahme einer Geschäftsverbindung einen „Lokalaugenschein“ über die Qualität von Firmensitz oder Verwaltungseinrichtungen der Geschäftspartner vornehme. Für eine gute Geschäftsbeziehung habe es keinerlei Bedeutung, in welchem Bezirk das Büro sei, ob es groß oder klein bzw. altmodisch oder auf dem letzten Stand der Technik eingerichtet sei. Mit den Möglichkeiten von EDV und Internet würden permanent neue Kommunikationstechniken geschaffen, die ein persönliches Vorsprechen obsolet machten.

4        Mit Erkenntnis vom 21. August 2018 wies das Bundesfinanzgericht die nunmehr als Beschwerde zu behandelnde Berufung als unbegründet ab.

5        In der Begründung traf das Bundesfinanzgericht - nach ausführlicher Schilderung des Verfahrensgeschehens - insbesondere Feststellungen zu den beiden Subunternehmern. Zusammengefasst legte es dar, bei der zu beurteilenden Branche (Baugewerbe) handle es sich um eine Risikobranche, bei der eine erhöhte Sorgfaltspflicht beim Eingehen von Geschäftsbeziehungen anzuwenden sei. Die Revisionswerberin sei dieser Sorgfaltspflicht durch vorwiegend passives Verhalten (kein Aufsuchen der jeweiligen Subunternehmer vor Ort) trotz erstmaliger Aufnahme der Geschäftsbeziehungen nicht gerecht geworden. Die Revisionswerberin habe sich in keinem Fall davon überzeugt, dass der jeweilige Sublieferant an der im Firmenbuch angeführten Adresse tatsächlich seinen Sitz habe und habe auch über keinerlei sonstige Informationen über feste Adressen der Fremdleister verfügt. Sie habe sich auch nicht näher über den Betrieb der jeweiligen Unternehmung informiert, insbesondere darüber, ob diese in der Lage gewesen sei, entsprechende Leistungen überhaupt und ordnungsgemäß zu erbringen. Eine Beauftragung von Subunternehmern werde im Allgemeinen wohl nur dann erfolgen, wenn man sich davon überzeugt habe, dass der Auftragnehmer in der Lage sei, den übernommenen Auftrag fach- und zeitgerecht zu erfüllen. Dass die Revisionswerberin diese Firmen allein auf telefonische Kontaktnahme hin beauftragen würde, sei nicht plausibel. So verblieben mangels jeglicher von der Revisionswerberin überprüfter Geschäftsadressen Zweifel, auf welche Weise die Revisionswerberin z.B. im Falle nachträglich hervortretender Baumängel Preisminderungen oder Regressforderungen geltend machen wolle. Die vorgelegten Unterlagen, die Zeiträume für geschäftsführende Gesellschafter betroffen hätten, die Vorgänger der aktuellen Geschäftsführer gewesen seien, seien allenfalls geeignet, den Anschein des Bestehens der betreffenden Firmen hervorzurufen. Sie sagten aber darüber, ob diese Firmen über die Qualifikation verfügten, die übernommenen Aufträge auszuführen, nichts aus. Auch werde damit eine tatsächliche Leistungserbringung durch diese Firmen nicht nachgewiesen. Es lägen somit maßgebliche Gründe vor, welche die Vermutung rechtfertigten, dass die von der Revisionswerberin benannten Personen nicht die tatsächlichen Empfänger der abgesetzten Beträge seien. Die beantragten Betriebsausgaben seien sohin nach § 162 BAO zu Recht nicht anerkannt worden.

6        Mit Erkenntnis vom 13. November 2019, Ra 2018/13/0108, hob der Verwaltungsgerichtshof diese Entscheidung des Bundesfinanzgerichts unter Verweis auf das Erkenntnis vom selben Tag, Ra 2018/13/0107, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Im verwiesenen Erkenntnis wurde insbesondere ausgeführt, das Bundesfinanzgericht habe das dort angefochtene Erkenntnis im Wesentlichen damit begründet, dass die Revisionswerberin ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen sei, weil sie sich in keinem Fall davon überzeugt habe, dass der jeweilige Subunternehmer an der im Firmenbuch angeführten Adresse tatsächlich seinen Sitz gehabt habe, und auch keine näheren Informationen über den Betrieb des jeweiligen Subunternehmers eingeholt worden seien, insbesondere darüber, ob dieser in der Lage sei, entsprechende Leistungen überhaupt und ordnungsgemäß zu erbringen. Solche Feststellungen seien aber nicht einordenbar und in ihrer Tragweite nicht erschließbar, solange im angefochtenen Erkenntnis nicht dargelegt werde, ob und inwieweit dies in der Baubranche üblich sei. Allgemeine Aussagen dahingehend, dass es sich beim Baugewerbe um eine Risikobranche handle, bei der eine erhöhte Sorgfalt beim Eingehen von Geschäftsbeziehungen zugrunde zu legen sei, könnten Feststellungen zu den diesbezüglichen Gepflogenheiten nicht ersetzen.

7        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde neuerlich als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        In der Begründung verwies das Bundesfinanzgericht zunächst auf sein Erkenntnis vom 21. August 2018. Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, es sei aktenkundig, dass die Revisionswerberin Arbeiten habe durchführen lassen; es stehe fest, dass die Revisionswerberin die durchgeführten Arbeiten für ihre steuerpflichtigen Zwecke verwendet habe. Die Leistungen seien tatsächlich erbracht worden, aber nicht von den rechnungsausstellenden Firmen. Dass tatsächlich nicht diese Gesellschaften Leistungserbringer gewesen seien, sondern die Brüder S die Gesellschaften zur Rechnungslegung und zum Inkasso der strittigen Beträge verwendet hätten, ergebe sich aus einem Bericht an die Staatsanwaltschaft. Unstrittig sei, dass die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge entweder per Banküberweisung oder per Barzahlung gezahlt worden seien. Dem Auftreten der beiden Subfirmen sei ein planmäßiges, durch Hintermänner gesteuertes, auf Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnabgaben gerichtetes Vorgehen zu Grunde gelegen.

9        Die Baubranche sei aus Sicht der Finanzverwaltung als Hochrisikobranche einzustufen. An die Befolgung der Abgabengesetze wie der sozialversicherungs- und unternehmensrechtlichen Bestimmungen und auch an die Einhaltung der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns seien besondere Maßstäbe anzulegen und seitens der Finanzverwaltung mit angemessener Genauigkeit zu kontrollieren.

10       Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für die Sorgfaltswidrigkeit im Zusammenhang mit der Empfängerbenennung nach § 162 BAO darzulegen, inwieweit bestimmte Überprüfungen in der Baubranche üblich seien. Prüfkriterien, die die Wirtschaftskammer Österreich vorrangig für Bauherren herausgegeben habe, um die Suche nach seriösen Anbietern zu erleichtern, seien im Internet abrufbar. Das Bundesfinanzgericht gehe davon aus, dass die dort umschriebenen Prüfkriterien auch im zwischenunternehmerischen Bereich des Bauwesens branchenüblich für die Beurteilung heranzuziehen seien, ob der Auftraggeber die ihm auferlegte Sorgfalt habe walten lassen. Diese Checkliste diene dazu, seriöse Firmen vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber unseriösen Anbietern zu bewahren. Sie solle auch helfen, Qualitätsmängeln vorzubeugen und Bauherren vor finanziellen Risiken zu schützen. Das Bundesfinanzgericht gehe daher davon aus, dass die übliche Sorgfalt im Bereich der Baubranche unter anderem umfasse, dass die Geschäftslokalitäten des Geschäftspartners aufgesucht, dass Gewerbeberechtigungen überprüft und allenfalls weitere Nachforschungen betrieben würden, ob ein branchenfremdes Geschäft vorliege. Ebenso entspreche es der üblichen Sorgfalt im Bereich der Baubranche, dass sich Auftraggeber vom Auftragnehmer Bestätigungen über Steuerrückstände geben ließen (Unbedenklichkeitsbescheinigung) und sich bei der Sozialversicherung über Rückstände erkundigten. Auch die Feststellung der Identität der Geschäftsführer bzw. der handelnden Personen entspreche der branchenüblichen Sorgfalt. Allenfalls entspreche es der branchenüblichen Sorgfalt festzustellen, ob die Person, mit der der Auftraggeber in Kontakt trete, tatsächlich eine Funktion in der auftragnehmenden Gesellschaft innehabe bzw. zum Abschluss von Geschäften befugt sei. Ebenso entspreche es der branchenüblichen Sorgfalt, die Anmeldung von Dienstnehmern zu überprüfen und festzuhalten. Im Lichte dieser Umstände gelange das Bundesfinanzgericht zur Ansicht, dass die Revisionswerberin den branchenüblichen Sorgfaltsmaßstab sowie die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns außer Acht gelassen habe.

11       Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, den Hintergrund der von der Außenprüfung getroffenen Feststellung bildeten in der Baubranche durchgeführte polizeiliche und abgabenbehördliche Ermittlungen, die zu Tage gebracht hätten, dass verschiedene Baufirmen Bauaufträge an Subunternehmer vergeben hätten, die keine tatsächliche Geschäftstätigkeit ausgeübt hätten, sondern nur den Zweck gehabt hätten, Sozial- und Lohnabgaben zu umgehen. Mehrere „Hintermänner“ (z.B. die hinsichtlich der hier zu behandelnden Subfirmen aufgetretenen Brüder S) hätten Mantelfirmen (Firmen ohne Geschäftstätigkeit) angekauft und gegen Bezahlung Personen aus Ungarn und dem ehemaligen Jugoslawien als Geschäftsführer für diese Firmen angeworben. Die Geschäftsführer seien an verschiedenen Anschriften behördlich gemeldet gewesen, welche aber nicht deren tatsächliche Unterkunftsorte gewesen seien. Sie seien nur zu Unterschriftsleistungen oder für Barabhebungen vom Firmenkonto nach Österreich geholt worden. Diese Firmen hätten nach der Übernahme durch die von den Hintermännern organisierten Gesellschafter-Geschäftsführer sofort hohe Umsätze verzeichnet. Die Hintermänner hätten vom Rechnungsbetrag eine Provision einbehalten und den Restbetrag an sogenannte „Zumelder“ übergeben. Die Zumelder - die teils mit, teils ohne eigene Firma über Arbeitskräfte verfügt hätten - hätten die Firmen der Hintermänner dazu benutzt, ihre Arbeiter bei diesen sozialzuversichern, wissend, dass die Sozialabgaben nicht bezahlt und die Firmen bewusst in den Konkurs geführt würden. Baufirmen, die mit den Zumeldern in Kontakt gestanden seien, hätten dann Aufträge „in Sub“ an die Firmen der Hintermänner übertragen, die diesbezüglichen Werkverträge seien von den nach Wien beorderten Geschäftsführern unterfertigt worden. Diese Scheingeschäftsführer hätten nur die Aufgabe gehabt, für Unterschriftsleistungen und Barabhebungen zur Verfügung zu stehen, mit der Geschäftsgebarung hätten sie nichts zu tun gehabt.

12       Dem Auftreten dieser Subfirmen sei sohin ein planmäßiges, durch Hintermänner gesteuertes, auf die Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnabgaben gerichtetes Vorgehen zu Grunde gelegen. Über sämtliche von den Hintermännern organisierte Mantelfirmen sei - in der Regel nur wenige Monate nachdem sie die vermeintlich von ihnen erbrachten Leistungen verrechnet hätten - der Konkurs eröffnet worden.

13       Auch die hier zu behandelnden Subfirmen seien bald nach Legung der Rechnungen über vermeintlich von ihnen erbrachte Leistungen insolvent geworden. In der Folge seien sie wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht worden. Ein bloß zufälliges Auftreten der Insolvenzen sei unwahrscheinlich. Es sei anzunehmen, dass auch die von der Revisionswerberin beauftragten Subfirmen bewusst in den Konkurs geführt worden seien, um Beiträge und Abgaben für die auf diese Firmen angemeldeten Arbeitnehmer nicht zahlen zu müssen. Die Rechnungsbeträge seien - größtenteils begünstigt durch Scheckzahlungen - an den Subfirmen vorbeigeschleust worden. In den Firmen seien nur die Schulden gegenüber der Sozialversicherung und der Abgabenbehörde verblieben.

