TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/11 W108 2165897-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.08.2020
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Entscheidungsdatum

11.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W108 2165897-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017, Zl. 559850004/170260417, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG, Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG iVm § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran gemäß § 52 Abs. 9 und § 46 FPG und Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass XXXX gemäß § 55 Abs. 1 AsylG der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt wird und die Absprüche betreffend Rückkehrentscheidung, Abschiebung und freiwillige Ausreise (Spruchpunkte I. zweiter Satz, II. und III.) ersatzlos aufgehoben werden.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er ist seit 21.09.2011 in Österreich durchgehend behördlich gemeldet.

Am 31.03.2011 beantragte er bei der Österreichischen Botschaft in XXXX eine Aufenthaltsbewilligung als Studierender. Daraufhin erteilte die zuständige Aufenthaltsbehörde nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, NAG (Landeshauptmann der Steiermark) dem Beschwerdeführer erstmalig mit der Gültigkeitsdauer vom 01.09.2011 bis zum 01.09.2012 eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende nach § 64 NAG, welche über die jeweiligen Anträge des Beschwerdeführers zuletzt bis zum 02.09.2015 verlängert wurde.

Der Beschwerdeführer stellte am 29.06.2015 einen weiteren rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung, welcher mit Bescheid der Aufenthaltsbehörde vom 08.07.2015 aufgrund mangelnden Studienerfolgs abgewiesen wurde. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17.11.2016 nicht Folge gegeben. Die Versagung der Aufenthaltsbewilligung wurde mit 22.11.2016 rechtskräftig.

Dennoch wurde dem Beschwerdeführer von der Aufenthaltsbehörde am 09.12.2016 eine Bestätigung ausgestellt, dass er sich nach dem NAG legal im Bundesgebiet aufhalte und die ausgestellte Bestätigung ihre Gültigkeit zwei Monate ab Ausstellungsdatum verliere.

Mit Schreiben vom 16.12.2016 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) den Beschwerdeführer über seinen illegalen Aufenthalt und über seine Ausreiseverpflichtung.

Aufgrund dieses Schreibens nahm der Beschwerdeführer Kontakt mit einer Rechtsberatung auf, die der belangten Behörde die Bestätigung der Aufenthaltsbehörde vom 09.12.2016 vorlegte.

Über Anfrage teilte die Aufenthaltsbehörde der belangten Behörde am 02.01.2017 mit, die Bestätigung vom 09.12.2016 sei irrtümlich ausgestellt und der Antrag des Beschwerdeführers betreffend seinen Aufenthaltstitel nach dem NAG sei mit 22.11.2016 rechtkräftig abgewiesen worden.

Am 05.01.2017 setzte die belangte Behörde die Rechtsberatung telefonisch von diesem Sachverhalt in Kenntnis und erörterte mit dieser die Notwendigkeit der Folgeleistung der Ausreiseverpflichtung bzw. die Konsequenzen einer Nichtbefolgung. Die Rechtsberatung teilte der Behörde mit, sie werde sich mit dem Beschwerdeführer in Verbindung setzen und ihm die Kontaktaufnahme mit der Rückkehrberatung nahelegen.

Am 07.02.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Organ der Landespolizeidirektion Steiermark im Zuge einer von der belangten Behörde veranlassten fremdenpolizeilichen Erhebung an seiner Adresse angetroffen und zu seinem vermeintlich illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet befragt, wobei der Beschwerdeführer die Bestätigung der Aufenthaltsbehörde vom 09.12.2016 über seinen legalen Aufenthalt vorwies. Der Beschwerdeführer wurde am 07.02.2017 informiert, dass die Bestätigung irrtümlich ausgestellt worden sei, und über die Notwendigkeit der Folgeleistung der Ausreiseverpflichtung bzw. die Konsequenzen einer Nichtbefolgung belehrt.

2. Am 28.02.2017 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde persönlich den nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, und zwar der „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 (AsylG) wegen Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung.

Zum diesem Antrag erstattete der Beschwerdeführer folgendes Vorbringen, das er mit Dokumenten und Unterlagen belegte:

Er sei seit September 2011 in Österreich aufhältig und habe über eine Aufenthaltsbewilligung als Studierender verfügt. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17.11.2016 sei sein Verlängerungsantrag abgewiesen worden. Seine bisherige mehr als fünfjährige Aufenthaltsdauer in Österreich sei somit nahezu vollständig rechtmäßig gewesen. Er sei iranischer Staatsbürger und verfüge über ein gültiges Reisedokument. Er sei nach dem ASVG gemäß § 16 Abs. 2 selbstversichert. Er lebe in XXXX in einer Wohngemeinschaft mit zwei Mitbewohnern. Während seines fünfjährigen Aufenthaltes sei er dem Studium der XXXX an der Technischen Universität XXXX nachgegangen. Aufgrund dessen verfüge er über das Sprachniveau B2+, weshalb das Modul 2 der Integrationsvereinbarung mehr als erfüllt anzusehen sei. Neben seinem Studium sei er auf Werkvertragsbasis von November 2014 bis September 2015 für die XXXX tätig gewesen. Darüber hinaus sei er in der Zeit von 15.01.2015 bis zum 16.01.2016 geringfügig und sodann vom 10.02.2016 bis zum 11.07.2016 sowie nochmals im Zeitraum 17.09.2016 bis zum 20.11.2016 bei XXXX bzw. der XXXX teilzeitbeschäftigt gewesen. Diesbezüglich habe er über Beschäftigungsbewilligungen des AMS verfügt. Neben Einkünften aus seiner Erwerbstätigkeit beziehe er Unterhalt von seinem Vater aus dem Iran. Das Geld erhalte er nicht in Form einer regelmäßigen Kontoüberweisung, sondern entweder in bar seitens seines Cousins oder mittels eines Bargeldtransfers. Er sei strafrechtlich unbescholten. Diese Aspekte seien als Indiz für seine ausgeprägten Bezugs- und Anknüpfungspunkte in Österreich sowie für seine bereits weit fortgeschrittene soziale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration zu sehen. Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels sei aus Gründen des Art. 8 EMRK geboten und es liege keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor.

