TE Lvwg Beschluss 2020/9/9 LVwG-AV-826/001-2020

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Veröffentlicht am 09.09.2020
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Entscheidungsdatum

09.09.2020

Norm

GdO NÖ 1973 §36
GdO NÖ 1973 §37
GdO NÖ 1973 §43
GdO NÖ 1973 §108 Abs1
VerfGG 1953 §67 Abs1
B-VG Art141 Abs1 litb

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch die Richterin Mag. Steger über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, des Herrn B, ***, ***, der C – Wahlpartei in ***, ***, ***, des Herrn D, ***, ***, des Herrn F, ***, ***, des Herrn E, ***, ***, und der G, ***, ***, alle vertreten durch H Rechtsanwälte in ***, ***, gegen den Bescheid der Kreiswahlbehörde Zwettl vom 22. Juni 2020, GZ. ***, folgenden

BESCHLUSS:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung:

1.   Zum bisherigen Gang des Verfahrens:

Mit Schreiben vom 27.02.2020, eingelangt bei der Stadtgemeinde *** am selbigen Tag, fochten A (Gemeinderat der C in ***), B (Gemeinderat der C in ***), die C - Wahlpartei in *** sowie ergänzend mittels E-Mail ebenso vom 27.02.2020 die G und die Gemeinderäte D und E die im Rahmen der konstituierenden Sitzung über die Wahl des Bürgermeisters, Vizebürgermeisters, Mitglieder des Stadtrates und des Prüfungsausschusses der Stadtgemeinde *** am 20.02.2020 erfolgte Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Gemeindevorstand und den Prüfungsausschuss berechtigten Parteien an, wodurch es entsprechend derer Begründung der G und der I verwehrt geblieben sei, einen eigenen Wahlvorschlag vorzulegen. In weiterer Folge werde somit das zustande gekommene Ergebnis der Wahlen des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** zur Besetzung von Gemeindevorstand, Vizebürgermeister, Prüfungsausschuss samt Besetzung des Vorsitzenden- und Stellvertreterposten im Prüfungsausschuss angefochten.

Es wurde die Aufhebung der beiden Ermittlungsverfahren über den Anspruch auf Vorlage eines Wahlvorschlages und die resultierenden Wahlergebnisse und in weiterer Folge eine rechtskonforme Wiederholung dieser Ermittlungs- und Wahlvorgänge beantragt.

Mit weiterer Anfechtungsschrift vom 20.05.2020, eingebracht am selbigen Tag bei der Gemeinde *** mittels E-Mail, wurde die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Bauausschuss berechtigten Parteien in der Gemeinderatssitzung vom 13.05.2020 angefochten. Bei den Einschreitern handelte es sich im Wesentlichen um dieselben Einschreiter wie bei der Anfechtung vom 27.02.2020, lediglich anstelle des mittlerweile ausgeschiedenen Gemeinderates D trat nunmehr der Gemeinderat F ein.

Mit eben dieser Anfechtung wurde die Aufhebung der entsprechenden Beschlüsse der Gemeinderatssitzung vom 13.05.2020, der beiden Ermittlungsverfahren über Anspruch auf Vorlage eines Wahlvorschlages, die Anerkennung des von den Einschreitern eingebrachten Wahlvorschlages und Aufhebung des rechtswidrig zustande gekommenen Wahlergebnisses für die Vergabe der Mandate und der Vorsitzendenstellen beantragt. In weiterer Folge wurde zudem die rechtskonforme, die Beanstandungen in der Anfechtung der Einschreiter berücksichtigende, Wiederholung dieser Ermittlungs- und Wahlvorgänge bzw. eine Anerkennung ihres Wahlvorschlages beantragt.

