TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/5 97/02/0288

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Veröffentlicht am 05.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §55 Abs1;
AVG §67d Abs1;
SPG 1991 §31 Abs2 Z8;
SPG 1991 §88 Abs2;
SPG 1991 §89 Abs1;
SPG RichtlinienV 1993 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Februar 1994, Zl. VwSen-280003/20/Wei/Bk, betreffend Rechtsverletzung nach § 88 Abs. 2 SPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. Februar 1994 hat die belangte Behörde über die Beschwerde des Beschwerdeführers "vom 6. und 30. September 1993" wegen Verletzung von Rechten gemäß § 88 Abs. 2 SPG dahingehend entschieden, daß diese als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer zum Kostenersatz verpflichtet wurde. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf § 88 Abs. 2 und 4 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) in Verbindung mit § 67c Abs. 3 (nunmehr Abs. 4) und § 79a AVG.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer habe mit Schriftsatz vom 6. September 1993 sowohl eine auf § 51 Fremdengesetz (FrG) als auch eine auf § 88 SPG gestützte Beschwerde bei ihr eingebracht. Aufgrund von inhaltlichen Mängeln sei diese Beschwerde dem Beschwerdeführer gemäß § 67c Abs. 2 AVG zur kurzfristigen Behebung derselben zurückgestellt worden. Mit Schriftsatz vom 30. September 1993 habe der Beschwerdeführer unter neuerlicher ausdrücklicher Berufung auf § 88 SPG seine ursprüngliche Beschwerde verbessert.

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, sei am 22. August 1993 um 09.30 Uhr von der bayrischen Grenzpolizei an der österreichischen Grenzkontrollstelle

Zollamt Passau-Bahnhof entsprechend dem österreichisch-deutschen Schubabkommen, BGBl. Nr. 227/1961, den österreichischen Behörden formlos übergeben worden. Anläßlich der deutschen Einreisekontrolle sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer unter Verwendung eines durch Auswechslung des Lichtbildes verfälschten niederländischen Reisepasses die Grenzkontrolle passieren habe wollen. Eine Vernehmung durch die bayrischen Behörden sei wegen Sprachschwierigkeiten nicht möglich gewesen. Es sei auch vermerkt worden, daß der Beschwerdeführer kein Englisch spreche. Um 09.52 Uhr desselben Tages sei der Beschwerdeführer von der Zollwache den Beamten des Gendarmeriepostens Schärding "zur weiteren Veranlassung" übergeben worden. Der Beschwerdeführer sei zum Gendarmerieposten Schärding gebracht und in einem Haftraum verwahrt worden. Am Gendarmerieposten sei eine Personendurchsuchung und erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers vorgenommen worden. Wegen des Interesses der Bekämpfung von Schleppertätigkeit hätten die Sicherheitsorgane besonders darauf geachtet, ob der Beschwerdeführer österreichische Telefonnummern notiert gehabt habe. Ein Zettel, auf dem Telefonnummern einer "Vertrauensperson" vermerkt gewesen sei, sei dabei weder vom Beschwerdeführer vor der Personendurchsuchung vorgewiesen worden, noch habe der Beschwerdeführer einen solchen Zettel mit sich geführt. Er habe weder gegenüber den einschreitenden Gendarmeriebeamten noch gegenüber dem fremdenpolizeilichen Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Schärding die deutschen Worte "Ich bin Kurde, geflüchtet, Problem" geäußert.

Der Beschwerdeführer habe auch nicht die Verständigung einer Vertrauensperson gewünscht. Es habe nicht festgestellt werden können, daß der belangten Behörde zuzurechnende Organe die Feststellung und Weiterleitung eines vom Beschwerdeführer - seiner Behauptung nach - gestellten Asylbegehrens an die zuständige Außenstelle des Bundesasylamtes unterlassen hätten. Ebensowenig hätten die Organe das Recht auf Verständigung jener in der Beschwerde an die belangte Behörde näher genannten Person "als Angehöriger bzw. Vertrauensperson" hinsichtlich der Festnahme des Beschwerdeführers verweigert. Der Beschwerdeführer habe vielmehr durch seine "unleserliche Unterschrift" auf der vorletzten Seite des Haftberichtes dokumentiert, daß er nicht die Verständigung einer Vertrauensperson bezüglich seiner Festnahme gewollt habe.

Die belangte Behörde bezog sich hinsichtlich ihrer Sachverhaltsfeststellungen im wesentlichen auf das Ermittlungsergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung und der in diesem Zusammenhang gemachten Zeugenaussagen der einvernommenen Gendarmeriebeamten der seinerzeitigen Amtshandlung. Im Zuge der Beweiswürdigung schenkte sie den Ausführungen der einvernommenen Gendarmeriebeamten und dem Behördenvertreter mehr Glauben als den entgegenstehenden Behauptungen des Beschwerdeführers.

In Bezug auf eine allfällige "Richtlinienbeschwerde" nach § 89 SPG führte die belangte Behörde u.a. aus, im Verbesserungsschriftsatz vom 30. September 1993 habe der Beschwerdeführer - trotz entsprechender Aufforderung durch die belangte Behörde - keinen konkreten Sachverhalt behauptet, der die Verletzung einer gemäß § 31 SPG festgelegten Richtlinie habe erkennen lassen. Es sei lediglich der § 31 Abs. 2 Z. 8 SPG und die dazu ergangene Richtlinie nach § 8 der Richtlinien-Verordnung (kurz: RLV, BGBl. Nr. 266/1993, zitiert worden, "ohne das geringste dazu auszuführen". Die Verletzung der diesbezüglichen Informationspflicht, die aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ohnehin nicht habe festgestellt werden können, sei nicht einmal behauptet worden.

