TE Bvwg Beschluss 2020/9/2 W208 2225493-1

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Entscheidungsdatum

02.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GebAG §53
VwGVG §34 Abs3

Spruch

W208 2225493-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 13-821727905 vom 08.10.2019 wegen Dolmetschgebühren beschlossen:

A)

Das Verfahren wird gemäß § 34 Abs 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die ordentliche Revision zu W208 2225492-1/3E ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) erbrachte in einem Verfahren zu IFA: 13-821727905 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA, im Folgenden belangte Behörde genannt) am 26.08.2019 Dolmetschleistungen.

Am 16.09.2019 brachte der BF seine Gebührennote für die am 26.08.2019 erbrachten Dolmetschleistungen per E-Mail bei der belangten Behörde ein. Gleichzeitig stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den er im Wesentlichen mit dem überraschenden Ableben seines Bruders begründete.

2. Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 08.10.2019 stellte die belangte Behörde fest, dass der Anspruch des BF aus Gebührenersatz für seine Dolmetschleistung gemäß § 53 iVm Abs 1 GebAG 1975 erloschen sei und wies die vorgelegte Gebührennote vom 26.08.2019 iHv € 98,60, eingelangt am 16.09.2019, gemäß § 53a und § 53b AVG 1991 iVm §§ 53 Abs 2 und § 54 GebAG idgF als unzulässig zurück.

Hinsichtlich der Zurückweisung des Begehrens über den Gebührenersatz für die Dolmetschleistung am 26.08.2019 wurde Folgendes ausgeführt: Die Frist für die 14-tägige Geltendmachung der Dolmetschgebühr nach § 38 Abs 1 GebAG habe mit Abschluss der jeweiligen Parteieinvernahmen zu laufen begonnen. Der BF sei mit den einschlägigen Vorschriften vertraut und würde sich auf den Gebührennoten auch ein entsprechender Hinweis finden, dass Gebührennoten binnen 14 Tagen einzulangen hätten. Im vorliegenden Fall sei die Honorarnote nicht binnen der gesetzlich geforderten Frist von 14 Tagen gemäß §§ 53b iVm § 53a AVG und §§ 53 iVm § 38 Abs 1 GebAG bei der belangten Behörde eingelangt. Der Gebührenanspruch sei daher erloschen.

Hinsichtlich des Antrages auf Wiedereinsetzung führte die belangte Behörde aus, dass es sich bei der Frist gemäß § 38 Abs 1 GebAG um eine nicht erstreckbare materielle Frist handle. Weitere – inhaltliche – Ausführungen betreffend den Wiedereinsetzungsantrag wurden keine getroffen.

3. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 11.10.2019) richtet sich die am 06.11.2019 eingebrachte Beschwerde.

Begründend führte der BF im Wesentlichen Folgendes aus: Er habe nach einem Notanruf aus einem Krankenhaus am 30.08.2019 nach DEUTSCHLAND fahren müssen, da sein Bruder schwer erkrankt und infolge am 02.09.2019 verstorben sei. Das Ableben seines Bruders habe es sofort notwendig gemacht, die Überführung des Leichnams nach AFGHANISTAN für das dortige Begräbnis zu organisieren. Dies sei am 03.09.2019 mit seiner Flugbegleitung erfolgt. Er sei am 08.09.2019 wieder nach FRANKFURT zurückgeflogen und erst am 10.09.2019 in INNSBRUCK angekommen, zumal er davor noch in DEUTSCHLAND unaufschiebbare Organisationsarbeiten betreffend das Ableben seines Bruders vornehmen habe müssen. Er habe daher mit seinem Schreiben vom 16.09.2019 sowie mittels eines Telefonates mit einer Sachbearbeiterin der belangten Behörde die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Frist zur Einreichung der Gebührennote beantragt, da er durch ein unabwendbares Ereignis gehindert gewesen sei, innerhalb der 14-tägigen Frist seine Gebührennote einzureichen. Der Tod seines Bruders stelle das unabwendbare Ereignis dar, welches ihn gehindert habe, die Gebührennote rechtzeitig an die belangte Behörde zu übermitteln. Diese Gebührennote habe er ebenfalls mit seinem Schreiben vom 16.09.2019 an die belangte Behörde übermittelt. In dem angefochtenen Bescheid werde in keiner Weise auf das Ableben seines Bruders und die dadurch notwendig gewordene Reise nach KABUL als Wiedereinsetzungsgrund Bezug genommen und keine diesbezüglichen Feststellungen oder rechtliche Ausführungen getroffen. Der angefochtene Bescheid leide daher an Feststellungsmängeln.