Nach Einholung einer Stellungnahme der Stadtgemeinde *** vom 26.05.2020 wurde mit dem Bescheid der Kreiswahlbehörde Zwettl vom 23.06.2020, GZ: ***,

?    der Anfechtung vom 27.02.2020 durch A (Gemeinderat der C in ***), B (Gemeinderat der C in ***), die C (Wahlpartei in ***), die G (Wahlpartei in ***), D (Gemeinderat der G in ***) und E (Gemeinderat der G in ***) betreffend die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag berechtigten Parteien für den Gemeindevorstand nicht stattgegeben (Spruchpunkt I.),

?    der Anfechtung vom 27.02.2020 durch A (Gemeinderat der C in ***), B (Gemeinderat der C in ***), die C (Wahlpartei in ***), die G (Wahlpartei in ***), D (Gemeinderat der G in ***) und E (Gemeinderat der G in ***) betreffend die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag berechtigten Parteien für den Prüfungsausschuss nicht stattgegeben (Spruchpunkt II.) und

?    der Anfechtung vom 20.05.2020 durch A (Gemeinderat der C in ***), B (Gemeinderat der C in ***), die C (Wahlpartei in ***), die G (Wahlpartei in ***), F (Gemeinderat der G in ***) und E (Gemeinderat der G in ***) betreffend die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Bauausschuss berechtigten Parteien in der Gemeinderatssitzung vom 13.05.2020, ebeso nicht stattgegeben (Spruchpunkt III.).

Begründend verwies die Kreiswahlbehörde *** zusammengefasst darauf, dass die festgestellte Ermittlung des Ergebnisses der Wahl des Stadtrates (Gemeindevorstands) sowie der Ausschüsse mittels dem d’Hondt’schen Verfahren den Anforderungen der Mandatsermittlung nach der „Maßgabe ihrer Stärke“ gemäß Art. 117 Abs. 5 B-VG entspreche. Auch den Anforderungen nach einer verhältnismäßigen Vertretung werde durch die gesetzlich normierte Anzahl der zu besetzenden Gemeindevorstandsmitglieder in Abhängigkeit der Anzahl der Einwohner (vgl. § 24 Abs. 1 NÖ GO 1973), entsprochen. Die Formulierungen in der NÖ GO 1973 und im B-VG ließen laut herrschender Lehre das d’Hondtsche Ermittlungsverfahren zu und würden die Vorgaben des B-VG erfüllen. Daher könne keine Unrichtigkeit bei der Ermittlung des Ergebnisses oder gesetzwidrige Vorgänge im Wahlverfahren, die auf das Ergebnis der Wahl von Einfluss waren, im Sinne des § 108 NÖ GO 1973 erkannt werden. Es sei deshalb sämtlichen Anträgen in den Anfechtungen nicht stattzugeben gewesen.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde vom 22.07.2020 beantragten die Beschwerdeführer, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben, in der Sache selbst entscheiden und der Anfechtung vom 27.02.2020 betreffend die Wahlen für den Gemeindevorstand und den Prüfungsausschuss der Gemeinde *** sowie der Anfechtung vom 20.05.2020 betreffend die Wahlen für den Bauausschuss der Gemeinde *** Folge geben und die Wahl der jeweils rechtswidrig gewählten Personen gemäß § 109 Abs. 3 NÖ GO 1973 für nichtig erklären, in eventu nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben, in der Sache selbst entscheiden und der Anfechtung vom 27.02.2020 betreffend die Wahlen für den Gemeindevorstand und den Prüfungsausschuss der Gemeinde *** Folge geben und die Wahl der jeweils rechtswidrig gewählten Personen gemäß § 109 Abs. 3 NÖ GO 1973 für nichtig erklären, in eventu nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben, in der Sache selbst entscheiden und der Anfechtung vom 27.02.2020 betreffend die Wahlen für den Gemeindevorstand Folge geben und die Wahl der jeweils rechtswidrig gewählten Personen gemäß § 109 Abs. 3 NÖ GO 1973 für nichtig erklären, in eventu nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben, in der Sache selbst entscheiden und der Anfechtung vom 27.02.2020 betreffend die Wahlen für den Prüfungsausschuss der Gemeinde *** Folge geben und die Wahl der jeweils rechtswidrig gewählten Personen gemäß § 109 Abs. 3 NÖ GO 1973 für nichtig erklären, in eventu nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben, in der Sache selbst entscheiden und der Anfechtung vom 20.05.2020 betreffend die Wahlen für den Bauausschuss der Gemeinde *** Folge geben und die Wahl der jeweils rechtswidrig gewählten Personen gemäß § 109 Abs. 3 NÖ GO 1973 für nichtig erklären, in eventu nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Zwettl zurückverweisen.

