TE Bvwg Beschluss 2020/7/16 W254 2230636-1

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Entscheidungsdatum

16.07.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchUG §49
SchUG §52
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W254 2230636-1/6E

Beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in Tatjana CARDONA als Einzelrichterin über die Beschwerde des minderjährigen XXXX geboren am XXXX , gesetzlich vertreten durch XXXX und XXXX , diese vertreten durch Puttinger Vogl Rechtsanwälte OG, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion XXXX vom 23.03.2020, Zl. 408-20/178-2020 beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird für gegenstandslos erklärt und das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der minderjährige Beschwerdeführer (in Folge: BF) besuchte im Schuljahr 2019/2020 die Polytechnische Schule XXXX .

Am 28.02.2020 beantragte der Leiter der Polytechnischen Schule die Suspendierung des BF für die Dauer von zwei Wochen. Der Antrag wurde damit begründet, dass der BF in der großen Pause seinen Mitschüler, XXXX , mit einem gespannten Gummiband an den Hals geschossen habe. Der belästigte Schüler habe sich gewehrt, indem er mit der flachen Hand in das Gesicht des BF geschlagen habe. Daraufhin habe der BF mit drei massiven Faustschlägen in das Gesicht reagiert. XXXX weise aufgrund dieses Vorfalls eine Hautrötung und eine Schwellung der Backe auf. Aufgrund des gezeigten Verhaltens und der Unverhältnismäßigkeit der Reaktion werde die Suspendierung beantragt.

Mit Mandatsbescheid vom 28.02.2020 wurde der BF wegen Gefahr in Verzug ab dem 28.02.2020 bis einschließlich 13.03.2020 gemäß § 49 Abs. 1 und Abs. 3 und § 57 AVG vom weiteren Schulbesuch suspendiert. Die aufschiebende Wirkung wurde aberkannt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass begründeter Verdacht bestehe, dass der BF in der großen Pause einen Mitschüler mit einem gespannten Gummiband belästigt habe, dieser belästigte Schüler sich gewehrt habe, indem er mit der flachen Hand in das Gesicht des BF geschlagen habe. Daraufhin habe der BF mit drei massiven Faustschlägen in das Gesicht reagiert. Der betroffene Schüler weise aufgrund dieses Vorfalls eine Hautrötung und eine Schwellung der Backe auf. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit betreffend die Mitschüler_innen und/oder andere an der Schule tätigen Personen im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 1, 2. Tatbestand SchUG vorliege. Nur durch sofortiges Einschreiten könne die drohende Gefährdung der körperlichen Sicherheit der Mitschüler_innen und von anderen an der Schule tätigen Personen abgewendet werden, weshalb Gefahr in Verzug im Sinne des § 49 Abs. 3 SchuG vorliege.

Gegen diesen Mandatsbescheid erhob der BF fristgerecht Vorstellung und beantragte den Bescheid aufzuheben. Begründend führte er aus, dass ein Ausschluss gemäß § 49 SchUG nur zulässig sei, wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschüler_innen oder anderer an der Schule tätigen Personen darstelle. Im
gegenständlichen Fall lägen keine Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung vor, es habe sich um einen isolierten Vorfall gehandelt, der durch die Überreaktion des Mitschülers
seinen weiteren Verlauf genommen habe. Überdies habe sich der Vorfall etwas anders zugetragen.