Weiter rügte der BF eine Verletzung des Parteiengehörs sowie unrichtige rechtliche Beurteilung. Schließlich stellte er den Antrag, der Beschwerde Folge zu geben und ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Frist zur Geltendmachung seiner Gebührennote Nr. 183 vom 26.08.2019 zu gewähren und ihm die beantragten Gebühren in der Folge zuzusprechen.

4. Mit Schreiben vom 13.11.2019, eingelangt am 18.11.2019, legte die belangte Behörde die Beschwerde und den gegenständlichen Verwaltungsakt – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde zunächst der Gerichtsabteilung I413 zugewiesen und infolge einer Unzuständigkeitsanzeige umprotokolliert und am 02.12.2019 der Gerichtsabteilung W208 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der im Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird festgestellt.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 16.04.2020, W208 2225492-1/3E, wurde über einen ähnlichen Sachverhalt mit derselben Rechtsfrage (ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Versäumung der Frist nach § 53b AVG iVm § 38 GebAG in einem Verwaltungsverfahren zulässig ist) entschieden und die ordentliche Revision zugelassen. Dagegen wurde mit Schriftsatz vom 04.06.2020 eine ordentliche Amtsrevision an den VwGH erhoben, und diese am 09.07.2020 nach Führung des Vorverfahrens durch das BVwG an den VwGH zur Entscheidung vorgelegt. Dort ist sie derzeit anhängig.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zum rechtserheblichen Sachverhalt konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage erfolgen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in den Materiengesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2. Zur Aussetzung

Gemäß § 34 Abs 3 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

Aus den Erläuterungen (vgl. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8) zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem - gleichzeitig anhängigen - Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss (vgl. zu den entsprechenden Bestimmungen der BAO: VwGH 18.4.1990, 89/16/0200; 21.12.2011, 2009/13/0159 sowie Ritz, BAO5, 2014, § 271).

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichts bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen "leading case" gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (Fister/Fuchs/Sachs, Anm 14 zu § 34 VwGVG).

Im Verfahren zu W208 2225492-1/3E war bei einem ähnlichen Sachverhalt dieselbe Rechtsfrage (ob die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Versäumung der Frist nach § 53b AVG iVm § 38 GebAG in einem Verwaltungsverfahren zulässig ist) durch das BVwG zu entscheiden.

Das BVwG hat in diesem Verfahren am 16.04.2020 – mit der wesentlichen Begründung, dass die Frist nach § 38 Abs. 1 GebAG iVm § 53b AVG nicht als rein materiellrechtliche Frist eingeordnet werden könne, sondern vor dem Hintergrund näher genannter Judikatur und Lehre („doppelfunktionale“ Frist, Anwendung des Postlaufprivilegs, im Zweifel verfahrensrechtliche Frist, …) einen zumindest verfahrensrechtlichen Charakter aufweise und daher der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich sei – der Beschwerde Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Dieses Verfahren ist nunmehr in Form einer ordentlichen Amtsrevision beim Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Beim Bundesverwaltungsgericht sind derzeit in der Gerichtsabteilung W208 noch 2 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig. Außerdem wird die gegenständliche Rechtsfrage vor dem BVwG regelmäßig im Rahmen von Verfahren über Dolmetschgebühren aufgeworfen, sodass auch weitere Verfahren darüber in naher Zukunft zu erwarten sind.

Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage liegt bislang nicht vor.

Da die Voraussetzungen des § 34 Abs 3 VwGVG somit gegeben sind, wird das gegenständliche Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die ordentliche Revision zu W208 2225492-1/3E ausgesetzt.

3.3. Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die oben dargestellte Judikatur des VwGH wird verwiesen.

Schlagworte

Amtsrevision Anhängigkeit Aussetzung Dolmetscher Fristversäumung Gebührenanspruch ordentliche Revision Rechtsfrage unabwendbares Ereignis Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2225493.1.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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