Begründend führten dazu die Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass § 53 NÖ GRWO 1994 zwar für die Mandatsaufteilung im Gemeinderat das d`Hondtsche Verfahren festlege, eben dieses d`Hondtsche Verfahren jedoch gegenständlich unrichtigerweise bei der Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Gemeindevorstand, Prüfungsausschuss und Bauausschuss berechtigten Parteien herangezogen worden wäre. Es sei auch der Wille des Gesetzgebers, dass eine vergleichbare Regelung des § 53 NÖ GRWO sich in der NÖ GO 1973 nicht finde und daher die Anwendung des d`Hondtschen Verfahrens für die Gemeindevorstands- und Ausschusswahlen nicht gewollt sei. Es sei auch keine analoge Anwendung des § 53 NÖ GRWO 1994 möglich. Demnach sei vielmehr gegenständlich eine Aufteilung „nach dem Verhältnis der Parteisummen“ gemäß § 101 NÖ GO 1973 zu Grunde zu legen.

Eben dies gebiete auch das gleiche Wahlrecht und der Grundsatz der Verhältniswahl; ansonsten würden insbesondere kleinere Parteien bei Wahlen, bei denen nur wenige Mandate zu vergeben sind, benachteiligt, was wiederum verfassungsrechtlich bedenklich sei. Da jedoch offensichtlich die Bezirkshauptmannschaft trotzdem die analoge Anwendung des d`Hondtschen Verfahrens befürworte, werde auch in eventu die in Einem gestellte Anregung unterbreitet, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge aus Anlass der vorliegenden Beschwerde gemäß Art 135 Abs. 4 B-VG iVm Art 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 53 NÖ Gemeinderatswahlordnung 1994, LGBl 0350-0 idF LGBl Nr. 34/2020, bzw. des § 101 Abs. 2 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl 1000-0 (WV) idF (zuletzt) LGBl Nr. 35/2020, bzw. des V. Hauptstückes, 2. Abschnittes der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl 1000-0 (WV) idF (zuletzt) LGBl Nr. 35/2020, beim Verfassungsgerichtshof anregen.

Bereits 1992 sei der Bayrische Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis gelangt, dass das d`Hondtsche Verfahren verfassungswidrig sei. Nicht zuletzt komme die Anwendung des d`Hondtschen Verfahrens bei der Ermittlung der für die Wahlvorschläge berechtigten Parteien im Wesentlich einer Doppelbestrafung gegenüber kleineren Parteien gleich, was wiederum die Verfassungswidrigkeit zeige. Eben diese Rechtswidrigkeiten würden auf das Wahlergebnis auch von Einfluss gewesen sein.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 03.08.2020 legte die Bezirkshauptmannschaft Zwettl dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde vom 22.07.2020 mit dem Verwaltungsakt zur GZ. *** mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde vor, dies mit den Mitteilungen, dass der Akt aufgrund der Anfechtung des Punktes I. auch dem Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt worden sei und auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verzichtet werde.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen von der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vorgelegten Verwaltungsakt.

4.   Feststellungen:

Nach der am 26.01.2020 in Niederösterreich durchgeführten Gemeinderatswahl fand am 20.02.2020 die konstituierende Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** statt, im Rahmen derer neben dem Bürgermeister und dem Vizebürgermeister unter anderem die Mitglieder des Stadtrates und des Prüfungsausschusses, diese jeweils unter Anwendung des d`Hondtschen Verfahrens gewählt wurden.

Mit Schreiben vom 27.02.2020, eingelangt bei der Stadtgemeinde *** am selbigen Tag, fochten A als Gemeinderat der C - Wahlpartei in ***, B ebenso als Gemeinderat der C - Wahlpartei in ***, die C - Wahlpartei in *** sowie ergänzend mittels E-Mail vom 27.02.2020 die ***, und die beiden (damaligen) Gemeinderäte D und E, die im Rahmen der konstituierenden Sitzung über die Wahl des Bürgermeisters, Vizebürgermeister, Mitglieder des Stadtrates und des Prüfungsausschusses der Stadtgemeinde *** am 20.02.2020 erfolgte Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Gemeindevorstand und den Prüfungsausschuss berechtigten Parteien an.

Im Rahmen der am 13.05.2020 durchgeführten Gemeinderatssitzung der Stadtgemeinde *** wurde der Beschluss gefasst, dass 8 Mitglieder in den Bauausschuss gewählt werden, und wurden daraufhin die Ausschussmitglieder gewählt.

Mit weiterer Anfechtungsschrift vom 20.05.2020, eingebracht am selbigen Tag bei der Gemeinde *** mittels E-Mail, wurde die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Bauausschuss berechtigten Parteien in der Gemeinderatssitzung vom 13.05.2020 angefochten. Bei den Einschreitern handelt es sich im Wesentlichen um dieselben Einschreiter wie bei der Anfechtung vom 27.02.2020, anstelle des mittlerweile ausgeschiedenen Gemeinderates D trat nunmehr der Gemeinderat F ein.

Mit dem Bescheid der Kreiswahlbehörde Zwettl vom 23.06.2020, GZ. ***, wurde diesen Anfechtungen vom 27.02.2020 und vom 20.05.2020 nicht stattgegeben. Gegen diesen Bescheid erhoben sämtliche Einschreiter einerseits bezogen auf alle abweisenden Spruchpunkte das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und andererseits bezogen auf den abweisenden Spruchpunkt in Bezugnahme auf die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag berechtigten Parteien für den Gemeindevorstand auch eine Wahlanfechtung gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. b B-VG an den Verfassungsgerichtshof.

5.   Beweiswürdigung:

Sämtliche dieser Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt bzw. aus den Bezug habenden Schriftstücken – in concreto aus den Niederschriften der Sitzungen des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** vom 20.02.2020 und vom 13.05.2020, aus den Anfechtungen der Beschwerdeführer vom 27.02.2020 und vom 20.05.2020, aus dem hier angefochtenen Bescheid der Kreiswahlbehörde Zwettl, aus der Wahlanfechtung an den Verfassungsgerichtshof vom 22.07.2020 und aus der verfahrensgegenständlichen Beschwerde ebenso vom 22.07.2020 – und ist der Sachverhalt im festgestellten Rahmen insgesamt als unstrittig zu beurteilen.

6.   Rechtslage:

Folgende Bestimmungen sind im gegenständlichen Verfahren von Relevanz:

Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG):

„(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.“

 

Artikel 141 Abs. 1 lit. b B-VG:

„(1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt

         (…)

b) über Anfechtungen von Wahlen in die Landesregierung und in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde;

(…)

j) über die Anfechtung von selbstständig anfechtbaren Bescheiden und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden sowie – sofern bundes- oder landesgesetzlich vorgesehen – der Verwaltungsgerichte in den Fällen der lit. a bis c und g bis i.

Die Anfechtung gemäß lit. a, b, h, i und j kann auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden, der Antrag gemäß lit. c und g auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Verlust der Mitgliedschaft in einem allgemeinen Vertretungskörper, im Europäischen Parlament, in einem mit der Vollziehung betrauten Organ einer Gemeinde oder in einem satzungsgebenden Organ (Vertretungskörper) einer gesetzlichen beruflichen Vertretung, der Antrag gemäß lit. d, e und f auf einen gesetzlich vorgesehenen Grund für den Amtsverlust. Der Verfassungsgerichtshof hat einer Anfechtung stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens erwiesen wurde und auf das Verfahrensergebnis von Einfluss war. In einem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde haben auch der allgemeine Vertretungskörper und das satzungsgebende Organ (Vertretungskörper) der gesetzlichen beruflichen Vertretung Parteistellung.“

§ 67 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG):