14       Für das Bundesfinanzgericht ergebe sich auf Basis der Beweiswürdigung nicht, dass es der Revisionswerberin unverschuldet tatsächlich unmöglich gewesen sei, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen. Die Revisionswerberin habe die branchenübliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Der Revisionswerberin wäre es anhand der vorliegenden Umstände möglich gewesen zu erkennen, dass nicht die in Rede stehenden Gesellschaften die wahren Empfänger der Beträge seien. Die formelle Existenz dieser Gesellschaften sei ebenso wenig ausreichend wie deren formelle Funktion als Empfängerin der strittigen Zahlungen oder bloße Rechnungslegerin, um als Empfänger iSd § 162 BAO angesehen zu werden. Der Umstand, dass die benannten Personen nicht die tatsächlichen Empfänger der behaupteten Zahlungen seien, stehe einer Absetzung der geltend gemachten Zahlungen als Betriebsausgaben iSd § 162 BAO selbst dann entgegen, wenn vom tatsächlichen Vorliegen - an unbenannt gebliebene Empfänger - geleisteter Zahlungen auszugehen sei. Da die genannten Gesellschaften nicht Empfänger der behaupteten Zahlungen gewesen seien und dies für die Revisionswerberin nicht unverschuldet unmöglich zu erkennen gewesen sei, weil sie die branchenübliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe, sei dem Auftrag zur Empfängerbenennung gemäß § 162 BAO nicht entsprochen worden.

15       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere vom bindenden Vorerkenntnis abgewichen. Das Bundesfinanzgericht habe das Ermittlungsverfahren gänzlich unzureichend unter völligem Ausschluss der Revisionswerberin ergänzt und habe sich darauf beschränkt, eine undatierte, einseitige Checkliste der Bundesinnung Bau der Wirtschaftskammer aus dem Internet durch Anführung des Links ohne Vorhalt an die Revisionswerberin zu zitieren. Bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers und damit Einräumung des Parteiengehörs hätte die Revisionswerberin darlegen können, dass diese Checkliste im Hinblick auf ihre viel spätere Erstellung für das Wirtschaftsjahr 2008/09 keinen tauglichen Beweis darstelle. Im Wirtschaftsjahr 2008/09 seien derartige Erhebungen branchenunüblich gewesen.

16       Nach Einleitung des Vorverfahrens hat das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       Die Revision ist zulässig und begründet.

19       Wie der Verwaltungsgerichtshof im (verwiesenen) Vorerkenntnis (VwGH 13.11.2019, Ra 2018/13/0107) ausgeführt hat, dürfen dem Steuerpflichtigen keine offenbar unerfüllbaren Aufträge zum Nachweis der Empfänger iSd § 162 BAO erteilt werden. Offenbar unerfüllbar sind derartige Aufträge nur dann, wenn eine unverschuldete, tatsächliche Unmöglichkeit, die Empfänger der geltend gemachten Betriebsausgaben namhaft zu machen, vorliegt. Es darf nicht in der Macht des Steuerpflichtigen gestanden sein, die tatsächlichen Umstände, die ihn an der Bezeichnung der Empfänger hindern, abzuwenden.

