TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/11 97/06/0135

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Veröffentlicht am 11.09.1997
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82006 Bauordnung Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 litc;
B-VG Art117 Abs3;
GdO Stmk 1967 §57 Abs1;
GdO Stmk 1967 §57 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des R und

2. der C, beide vertreten durch Dr. Michael Graff und Dr. Michael Brand, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Dezember 1996, Zl. 03-12.10 A 21 - 96/5, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Aflenz-Kurort, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Behandlung der zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 24. Februar 1997, B 336/97-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt. Die Beschwerde wurde in der Folge mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Mai 1997, B 336/97-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Aufgrund der in der Folge über Aufforderung vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Juli 1995 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführer um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung zur Färbelung der Südfassade des Hauses Kurort Nr. 79 in der bereits aufgebrachten Form (unterer Teil dunkler blau-violetter Farbton, oberer Teil hellerer blau-violetter Farbton, die Trennlinie zwischen den beiden Farbtönen verläuft schräg, weiße Umrandungen der Fenster) abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Oktober 1996 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wird im wesentlichen damit begründet, daß Bauveränderungen gemäß § 57 Abs. 1 lit. c Stmk. Bauordnung 1968 nur dann der Bewilligungspflicht unterlägen, wenn sie auf eines der weiteren aufgezählten Kriterien (u.a. die äußere Gestaltung) von Einfluß sein könnten. Als Bauveränderungen, die die äußere Gestaltung beträfen, gälten alle Maßnahmen, die nach außen in Erscheinung träten. Der Argumentation der Beschwerdeführer, wonach sich aus § 3 Abs. 2

Stmk. Ortsbildgesetz ergebe, daß eine Fassadenfärbelung keine Bauveränderung sei, könne nicht gefolgt werden. Der Begriff "Fassadenfärbelung" werde im § 3 Abs. 2 Stmk. Ortsbildgesetz als eine Maßnahme, die der Instandsetzung oder Verbesserung eines Gebäudes diene und auf die äußere Gestaltung Einfluß habe, bezeichnet. Daneben würden auch Bauveränderungen als bewilligungspflichtige Maßnahme normiert, die der Behebung von Beeinträchtigungen des Erscheinungsbildes, die durch frühere Umgestaltung des Gebäudes oder Teilen desselben eingetreten seien, dienten. Daraus gehe in keiner Weise hervor, daß eine Fassadenfärbelung keine Bauveränderung sei. Die Berufungsbehörde sei richtigerweise davon ausgegangen, daß eine Bauveränderung jede Veränderung an einem bewilligten oder als konsentiert anzusehenden Objekt sei. Bewilligungspflichtig sei diese Bauveränderung allerdings nur dann, wenn sie die äußere Gestaltung betreffe. Eine Änderung der Fassadenfärbelung beeinflusse jedenfalls die äußere Gestaltung, sodaß diese Maßnahme als bewilligungspflichtig anzusehen sei. Die Bewilligungspflicht sei nach der Stmk. Bauordnung 1968 unabhängig von einer eventuellen Bewilligungspflicht nach dem Stmk. Ortsbildgesetz gegeben. Gemäß § 15 Abs. 2