Der Beschwerdeführer legte dem Antrag folgende Urkunden/Unterlagen (in Kopie) bei: Reisepass; E-Card; Werkvertrag mit der XXXX vom 09.11.2014 sowie Bestätigung vom 18.09.2015 über die Auflösung dieses Werkvertrages per 15.09.2015; Versicherungsdatenauszug vom 16.02.2017; Dienstvertrag (undatiert) mit dem Arbeitgeber XXXX über die Beschäftigung des Beschwerdeführers als Tankwart; Dienstverträge vom 30.04.2016 und vom 17.09.2016 mit dem Arbeitgeber XXXX über die Beschäftigung des Beschwerdeführers als Tankstellenarbeiter; Bescheide des AMS vom 13.01.2015, 08.02.2016 und vom 12.09.2016 über die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen; Studienbestätigungen der Technischen Universität XXXX betreffend Meldung des Beschwerdeführers als ordentlicher Studierender der Studienrichtung „ XXXX “; Studienblätter des Beschwerdeführers, ausgestellt von der Technischen Universität XXXX , für das Wintersemester 2016/2017; Studienzeitbestätigung, ausgestellt von der Technischen Universität XXXX vom 08.02.2017, wonach der Beschwerdeführer den Vorstudienlehrgang am 03.10.2011 begonnen und am 22.03.2013 beendet hat und am 22.03.2013 das ordentliche Studium „ XXXX “ begonnen hat; Bestätigung des Vorstudienlehrgangs der XXXX Universitäten vom 08.02.2013, wonach der Beschwerdeführer im Wintersemester 2012/2013 im Sprachkurs der Niveaustufe B2+ eingeschrieben war; Zeugnis des Vorstudienlehrgangs der XXXX Universitäten vom 22.03.2013 über die erfolgreiche Ablegung der Ergänzungsprüfung für den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache durch den Beschwerdeführer; Mitvertrag und Schreiben vom 11.01.2015 über den Eintritt des Beschwerdeführers in das Mietverhältnis.

Mit Schriftsatz vom 23.03.2017 ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen bzw. seine Nachweise dahingehend, dass er betreffend seine Selbsterhaltungsfähigkeit auf den (zugleich vorgelegten) Dienstvorvertrag vom 22.03.2017, unterfertigt von der XXXX , verwies, die ihm bei Gewährung des Arbeitsmarktzuganges eine Beschäftigung zusichere. Seine Selbsterhaltungsfähigkeit sei ihm von großer Bedeutung und er wolle keinesfalls Leistungen aus der staatlichen Sozialhilfe/Mindestsicherung beziehen. Hinsichtlich seiner derzeitigen finanziellen Situation bzw. seiner bereits jetzt gegebenen Selbsterhaltungsfähigkeit verweise er darauf, dass ihm sein Vater im Iran laufend Unterhalt gewähre (Unterhaltserklärungsschreiben des Vaters des Beschwerdeführers vom 26.02.2017 wurde zugleich vorgelegt). Des Weiteren verweise er auf seine bisherigen Bestrebungen zur Selbsterhaltungsfähigkeit in Form von Beschäftigungen (Jahreslohnkonto 2015 und 2016 wurde zugleich vorgelegt).

Am 26.04.2017 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde ohne Dolmetscher zum Antrag niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, im ersten Jahr seines Aufenthaltes in Österreich aufgrund von Heimweh zweimal in den Iran gereist zu sein, in den darauffolgenden Jahren nur mehr einmal im Jahr. Er kenne die Situation im Iran, Probleme habe er dort momentan nicht. Im Iran habe er die Schule besucht und einen Studienabschluss in XXXX gemacht. Er habe weiter studieren wollen und sich deshalb entschlossen, nach Österreich zu kommen. Hier habe er ebenfalls XXXX studiert. Während seines Studiums habe er für sich erkannt, dass es in Österreich viel mehr Möglichkeiten für ihn gebe, und es habe sich sein Wunsch, in Österreich zu bleiben, stärker entwickelt. Seine Eltern und Geschwister würden noch im Iran leben, in Deutschland habe er eine Tante, die er auch manchmal besuche. Da er derzeit in Österreich nicht arbeiten dürfe, würden ihn seine Eltern finanziell unterstützen. Auf Vorhalt der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer sich seit November 2016 illegal im Bundesgebiet aufhalte und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, führte dieser aus, dass er nur deshalb nicht ausgereist sei, weil er eine falsche Information von der Aufenthaltsbehörde erhalten habe. Befragt zu seinen Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, in Österreich keine Verwandten oder Familienangehörigen zu haben. Er spiele ca. 2-3 Mal die Woche Fußball mit Freunden und organisiere auch Treffen zum Fußballspielen. Durch sein Studium und das Fußballspielen habe er viele freundschaftliche Kontakte geknüpft, derzeit wohne er mit zwei österreichischen Frauen in einer Wohngemeinschaft, auch um seine Deutschkenntnisse weiter zu verbessern. Sein Studium habe er nicht erfolgreich absolviert, da es nach einer Währungsänderung im Iran für seinen Vater schwieriger gewesen sei, ihn zu unterstützen, und er daher in Österreich habe mitarbeiten müssen. Dies sei ihm dann alles zu viel geworden, er habe auch Depressionen bekommen. Er wolle hierbleiben und arbeiten, nebenbei wolle er aber auch weiter studieren, um einen besseren Job zu finden. Theoretisch könne er in den Iran ausreisen, dies sei jedoch für ihn mit finanziellen Schwierigkeiten verbunden, er müsste seine Wohnung aufgeben und sei es ihm dann auch nicht möglich, weiter jede Woche die Baptistenkirche zu besuchen, so wie er es die letzten vier Jahre gemacht habe.

