TE Vwgh Beschluss 2020/11/6 Ra 2020/18/0311

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2020
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18
AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §52

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des T S, vertreten durch Dr. Andreas Frohner, Rechtsanwalt in 1150 Wien, Goldschlagstraße 36/35, als bestellter Verfahrenshelfer, dieser vertreten durch Dr. Erich Gemeiner, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Apostelgasse 36/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2020, W195 2217309-1/18E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Bangladeschs, stellte am 22. Jänner 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, eine Funktion bei der Partei Bangladesh Nationalist Party inne gehabt zu haben und deshalb Verfolgung durch Mitglieder der Regierungspartei Awami League zu befürchten. Eines Nachmittags sei er von einem Funktionär der Awami League angegriffen und ihm sei mit Anzeigen gedroht worden. Nach der Ausreise des Revisionswerbers habe seine Familie ein Beschwerdeschreiben der Polizei erhalten, wonach Anzeige gegen den Revisionswerber erstattet worden sei. Im Falle seiner Rückkehr befürchte der Revisionswerber inhaftiert zu werden.

2        Mit Bescheid vom 10. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Begründend führte es - zusammengefasst und soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Belang - aus, es könne keine konkrete politische oder religiöse Verfolgung des Revisionswerbers festgestellt werden. Insbesondere gebe es keine Anzeige und kein Gerichtsverfahren gegen den Revisionswerber. Zur Nichtgewährung subsidiären Schutzes erwog das BVwG, dass dem Revisionswerber aus näher genannten Gründen im Falle seiner Rückkehr keine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK drohe.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das BVwG habe seiner Entscheidung einen Bericht des Vertrauensanwaltes zu Grunde gelegt und dabei nicht berücksichtigt, dass die Vor-Ort-Ermittlungen nicht durch den Vertrauensanwalt selbst, sondern seine Kanzlei erfolgt seien. Zudem sei der Bericht des Vertrauensanwaltes unvollständig. Darüber hinaus habe das BVwG keine aktuellen Länderberichte in seine Entscheidung aufgenommen. Insbesondere seien keine Feststellungen zur vorherrschenden Covid-19-Pandemie getroffen worden und auch hinsichtlich der politischen Situation seien die Berichte nicht auf dem neuesten Stand. Darüber hinaus werde auf das Vorbringen in den Revisionsgründen verwiesen.

6        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Die Revision wendet sich eingangs gegen die Heranziehung eines im Behördenverfahren eingeholten Berichts eines Vertrauensanwaltes, dem Ermittlungen zur Verifizierung des Fluchtvorbringens, insbesondere des Bestehens von Anzeigen bzw. eines Haftbefehls gegen den Revisionswerber aufgetragen wurden.

11       Bei der Stellungnahme eines Vertrauensanwaltes handelt es sich um ein Beweismittel eigener Art, das auf Grund der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf asylrechtlich relevante Sachverhalte im Heimatland des Asylwerbers im Sinne des § 46 AVG geeignet und zweckdienlich sein kann, bei dessen Würdigung aber stets zu berücksichtigen ist, dass sich die Qualifikation und die Vorgangsweise des Vertrauensanwaltes einer Kontrolle weitgehend entziehen und er im Gegensatz zu einem Sachverständigen im Sinne des § 52 AVG auch nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Darauf ist in der Beweiswürdigung Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, 0101).

12       Der Bericht eines „Vertrauensanwaltes“ unterliegt der freien Beweiswürdigung (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0260, mwN).

13       Mit seinem Vorbringen, das BVwG habe nicht berücksichtigt, dass die Ermittlungstätigkeit nicht durch den Vertrauensanwalt selbst, sondern seine Kanzlei erfolgt sei, vermag der Revisionswerber keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit aufzuzeigen. Wenn der Revisionswerber darüber hinaus pauschal behauptet, der Bericht des Vertrauensanwaltes sei unvollständig und dieses Vorbringen nicht weiter konkretisiert, wird er den Anforderungen an die Darlegung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht gerecht.

14       Im Übrigen stützte das BVwG die Unglaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens nicht ausschließlich auf den Bericht des Vertrauensanwaltes, sondern führte diesbezüglich in seinen beweiswürdigenden Erwägungen mehrere Argumente ins Treffen, die die Revision nicht bekämpft.

15       Sofern die Revision das Fehlen aktueller Länderberichte in Hinblick auf die derzeit weltweit vorherrschende Covid-19-Pandemie beanstandet, ist ihr zunächst zu entgegnen, dass das BVwG die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Fallzahlen erkrankter Personen in Bangladesch in seinem Erkenntnis festhielt, sodass das Vorbringen, es würden jegliche Feststellungen zur Pandemie fehlen, ins Leere geht. Auch der Vorwurf, den Berichten zur politischen Situation in Bangladesch mangle es an Aktualität, trifft nicht zu, gründen doch die diesbezüglichen Länderfeststellungen auf dem zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aus April 2020.

16       Werden - wie im vorliegenden Fall - Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung auch deren Relevanz dargetan werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0231, mwN).

17       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. erneut VwGH 16.7.2020, Ra 2020/18/0231, mwN).

18       Die Revision vermag im vorliegenden Fall nicht darzulegen, dass im Falle der Rückkehr des gesunden, arbeitsfähigen Revisionswerbers mit Schul- und Universitätsbildung und familiären Anknüpfungspunkten in seine Herkunftsregion solch exzeptionellen Umstände vorlägen, die die Gewährung subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

19       Soweit die Revision schließlich in ihrer Zulässigkeitsbegründung auf das Vorbringen in den Revisionsgründen verweist, ist darauf hinzuweisen, dass ein Verweis auf die sonstigen Ausführungen der Revision nicht genügt, um dem Erfordernis, gesondert die Gründe zu nennen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, Rechnung zu tragen (vgl. VwGH 10.8.2020, Ra 2020/18/0158, mwN).

20       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 6. November 2020

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180311.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten