TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/8 G314 2223502-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.06.2020
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Entscheidungsdatum

08.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GEG §6
GEG §6a
GGG Art1 §16 Abs1 Z1 litc
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §31 Abs1
GGG Art1 §31 Abs2
GGG Art1 §32 TP1
GGG Art1 §4 Abs4
GGG Art1 §7 Abs1 Z1
VwGVG §13

Spruch

G314 2223506-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. der XXXX und 2. des XXXX, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom XXXX.08.2019, XXXX, wegen Gerichtsgebühren zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Zweitbeschwerdeführer (BF2), ein XXXX, brachte am 26.04.2019 als Vertreter der Erstbeschwerdeführerin (BF1) im Verfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX im elektronischen Rechtsverkehr eine Besitzstörungsklage gegen eine beklagte Partei ein.

Nach einem erfolglosen Versuch, die Pauschalgebühr einzuziehen, wurden der BF1 mit dem Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 24.05.2019 die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 107, die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8 sowie der Mehrbetrag gemäß § 31 GGG von EUR 22 (insgesamt daher EUR 137) zur Zahlung vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der BF2 hinsichtlich des Mehrbetrags und der Einhebungsgebühr als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

Dagegen erhoben die BF eine Vorstellung an die Präsidentin des Landesgerichts XXXX. Daraufhin wurden der BF1 mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:

Pauschalgebühr TP 1 GGG (Bemessungsgrundlage: EUR 750) EUR 107

Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8

Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22

Summe EUR 137

Es wurde ausgesprochen, dass für den Mehrbetrag und die Einhebungsgebühr auch der BF2 als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

In der Bescheidbegründung werden Grund und Höhe der zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert angeführt und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.

Dagegen richtet sich die vom mittlerweile verstorbenen Rechtsanwalt XXXX eingebrachte gemeinsame Beschwerde der BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Gleichzeitig beantragen die BF, der Beschwerde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die BF begründen die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK und Art 7 B-VG. Art 18 B-VG werde durch die überhöhten Gerichtsgebühren, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe, umgangen. Es würden nicht alle, die keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung eines Rechtsstreits hätten, Verfahrenshilfe erhalten. Personen, denen die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werde, könnten ihr Recht aus finanziellen Gründen weder aktiv noch passiv geltend machen. Gerechtigkeit könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob sich eine Partei die Gerichtsgebühren leisten könne. Die Gebühren seien unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer bei der Einbringung zu entrichten; dies widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. Es sei absurd, wenn jemand in einem Verfahren obsiege und trotzdem die Gerichtsgebühren tragen müsse, weil das Exekutionsverfahren gegen den Gegner erfolglos bleibe. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren am Beginn eines Verfahrens zu zahlen seien, obwohl mitunter Monate bis zur ersten Tagsatzung vergingen. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine unzulässige Steuer seien. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren vom Streitwert abhängig seien, zumal der Aufwand für das Gericht nicht mit dem Streitwert ansteige. Richter würden die Nichtzahlung von Gerichtsgebühren (zu Unrecht) als Missachtung des Gerichts ansehen. Die Pauschalgebühr von EUR 107 sei zwar auf den ersten Blick gering; die BF1 sei aber auf einmal mit ungefähr 500 Besitzstörern konfrontiert gewesen und müsse gegen jeden von ihnen vorgehen. Ihr Zugang zum Recht werde faktisch vereitelt, weil es in Summe um Gerichtsgebühren von EUR 68.500 gehe. Für die Haftung des BF2 gebe es keine grundrechtskonforme Rechtfertigung. Der EGMR und der EuGH hätten bereits ausgesprochen, dass der Rechtsvertreter nicht zur Haftung für Gerichtsgebühren gezwungen werden dürfe. Dazu wurden mehrere Artikel vorgelegt, die u.a. die Höhe und das System der Gerichtsgebühren in Österreich kritisieren.

Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte die Beschwerde und die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 17.09.2019 einlangten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten.

In der Beschwerde, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde bekämpft.

Der relevante Sachverhalt steht anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, also auch die hier zu beurteilende Besitzstörungsklage.

Bei Besitzstörungsklagen beträgt die Bemessungsgrundlage gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG EUR 750. Ausgehend davon beträgt die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz nach TP 1 Z I GGG hier EUR 107.

Gemäß § 2 Z 1 lit a iVm TP 1 GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger. Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.

Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.

Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen. Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der Präsidentin des Landesgerichts Leoben als Vorschreibungsbehörde verwiesen werden.

Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe - ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen - nicht, sodass sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen unterbleiben. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe VfGH 18.06.2018, E 421/2018).

Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (z.B. Verfahrenshilfe, Stundungs- oder Nachlassantrag) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich).

Eine exzessive Höhe der Gebühr liegt hier jedenfalls nicht vor, auch wenn berücksichtigt wird, dass die BF1 eine Vielzahl von Besitzstörungsklagen einbrachte, zumal gemäß § 63 Abs 2 ZPO auch einer juristischen Person die Verfahrenshilfe bewilligt werden kann, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Art 6 EMRK verwehrt den Vertragsstaaten nicht, Regelungen über den Zugang zu Gericht im Interesse des Funktionierens der Rechtspflege zu treffen. Durch das Institut der Verfahrenshilfe wird sichergestellt, dass auch wirtschaftlich schwächere Personen den gebührenden Rechtsschutz erfahren (RIS Justiz RS0109487). Wenn eine Vielzahl von Verfahren angestrengt wird und die finanziellen Mittel für einige, aber nicht für alle ausreichen, kann die Verfahrenshilfe für die Verfahren bewilligt werden, für die die erforderlichen Mittel nicht mehr vollständig aufgebracht werden können. Neben einem Stundungs- oder Nachlassantrag iSd § 9 GEG besteht gemäß §§ 63 Abs 1, 64 Abs 2 ZPO auch die Möglichkeit einer Teilverfahrenshilfe in Form der Stundung der Pauschalgebühr auf bestimmte Dauer (etwa bis Verfahrenskosten - allenfalls teilweise - von unterliegenden Prozessgegnern einbringlich gemacht werden können).

Die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).

Die Pauschalgebühr für die Besitzstörungsklage wurde nicht entrichtet; der Einziehungsversuch blieb erfolglos. Der BF2 war Bevollmächtigter der BF1 und hat die Klage, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wurde, verfasst und überreicht. Damit trifft ihn nach § 31 Abs 2 GGG die Haftung für den Mehrbetrag als Bürge und Zahler neben der BF1. Für die Einhebungsgebühr gilt mangels einer entgegenstehenden Bestimmung dieselbe Form der Haftung wie für jene Beträge, zu deren Einbringung der Zahlungsauftrag erlassen wurde. Die Vorschreibung des Mehrbetrages samt Einhebungsgebühr auch an den BF2 ist daher nicht zu beanstanden, zumal ihm als rechtskundigem Bevollmächtigten der BF1, für die er die Klage einbrachte, die Bestimmungen über die Gerichtsgebühren, insbesondere über das Entstehen des Gebührenanspruchs und der Haftungen, bekannt sind und ihm die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu seinen Klienten obliegt. Ihm daraus erwachsene Nachteile hat er selbst zu verantworten und zu tragen (siehe VwGH 30.06.2005, 2005/16/0082).

Im Ergebnis ist die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

Eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Besitzstörungsklage Einhebungsgebühr Einziehung Gerichtsgebühren Gerichtsgebührenpflicht Haftung Mandatsbescheid Mehrbetrag Pandemie Pauschalgebühren Pauschalgebührenauferlegung Unionsrecht Verfahrenshilfe verfassungsrechtliche Bedenken Vorstellung Zahlungsauftrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2223502.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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