Mit Schriftsatz vom 08.05.2017 brachte der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme ein, mit welcher er einen neuerlichen Dienstvorvertrag mit der XXXX vom 08.05.2017 vorlegte und wiederholte, dass seine Selbsterhaltungsfähigkeit für ihn von großer Bedeutung sei und er keinesfalls Leistungen aus der staatlichen Sozialhilfe/Mindestsicherung beziehen wolle. Weiters legte der Beschwerdeführer das Studienblatt als ordentlich Studierender der Technischen Universität XXXX sowie eine Studienbestätigung für das Sommersemester 2017 vor. Er brachte vor, er wolle sein Studium abschließen, um seine dabei erworbenen Qualifikationen am Arbeitsmarkt einsetzen zu können. Für seinen Studienabschluss würden ihm noch ca. 20 ECTS fehlen. Zudem sei es ihm im Iran nicht möglich, seinen christlichen Glauben zu praktizieren, was jedoch einen elementaren Teilaspekt seines durch Art. 8 EMRK geschützten Privatlebens darstelle. Er besuche die Baptistengemeinde wöchentlich und absolviere einen Taufvorbereitungskurs. Diesbezüglich wurde vom Beschwerdeführer u.a. ein Bestätigungsschreiben der Internationalen Baptistengemeinde XXXX - XXXX vom 29.04.2017 vorgelegt, in dem der Pastor XXXX u.a. ausführte: Der Beschwerdeführer komme seit 3,5 Jahren in die Kirche und habe um Taufe und Mitgliedschaft in der Kirche angesucht. Anfangs sei er aus Interesse gekommen und um sich zu informieren. Nach seiner Hinwendung zum Christentum habe er schon zwei Mal mit dem Taufkurs begonnen, aber aus Angst, an die iranischen Behörden verraten zu werden, diesen abgebrochen, fahre er doch einmal im Jahr auf Verwandtenbesuch in den Iran. Vor etwa zwei Jahren habe der Bruder des Beschwerdeführers im Iran die Studiengelder des Beschwerdeführers verlangt und der Beschwerdeführer habe so sein Studiengeld verloren. Dadurch habe er vermehrt gearbeitet, was zur Folge gehabt habe, dass er einige Studienpunkte nicht geschafft habe, die er zur Erlangung seiner Aufenthaltsberechtigung benötigt hätte. Dies habe zu einer tiefen Depression des Beschwerdeführers geführt und er habe einige seelsorgerliche Gespräche mit dem Presbyter der Kirche, XXXX (in der Folge J.S.), geführt. Zur Integration des Beschwerdeführers sei zu sagen, dass er Deutsch in Hochschulreife spreche, westliche Werte und das hiesige Demokratieverständnis schätze, Flüchtlinge in ihren Integrationsbemühungen unterstütze, die diakonische Arbeit der Kirche durch Programme im Softwarebereich kompetent zu verbessern helfe, freundlich, hilfsbereit und verlässlich sei, sein Studium in kurzer Zeit beendet sein werde und er zu einem wertvollen Mitglied der österreichischen Gesellschaft wachsen könne, da Studienabgänger in seinem Fach sehr gefragt seien, und er Mitglied der protestantischen Kirche sei, die den Beschwerdeführer auf dem Weg in Österreich unterstütze. Betreffend seine persönlichen Kontakte, Freundschaften und Bekanntschaften verwies der Beschwerdeführer zudem auf die (zugleich vorgelegten) Empfehlungsschreiben seiner Mitbewohnerin XXXX und des XXXX Kulturvereins von XXXX (jeweils vom 08.05.2017), in denen der Beschwerdeführer als herzlich, offen, höflich, fleißig und freundlich beschrieben bzw. bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer den genannten Verein bei diversen Projekten (etwa bei Sport- und Freizeitveranstaltungen, Deutschkursen, Integrationsmaßnahmen) kräftig unterstütze.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I., erster Satz), erlies gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I., zweiter Satz), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.) und bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer iranischer Staatsangehöriger sei, bis zu seiner Einreise im September 2011 im Iran gelebt, dort die Schule besucht, ein Studium der XXXX absolviert und abgeschlossen habe. Der am 29.06.2015 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels „Studierende“ sei mangels Studienerfolgs abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer halte sich seit 22.11.2016 illegal im Bundesgebiet auf, zumal er seitdem über keinen Aufenthaltstitel verfüge. Er sei seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Während seines Studiums sei der Beschwerdeführer geringfügigen Beschäftigungen nachgegangen um sich so – neben den finanziellen Unterstützungen seines Vaters – seinen Lebensunterhalt zu sichern. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe in Österreich keine Familienangehörigen bzw. Verwandten. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers würden im Iran leben, weiters habe der Beschwerdeführer eine Tante in Deutschland, die er manchmal besuche. Er spiele regelmäßig Fußball und hätten sich durch sein Studium und das Fußballspielen viele freundschaftliche Kontakte ergeben. Der Beschwerdeführer besuche seit 3,5 Jahren die Kirche der Baptistengemeinde XXXX - XXXX und habe um Taufe und Mitgliedschaft in der Internationalen Baptistengemeinde XXXX angesucht.

