TE Vfgh Beschluss 1995/10/10 G216/94, G232/94, G233/94, G234/94, G235/94, G236/94, G237/94, G238/94,

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Veröffentlicht am 10.10.1995
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art89 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
VfGG §27
Bgld KAG 1976 §52 Abs6

Leitsatz

Zurückweisung von Gerichtsanträgen auf Aufhebung einer Bestimmung des Bgld KAG 1976 betreffend die Vollstreckbarkeit von Rückstandsausweisen zur Einbringung rückständiger Krankenanstaltskosten mangels Präjudizialität infolge offenkundig verfehlter Präjudizialitätsannahme durch das antragstellende Gericht

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Gestützt auf Art89 B-VG begehrt das Landesgericht Eisenstadt in insgesamt 15 Anträgen die Aufhebung der Wortfolge "oder bei öffentlichen Krankenanstalten, die vom Bund oder dem Land Burgenland verwaltet werden, von diesen Anstalten bestätigt ist" im §52 Abs6 des Burgenländischen Krankenanstaltengesetzes 1976 - Bgld. KAG 1976, LGBl. für das Burgenland Nr. 9/1977.

Diesen Anträgen liegen gleichartige Sachverhalte zugrunde. Das Allgemeine öffentliche Landeskrankenhaus Oberpullendorf hat jeweils zur Hereinbringung von ihm aufgrund eines Rückstandsausweises zustehenden Krankenanstaltengebühren beim Bezirksgericht Oberpullendorf die Bewilligung der Fahrnis- und Gehaltsexekution gemäß §294 a EO wider die je verpflichtete Person beantragt. Die - vom Verwaltungsleiter der betreibenden Partei unterfertigten - Rückstandsausweise weisen alle eine Vollstreckbarkeitsbestätigung auf, die ebenfalls vom Verwaltungsleiter des Allgemeinen öffentlichen Krankenhauses Oberpullendorf unterfertigt ist.

Das Erstgericht hat die Exekutionsanträge jeweils mit der Begründung abgewiesen, daß der betreibenden Partei keine Rechtspersönlichkeit zukomme und daß die Vollstreckbarkeit auf den Rückstandsausweisen weder von der Bezirksverwaltungsbehörde noch dem Bund oder dem Land Burgenland bestätigt worden sei.

Gegen die einzelnen Beschlüsse des Erstgerichtes richten sich die rechtzeitigen Rekurse der betreibenden Partei, jeweils mit dem Antrag, die bekämpften Beschlüsse im antragsstattgebenden Sinne abzuändern. Das antragstellende Rekursgericht vertritt die Auffassung, daß in den gegenständlichen Fällen §52 Abs6 Bgld. KAG 1976 anzuwenden sei. Gegen die beim Verfassungsgerichtshof angefochtene Wortfolge in dieser Vorschrift hege das Landesgericht Eisenstadt jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, welche im einzelnen dargelegt werden. Zur Zulässigkeit wird - in allen Anträgen gleichlautend - insbesondere ausgeführt:

"Im vorliegenden Fall hat ... das Erstgericht den Exekutionsantrag (unter anderem) mit der Begründung abgewiesen, daß der Rückstandsausweis keine Vollstreckbarkeitsbestätigung von der Bezirksverwaltungsbehörde, des Bundes oder des Landes Burgenland aufweise.

Diese Rechtsauffassung wird vom Rekursgericht nicht geteilt. Im vorliegenden Fall ist vielmehr §52 Abs6 bgld KAG anzuwenden. ...

...

Offensichtlich faßte das Erstgericht diese Bestimmung dahingehend auf, daß die Vollstreckbarkeitsbestätigung der öffentlichen Krankenanstalten vom Bund oder vom Land Burgenland erteilt werden hätte müssen. Dem kann nicht beigetreten werden. Nach Auffassung des Rekursgerichtes ergibt sich vielmehr bereits aus der grammatischen Interpretation, daß das Wort 'Anstalten' am Ende des §52 Abs6 (gemeint offensichtlich: bgld) KAG als 'Krankenanstalt' zu verstehen ist, daß daher, mit anderen Worten, die öffentlichen Krankenanstalten selbst befugt sind, die Vollstreckbarkeit von Rückstandsausweisen zu bestätigen."

2. §52 Abs6 Bgld. KAG 1976, LGBl. Nr. 9/1977, lautet - die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben - wie folgt:

"Einbringung der Krankenanstaltskosten und Rückstandsausweis

§52

(1) ...

...

(6) Auf Grund des Rückstandsausweises einer öffentlichen Krankenanstalt ist gegen den Verpflichteten die Vollstreckung entweder im Verwaltungswege oder im gerichtlichen Wege zulässig, wenn die Vollstreckbarkeit von der Bezirksverwaltungsbehörde oder bei öffentlichen Krankenanstalten, die vom Bund oder dem Land Burgenland verwaltet werden, von diesen Anstalten bestätigt ist.