Mit Bescheid vom 23.03.2020 wurde ausgesprochen, dass die mit ha. Mandatsbescheid ausgesprochene Suspendierung für den Zeitraum 28.02.2020 bis 13.03.2020 bestätigt wird. Begründend wurde ausgeführt, dass bei einer Suspendierung Gefahr in Verzug hinsichtlich der körperlichen Sicherheit, Sittlichkeit oder des Eigentums von einzelnen oder mehreren Mitschüler_innen und/oder an der Schule tätigen Personen vorliegen müsse. Gefahr in Verzug bezeichne einen Zustand, bei dem nur durch sofortiges Eingreifen eine drohende Gefahr oder Schaden abgewendet werden könne. Es müssten sich in der Persönlichkeitsstruktur des betreffenden Schülers gelegene Anhaltspunkte handeln, die das Vorhandensein von Gefahr im Verzug zumindest wahrscheinlich machten. Vorübergehende Einschränkungen des Rechts auf Bildung fänden ihre Rechtfertigung im Schutz des Rechtes der Mitschüler_innen auf einen Unterricht frei von dauernder Gefährdung. Der BF habe ein aggressives Verhalten gezeigt und sein Verhalten überdies heruntergespielt. Der betroffene Schüler habe eine Hautrötung und eine Schwellung der Wange erlitten, daher sei Gefahr in Verzug vor allem im Hinblick auf die körperliche Sicherheit des Mitschülers XXXX gegeben. Die Tatsache, dass der BF in einem Notwehrexzess aufgrund eines Schlages mit der flachen Hand in sein Gesicht sodann mit drei gezielten Faustschlägen ins Gesicht seines Mitschülers schlug und somit eine Körperverletzung in Kauf nahm, bestätigten die Suspendierung dahingehend, dass aufgrund des gesetzten Verhaltens eine dauernde Gefährdung der körperlichen Sicherheit von XXXX gegeben erscheine.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 23.04.2020 rechtzeitig Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Bildungsdirektion unzureichende Ermittlungen getätigt und in Folge einen unzutreffenden Sachverhalt angenommen habe. Die Voraussetzungen für eine Suspendierung lägen nicht vor und sie sei zu Unrecht erfolgt. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 04.05.2020 vorgelegt.

Mit Schreiben vom 10.06.2020 wurde dem BF Parteiengehör eingeräumt zur Frage, ob ein Rechtsschutzbedürfnis an der Beseitigung der Suspendierung bestehe, da das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass die Polytechnische Schule nunmehr abgeschlossen werde. Mit Stellungnahme vom 24.06.2020 bestätigte der BF, dass er die Polytechnische Schule XXXX nunmehr abschließen werde. Darin führte er weiter aus, dass der BF als schulinterne Folge der Suspendierung von einer Klassenfahrt nach Kroatien ausgeschlossen werde. Daher mache es für den BF einen Unterschied, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibe oder aufgehoben werde.

Mit Stellungnahme der Bildungsdirektion vom 08.07.2020 führte diese aus, dass die Projektwoche im Zeitraum vom 15.06.2020 bis 19.06.2020 wegen der COVID-19 Krise nicht habe durchgeführt werden können. Im Mandatsbescheid sei ausgeführt worden, dass die Suspendierung auch für die Teilnahme an Schulveranstaltungen im Zeitraum der Suspendierung gegolten habe. Nach Beendigung der Suspendierung habe der Schulleiter gemäß § 13 Abs. 3 Z 2 SchUG die Möglichkeit gehabt, nach Anhörung der Klassenkonferenz den BF von der Teilnahme an einer Schulveranstaltung auszuschließen. Der BF habe ab dem 14.03.2020 wieder die Polytechnische Schule besuchen dürfen und somit – soweit er nicht gemäß § 13 Abs. 3 Z 3 SchUG von der Schulveranstaltung ausgeschlossen worden wäre – die Berechtigung gehabt an der Projektwoche teilzunehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besuchte im Schuljahr 2019/2020 die Polytechnischen Schule XXXX und hat sie nunmehr abgeschlossen.

Der BF wurde wegen des im Verfahrensgang beschriebenen Vorfalls für den Zeitraum vom 28.02.2020 bis 13.03.2020 von der Polytechnische Schule XXXX suspendiert.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den Stellungnahmen der Parteien.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.    Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.2.    Bei einer Bescheidbeschwerde besteht das Rechtsschutzinteresse im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat,
die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. dazu VwGH 23.09.2019, Ra 2019/03/0106 mwN; VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162; 31.01.2018, Ra 2018/10/0022, jeweils mwN).