Die belangte Behörde gelangte bei der Abwägung (gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK) des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und den gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers an der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zum Ergebnis, dass ein Überwiegen der öffentlichen Interessen anzunehmen sei. Die gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers seien zu relativieren und die integrationsbegründenden Umstände reichten bei einer Gesamtbetrachtung nicht aus, dem Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein Privatleben in Österreich zu ermöglichen. Beschwerdeführer habe sich zwar gute Deutschkenntnisse angeeignet, Spracherwerb gelte für sich alleine allerdings nicht als maßgebliche Integration und begründe kein überwiegendes Interesse der Republik an einem Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich. Angesichts des fortschreitenden negativen Studienerfolgs des Beschwerdeführers müsse davon ausgegangen werden, dass der tatsächliche Zweck seines Aufenthaltes bereits bei der Erteilung der letzten Aufenthaltsberechtigung im September 2014 in der Erwerbstätigkeit gelegen und ein anderer gewesen sei, als der, für den der Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine familiären Bindungen, seine Familie lebe nach wie vor im Iran, wohin er auch jährlich zum Besuchszweck zurückkehre, und habe er den Kontakt zu seinen Angehörigen im Iran aufrechterhalten. Die privaten, freundschaftlichen Kontakte des Beschwerdeführers und seine wirtschaftlichen Interessen würden nicht über ein übliches Maß hinausgehen und sei der Beschwerdeführer durch die heute zur Verfügung stehenden Kommunikationsmöglichkeiten auch nicht gezwungen, die Kontakte abzubrechen. Dass die Ausübung einer Beschäftigung nicht an den beantragten Aufenthaltszweck „Student“ anknüpfe und die Kombination Arbeit und Studium nicht leicht zu bewältigen sei, hätte dem Beschwerdeführer bewusst sein müssen. Seine bisherige geringfügige Beschäftigung in Österreich alleine reiche nach Ansicht der Behörde nicht aus, um von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen auszugehen. Im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Interessen sei dem Beschwerdeführer die Ausreise und in weiterer Folge die Legalisierung seines Aufenthalts nach dem NAG vom Iran aus zuzumuten.

Hinsichtlich der Lage im Iran legte die belangte die Darstellung laut dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Grunde und führte aus, dass im Iran – konkret in Teheran – die evangelische Gemeinde Deutscher Sprache existiere, welche ua. einmal wöchentlich deutsche und evangelische Gottesdienste abhalte und auch Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Bestattungen anbiete. Es könne somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran nicht weiter an seiner christlichen Erziehung Anteil nehmen könne. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass es sein könne, dass christliche Konvertiten mit Folgen rechnen müssten, wenn die iranischen Behörden davon Informationen erhalten würden. Es könne aber nicht festgestellt werden, dass die iranischen Behörden von der Konversion des Beschwerdeführers Kenntnis erlangen sollten, zumal der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben habe, persönlich mit keinen Problemen rechnen zu müssen, theoretisch zurückkehren zu können und dies auch jährlich einmal gemacht zu haben. Insbesondere liege der belangten Behörde aber keine Kenntnis seiner tatsächlichen Konvertierung vor, nur der regelmäßige Besuch der Kirche und des Taufkurses könne festgestellt werden.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sei nicht geboten. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sei daher nicht zu erteilen und sei gemäß § 10 Abs. 3 AsylG diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Die Abschiebung in den Iran sei zulässig, da sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Gefährdung iSd § 50 FPG ergebe. Der Beschwerdeführer verfüge über private/familiäre Anknüpfungspunkte in seiner Heimat, die Rückreise sei mit einem zumutbaren Mehraufwand verbunden. Die Ausreise des Beschwerdeführers habe binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen.

4. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht und führte (nach Wiederholung des unstrittigen Sachverhalts) aus, dass die Behörde keine ausreichenden Ermittlungen zu seinem Privatleben, seiner Integration in Österreich und seinem sozialen Netzwerk im Heimatland angestellt habe. Er spreche sehr gut Deutsch und bemühe sich nach Kräften, sich in Österreich zu integrieren. Er habe zudem das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG positiv erfüllt. Weiters habe er der belangten Behörde einen Arbeitsvorvertrag vorgelegt und könne, sobald er über einen Aufenthaltstitel verfüge, zu arbeiten beginnen. Es sei daher bezüglich seiner zukünftigen Selbsterhaltungsfähigkeit davon auszugehen, dass sein weiterer Aufenthalt zu keiner Belastung einer Gebietskörperschaft führen werde. Bis auf seine Familie habe er aufgrund seiner langen Abwesenheit keine sozialen Anknüpfungspunkte im Iran mehr, im Gegensatz dazu habe er hier in Österreich ein sehr großes soziales Netzwerk und sei bereits sehr gut in die Gesellschaft integriert. Es habe – auch in Bezug auf den Lebensstil - eine weitreichende Entfremdung in Bezug auf sein Heimatland stattgefunden. Er führe nun einen westlichen Lebensstil und sei auch vom islamischen Glauben abgefallen. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde könne er in der evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache im Iran nicht aktiv sein, da die iranische Regierung 2012 begonnen habe, Konvertiten mit muslimischem Hintergrund von Gottesdiensten in offiziellen Kirchen auszuschließen. Es sei daher keinesfalls davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland seine nunmehrige religiöse Überzeugung ausleben könne. Daher würde eine Rückkehr in den Iran einen massiven Eingriff in sein Recht auf Privatleben bedeuten. Zudem berücksichtige die belangte Behörde in keinem Punkt, dass der Grund für den fehlenden Studienerfolg, woraufhin schließlich die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung verwehrt worden sei, in gesundheitlichen Problemen des Beschwerdeführers gelegen sei. Eine Interessenabwägung könne daher nur zu seinen Gunsten ausgehen und stelle eine Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privatleben dar.

5. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

6. Mit Schriftsatz vom 24.08.2017 legte der Beschwerdeführer eine Taufbestätigung der Internationalen Baptistengemeinde vom 13.08.2017 sowie mit Schriftsatz vom 27.09.2017 zwei Empfehlungsschreiben vor. Im Empfehlungsschreiben der Mitbewohnerin des Beschwerdeführers XXXX wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ein verlässlicher, gewissenhafter, hilfsbereiter und netter Mensch, der großzügig teile und gern mit seinen Freunden Fußball spiele. Dem Empfehlungsschreiben der XXXX ist zu entnehmen, dass sie den Beschwerdeführer im Jahr 2011 in XXXX kennengelernt und als Freund schätzen gelernt habe. Er interessiere sich für die deutsche Kultur und zeige sich aufgeschlossen für alles Neue. Gemeinsam hätten sie Kulturschätze der Stadt XXXX besichtigt. Er integriere sich in hiesige Wertvorstellungen und lebe gern in Europa. Er habe den christlichen Glauben angenommen und lebe danach. Er sei hilfsbereit und liebenswürdig.

7. Mit Schriftsatz vom 01.02.2018 legte der Beschwerdeführer eine Vereinbarung über seine ehrenamtliche Tätigkeit beim XXXX für Menschen mit Sehbehinderung oder Blindheit vor.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte und in welcher der Beschwerdeführer weitgehend ohne Dolmetscher in gutem Deutsch kommunizierte.

Der Beschwerdeführer legte weitere Bescheinigungsmittel vor: Vereinbarung mit dem XXXX betreffend Überlassung eines Freigeländes an den Beschwerdeführer als Übungsstätte; Antrag des Beschwerdeführers an das AMS auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Studierende ab 01.07.2019 betreffend den Arbeitgeber XXXX ; Lichtbild betreffend die Taufe des Beschwerdeführers; Lichtbilder zum Nachweis der sportlichen Gemeinschaftsaktivitäten (Fußball, Bergsteigen, Klettern) des Beschwerdeführers und dafür, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran großes Interesse an der deutschen Kultur gehabt habe.

Der Beschwerdeführer gab an, zuletzt im August 2015 im Iran gewesen zu sein, um seine Eltern zu besuchen, danach sei er nicht mehr in den Iran gereist, da er Probleme mit seinem Visum habe und er auch eine Kirche besuche, weshalb er Angst habe, in den Iran zu fliegen. Im Iran sei es nicht erlaubt, dass man konvertiere. Im Fall seiner Festnahme wäre die Hinrichtung seine Strafe. Sein Interesse am Christentum habe im Jahr 2013 begonnen, im Jahr 2017 sei er getauft worden, seitdem sei er offiziell Christ. Bei der Taufe seien sehr viele Menschen anwesend gewesen und hätten Fotos gemacht, weshalb er nun große Angst habe, in den Iran zurückzukehren. Seine Eltern und Geschwister würden immer noch im Iran leben, er habe über Whatsapp und soziale Netzwerke Kontakt zu ihnen, sie wüssten auch von seiner Konversion. Er habe sich taufen lassen, um einen Neuanfang zu erleben. Es sei ein tolles Gefühl für ihn, was er in der Kirche gesehen habe, habe ihm gut gefallen und sein seelischer Zustand sei dadurch zufriedener geworden. Es beruhige ihn, wenn er Gebete spreche, wenn er Sorgen habe, spreche er zu Gott, das tue ihm gut. Aktuell besuche er zwei oder dreimal im Monat die Kirche, er sei Protestant und in der Baptistenkirche, würde sich aber nicht als strenggläubig bezeichnen. An der Universität sei er momentan nicht inskribiert, da er dafür zu wenig Geld habe, ab Oktober dürfe er jedoch nochmals inskribieren. Momentan müsse er sich voll darauf konzentrieren, dass er seine Kosten abdecken, essen und schlafen könne, seit eineinhalb Jahren erhalte er keine finanzielle Unterstützung mehr von seinen Eltern. Er gehe oft Blut bzw. Plasma spenden, um Geld zu verdienen, und fühle sich dadurch sehr schwach. Er habe in Österreich als Tankwart und Zeitungsausträger gearbeitet, zum jetzigen Zeitpunkt habe er aber keine Arbeitserlaubnis. Aktuell betreibe er zwei bis drei Mal in der Woche Sport und treffe sich am Wochenende mit seinen Freunden. Unter der Woche unterstütze er Iraner, die er in der Kirche kennengelernt habe, wenn sie einen Dolmetscher benötigen würden oder Besorgungen machen müssten. Er helfe, wo er könne. Da er keiner offiziellen Arbeit nachgehen dürfe, beschäftige er sich so, mangels Arbeitsbewilligung er könne nicht zeigen, welche Talente er habe. Seine größte Sorge sei, dass er nicht sein eignes Leben führen könne, wenn er nicht arbeiten dürfe. Er habe ca. drei bis vier Monate ehrenamtlich im XXXX gearbeitet. Er leide an Depressionen, deswegen stehe er aber nicht in ärztlicher Behandlung, weil er derzeit nicht versichert sei und kein Geld für Medikamente habe. Er habe seit ca. fünf Monaten auch Schulden bei der Krankenkasse in Höhe von ca. EUR 400,00 und Bankschulden in Höhe von ca. EUR 3.000,00. Er würde gerne einen Doktorats-Abschluss machen und bei XXXX oder als Selbstständiger arbeiten, weil er schon viel Praxiserfahrung habe. Er unterstütze Asylwerber und sei der Organisator einer Gruppe zur Unterstützung von Bedürftigen. Sehr gerne würde er auch eine Unterstützungsorganisation für hilfsbedürftige Kinder in Österreich gründen. Er wolle sehr gerne arbeiten und damit ein Teil der Gesellschaft sein.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Presbyter der Internationalen Baptistengemeinde J.S. als Zeuge einvernommen. Dieser gab an, den Beschwerdeführer vor sechs Jahren in der Kirche kennengelernt zu haben. Der Beschwerdeführer habe einigermaßen regelmäßig den Gottesdienst und die Schulungen besucht. Er habe auch am Taufunterricht teilgenommen, die Taufkandidaten müssten ca. ein Jahr in der Gemeinde mitwirken, bevor sie sich zur Taufe anmelden könnten, dies sei beim Beschwerdeführer der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer habe auch mit seinen Verwandten über seinen neuen Glauben gesprochen und insofern die frohe Botschaft des Evangeliums weitererzählt. Als der Beschwerdeführer zum Glauben gefunden habe, habe es auch noch keine Probleme mit seinem Studium gegeben. Die Taufe sei erst 2017 erfolgt, da dem Beschwerdeführer die notwendigen Anwesenheitszeiten bei den ersten beiden Taufkursen gefehlt hätten. Der Beschwerdeführer lebe mit einem psychisch beeinträchtigten Iraner in einer gemeinsamen Wohnung, den der Beschwerdeführer in vielen Dinge unterstütze, etwa bei Reinigungsarbeiten.