„(1) Die Wahl des Bundespräsidenten, die Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, zum Europäischen Parlament und zu den satzungsgebenden Organen (Vertretungskörpern) der gesetzlichen beruflichen Vertretungen, die Wahlen in die Landesregierung und in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde (im Folgenden Gemeindevorstand genannt) und die Ergebnisse von Volksbegehren, Volksabstimmungen, Volksbefragungen und Europäischen Bürgerinitiativen können wegen jeder behaupteten Rechtswidrigkeit des Verfahrens (im Folgenden Wahlverfahren genannt) angefochten werden. Eine solche Anfechtung (im Folgenden Wahlanfechtung genannt) hat den begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines bestimmten Teiles desselben zu enthalten.“

§ 68 Abs. 1 VfGG:

„(1) Soweit das in Betracht kommende Gesetz (im Folgenden Wahlordnung genannt) nicht anderes bestimmt, ist die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens oder, wenn sie auf die Rechtswidrigkeit eines Bescheides oder einer Entscheidung einer Verwaltungsbehörde oder eines Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes gegründet wird, binnen vier Wochen nach seiner bzw. ihrer Zustellung einzubringen. In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann die Wahlanfechtung erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges eingebracht werden. Wird in der Wahlanfechtung zum Zweck der Beweisführung auf Urkunden Bezug genommen, so sind ihr Ausfertigungen, Abschriften oder Kopien dieser Urkunden anzuschließen.“

§ 108 Abs. 1 NÖ Gemeindeordnung 1973 (NÖ GO 1973):

„(1) Die Wahl des Bürgermeisters, des Gemeindevorstandes (Stadtrates) und der Ausschüsse können von jedem Mitglied des Gemeinderates und von jeder im Gemeinderat vertretenen Wahlpartei schriftlich innerhalb einer Woche ab dem Tag der Wahlen angefochten werden.“

§ 109 NÖ GO 1973:

„(1) Die Anfechtungen müssen beim Gemeindeamt (Stadtamt) eingebracht werden. Sie haben keine aufschiebende Wirkung. Über die Anfechtung entscheidet die Bezirkswahlbehörde.

(2) Wenn eine Anfechtung verspätet oder von einer dazu nicht berechtigten Person eingebracht wird oder die Begründung fehlt, muß die Anfechtung zurückgewiesen werden. Einer Anfechtung muß Folge gegeben werden, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis Einfluß hatte.

(3) Wird einer Anfechtung ganz oder teilweise stattgegeben, muß gegebenenfalls festgestellt werden, inwieweit die Wahl oder die Wahl einzelner Personen für ungültig erklärt wird.

(4) Rechtskräftige Entscheidungen über Wahlanfechtungen müssen vom Bürgermeister an der Amtstafel kundgemacht werden.“

7.   Erwägungen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen grundsätzlich Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die „Verwaltungsbehörde“ ist im Art. II Abs. 2 EGVG als Behörde definiert, für deren Verfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 bzw. das Verwaltungsstrafgesetz 1991 gelten.

Gemäß Art. I Abs. 3 Z 4 EGVG sind die Verwaltungsverfahrensgesetze unter anderem nicht in den Angelegenheiten der Durchführung bestimmter Wahlen anzuwenden.

Verfahrensgegenständlich sind die Wahlen des Gemeindevorstandes bzw. Stadtrates, des Prüfungsausschusses und des Bauausschusses der Stadtgemeinde ***, sodass aus diesem Grund bereits fraglich erscheint, inwieweit in diese Wahlen berührenden Verfahren, so auch in Bezugnahme auf die Anfechtung dieser Wahlen, das AVG anwendbar ist und demnach in Bezugnahme auf die hier entscheidende Wahlbehörde von einer „Verwaltungsbehörde“ im Sinne der angeführten Bestimmungen auszugehen ist.

Aus folgenden Überlegungen war auf diese Frage mangels rechtlicher Relevanz aber ohnehin nicht weiter einzugehen:

Gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. b B-VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof unter anderem über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde. Im § 67 Abs. 1 VfGG werden nun in diesem Zusammenhang die „mit der Vollziehung betrauten Organe der Gemeinde“ in einem Klammerausdruck mit dem Gemeindevorstand bezeichnet und wird demzufolge ausschließlich auch dieser in weiterer Folge im Abs. 2 leg. cit. genannt.