Daraus folgt, dass ein Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht keinen Anspruch auf die bloße Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides hat; das Verwaltungsgericht ist ebenfalls nicht berufen, eine Entscheidung lediglich über abstrakt theoretische Rechtsfragen zu treffen, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (vgl. wieder VwGH 31.01.2018, Ra 2018/10/0022).

Der VwGH bejaht auch bei kurzfristig bzw. befristet erteilten Berechtigungen einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses infolge zeitlicher Überholung (vgl. etwa die Rechtsprechung des VwGH zur Vergabe von Platzkarten für das Aufstellen von Fiakerkutschen - VwGH 26.4.2011, 2008/03/0069; VwGH 17.4.2009, 2009/03/0013 - oder zu Bewilligungen gemäß § 9 LuftfahrtG 1958 - VwGH 18.2.2015, 2013/03/0030; VwGH 5.5.2014, 2012/03/0074).

Der Gesetzgeber versteht das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Beschwerde nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Beschwerde weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).

3.3.    Der Beschwerde liegt zugrunde, dass der BF vom 28.02.2020 bis 13.03.2020 von der Polytechnischen Schule XXXX suspendiert wurde. Die Suspendierung betrifft daher ein abgeschlossenes Geschehen. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde war ein zukünftiges Auftreten ähnlicher Situationen nicht ausgeschlossen. Der BF hat zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes die Polytechnische Schule XXXX bereits abgeschlossen, weshalb ein zukünftiges Auftreten ähnlicher Situationen nicht erwartet werden kann.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Suspendierung stellt sich vor dem Hintergrund des abgeschlossenen Zeitraums und dem Umstand, dass der BF die betreffende Schule nunmehr abgeschlossen hat, als rein theoretische Rechtsfrage dar, der keine praktische Relevanz mehr zukommen kann. Der Beschwerdeführer durfte ab dem 14.03.2020 die Polytechnische Schule wieder besuchen. Auch aus der vom BF angeführten Projektwoche kann kein Rechtsschutzinteresse abgeleitet werden, da die Projektwoche wegen der Corona Krise überhaupt nicht stattgefunden hat. Darüber hinaus geht aus der Stellungnahme der Bildungsdirektion auch hervor, dass der BF von dieser Projektwoche überhaupt nicht ausgeschlossen wurde, sondern ein Ausschluss gemäß § 13 SchUG lediglich möglich gewesen wäre. Da die Projektwoche abgesagt wurde, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf dieses Vorbringen.

Da die Prozessvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses wohl erst nach Einbringung der Beschwerde weggefallen ist, ist das Verfahren als gegenstandlos einzustellen (vgl. VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).

3.4.    Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde und dem Parteiengehör geklärt erscheint.

Das Bundesverwaltungsgericht verweist an dieser Stelle ausdrücklich darauf, dass die gegenständliche Materie nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes nicht vom Schutzbereich des Art. 6 EMRK und (schon mangels der Eröffnung des Anwendungsbereichs) auch nicht von Art. 47 GRC erfasst ist (vgl. dazu VfGH 10.3.2015, E 1993/2014, wobei es der VfGH mangels Anwendungsbereichs ausdrücklich unterließ, auf die vorgebrachten Bedenken in Bezug auf Art. 6 EMRK, insbesondere den Entfall der mündlichen Verhandlung, einzugehen; vgl. dazu auch VwGH 22.11.2004, 2001/10/0071; 24.4.2018, Ra 2018/10/0019).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen wesentlichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

Schlagworte

Gefahr im Verzug Gegenstandslosigkeit Gewalttätigkeit Mandatsbescheid Pandemie Rechtsschutzinteresse Suspendierung Suspendierung vom Unterricht Verfahrenseinstellung Vorstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W254.2230636.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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