9. In der Folge legte der Beschwerdeführer noch weitere Beweismittel vor: Studienblatt und Studienbestätigung der Technischen Universität XXXX , wonach der Beschwerdeführer im Wintersemester 2019/20 als ordentlich Studierender zur Studienrichtung „ XXXX “ gemeldet sei; Studienzeitbestätigung der Technischen Universität XXXX , wonach der Beschwerdeführer in der Studienrichtung „ XXXX “ am 22.03.2013 ein ordentliches Studium begonnen habe, in näher genannten Semestern gemeldet gewesen sei und wonach er den Universitätslehrgang am 03.11.2011 begonnen und am 22.03.2013 beendet habe; Arbeitsvorvertrag vom 13.05.2020, abgeschlossen zwischen dem Beschwerdeführer und der XXXX , aus der die Zusage der Beschäftigung des Beschwerdeführers nach Erteilung eines Aufenthaltstitels hervorgeht; Empfehlung der Internationalen Baptistengemeinde vom 22.05.2020, ausgestellt von J.S., wonach der Beschwerdeführer die Kirchengemeinde seit 2013 besuche und ein getauftes sowie aktives Mitglied der Kirchengemeinde sei, der beim Putzen, Übersetzen und bei Behördengängen helfe. Er sei von einem anderen Kirchenmitglied in die Kirche gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe zu dieser Zeit an der Technischen Universität studiert. Etwa zwei Semester vor dem Studienabschluss sei dem Beschwerdeführer finanziell und psychisch „die Luft ausgegangen". J.S. habe dem Beschwerdeführer ab und zu helfen können, der Beschwerdeführer habe immer wieder großen seelsorgerlichen Beistand gebraucht, weil er sich seelisch in einem tiefen Loch befunden und an Depressionen gelitten hätte. In den Iran hätte er als Christ nicht mehr zurückkönnen, auch wüssten sehr viele Leute, dass der Beschwerdeführer Christ sei. Um Asyl ansuchen habe er nicht gewollt, da er das als unfair dem Staat Österreich gegenüber empfunden hätte und er die Situation nicht hätte ausnutzen wollen. So sei der Beschwerdeführer allerdings ohne staatliche Unterstützung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von den Darlegungen oben unter Punkt I. zum Verfahrensgang/Verwaltungsgeschehen und vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen.

Somit steht insbesondere fest:

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er trägt den im Spruch angeführten Namen und ist am XXXX geboren. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Er hat im Iran die Schule besucht, maturiert und ein Studium der XXXX absolviert und abgeschlossen.

Er reiste im September 2011 legal nach Österreich, um ein Studium der XXXX zu absolvieren, ist in Österreich seit 21.09.2011 durchgehend behördlich gemeldet und hat das Bundesgebiet seither nur für kurze Auslandsaufenthalte (Urlaub, Verwandtenbesuche) verlassen.

Dem Beschwerdeführer wurde beginnend mit der Gültigkeit ab 01.09.2011 eine Aufenthaltsbewilligung als Studierender erteilt, die bis zum 02.09.2015 verlängert wurde. Der letzte Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung vom 29.06.2015 wurde mit Bescheid der Aufenthaltsbehörde vom 08.07.2015 und mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 17.11.2016, rechtskräftig mit 22.11.2016, abgewiesen. Ungeachtet dessen wurde dem Beschwerdeführer von der Aufenthaltsbehörde irrtümlich eine Bestätigung vom 09.12.2016 ausgestellt, wonach sich der Beschwerdeführer nach dem NAG legal im Bundesgebiet aufhalte und die Bestätigung ihre Gültigkeit zwei Monate ab Ausstellungsdatum verliere.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.12.2016 wurde der Beschwerdeführer über seinen unrechtmäßigen Aufenthalt und über seine Ausreiseverpflichtung informiert, der Beschwerdeführer verblieb aufgrund der Bestätigung der Aufenthaltsbehörde vom 09.12.2016 über seinen legalen Aufenthalt jedoch im Bundesgebiet. Seit 07.02.2017 hat der Beschwerdeführer Kenntnis von der irrtümlichen Ausstellung der Bestätigung vom 09.12.2016.

Am 28.02.2017 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde gegenständlichen Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung-plus“ aus Gründen des Art. 8 EMRK. Er wollte und will keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Er ist gesund und arbeitsfähig. Er litt unter Depressionen, befand sich aber nicht in ärztlicher Behandlung.

Der Beschwerdeführer spricht gut Deutsch, er hat Deutschkenntnisse jedenfalls auf dem Niveau B2+ erworben. Nach Absolvierung des Sprachkurses der Niveaustufe B2+ des Vorstudienlehrgangs der XXXX Universitäten hat er an der Universität XXXX die Ergänzungsprüfung für den Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache abgelegt.