Tatsächlich ergeben sich alle die mit der Vollziehung betrauten Organe der Gemeinde aus den §§ 35 ff NÖ GO 1973. Gemäß § 41 Abs, 1 NÖ GO 1973 ist der Bürgermeister sowie die sonstigen mit der Vollziehung betrauten Organe sowie deren Mitglieder für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich. Im § 35 sind konkret die Aufgaben des Gemeinderates, im § 36 jene des Gemeindevorstandes, im § 37 jene des Bürgermeisters und schließlich im § 43 jene der Gemeinderatsausschüsse eben als mit der Vollziehung betrauten Organe der Gemeinde aufgezählt. Vor allem aber ist durch die Bestimmung des § 108 Abs. 1 NÖ GO 1973 auch ausdrücklich vom Landesgesetzgeber eindeutig klargestellt, dass er die Anfechtung der Wahlen des Bürgermeisters, des Gemeindevorstandes bzw. Stadtrates und auch der Ausschüsse gleich geregelt haben möchte, indem er verfahrensrechtlich eine gleiche Vorgangsweise vorsieht.

Die angesprochene Bestimmung des § 67 Abs. 1 VfGG kann sohin nicht anders verstanden werden als eine Vereinfachung des Gesetzestextes, indem die Formulierung „mit der Vollziehung betrauten Organe der Gemeinde“ auf den Gemeindevorstand reduziert wurde. Dies erschließt sich auch daraus, dass andernfalls der Gesetzgeber klargestellt hätte, dass sich diese Bestimmung tatsächlich nur auf den Gemeindevorstand und dessen Wahl beschränkt, sollte dies von ihm bezweckt worden sein, und er nicht im Klammerausdruck die Bezeichnung „im Folgenden Gemeindevorstand genannt“ gewählt hätte. Im Übrigen würde bei anderer Sichtweise die Verfassungsbestimmung des Art. 141 Abs. 1 lit. b B-VG auch in unzulässiger Weise im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes beschnitten werden.

In diesem Zusammenhang ist außerdem § 141 Abs. 1 lit. j B-VG zu sehen. So erkennt der Verfassungsgerichtshof auch über die selbstständig anfechtbaren Bescheide der Verwaltungsbehörden und auch der Verwaltungsgerichte unter anderen in Fällen der lit. b, aber nur, sofern bundes- oder landesgesetzlich vorgesehen. Eine diesbezügliche gesetzliche Bestimmung, wonach gegen Bescheide von Wahlbehörden in Fällen wie dem gegenständlichen eine Beschwerdemöglichkeit an die Verwaltungsgerichte besteht, existiert nicht. Eine solche besteht vielmehr nur etwa im § 26 NÖ GRWO, wonach gegen die Entscheidung der Gemeindewahlbehörde über Berichtigungsanträge gegen das Wählerverzeichnis sowohl der Antragsteller als auch der Betroffene binnen drei Tagen nach Zustellung schriftlich Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben können. Eine derartige Regelung wurde vom Landesgesetzgeber in Fällen wie dem hier verfahrensgegenständlichen nicht normiert, sondern wurde vom Landesgesetzgeber vielmehr gewollt, dass nach Entscheidung der Wahlbehörde sofort (und auch nur mehr) die Möglichkeit der Wahlanfechtung an den Verfassungsgerichtshof besteht.

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass über die Anfechtung von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe einer Gemeinde, sohin – soweit verfahrensgegenständlich von Relevanz – in den Gemeindevorstand, in den Prüfungsausschuss und in den Bauausschuss der Verfassungsgerichtshof erkennt, ohne vorher eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht erheben zu können bzw. zu müssen. Festzuhalten ist dazu nicht zuletzt, dass davon im Übrigen – soweit es den Gemeindevorstand betrifft – auch die Beschwerdeführer ausgehen, haben sie doch neben der hier verfahrensgegenständlichen Beschwerde auch gleichzeitig eine Wahlanfechtung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 141 Abs. 1 lit. b B-VG mit Schriftsatz vom 22.07.2020 erhoben und ist eben dort auch die Anfechtung zur GZ. *** anhängig.

