TE Vwgh Beschluss 2020/11/23 Ra 2019/11/0151

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Veröffentlicht am 23.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs5
MRK Art6
VwGG §28 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der D GmbH in W, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Juni 2019, Zl. VGW-101/078/8940/2018/E-12, betreffend Parteistellung iA Errichtungsbewilligung für ein privates Zahnambulatorium (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Österreichische Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch die Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2018, Ro 2017/11/0006 ua., verwiesen.

2        Mit Bescheid vom 22. Juni 2011 erteilte die belangte Behörde der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin die Bewilligung für die Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde sowie Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Wien (im Folgenden: Errichtungsbewilligung).

3        Mit Bescheid vom 27. August 2014 stellte die belangte Behörde fest, der mitbeteiligten Partei komme im Errichtungsbewilligungsverfahren keine Parteistellung zu (Spruchpunkt I.) und wies den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zustellung der Errichtungsbewilligung zurück (Spruchpunkt II.).

Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht Wien - gemäß § 63 Abs. 1 VwGG in Bindung an das Erkenntnis VwGH Ro 2017/11/0006 ua. - fest, dass der mitbeteiligten Partei im Errichtungsbewilligungsverfahren hinsichtlich des Bedarfs Parteistellung zukomme, und behob Spruchpunkt II. des Bescheides vom 27. August 2014 (betreffend die Zurückweisung des Antrags auf Zustellung der Errichtungsbewilligung). Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        In der dagegen erhobenen (außerordentlichen) Revision erachtet sich die Revisionswerberin (unter der Überschrift „Revisionspunkte“) in ihrem Recht auf „angemessene Verfahrensdauer“ und auf „Durchführung eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens“ verletzt.

5        Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet, zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt - wie im gegenständlichen Fall - unmissverständlich ausgeführt, so ist er auch einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht mehr zugänglich (vgl. VwGH 28.5.2020, Ra 2020/11/0056, mwN).

6        Das von der Revisionswerberin angeführte Recht auf angemessene Verfahrensdauer bezeichnet kein subjektives Recht im Sinne des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG. Zur Prüfung einer behaupteten Verletzung dieses Rechtes ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 5 B-VG nicht berufen, weil es sich beim Recht auf Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist um ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht handelt (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2019/11/0111, 0112, mwN). Soweit die Revisionswerberin behauptet, sie sei in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens verletzt, macht sie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, die aber keinen tauglichen Revisionspunkt darstellt, sondern zu den Revisionsgründen zählt (vgl. nochmals VwGH Ra 2019/11/0111; vgl. etwa auch VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0102; 16.12.2016, Ra 2016/11/0171; jeweils mwN). Eine Rechtsverletzung wäre ausschließlich im Recht, dass dem Genehmigungsverfahren nur Personen als Parteien beigezogen werden, die an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind oder denen durch Gesetz Parteistellung eingeräumt wird, denkbar.

7        Da die Revisionswerberin somit in den als Revisionspunkten geltend gemachten Rechten nicht verletzt werden konnte, erweist sich die Revision schon aus diesem Grund als nicht zulässig.

8        Im Übrigen wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2020/11/0020, hingewiesen, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Errichtungsbewilligung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben hat, weil die belangte Behörde im Verfahren zur Erteilung dieser Bewilligung zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Bewilligungsvoraussetzung des Bedarfs nicht anzuwenden gewesen sei.

9        Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110151.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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