Der Beschwerdeführer hat den Universitätslehrgang/Vorstudienlehrgang an der Technischen Universität XXXX vom 03.11.2011 bis 22.03.2013 abgeschlossen und hat danach an der genannten Universität ein ordentliches Studium der Studienrichtung „ XXXX “ begonnen, welches im Entscheidungszeitpunkt nicht abgeschlossen ist; er war im Wintersemester 2019/20 als ordentlich Studierender gemeldet.

Er war von November 2014 bis September 2015 auf Werkvertragsbasis (als Zeitungskolporteur) tätig und ging zwischen 15.01.2015 und 20.11.2016 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen als Arbeiter nach und verfügte über Beschäftigungsbewilligungen nach dem AuslBG. Er übte auch eine ehrenamtliche/freiwillige Tätigkeit in einem Institut für Sehbehinderte/Blinde aus. Er war auch gemäß § 16 Abs. 2 ASVG selbstversichert. Er verfügte bzw. verfügt über einen Dienstvorvertrag/eine Einstellungszusage. Der Beschwerdeführer erhielt auch laufend Unterhalt von seinem Vater aus dem Iran, seit eineinhalb Jahren erhält er keine finanzielle Unterstützung mehr von seiner Familie. Er leistet Hilfstätigkeiten, wird finanziell und emotional von privater/kirchlicher Seite unterstützt und finanziert sich seinen Lebensunterhalt auch mit Blut- und Plasmaspenden. Der Beschwerdeführer ist arbeitswillig und strebt die Selbsterhaltungsfähigkeit durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Österreich an. Die Selbsterhaltungsfähigkeit ist für den Beschwerdeführer von zentraler Bedeutung, er lehnt es ab, Leistungen aus staatlichen Sozialleistungen zu beziehen; solche Leistungen wurden vom Beschwerdeführer bisher auch nicht bezogen.

In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers, er befindet sich auch in keiner Lebenspartnerschaft. Der Beschwerdeführer verfügt über soziale Bindungen in Österreich und er nimmt am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teil. Er hat sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und lebt mit zwei weiteren Mitbewohnern in einer Mietwohnung in XXXX . Er betreibt, gemeinsam mit Freunden, regelmäßig Sport (Fußball, Klettern, Bergsteigen) und trifft sich auch am Wochenende mit seinen Freunden. Er unterstützt einen Kulturverein bei diversen Projekten und engagiert sich in der Unterstützung von hilfsbedürftigen Menschen, wobei er auch organisatorisch tätig ist. Er hilft solchen Personen und auch in der Kirche regelmäßig durch Verrichtung verschiedener Tätigkeiten (EDV-Dienstleistungen, Reinigungsarbeiten, Übersetzungstätigkeiten, Unterstützung bei Behördengängen).

Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers. Zu diesen hat er über WhatsApp und soziale Netzwerke Kontakt. Im Iran war der Beschwerdeführer das letzte Mal im Juli/August 2015. Wegen seiner Konversion hat er Angst, neuerlich in den Iran zu reisen.

Der Beschwerdeführer ist als ehemaliger Moslem in Österreich zum Christentum konvertiert. Er bekennt sich zum christlichen (protestantischen) Glauben und ist ein aktives und geschätztes Mitglied der Internationalen Baptistengemeinde XXXX , die er seit 2013 regelmäßig besucht. Er absolvierte dort einen Taufkurs. Weil er vom Christentum überzeugt war, ließ sich der Beschwerdeführer am 13.08.2017 taufen, wobei viele Menschen anwesend waren und Fotos gemacht wurden. Er ist ernsthaft aus innerer Überzeugung vom Islam zum Christentum übergetreten. Er hat seine christliche Überzeugung (Konversion) öffentlich gemacht und lebt/äußert seinen Glauben aktiv und offen. Er ist ernstlich gewillt, seine christliche Religion weiterhin (auch im Iran) auszuleben und auszuüben. Die Konversion und die christlich religiösen Betätigungen des Beschwerdeführers sind im Iran bekannt.

Der Beschwerdeführer kann als Konvertit seinen christlichen Glauben im Iran nicht praktizieren. Er wäre im Iran mit Problemen bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes konfrontiert und dem Risiko der sozialen (gesellschaftlichen/familiären) Ausgrenzung ausgesetzt.

1.2. Hinsichtlich der Lage im Iran:

Religionsfreiheit

In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.

Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Muslime, die keine Schiiten sind, dürfen weder für das Amt des Präsidenten kandidieren noch andere hochrangige politische Ämter bekleiden. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übertreten, können hohe Gefängnisstrafen erhalten, die in einigen Fällen von zehn bis 15 Jahren reichen. Es gibt weiterhin Razzien in Hauskirchen.

Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache sind in Iran verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.

Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2017 mindestens 102 Mitglieder von religiösen Minderheiten aufgrund ihrer religiösen Aktivitäten inhaftiert, 174 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 23 wegen „Beleidigung des Islam“ und 21 wegen „Korruption auf Erden“.

Personen, die sich zum Atheismus bekennen, können willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt werden. Sie laufen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Situation für Konvertiten

Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der Hinrichtungen in den letzten zehn Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (10 und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2019 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.

Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. Laut der iranischen NGO Article 18 wurden von Jänner bis September 2018 37 Konvertiten zu Haftstrafen wegen „Missionsarbeit“ verurteilt. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.

Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Apostasie ist derzeit nicht nach kodifiziertem Recht, aber nach der Scharia strafbar. Letztere ist entsprechend Art. 4 der Verfassung Grundlage des iranischen Rechts. Richter in Iran sind nach Art. 167 der Verfassung gehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf kodifiziertes Recht zurückzugreifen. Sind solche Gesetze nicht vorhanden, so müssen sie ihren Urteilsspruch auf Grundlage der authentischen islamischen Quellen oder der gültigen Rechtsurteile fällen.

