TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/6 W262 2221705-1

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Veröffentlicht am 06.11.2020
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Entscheidungsdatum

06.11.2020

Norm

AlVG §10
AlVG §38
AlVG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W262 2221705-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta HAIDNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 17.05.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 01.07.2019, GZ XXXX , betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 24.04.2019 bis 18.06.2019 gemäß §§ 10 iVm 38 AlVG, wobei Nachsicht nicht gewährt wurde, zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer steht mit Unterbrechungen seit 05.10.2007 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, seit 21.01.2009 bezieht er Notstandshilfe.

2. In der am 05.03.2019 vom Arbeitsmarktservice XXXX (im der Folge als „belangte Behörde“ oder AMS bezeichnet) mit dem Beschwerdeführer abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung wurde unter anderem festgehalten, dass der Beschwerdeführer schon lange Zeit arbeitslos sei, Berufserfahrung als Baumonteur und Verkäufer habe und in diesen Bereichen im Raum Wien vermittelt werden wolle. Das AMS unterstütze den Beschwerdeführer bei der Suche nach einer Stelle als Baumonteur bzw. Lagerarbeiter bzw. „beim Überwinden von Hindernissen bei der Vermittlung, und zwar mit dem SÖB ‚Trendwerk für Männer‘“ ab 24.04.2019. Als Begründung für die beabsichtigte Vorgangsweise wurde ausgeführt, dass das gemeinsame Ziel die Integration am österreichischen Arbeitsmarkt sei. Zur bestmöglichen Unterstützung bei einer raschen Integration am Arbeitsmarkt werde dem Beschwerdeführer angeboten, zusätzlich von einer externen Beratungs- und Betreuungseinrichtung bei Trendwerk bei der beruflichen Integration individuell betreut und begleitet zu werden.

Darüber hinaus wurde dem Beschwerdeführer ein Einladungsschreiben zu „akt:E - Trendwerk für Männer“ mit Beginn am 24.04.2019, 09h30 Uhr ausgefolgt, in dem Folgendes festgehalten wurde:

„ …

Inhalte:

Trendwerk: ist ein vom AMS Wien gefördertes Unternehmen, welches Ihnen ermöglicht, nach einer Vorbereitungsphase in Betrieben am freien Arbeitsmarkt eingesetzt zu werden. Es bietet Ihnen eine Vielzahl von Arbeitsfeldern, in denen Sie Ihre Berufskenntnisse praktisch auffrischen können und zusätzlich in allen Lebensfragen unterstützt werden. Speziell ausgebildete Fachkräfte helfen Ihnen bei der beruflichen und sozialen Rückkehr ins Arbeitsleben, suchen mit Ihnen nach Lösungen für Vermittlungshindernisse und schaffen durch Beschäftigung, Betreuung und Qualifizierung eine Brücke zu einer dauerhaften Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.

Die Beratungs- und Betreuungseinrichtung akt:E versucht mittels Clearing und einer individuellen Beratung und Betreuung Sie nach Abklärung ihrer persönlichen Situation auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben vorzubereiten.

Inhaltliche Angebote:

?        Einzel- und Gruppencoaching

?        Entwickeln von individuellen Bewerbungsstrategien

?        Aktualisierung von Lebenslauf und Bewerbungsschreiben

?        Förderung der Selbstorganisation

?        Beratung über Fördermöglichkeiten

?        Hilfestellung bei Kontakten zu Behörden

Die Verweigerung der Teilnahme an der Veranstaltung kann – sofern keine wichtigen Gründe vorliegen – zum Verlust des Leistungsanspruches für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer von sechs Wochen, führen.

Sollte Ihnen die Vorsprache zu diesem Termin nicht möglich sein, informieren Sie bitte Ihre/n zuständige/n BeraterIn beim Arbeitsmarktservice.“

3. Der Beschwerdeführer nahm nicht an der oa. Veranstaltung am 24.04.2019 teil.

4. In der dazu am 15.05.2019 vor der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer an, dass er aufgrund einer Straßenbahnstörung zu spät gekommen und nicht mehr zu der Informationsveranstaltung zugelassen worden sei.

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 17.05.2019 wurde der Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 24.04.2019 bis 18.06.2019 gemäß §§ 10 iVm 38 AlVG ausgesprochen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe den Erfolg der Wiedereingliederungsmaßnahme „akt:E – Trendwerk für Männer“ und somit ein mögliches Dienstverhältnis vereitelt. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

6. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde ein und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe weder eine Beschäftigung vereitelt, noch einen Informationstag abgelehnt. Er habe sich lediglich aufgrund einer Straßenbahnstörung verspätet und sei nicht mehr aufgenommen worden. Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer aus, er müsse sich nach einer Operation körperlich schonen.

