TE Vwgh Beschluss 2020/11/20 Ra 2020/05/0048

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Index

10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/02 Gerichtsorganisation

Norm

GOG §89d Abs2
VerfGG 1953 §14a Abs3
VwGG §26 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGG §46 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Wölfl, über den Antrag der E GmbH in W, vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof sowie über die Revision gegen das am 29. Oktober 2018 mündlich verkündete, am 30. Oktober 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-111/077/10493/2018-5, betreffend eine Baueinstellung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

1.   Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision wird abgewiesen.

2.   Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem gegenüber der revisionswerbenden Partei als Grundeigentümerin erlassenen Bescheid des Magistrates der StadtWien vom 3. Juli 2018 wurde angeordnet, die Bauführung zum Abbruch des Gebäudes auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 127 Abs. 8a iVm § 127 Abs. 8 lit. a Bauordnung für Wien (BO) einzustellen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Oktober 2018 wies das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Partei - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        Die revisionswerbende Partei erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 3. Oktober 2019, E 4946/2018 ua, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichthof mit Beschluss vom 5. November 2019 zur Entscheidung ab.

4        Die revisionswerbende Partei stellte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob außerordentliche Revision.

Zu 1: Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

5        Die revisionswerbende Partei führt zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen aus, aufgrund eines Softwareproblems habe der Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. November 2019 den Rechtsvertreter nicht erreicht. Für den Abruf des Rückverkehrs in der Kanzlei sei die bereits seit mehr als 9 Jahren in der Kanzlei tätige Kanzleileiterin zuständig. Der ERV werde abgerufen und dann an den Rechtsanwalt vorgelegt, wobei Fristen im 4-Augen-Prinzip in das Fristenbuch und auch in den elektronischen Kalender eingetragen würden. Der ERV werde mindestens zweimal täglich, nämlich am Morgen und am Ende der Arbeitszeit am Nachmittag, abgerufen. Aus technischen Gründen sei der Rückverkehr vom 5. November 2019 im ERV nicht einsehbar gewesen, es sei kein ERV im elektronischen Akt zugeordnet und auch nicht gespeichert worden. Dies offenbar wegen eines Softwareproblems von Advokat. Da am 8. November 2019 eine neue ERV-Schnittstelle in Kraft getreten sei, habe seitens Advokat die Software auf eine näher bezeichnete Version erneuert werden müssen. Im Zuge dieser Umstellung sei es in zahlreichen Kanzleien zu großen Schwierigkeiten gekommen, weil es insbesondere auch bei der Installation des Updates zu Fehlermeldungen gekommen sei (Hinweis auf zwei vorgelegte E-Mails von Advokat). Anfang November 2019 sei die besagte Version auch in der Kanzlei des Rechtsvertreters der revisionswerbenden Partei installiert worden. In der Folge sei es zu Zustellproblemen und Fehlermeldungen gekommen. Aufgrund fehlerhafter, seitens Advokat bereitgestellter Daten seien in der Kanzlei des Rechtsvertreters derartige technische Schwierigkeiten aufgetreten, dass auch ein Techniker der Firma Advokat habe beigezogen werden müssen. Auch der langjährig tätige EDV-Techniker der Kanzlei habe einschreiten müssen und bestätige in einer eidesstattlichen Erklärung, dass aufgrund der vorgenommenen mehrfachen Rücksicherungen und Synchronisierung ein Datenverlust nicht auszuschließen sei. Aufgrund dieser Softwareproblematik sei davon auszugehen, dass die Zustellung des Verfassungsgerichtshofes vom 5. November 2019 nicht ordnungsgemäß bereitgestellt worden sei, sodass der Rechtsvertreter hiervon auch keine Kenntnis habe erlangen können.

6        Die revisionswerbende Partei habe erstmals am 12. Februar 2020, aufgrund einer telefonischen Nachfrage ihres Rechtsvertreters, Kenntnis vom Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. November 2019 erlangt.

7        Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

8        Eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, hat den Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw. bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0027; 27.4.2004, 2003/05/0065, jeweils mwN).

9        Festzuhalten ist, dass Probleme nur hinsichtlich der in der Kanzlei des Rechtsvertreters der revisionswerbenden Partei verwendeten Software (Advokat) geltend gemacht wurden; dass der Übermittlungsprozess seitens des Verfassungsgerichtshofes nicht funktioniert hätte, wird nicht behauptet. Dazu hat die Bundesrechenzentrum GmbH die Auskunft erteilt, dass der Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 5. November 2019 am „2019-11-05 09:47:38.505“ (Nachweiszeitpunkt Übermittlungsstelle) hinterlegt und am „2019-11-05 09:47:38.083“ von der Fa. Advokat übernommen wurde. Der Abtretungsbeschluss gilt demnach als am nächsten Werktag - hier: am 6. November 2019 - zugestellt (§ 14a Abs. 3 VfGG iVm § 89d Abs. 2 GOG). Die am 14. Februar 2020 eingebrachte Revision wurde daher erst nach Ablauf der Revisionsfrist erhoben.

10       Im gegenständlichen Fall ist die Glaubhaftmachung des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrundes, wonach Softwareprobleme in der Kanzlei, die die Einsehbarkeit des ERV-Rückverkehrs am 5. November 2019 verhindert hätten, die Bereitstellung und Kenntnisnahme des dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin an diesem Tag übermittelten Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes nicht möglich gemacht hätten, nicht gelungen.

11       Weder wird im Antrag konkret angegeben, an welchem Tag das für die Softwareprobleme verantwortlich gemachte Update in der Kanzlei des Rechtsvertreters tatsächlich installiert wurde (diesbezüglich ist lediglich von „Anfang November 2019“ die Rede), noch untermauern die vorgelegten E-Mails von Advokat, dass die behaupteten Softwareprobleme bereits am 5. November 2019 vorgelegen wären. So wurde im E-Mail vom 6. November 2019 die Kanzlei des Rechtsvertreters noch daran erinnert, bis zum 7. November 2019 die neue Advokat-Version 6.12 zu installieren, da der ERV ab 8. November 2019 mit einer Version 6.11 oder älter nicht mehr funktionieren werde. Im E-Mail vom 15. November 2019 wird darüber informiert, dass es „seit Montag“ (gemeint ist somit Montag, der 11. November 2019) aufgrund einer Änderung seitens des BRZ zu Zustellungen im ERV komme, die keinem Akt zugeordnet werden könnten, wodurch diese Zustellungen auch nicht automatisch verarbeitet werden könnten. Auch in dem mit Stellungnahme vom 16. Oktober 2020 vorgelegten Schreiben von Advokat vom selben Tag werden technische Probleme lediglich für den 7. und 8. November 2019 bestätigt. Die genannten Bescheinigungsmittel beziehen sich somit auf den Zeitraum ab 7. November 2019, sodass sie nicht geeignet sind, die behauptete Softwareproblematik vom 5. November 2019 zu untermauern.

12       Auch die eidesstattliche Erklärung des mit der Umsetzung der neuen ERV-Schnittstelle betrauten EDV-Technikers legt nicht konkret offen, wann diese Umsetzung erfolgt ist, sodass daraus nicht abgeleitet werden kann, dass der Abruf des ERV-Rückverkehrs am 5. und auch noch am 6. November 2019 nicht möglich gewesen wäre. Selbst wenn - wie in der Erklärung ausgeführt - nicht auszuschließen wäre, dass aufgrund mehrfach erfolgter Rücksicherungen und Synchronisation Daten auch des Posteingangs vom 5. November 2019 verloren gegangen sein könnten, wird damit nicht dargetan, dass der Datenabruf bereits vor Beginn der technischen Probleme mit 7. November 2019 nicht möglich gewesen wäre. Angesichts des eigenen Vorbringens des Rechtsvertreters der revisionswerbenden Partei, wonach der ERV mindestens zweimal täglich abgerufen wird und des Umstandes, dass der Abtretungsbeschluss laut Auskunft des Verfassungsgerichtshofes bereits um 09:47 Uhr von der Fa. Advokat übernommen wurde, ist daher nicht davon auszugehen, dass die erst ab dem 7. November 2019 bescheinigten technischen Probleme den Rechtsvertreter der revisionswerbenden Partei an der Kenntnisnahme des Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 5. November 2019 gehindert haben, sodass dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattzugeben war.

Zu 2.: Zur Zurückweisung der Revision

13       Wie sich aus Rz 9 ergibt, wurde die Revision nach Ablauf der Revisionsfrist eingebracht. Da sich somit die vorliegende Revision als verspätet erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020050048.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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