Die belangte Behörde habe daher keinen Anlaß gefunden, die (seinerzeitige) Beschwerde, die im Verbesserungsschriftsatz ausdrücklich nur auf § 88 SPG gestützt worden sei, als Aufsichtsbeschwerde zu behandeln und gemäß § 89 Abs. 2 SPG an die zuständige Dienstaufsichtsbehörde weiterzuleiten.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 25. September 1995, B 618/94-10, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat. Dieser hat erwogen:

Insoweit der Beschwerdeführer die Unterlassung ("Verweigerung") einer Sachentscheidung darüber, ob die behauptete Verletzung seines Rechtes gemäß § 31 Abs. 2 Z. 8 SPG in Verbindung mit § 8 RLV vorliege, unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend macht, pflichtet der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde bei, daß der Beschwerdeführer eine solche Rechtsverletzung nicht geltend gemacht hat (vgl. auch die nachstehenden Ausführungen).

Der Beschwerdeführer behauptet ferner, die belangte Behörde habe die Beschwerde trotz der Behauptung einer Verletzung einer Richtlinie gemäß § 31 SPG selbst behandelt, ohne die Beschwerde der gemäß § 89 Abs. 1 SPG dazu berufenen Behörde zuzuleiten; sie habe daher eine Entscheidungskompetenz in Anspruch genommen, welche ihr aufgrund des Gesetzes nicht zukomme.

Gemäß § 8 Abs. 1 RLV treffen die Behörde verschiedene "Informationspflichten" - etwa betreffend die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes oder die Verständigung solcher Personen. Wie die belangte Behörde in Übereinstimmung mit der Aktenlage zutreffend im angefochtenen Bescheid feststellte, behauptete der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde zwar auch eine Verletzung seiner Rechte nach § 31 Abs. 2 Z. 8 SPG in Verbindung mit § 8 RLV in seinem ergänzten Schriftsatz vom 30. September 1993, ohne jedoch konkret die behauptete Rechtsverletzung näher auszuführen. Vielmehr lautete die behauptete Rechtsverletzung auf "Verweigerung" seines Rechtes auf Verständigung einer näher genannten Person "als Angehöriger bzw. Vertrauensperson". Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nach § 88 Abs. 2 SPG getroffene Entscheidung über diese "Verweigerung" der Verständigung einer bestimmten Person stellt jedoch keine Entscheidung über eine - vom Beschwerdeführer trotz gebotener Gelegenheit zur Verbesserung nicht konkretisierte - "Richtlinienverletzung" (etwa nach § 8 RLV) dar, sodaß auch die behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde hinsichtlich des angefochtenen Bescheides nicht vorlag.

Insoweit der Beschwerdeführer ferner behauptet, er sei auch deshalb in seinen Rechten verletzt worden, weil die Dienstaufsichtsbehörde ihm gemäß § 89 Abs. 2 SPG den von ihm "in den Beschwerdepunkten als erwiesen angenommenen Sachverhalt" nicht mitgeteilt und sich zur Frage, ob eine Verletzung vorliege, nicht geäußert habe, ist ihm neuerlich entgegenzuhalten, daß er es trotz Aufforderung der belangten Behörde im Rahmen der aufgetragenen Beschwerdeergänzung unterlassen hat, allfällige Richtlinienverletzungen im Sinne des § 89 SPG durch konkretisierte Behauptungen auszuführen, und er auch den ergänzten Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich nur auf § 88 SPG bezog, weshalb die belangte Behörde zu Recht nicht von der Erhebung einer "Richtlinien-Beschwerde" nach § 89 SPG ausgegangen ist. Der diesbezüglichen Rüge kommt daher keine Berechtigung zu. Die folgenden Ausführungen beziehen sich daher auf die vom Beschwerdeführer auf § 88 Abs. 2 SPG gestützte Beschwerde an die belangte Behörde.

Im Rahmen der Verfahrensrügen bringt der Beschwerdeführer u. a. vor, die belangte Behörde habe die "Nichtbefolgung" seines Antrages auf Durchführung seiner Einvernahme durch eine zu ersuchende Behörde in Wien, dem Wohnort des Beschwerdeführers, nicht in einer Weise begründet, wodurch zu erkennen wäre, weshalb die Durchführung einer Einvernahme entbehrlich geworden sein sollte und weshalb seine Einvernahme durch eine zu ersuchende Behörde nicht der amtswegigen Sachverhaltsfeststellung dienen würde. Die belangte Behörde hätte aber angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer aus eigenen Mitteln nicht in der Lage gewesen sei, die Anreise zur belangten Behörde zu bewerkstelligen, seinem Antrag Folge geben und ihm Gelegenheit zur Parteieneinvernehmung vor einer ersuchten Behörden an seinem Wohnort geben müssen. Sie hätte ihm insbesondere die Möglichkeit geben müssen, sich zu den aufgenommenen Beweisen zu äußern.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer jedoch keinen der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangel darzulegen. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß im Hinblick auf das Erfordernis der Ladung der Parteien und "anderen zu hörenden" Personen, insbesondere von Zeugen und Sachverständigen, nach § 67d Abs. 1 letzter Satz AVG zu schließen ist, daß bei der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Zeugen, Sachverständige und sonstige Auskunftspersonen - wie etwa auch die beschwerdeführende Partei selbst - grundsätzlich in dieser Verhandlung zu vernehmen sind, sodaß sich der Beschwerdeführer auf kein subjektives Recht zu berufen vermag, außerhalb dieser mündlichen Verhandlung, die im Beschwerdefall am 3. Februar 1994 von der belangten Behörde durchgeführt wurde, einvernommen zu werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997020288.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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