TE Vwgh Erkenntnis 2020/11/13 Ra 2020/09/0052

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Veröffentlicht am 13.11.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita
AuslBG §3 Abs1
VStG §19
VStG §20
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §42
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 6. August 2020, LVwG-2020/28/0788-4, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Dr. Peter Sellemond, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Speckbacherstraße 25), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung, also in seinen Spruchpunkten 1. und 2., wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde vom 13. Februar 2020 wurde der Mitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Hotel Betriebsgesellschaft mbH dreier Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für schuldig erkannt, weil drei namentlich genannte kroatische Staatsangehörige in näher bezeichneten Zeiträumen im Unternehmen beschäftigt gewesen seien, obwohl für diese keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen erteilt oder Bestätigungen ausgestellt gewesen seien. Hiefür wurden über ihn unter Heranziehung des § 20 VStG drei Geldstrafen in der Höhe von je 500 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils 17 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde er zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

2        Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem im Revisionsverfahren noch gegenständlichen Teil des nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnisses insofern Folge, als es die Delikte zu einer einzigen Übertretung zusammenfasste und eine Gesamtstrafe von 1.000 Euro festsetzte (Spruchpunkt 1.) sowie den Beitrag für die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entsprechend reduzierte (Spruchpunkt 2.). Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

3        Rechtlich begründete das Landesverwaltungsgericht sein Erkenntnis in der Sache im Wesentlichen dahingehend, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18, u.a., zu den Bestimmungen des § 7d Abs. 1 und 2 sowie § 7i Abs. 4 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) ausgesprochen habe, dass Art. 56a EU-VO (gemeint: Art. 56 AEUV) einer nationalen Regelung entgegenstehe, die für den Fall der Nichteinhaltung arbeitsrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Einholung verwaltungsbehördlicher Genehmigungen und auf die Bereithaltung von Lohnunterlagen die Verhängung von Geldstrafen vorsehe, die einen im Vorhinein festgelegten Betrag nicht unterschreiten dürften, für jeden betreffenden Arbeitnehmer kumulativ und ohne Beschränkung verhängt würden, zu denen im Fall der Abweisung einer gegen den Strafbescheid erhobenen Beschwerde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe hinzutrete und die im Fall der Uneinbringlichkeit in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt würden.

4        Nach der zentral auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gestützten Begründung dieser Entscheidung könne kein Zweifel daran bestehen, dass diese Rechtsprechungauch für alle anderen Bestimmungen, die eine identische systematische Konzeption aufwiesen, in gleicher Weise unmittelbar - ohne dass es dafür eines eigenständigen Vorlageantrags bedürfe - maßgeblich sei.

5        Im gegenständlichen Fall stünden die anzuwendenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in offenkundigem Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, weshalb diese Bestimmungen hier in dem Umfang nicht anzuwenden seien, als sie unionsrechtswidrig seien. Im Hinblick auf die Argumentation des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem genannten Urteil, wonach der soziale Schutz der Arbeitnehmer sowie die Bekämpfung von (insbesondere Sozial-)Betrug und die Verhinderung von Missbräuchen Ziele seien, die zu den zwingenden Gründen des allgemeinen Interesses gehörten, mit denen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gerechtfertigt werden könne und seine Ausführung, dass die Regelungen im Ausgangsverfahren nicht im angemessenen Verhältnis zur Schwere der geahndeten Verstöße stehe und eine wirksame Durchsetzung der Verpflichtungen auch mit weniger einschränkenden Maßnahmen wie der Auferlegung von Geldstrafen in geringerer Höhe oder einer Höchstgrenze für solche Strafen gewährleistet werden könnten und diese auch nicht zwangsläufig mit Ersatzfreiheitsstrafen verknüpft werden müssten, kam das Landesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes dahingehend unangewendet zu lassen seien, dass nicht für jeden Arbeitnehmer eine Geldstrafe zu verhängen sei und auch keine Mindeststrafe zur Anwendung kommen dürfe. Es sei daher nur von einer einzigen Übertretung auszugehen und auch nur eine (Gesamt-)Strafe zu verhängen.

6        Die Höhe der von ihm für die Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verhängten Strafe begründete das Verwaltungsgericht nicht näher. Die Unzulässigkeit der Revision sah es in dem - ohne fallbezogene Begründung angenommenen - Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage gelegen.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Finanzen wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts; Revisionsbeantwortungen wurden in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.

8        Der revisionswerbende Bundesminister begründet die Zulässigkeit seiner Revision damit, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, mit der mittlerweile geklärt worden sei, ob drei Übertretungen des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AuslBG eine Gesamtstrafe zuließen (Hinweis auf VwGH 2.7.2020, Ra 2020/09/0025).

9        Zudem habe das Landesverwaltungsgericht verkannt, dass die Rechtssache Maksimovic, C-64/18, im Zusammenhang mit einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 56 AEUV stehe, und sich auf Sachverhalte beziehe, welche Entsendungen oder grenzüberschreitende Überlassungen von Arbeitskräften beträfen. Auf reine Inlandssachverhalte sei diese Rechtsprechung nicht anwendbar. Ferner seien dem genannten Urteil andere Sachverhalte, nämlich jene nach den Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes, zugrunde gelegen, bei denen es sich um solche geringerer Schwere handle, weil diese die „bloße“ Meldung von Sachverhalten bzw. Bereithaltung oder Übermittlung von Unterlagen beträfen. Demgegenüber liege im Bereich des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG ein konstitutives Recht vor, nämlich eine per Bescheid von einer Behörde zu erteilende Beschäftigungsbewilligung, also das subjektive Recht eines Dienstgebers, einen Ausländer beschäftigen zu dürfen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien die Folgen von Übertretungen des § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG zudem nicht unbedeutend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat inzwischen bereits einen vom Sachverhalt und den zu lösenden Rechtsfragen in allen wesentlichen Punkten vergleichbaren Fall mit Erkenntnis vom 2. Juli 2020, Ra 2020/09/0025, entschieden, weshalb vorweg gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf dessen Begründung verwiesen wird.

12       Wie im genannten Erkenntnis ausgeführt wurde, steht jedenfalls für den - auch hier - anzuwendenden ersten Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z 1 AuslBG, der bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von 1.000 Euro bis 10.000 Euro vorsieht, das Unionsrecht der uneingeschränkten Anwendung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes nicht entgegen. So ergibt sich aus der Begrenzung der Anwendbarkeit dieses Strafsatzes auf Übertretungen betreffend die erstmalige unberechtigte Beschäftigung von höchstens drei Ausländern bereits eine Strafobergrenze von maximal 30.000 Euro. Auch die (hier infolge Anwendung des § 20 VStG ohnedies bereits unterschrittene) Untergrenze von 1.000 Euro je unberechtigt beschäftigtem Ausländer stellt sich nicht als unverhältnismäßig dar (siehe auch die insoweit auf das Ausländerbeschäftigungsgesetz umlegbaren Ausführungen in VwGH 6.5.2020, Ra 2020/17/0001).

13       Das Landesverwaltungsgericht hätte daher auch im vorliegenden Fall keine Gesamtstrafe sondern für jede Verwaltungsübertretung nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG eine - unter Bedachtnahme auf § 42 VwGVG auszumessende - Strafe zu verhängen gehabt. Auch über die Ersatzfreiheitsstrafen wäre im angefochtenen Erkenntnis abzusprechen gewesen (siehe auch dazu VwGH 2.7.2020, Ra 2020/09/0025).

14       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 13. November 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090052.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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