Stmk. Bauordnung 1968 dürften Bauten das Orts- und Landschaftsbild nicht stören. Weiters sei gemäß § 18 Stmk. Bauordnung 1968 bei der äußeren Gestaltung der Neu-, Zu- und Umbauten (Fassade, Proportionen, Dachform, Dachdeckung, Farbgebung und dgl.) auf die Eigenart des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes, auf Denkmale und hervorragende Naturgebilde Rücksicht zu nehmen. Die im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren beigezogenen Amtssachverständigen seien nach Darstellung der örtlichen Situation im Umgebungsbereich sowie einer Betrachtung des Ortsbildes von außen in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise zum Ergebnis gelangt, daß der gewählte Farbton hell- und dunkelviolett sich im Ortsbild von innen und im Ortsbild von außen kein zweites Mal finde. Im Gegensatz zu den vorhandenen hellen Beige- bis Ockerfarbtönen sei ein so großes Mißverhältnis festzustellen, daß auch hier von einer Störung des Ortsbildes gesprochen werden könne, weil die Ganzheitlichkeit des Orts- und Straßenbildes aufgerissen werde und damit kein begründbarer positiver Kontrapunkt gesetzt werde. Ganz besonders negativ falle der Giebel bei der Betrachtung von außen (Umfahrungsstraße) auf. In dem nicht besonders farblich akzentuierten ruhigen Ortsbild bilde der nach Süden gerichtete hell-violett gestrichene Giebel einen Fremdkörper. Aus der Sicht der Orsbildpflege stelle daher die gewählte Gestaltung und die Farbgebung eine Störung des Ortsbildes dar. Es würde bei der Beurteilung aber nicht nur auf die Farbgebung (für sich allein) Bedacht genommen, sondern insbesondere auch auf die Art des Hauses. Der dem zweitinstanzlichen Verfahren beigezogene Sachverständige bewertete die geplante (und an der Südseite bereits ausgeführte) Schrägteilung als eine in sich ästhetisch problematische Gestaltung, die zu einer Verschlechterung der Gebäudeproportionen und der ursprünglichen Architekturqualität führe. Das von den Beschwerdeführern vorgelegte Gutachten des diplomierten Grafik-Designers F. vom 23. Juni 1995 enthalte keinen Befund. Es werde lediglich die weiße Fensterumrandung und die Fassadengestaltung beurteilt, ohne einen Bezug zum umgebenden Ortsbild herzustellen. Das weiters vorgelegte Gutachten des Dipl. Ing. B. vom 14. April 1996 stütze sich auf eine Befundaufnahme, die allerdings als unzureichend zu beurteilen sei, da lediglich oberflächlich auf die Umgebung hingewiesen und ausgeführt worden sei, daß in Aflenz und seiner Umgebung jeder Baustil vertreten sei. Eine Darstellung der Farbgebung in der Umgebung könne dem Befund nicht entnommen werden. Aufgrund dieser unzureichenden Befundaufnahmen folgere dieser Sachverständige, daß eine Störung des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht gegeben sei. Er weise schließlich auf wirtschaftliche Aspekte und die Bedeutung dieser Fassade für Werbezwecke hin. Diese Schlußfolgerungen, die ohne Begründung getroffen worden seien, seien nicht nachvollziehbar. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könnten Äußerungen, die unüberprüfbare Behauptungen enthielten und nicht Erwägungen aufzeigten, aufgrund derer der Sachverständige zu seinem Gutachten gelangt sei, nicht als taugliches Gutachten eines Sachverständigen angesehen werden. Da die vorgelegten Gegengutachten weder vollständig noch schlüssig seien, könne die mangelnde Auseinandersetzung der Berufungsbehörde mit diesen Gutachten nicht die Rechtswidrigkeit dieses Berufungsbescheides begründen. Auch die Einholung eines weiteren Gutachtens sei aus diesem Grund nicht erforderlich gewesen. Auch wenn die vorliegende Rechtsfrage unzulässigerweise von dem im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen gelöst worden sei, stelle diese Vorgangsweise keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der eine Aufhebung des Berufungsbescheides rechtfertigen würde.

In der dagegen erhobenen, vor dem Verwaltungsgerichthof ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich insbesondere in dem Recht, das in ihrem Eigentum stehende Haus in hell- und dunkelvioletter Farbe neu zu färbeln, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführer rügen zunächst eine Rechtswidrigkeit in dem Umstand, daß die beantragte Abweisung der Berufung in der Gemeinderatssitzung vom 4. September 1995 abgelehnt worden sei, da gemäß § 57 Abs. 4 Stmk. Gemeindeordnung 1967 bei Stimmengleichheit der Antrag als abgelehnt gelte; die Behörde hätte daher einen der Berufung stattgebenden Bescheid ausfertigen und zustellen müssen. Es sei daher rechtswidrig gewesen, denselben Bescheidentwurf neuerlich nach der erwähnten Ablehnung im Gemeinderat zur Abstimmung zu bringen und nach neuerlicher Ablehnung des Antrages solange zuzuwarten, bis endlich zwei "Kontrastimmführer" verhindert gewesen seien, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.

Gemäß § 57 Abs. 1 Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967, ist zu einem gültigen Beschluß des Gemeinderates, soweit das Gesetz oder andere Gesetze nicht eine erhöhte Stimmenmehrheit vorsehen, die einfache Mehrheit der in beschlußfähiger Anzahl anwesenden Stimmberechtigten erforderlich. Die Abstimmung erfolgt durch Erheben der Hand oder Erheben von den Sitzen. Gemäß § 57 Abs. 4

Stmk. Gemeindeordnung 1967 gilt der Antrag bei Stimmengleichheit als abgelehnt. Eine Geschäftsordnung, in der gemäß § 62 Stmk. Gemeindeordnung 1967 jedenfalls nähere Bestimmungen über die Stellung von Anträgen zu einem Gegenstand der Tagesordnung, über Wortmeldungen und über Anträge zur Geschäftsordnung zu treffen sind, wurde in der mitbeteiligten Gemeinde nicht erlassen.