Gemäß § 68 Abs. 1 VfGG ist die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens einzubringen, wobei jedenfalls in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde der Instanzenzug ausgeschöpft sein muss. Die Beschwerdeführer bringen nun in ihrer zuvor angesprochenen Wahlanfechtung an den Verfassungsgerichtshof vom 22.07.2020 – dies eben auch rechtsrichtig – vor, dass der Instanzenzug durch den hier angefochtenen Bescheid der Kreiswahlbehörde Zwettl ausgeschöpft ist, zumal eine weitere Instanz gesetzlich nicht (mehr) vorgesehen ist.

Tatsächlich war bis zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, LGBl. 1000-22, im § 109 NÖ GO 1973, geregelt, dass gegen die Entscheidung der Bezirkswahlbehörde innerhalb einer Woche nach Zustellung der Entscheidung Berufung an die Landes-Hauptwahlbehörde eingebracht werden konnte. Dieser Teil des § 109 Abs. 1 NÖ GO 2013 ist mit dieser Novelle ersatzlos entfallen. Auch aus dem bezughabenden Motivenbericht vom 03.09.2013 zur GZ. *** ergibt sich dazu, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 der bisherige administrative Instanzenzug (mit Ausnahme des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde) beseitigt werden und daher die Berufungsmöglichkeit an die Landeshauptwahlbehörde entfallen sollte.

Es wurde aber demnach auch nicht – entgegen etwa eben der einschlägigen Regelung in der Gemeinderatswahlordnung in dessen § 26 – ausdrücklich die Beschwerdemöglichkeit an das Landesverwaltungsgericht vorgesehen. Vielmehr ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 109 Abs. 1 NÖ GO 1973, aber auch aus dem erkennbaren Willen des Landesgesetzgebers – eben unter Bezugnahme auf den Motivenbericht, aber auch etwa aus der sehr wohl die Beschwerdemöglichkeit vorsehende Bestimmung des § 26 NÖ GRWO -, dass der (ordentliche) Instanzenzug in Verfahren wie dem gegenständlichen bei der Bezirkswahlbehörde endet.

Infolge dessen bestand für die Beschwerdeführer nach Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides die Möglichkeit, eine Wahlanfechtung beim Verfassungsgerichtshof einzubringen, wovon von den Beschwerdeführern auch in Bezugnahme auf die Wahl des Gemeindevorstandes ohnehin Gebrauch gemacht wurde.

Eine Beschwerdemöglichkeit an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bestand und besteht gegenständlich mangels gesetzlicher Grundlage jedoch nicht, aufgrund dessen auch keine gesetzliche Zuständigkeit des von den Beschwerdeführern angerufenen Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich besteht, sodass die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen war.

Demzufolge war auch nicht inhaltlich auf das Beschwerdevorbringen und auf die Bescheiderlassung durch die Kreiswahlbehörde weiter einzugehen.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG unterbleiben, da die Beschwerde zurückzuweisen war.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig. Gegenständlich liegt zwar – soweit für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennbar – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage vor, ob gegen Entscheidungen der Bezirks- bzw. Kreiswahlbehörde über Anfechtungen betreffend die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag berechtigten Parteien für den Gemeindevorstand, betreffend die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag berechtigten Parteien für den Prüfungsausschuss und betreffend die Ermittlung der zu einem Wahlvorschlag für den Bauausschuss berechtigten Parteien eine Beschwerdemöglichkeit an das Verwaltungsgericht besteht. Es liegt diesbezüglich auch eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vor. Allerdings ist die Rechtslage diesbezüglich unter Hinweis auf die obigen Ausführungen eindeutig (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0343).

Schlagworte

Wahlrecht; Gemeinde; Organe; Instanzenzug; Zuständigkeit;

Anmerkung

VfGH 24.11.2020, E 3748/2020-9, Aufhebung
VwGH 02.02.2021, Ra 2020/03/0139 bis 0145-4, Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.826.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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