7. Seitens des AMS wurde mit Bescheid vom 01.07.2019 eine Beschwerdevorentscheidung erlassen, mit der die Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vom 17.05.2019 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG abgewiesen wurde. Begründend führte das AMS nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, dass die Firma Trendwerk ein vom AMS beauftragter Arbeitsvermittler sei und aufgrund der Zuweisung am 24.04.2019 die Möglichkeit bestanden habe, in ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis aufgenommen zu werden.

Den auf die Gesundheit bezogenen Einwänden des Beschwerdeführers sei zu entgegnen, dass laut den EDV-mäßigen Aufzeichnungen die Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers bereits vor dem 24.04.2019 beendet gewesen sei. Zum Einwand, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer Straßenbahnstörung nicht rechtzeitig erscheinen habe könne, sei entgegen zu halten, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner langen Bezugsdauer von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bewusst sein müsse, dass er an der zugewiesenen Veranstaltung teilzunehmen habe und ihm im Falle einer Nichtteilnahme die Leistung entzogen werde. Da der Beschwerdeführer verspätet erschienen sei, habe er dadurch ein Verhalten gesetzt, welches den Erfolg seiner nach außen zutage getretenen Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu erlangen, zunichtegemacht habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht liegen nicht vor.

8. Der Beschwerdeführer stellte fristgerecht einen Vorlageantrag, bekräftigte sein bisheriges Vorbringen und bestritt darüber hinaus die Zuweisungstauglichkeit der Maßnahme, da er über den Sinn der Maßnahme nicht korrekt aufgeklärt worden sei.

9. Die Beschwerde und der Vorlageantrag wurden dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Verwaltungsakten am 25.07.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer bezieht seit 05.10.2007 mit kurzen Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Am 05.03.2019 wurde mit dem Beschwerdeführer im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der belangten Behörde die Teilnahme an „akt:E - Trendwerk für Männer“ mit Beginn am 24.04.2019 (Informationstag) vereinbart.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer vom AMS nicht wirksam zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zugewiesen wurde.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer am 24.04.2019 auch keine Beschäftigung zugewiesen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung hinsichtlich des Bezuges von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ergeben sich aus dem eingeholten Sozialversicherungsauszug.

Die weiteren getroffenen Feststellungen basieren auf dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere der Betreuungsvereinbarung vom 05.03.2019, dem Bescheid vom 17.05.2019 und der Beschwerdevorentscheidung vom 01.07.2019 ergibt sich für den erkennenden Senat, dass der Beschwerdeführer nicht wirksam einer Maßnahme zur Wiedereingliederung zugewiesen worden ist und kann sein Verhalten insofern nicht wegen Vereitelung einer Maßnahme zur Wiedereingliederung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG sanktioniert werden, weil dem AMS insoweit Versäumnisse anlässlich der Zuweisung vorzuwerfen sind. Insbesondere fehlen in der Betreuungsvereinbarung vom 05.03.2019 und im Bescheid bzw. der Beschwerdevorentscheidung entscheidungswesentliche Feststellungen dazu, welche konkrete „Problemlage“ beim Beschwerdeführer vorlag, welches Ziel die Maßnahme verfolgte und ob die Teilnahme an der Maßnahme zur Behebung dieser konkreten Problemlage notwendig oder nützlich erschien. Der erkennende Senat verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer seit über zehn Jahren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht und insofern ein Vermittlungsdefizit vorliegt, das eine Wiedereingliederungsmaßnahme notwendig macht. Jedoch hat es das AMS, welches lediglich ausführt, zur raschen Integration in den Arbeitsmarkt eine individuelle Betreuung und Begleitung bei der beruflichen Integration durch die externe BBE Trendwerk anzubieten, unterlassen, dem Beschwerdeführer konkret darzulegen, welches Ziel die Maßnahme verfolgt und ob die Teilnahme an der Maßnahme zur Behebung dieser konkreten Problemlage notwendig oder nützlich erscheint. Letztlich wird in der Betreuungsvereinbarung festgehalten, dass der Beschwerdeführer „sofort“ eine Arbeit aufnehmen könne und er daher passende Stellen zugeschickt bekomme. Insofern widerspricht aber die Feststellung, sofort eine Tätigkeit aufnehmen zu können, dem Zweck einer Maßnahme, den Beschwerdeführer aufgrund einer zu beseitigenden „Problemlage“ in den Arbeitsmarkt wiedereingliedern zu müssen. Angemerkt wird, dass die belangte Behörde im Bescheid vom 17.05.2019 begründend ausführt, der Beschwerdeführer „habe den Erfolg der Wiedereingliederungsmaßnahme ‚akt:E – Trendwerk für Männer‘ und somit ein mögliches Dienstverhältnis vereitelt“. In der Beschwerdevorentscheidung vom 01.07.2019 geht die belangte Behörde (lediglich) von einer Vereitelung des Zustandekommens einer zumutbaren Beschäftigung aus und führte dazu aus, die Firma Trendwerk sei ein vom AMS beauftragter Arbeitsvermittler und aufgrund der Zuweisung habe für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestanden, in ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis aufgenommen zu werden.