Die Stmk. Gemeindeordnung enthält keine Anordnung derart, daß es unzulässig wäre, einen einmal im Gemeinderat zur Abstimmung gebrachten, nicht beschlossenen Antrag neuerlich zum Gegenstand einer Entscheidung des Gemeinderates zu machen. Aus dem Umstand, daß ein Antrag nicht die gemäß § 57 Abs. 1 Stmk. Gemeindeordnung 1967 geforderte einfache Mehrheit erreicht hat, sondern sich Stimmengleichheit ergibt, kann gemäß § 57 Abs. 4 leg. cit. lediglich abgeleitet werden, daß dieser Antrag nicht angenommen, sondern abgelehnt wurde. Aus diesem Abstimmungsergebnis kann nicht geschlossen werden, daß ein Antrag mit einem gegenteiligen Spruch und einer gegenteiligen Begründung mit einfacher Mehrheit beschlossen worden wäre.

Weiters machen die Beschwerdeführer geltend, daß das Gutachten des Dipl. Ing. B. vom 14. April 1996 das Gutachten des Amtssachverständigen widerlege. Die belangte Behörde sei auf diesen Widerspruch nicht eingegangen, sondern habe sich mit einer Scheinbegründung begnügt. Es werde zu Unrecht eine unzureichende Befundaufnahme dieses Gutachtens behauptet.

Auch diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu, weil die belangte Behörde - wie bereits dargelegt - auf das Gutachten des Dipl. Ing. B. eingegangen ist und festgestellt hat, daß der Befund keine Darstellung der Farbgebung in der Umgebung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes enthalte, der Befund dieses Sachverständigen stützte sich vielmehr unbestritten allein darauf, daß in Aflenz und seiner Umgebung jeder Baustil vertreten sei. Die Beschwerdeführer behaupten selbst nicht, daß das von ihnen besonders ins Treffen geführte Gutachten des Dipl. Ing. B. im Befund eine Darstellung der Farbgebung in der Umgebung enthalte. Die belangte Behörde hat zutreffend einer diesbezüglichen Befundaufnahme maßgebliche Bedeutung zuerkannt. Die Auffassung der belangten Behörde, es liege im Hinblick auf dieses Gutachten keine ausreichende Befundaufnahme vor, ist daher nicht zu beanstanden.

Nach Auffassung der Beschwerdeführer stelle es weiters einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, daß die vorliegende Rechtsfrage unzulässigerweise von dem im erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen gelöst worden sei.

Auch mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Die belangte Behörde legt in ihrer Entscheidung näher dar, warum die vorliegende Rechtsfrage betreffend die Störung des Ortsbildes aufgrund der vorliegenden Gutachten von Amtssachverständigen zutreffend von den Gemeindebehörden dahin beantwortet worden sei, daß das Ortsbild durch die vorliegende Fassadenfärbelung gestört werde. Auch diese Überlegungen des angefochtenen Bescheides werden von den Beschwerdeführern in keiner Weise in Zweifel gezogen. Die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels ist damit jedenfalls nicht dargelegt worden.

Den Beschwerdeführern ist auch nicht zuzustimmen, daß bei den im § 57 Abs. 1 lit. c Stmk. Bauordnung 1968 u.a. genannten Bauveränderungen neben dem u.a. genannten Einfluß auf die äußere Gestaltung jedenfalls noch ein weiteres in dieser Bestimmung genanntes Kriterium betroffen sein muß. Gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes

(1. September 1995) anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Das vorliegende Bauverfahren war in diesem Zeitpunkt anhängig. Gemäß § 57 Abs. 1 lit. c Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung des LG, LGBl. Nr. 42/1991, bedürfen

"c) Umbauten, Bauverändungen und Änderungen des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen derselben, die auf die Festigkeit, den Brandschutz, die Sicherheit, die äußere Gestaltung und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluß sein können oder ... "

einer Baubewilligung.

Zweck dieser Anordnung ist offensichtlich, daß jene Einflüsse aufgezählt werden, im Hinblick auf die die in dieser Bestimmung genannten Änderungen einer Bewilligungspflicht unterliegen. Diese Aufzählung ist dahin zu verstehen, daß bei Vorliegen eines möglichen Einflusses auf eines der genannten Kriterien die Bewilligungspflicht hervorgerufen wird. Diese Anordnung kann nicht dahin gedeutet werden, daß nur bei Vorliegen aller fünf genannten Kriterien eine Bewilligungspflicht im Sinne dieser Bestimmung eintritt. Auf die weiteren Überlegungen der Beschwerdeführer zum Stmk. Ortsbildgesetz war daher nicht mehr einzugehen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Es erübrigte sich daher eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997060135.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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