(7) ...

..."

3. Die Burgenländische Landesregierung hat eine - in allen Verfahren gleichlautende - Stellungnahme abgegeben, in der sie jeweils die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt. Darin wird zur Zulässigkeit ausgeführt:

"Bei Aufhebung der vom antragstellenden Gericht in seinem Antrag genannten Wortfolge bliebe ein sprachlicher Torso zurück, der dem Bundes(grundsatz)gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann. Der Antrag ist mithin unzulässig."

4. Das jeweils mitbeteiligte Allgemeine öffentliche Landeskrankenhaus Oberpullendorf hat unter Verzeichnung von Kosten in allen Verfahren mit Ausnahme des Verfahrens G242/94 eine - gleichlautende - Äußerung erstattet. Darin wird ua. ausgeführt:

"Nicht zuletzt ist zu beachten, daß auch nach Rechtsprechung des OGH die Führung einer öffentlichen Krankenanstalt der Privatwirtschaftsverwaltung angehört (SZ 38/79; SZ 42/188; LSK 1980/76). Dies im vorliegenden Fall umso mehr, als ... das Burgenland eine Privatisierung der A.ö. Landeskrankenhäuser Oberpullendorf, Güssing, Kittsee, Oberwart und weiterer Pflegeanstalten dahingehend vorgenommen hat, daß mit Vertrag vom 14.12.1992 das Land Burgenland die Rechtsträgereigenschaft an die Burgenländische Krankenanstalten Gesellschaft mbH ('Krages') übertragen hat.

Die Einbringlichmachung der Pflegegebühren ist daher kein Hoheitsakt, zumal es sich auch nicht um 'Abgaben' handelt (Adamovich/Funk - Allg. Verwaltungsrecht3, S. 182), sondern um privatrechtliche Forderungen aus dem Pflegevertrag zwischen Krankenanstalt und Pflegling.

Dies ist für die Auslegung des §30 Abs3 Bundes-KAG insofern von Bedeutung, da der Einbringung von privatrechtlichen Forderungen der öffentlichen Krankenhäuser zwar die Inanspruchnahme der Bezirksverwaltungsbehörden ermöglicht werden kann, diese privatrechtlichen Forderungen aber nicht zwangsweise und nur unter Einschaltung einer Behörde einbringlich gemacht werden können. Und damit verbunden ist, daß somit auch die Vollstreckbarkeitsbestätigung krankenhausintern erfolgen kann."

5. Die Anträge sind unzulässig.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).

Die von den Anträgen des Gerichtes erfaßte Gesetzesstelle gestattet die Vollstreckbarkeit aufgrund des Rückstandsausweises einer öffentlichen Krankenanstalt, wenn die Vollstreckbarkeit "bei öffentlichen Krankenanstalten, die vom Bund oder dem Land Burgenland verwaltet werden, von diesen Anstalten bestätigt ist."

Dem klaren Wortlaut des Gesetzes zufolge sind - entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes - nicht alle öffentlichen Krankenanstalten selbst befugt, die Vollstreckbarkeit von Rückstandsausweisen zu bestätigen, sondern nur solche, "die vom Bund oder dem Land Burgenland verwaltet werden". Bei dem Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhaus Oberpullendorf, der betreibenden Partei in den den Gesetzesprüfungsanträgen zugrundeliegenden gerichtlichen Exekutionsverfahren, handelt es sich jedoch nicht um eine vom Bund oder vom Land Burgenland verwaltete öffentliche Krankenanstalt. Vielmehr ist das genannte Landeskrankenhaus, wie es in seiner in den Gesetzesprüfungsverfahren abgegebenen Stellungnahme ausgeführt hat, neben anderen Krankenanstalten aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert worden: Mit Vertrag vom 14.12.1992 hat das Land Burgenland die Rechtsträgereigenschaft an die burgenländische Krankenanstaltengesellschaft mbH übertragen. Da es sich beim Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhaus Oberpullendorf somit um keine vom Bund oder dem Land Burgenland verwaltete öffentliche Krankenanstalt handelt, ist die Annahme des antragstellenden Gerichtes, es habe die von ihm angefochtene Wortfolge anzuwenden, offenkundig verfehlt.

Die Anträge waren daher zurückzuweisen.

6. Kosten waren dem mitbeteiligten Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenhaus Oberpullendorf für die abgegebenen Äußerungen nicht zuzusprechen, da es im Falle von - wie hier - aufgrund von Gerichtsanträgen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren Aufgabe der antragstellenden Gerichte ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für ihre Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. VfSlg. 10832/1986 und die dort zitierte Judikatur).

7. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Krankenanstalten, Kosten (Krankenanstalten), VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G216.1994

Dokumentnummer

JFT_10048990_94G00216_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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