Dem Beschwerdeführer wurde durch Zuweisung von ‚akt:E – Trendwerk für Männer‘ am 24.04.2019 aber auch kein (konkretes) Arbeitsverhältnis angeboten. Im Vordergrund der Veranstaltung standen – wie sich dem Einladungsschreiben entnehmen lässt – vielmehr Unterstützungsangebote sowie konkret das Angebot des Eintritts in eine Beratungs- und Betreuungseinrichtung (BBE). Die BBE umfasst ausschließlich Beratungsleistungen (z.B. Gruppencoaching, Erstellung von Lebensläufen, Unterstützung in allgemeinen Lebensfragen, Förderung der Selbstorganisation, etc.). Nach einer individuellen Vorbereitungsphase „besteht die Möglichkeit, in Betrieben am freien Arbeitsmarkt eingesetzt zu werden“.

Insofern ist aber auch die Ansicht der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung vom 01.07.2019 verfehlt, der Beschwerdeführer habe durch die Nichtteilnahme am Informationstag das Zustandekommen einer zumutbaren Beschäftigung vereitelt, da – wie oben ausgeführt – bei dem Informationstag keine konkrete Beschäftigung angeboten wurde.

Auch die Tatsache, dass eine etwaige kollektivvertragliche Anstellung beim Arbeitskräfteüberlasser Trendwerk erfolgen kann und etwaige (gesundheitliche) Bedenken hinsichtlich der Zumutbarkeit der Beschäftigung bei einer allfälligen zu künftigen Überlassung berücksichtigt werden, ersetzt nicht die bei der Zuweisung einer Beschäftigung notwendige Überprüfbarkeit der Zumutbarkeit.

Der erkennende Senat verkennt nicht, dass sich der Spruch des angefochtenen Bescheides in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung (lediglich) auf § 10 AlVG stützt und insofern eine weite Auslegung ermöglicht; dennoch sieht § 10 Abs. 1 AlVG eine klare Unterscheidung zwischen der Verweigerung der Annahme bzw. Vereitelung einer zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung (Z 1) und der Verweigerung der Teilnahme oder Vereitelung des Erfolges einer Maßnahme zur Wiedereingliederung (Z 3) vor und knüpft die wirksame Zuweisung an jeweils o.a. näher ausgestaltete Voraussetzungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Die im Beschwerdefall maßbegebenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes lauten:

„Arbeitswilligkeit

§ 9. (1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung. Die zumutbare tägliche Wegzeit für Hin- und Rückweg beträgt jedenfalls eineinhalb Stunden und bei einer Vollzeitbeschäftigung jedenfalls zwei Stunden. Wesentlich darüber liegende Wegzeiten sind nur unter besonderen Umständen, insbesondere wenn am Wohnort lebende Personen üblicher Weise eine längere Wegzeit zum Arbeitsplatz zurückzulegen haben oder besonders günstige Arbeitsbedingungen geboten werden, zumutbar.

(3) - (6) …

(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.

§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 AMFG durchführenden Dienstleister zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. (…)

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. (...)

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(2) - (4) ...“

Gemäß § 38 AlVG sind – soweit nichts anderes bestimmt ist – auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.

3.2. Die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecks, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, nicht nur eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sondern – erforderlichenfalls – auch an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Um sich durch die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Teilnahme ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln (vgl. VwGH 06.07.2011, 2009/08/0114, uva).

3.3. Während § 9 AlVG den Begriff der Arbeitswilligkeit definiert und Kriterien für die Bestimmung der Zumutbarkeit einer durch das Arbeitsmarktservice bzw. einen von diesem beauftragten Arbeitsvermittler vermittelten Beschäftigung bzw. Nach(Um)schulung oder Wiedereingliederungsmaßnahme enthält, sanktioniert § 10 AlVG durch befristeten Leistungsausschluss das Verhalten desjenigen, der die Beendigung des Zustandes der Arbeitslosigkeit schuldhaft zu vereiteln sucht.