20       Dass der Revisionswerberin die Zumelder oder die Hintermänner der Subunternehmer (die Brüder S) bekannt gewesen seien, nimmt das Bundesfinanzgericht nicht an. Es geht aber davon aus, dass diese Unkenntnis „nicht unverschuldet“, also verschuldet gewesen sei. Zu dieser verschuldeten Unkenntnis („Wissen-Müssen“) führt das Bundesfinanzgericht eine Reihe von Prüfpflichten auf, die im Rahmen der üblichen Sorgfalt im Bereich der Baubranche zu erfüllen seien (etwa Überprüfung von Gewerbeberechtigungen; Bestätigungen über Steuer- und Beitragsrückstände; Feststellung der Identität der handelnden Personen; Überprüfung der Anmeldung der Dienstnehmer). Davon, dass die Revisionswerberin diesen Prüfpflichten - entgegen dem durch Vorlage von Urkunden bescheinigten Vorbringen der Revisionswerberin - nicht nachgekommen sei, scheint das Bundesfinanzgericht nicht auszugehen (in seinem Erkenntnis vom 21. August 2018, auf welches das angefochtene Erkenntnis verweist, wurde etwa zur B GmbH ausgeführt, den vorgelegten Unterlagen komme Indizwirkung zu, aus deren Vorhandensein könne aber noch keinesfalls eindeutig geschlossen werden, dass das abgefragte Unternehmen die Leistungen auch tatsächlich erbracht habe oder nicht).

21       Das Bundesfinanzgericht stützt das Verschulden der Revisionswerberin an der Unkenntnis darauf, dass die Revisionswerberin auch verpflichtet gewesen wäre, die Geschäftslokalitäten des Geschäftspartners aufzusuchen. Insoweit ist unbestritten, dass die Revisionswerberin eine derartige Prüfung nicht vorgenommen hat.

22       Im (verwiesenen) Vorerkenntnis hatte der Verwaltungsgerichtshof hiezu angeführt, allgemeine Aussagen dahin, dass es sich beim Baugewerbe um eine Risikobranche handle, bei der eine erhöhte Sorgfalt beim Eingehen von Geschäftsbeziehungen zugrunde zu legen sei, könnten Feststellungen zu den diesbezüglichen Gepflogenheiten nicht ersetzen.

23       Ob derartige Gepflogenheiten üblich sind, ist - entgegen den Darlegungen in der Revisionsbeantwortung - eine Frage des Sachverhalts (sodass - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt hat - hiezu Feststellungen zu treffen sind), nicht der rechtlichen Beurteilung.

24       Gemäß § 269 Abs. 1 BAO haben die Verwaltungsgerichte im Beschwerdeverfahren die Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden eingeräumt sind. Zu solchen Obliegenheiten und Befugnissen zählen insbesondere Beweisaufnahmen sowie die Pflicht zur Wahrung des Parteiengehörs (vgl. z.B. VwGH 19.10.2016, Ra 2016/15/0058, mwN).

25       Im Hinblick auf das (verwiesene) Vorerkenntnis war es somit Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, Erhebungen zu der Frage vorzunehmen, ob und inwieweit es in der Baubranche - und zwar im hier zu behandelnden Zeitraum des Wirtschaftsjahres 2008/09 - üblich war, durch Aufsuchen der Geschäftslokalitäten zu prüfen, ob der jeweilige Subunternehmer an der im Firmenbuch angeführten Adresse tatsächlich seinen Sitz gehabt habe. Aus den vorgelegten Verfahrensakten sind Verfahrensschritte hiezu nicht erkennbar; offenbar hat das Bundesfinanzgericht eine Internet-Recherche vorgenommen und verweist nunmehr auf eine im Internet auffindbare Checkliste der Wirtschaftskammer. Dass das Bundesfinanzgericht zu diesen Erhebungsergebnissen sodann der Revisionswerberin (oder dem Finanzamt) Gehör eingeräumt hätte, geht aus den Verfahrensakten und dem angefochtenen Erkenntnis nicht hervor.

26       Das Parteiengehör (§ 115 Abs. 2 BAO) gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Rechtsstaates (vgl. VwGH 1.9.2015, 2013/15/0295, mwN). Gemäß § 183 Abs. 4 BAO ist den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Das Bundesfinanzgericht war gemäß § 269 Abs. 1 BAO verpflichtet, zu den Erhebungsergebnissen der Revisionswerberin (und dem Finanzamt) Gehör einzuräumen. Die Unterlassung des Parteiengehörs belastet das angefochtene Erkenntnis mit einem Verfahrensmangel, dessen Relevanz von der Revisionswerberin - auch unter Vorlage von Urkunden (Schriftverkehr mit der Wirtschaftskammer) - aufgezeigt wird.

27       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

28       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

29       Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130064.L00

Im RIS seit

01.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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