Der befristete Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe tritt gemäß dem im konkreten Fall zur Anwendung gelangenden § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG dann ein, wenn sich die arbeitslose Person ohne wichtigen Grund weigert, an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen bzw. deren Erfolg vereitelt.

Eine ungerechtfertigte Weigerung (Vereitelung) liegt vor, wenn (1) es sich überhaupt um eine wirksam zugewiesene zumutbare Maßnahme handelt, (2) feststeht, dass die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitslosen für die Erlangung bzw. Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind und es deshalb einer solchen Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bedarf und (3) das Arbeitsmarktservice das Ergebnis des diesbezüglichen Ermittlungsverfahrens dem Arbeitslosen – unter Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Weigerung – aus den Verwaltungsakten nachvollziehbar zur Kenntnis gebracht hat und (4) der Arbeitslose dennoch ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme abgelehnt bzw. den Erfolg der Maßnahme vereitelt hat. Die Verhängung einer Sanktion ist außerdem nur bei (zumindest bedingtem) Vorsatz gerechtfertigt, nicht jedoch bei bloßen Sorgfaltswidrigkeiten des Arbeitslosen. Wurden dem Arbeitslosen weder seine (Ausbildung-)Defizite dargelegt noch ihm erklärt, welcher Erfolg mit der konkreten Maßnahme erreicht werden soll (wurde also die erforderliche Maßnahmenbelehrung nicht ordnungsgemäß durchgeführt), kann ihm nicht unterstellt werden, er habe deren Erfolg vorsätzlich vereitelt (vgl. VwGH 15.03.2005, 2004/08/0210).

3.4. Um in Bezug auf eine bestimmte Maßnahme von der Vereitelung ihres Erfolges sprechen zu können, ist Voraussetzung, dass der Arbeitslose weiß, an welchen Defiziten er leidet, und die Ziele kennt, die mit der Maßnahme erreicht werden sollen (vgl. VwGH 15.03.2005, 2004/08/0210; 21.12.2005, 2004/08/0244).

Der Gesetzgeber hat durch die Zumutbarkeitsregelung im § 9 Abs. 8 AlVG ausdrücklich festgehalten, dass das AMS bei Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt der arbeitslosen Person die Gründe anzugeben hat, die eine Teilnahme einer derartigen Maßnahme als zur Verbesserung der Wiederbeschäftigungschancen notwendig oder nützlich erscheinen lassen, soweit diese nicht auf Grund der vorliegenden Umstände, wie insbesondere einer längeren Arbeitslosigkeit in Verbindung mit bestimmten bereits im Betreuungsplan erörterten Problemlagen, die einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegenstehen, als bekannt angenommen werden können. Damit kann in jenen Fällen, in denen die Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Wiedereingliederung offenkundig ist, die an sich für das AMS bestehende Begründungspflicht unmittelbar vor der Zuweisung entfallen.

Auch wenn eine Belehrung über diese Voraussetzungen vor Zuweisung allenfalls entfallen kann (wenn die Gründe als bekannt angenommen werden können), ist aber dennoch im Bescheid über die Verhängung einer Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG darzulegen, dass die Voraussetzungen für eine Zuweisung zu einer Maßnahme gegeben waren, dass also eine Problemlage iSd § 9 Abs. 8 AlVG vorlag und – im Sinne einer Prognoseentscheidung – die Maßnahme zur Behebung dieser Problemlage notwendig und nützlich erschien. Diesbezügliche Versäumnisse anlässlich der Zuweisung des Arbeitslosen zur Schulungsmaßnahme können im Rechtsmittelverfahren nicht nachgeholt werden (VwGH 20.10.2010, 2009/08/0105).

Wie beweiswürdigend ausgeführt reicht der bloße Hinweis auf eine seit 2010 andauernde Arbeitslosigkeit unter gleichzeitigem Hinweis darauf, dass sofort eine Arbeit angetreten werden kann nicht aus, um eine offenkundige Erforderlichkeit einer Maßnahme darzutun; darüberhinausgehende Ausführungen zu den Gründen, die eine Teilnahme an einer derartigen Maßnahme als zur Verbesserung der Wiederbeschäftigungschancen notwendig oder nützlich erscheinen lassen, hat das AMS nicht getätigt. Insofern hat keine wirksame Zuweisung einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt stattgefunden.

3.5.1. Die Frage, ob das Verhalten des Beschwerdeführers allenfalls wegen Vereitelung der Annahme einer zumutbaren Beschäftigung nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG sanktioniert werden könnte, ist schon deshalb zu verneinen, weil Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer verhängten Sanktion nach § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG ist, dass die zugewiesene Beschäftigung als zumutbar und auch sonst als geeignet in Betracht kommt, dass der Arbeitslose ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, das Zustandekommen der Beschäftigung zu vereiteln, und dass dieses Verhalten kausal für das Nichtzustandekommen sowie vorsätzlich darauf gerichtet

Der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG wird nur verwirklicht, wenn es sich bei der in Frage kommenden Beschäftigung um eine zumutbare und damit für die Zuweisung geeignete Beschäftigung handelt (vgl. dazu VwGH 22.02.2012, 2009/08/0077; 02.05.2012, 2010/08/0013, 2012/08/0077; 02.05.2012, 2010/08/0054; 15.05.2013, 2010/08/0257; 22.07.2013, 2012/08/0058).

Grundvoraussetzung für die Zuweisungstauglichkeit einer Beschäftigung an einen Arbeitslosen ist, dass dessen Kenntnisse und Fähigkeiten jenen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, die an der zugewiesenen Arbeitsstelle verlangt werden. Wenn die arbeitslose Person dem vom Dienstgeber bekannt gegebenen Anforderungsprofil nicht entspricht, ist daher eine Zuweisung unzulässig (VwGH 30.09.1997, 97/08/0414; 04.09.2013, 2012/08/0076; mHa Sdoutz/Zechner, AlVG, Praxiskommentar, Rz 209 zu § 9 AlVG; VwGH 04.09.2013, 2011/08/0092).

Ein sanktionierbares Verhalten kann aber nur dann Vorliegen, wenn für die arbeitslose Person zweifelsfrei die Zuweisung zu einer Beschäftigung erkennbar ist (VwGH 15.05.2013, 2012/08/0184).

3.5.2. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Gesetzgeber in § 9 Abs. 7 AlVG ausdrücklich auch „ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)“ als (zumutbare) Beschäftigung erklärt hat. Ein Verhalten im Sinn von § 10 Abs. 1 AlVG im Hinblick auf einen sozialökonomischen Betrieb (Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung oder Nichtannahme einer vom Sozialökonomischen Betrieb angebotenen Beschäftigung) kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe führen. Ein angebotenes Dienstverhältnis als „Transitarbeitskraft“ wäre daher vom Arbeitslosen – bei Vorliegen der weiteren Zumutbarkeitsvoraussetzungen – grundsätzlich einzugehen (vgl. VwGH 01.06.2017, Ra 2016/08/0120 mwH).

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer aber – wie beweiswürdigend festgestellt – auch kein konkretes Dienstverhältnis beim Überlasser Trendwerk angeboten. Im Übrigen hätte erst ein solches Angebot den Beschwerdeführer (und letztlich auch das Bundesverwaltungsgericht) in die Lage versetzt, die Zumutbarkeit der Beschäftigung zu prüfen. Insofern ist auch der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung, der Beschwerdeführer habe durch den Nichteintritt in die BBE ein mögliches Dienstverhältnis bei der Firma Trendwerk vereitelt, nicht zu folgen.

3.6. In Ermangelung der (zulässigen) Zuweisung einer Beschäftigung oder einer Wiedereingliederungsmaßnahme steht das Verhalten des Beschwerdeführers daher nicht unter der Sanktionsandrohung des § 10 Abs. 1 Z 1 oder Z 3 AlVG.

Insofern erweist sich somit der Ausspruch des Verlustes der Notstandshilfe als rechtswidrig. Aus den dargelegten Gründen war der Beschwerde stattzugeben und die Beschwerdevorentscheidung ersatzlos zu beheben.

3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat die beschwerdeführende Partei die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtsfragen aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Vorlageantrag hinreichend geklärt ist. Die belangte Behörde hat diesbezüglich ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war damit weder in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen und es liegt keine Rechtsfrage von besonderer Komplexität vor, weshalb die Verhandlung – trotz deren Beantragung – unterbleiben konnte. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sind – soweit für den Fall von Bedeutung – eindeutig. Die Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; die Entscheidung ergeht in Anlehnung an die zitierte ständige einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 Z 1 und Z 3 AlVG. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Notstandshilfe Wiedereingliederungsmaßnahme Zuweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W262.2221705.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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