Apostasie ist nach herrschender Meinung ein sog. Hadd-Delikt (Hadd-Strafen sind Strafen, die in der Scharia festgelegt sind). Folgende Prophetenworte werden im islamischen Recht dahingehend ausgelegt, dass Apostasie zu bestrafen ist: „...tötet den, der seine Religion wechselt“ und „Das Blut eines Muslims (zu vergießen) ist nicht erlaubt, außer in einem dieser drei (Fälle): der verheiratete Ehebrecher, Leben um Leben und der seinen Glauben Verlassende und von der Gemeinschaft sich Trennende.

Die Scharia bietet dem Richter demzufolge bereits heute eine Rechtsgrundlage, um Apostaten in Iran zum Tode zu verurteilen. Die Apostasie ist der normalen Strafgerichtsbarkeit zugewiesen, Eingangsinstanz sind die allgemeinen Strafgerichte der Provinzen. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber – unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt. Der ehemalige Chef der iranischen Judikative, Ayatollah Sharoudi, hatte die Staatsanwaltschaften und die Gerichte angewiesen, niemanden wegen Religionswechsel zur Todesstrafe zu verurteilen. Eine derartige Verurteilung ist daher derzeit unwahrscheinlich. Die Direktive des ehemaligen Chefs der Justiz könnte jedoch kurzfristig zurückgenommen werden.

Indes ist zu beachten, dass es trotzdem zur Anklage und Einleitung von gerichtlichen Strafverfahren wegen Konversion kommen kann. Eine Anschuldigung wegen Apostasie kann schwerste Sanktionen nach sich ziehen. Oftmals lautet die Anklage auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen" und „Beleidigung des Heiligen" wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Willkürliche Verhaftungen durch iranische Behörden

Trotz Fehlens einer strafrechtlichen Grundlage kommt es immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Konvertierten. Die ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für die Lage der Menschenrechte in Iran, Asma Jahangir, hat in ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat (UNHRC) vom März 2017 betont, dass seitens der iranischen Behörden und vom Klerus gezielt mit strengen Maßnahmen und willkürlichen Verhaftungen gegen christliche Konvertiten mit vormals muslimischen Hintergrund vorgegangen wird. Auch Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief weisen auf willkürliche Verhaftungen von christlichen Personen hin. Danach ist es in den letzten zehn Jahren beispielsweise üblich geworden, dass während der Weihnachtszeit in verschiedenen Städten Irans christliche Konvertiten von den Sicherheitskräften festgenommen werden. In einem Interview mit UK Home Office im Juli 2017 wies die Organisation Article 18 darauf hin, dass bei den Verhaftungen von Konvertierten die gesetzlichen Vorschriften nur selten eingehalten werden. In den meisten Fällen würden Betroffene weder vorgeladen, noch werde ihnen bei ihrer Verhaftung ein Haftbefehl vorgelegt. Auch würden sie nicht über die Anklagepunkte informiert.

Konvertierte werden bei Razzien in Hauskirchen, Privathäusern oder an beliebigen anderen Orten festgenommen. Gemäß Zeugenaussagen an Christians in Parliament APPG und APPG for International Freedom of Religion or Belief sind Razzien und Festnahmen in Privathäusern von christlichen Personen in Iran weit verbreitet. Personen, die ihren Glauben in Hauskirchen praktizieren, sind von Razzien betroffen. Voraussetzung sind Informationen aus dem Umfeld der Hauskirchen. BosNewsLife zufolge haben Sicherheitskräfte allein im Monat August 2016 in mindestens vier Hauskirchen Razzien durchgeführt. Die Behörden beabsichtigen mit solchen Aktionen ein Klima der Angst zu schaffen. Gemäß Aussagen von Elam Ministries werden bei Razzien in Hauskirchen alle Anwesenden festgenommen: Sowohl diejenigen, die neu und inaktiv sind, als auch die Kirchenführenden (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen, und drängt sie dazu, das Land zu verlassen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder andere Personen im Glauben zu unterrichten, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung habe, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein, und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Anzahl verhafteter Konvertierter

Christen im Exil haben gemäß dem US Department of State von zahlreichen Festnahmen, insbesondere von evangelikalen und vom Islam konvertierten Christen berichtet. Laut der USCIRF und der in Budapest ansässigen Nachrichtenagentur BosNewsLife haben iranische Sicherheitskräfte zwischen Mai und August 2016 ungefähr 80 Christen verhaftet. Die Mehrheit der Inhaftierten wurde laut USCIRF verhört und nach wenigen Tagen freigelassen, aber ein Teil der Verhafteten wurde über Monate ohne Anklage festgehalten. Mehrere Betroffene seien weiterhin in Haft. Menschenrechtsgruppen gehen allerdings davon aus, dass es eine Dunkelziffer gibt und die Zahl der Christen, welche von den Behörden aufgegriffen werden, viel höher liegen könnte. Im Dezember 2016 waren rund 90 christliche Personen wegen ihren religiösen Tätigkeiten oder ihrem Glauben inhaftiert oder saßen in Untersuchungshaft (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Familienangehörige Konvertierter

Auch Familienangehörige von konvertierten Personen sind Ziel staatlicher Schikane und Drohungen. Verschiede Quellen geben an, dass Familienmitglieder von christlichen Konvertierten Opfer von Schikanen durch staatliche Akteure werden können. Elam Ministries berichtet von einem 12-jährigen Jungen, der über seinen Glauben befragt und geschlagen wurde und zusammen mit seinen konvertierten Eltern verhaftet wurde. Gemäß Angaben der internationalen Organisation in der Türkei an das DIS riskieren Familienmitglieder von Konvertierten den Verlust der Arbeitsstelle oder eine Verweigerung des Hochschuleintritts. Als weiteres Beispiel werden Eltern fortgeschrittenen Alters erwähnt, die wegen der Konversion ihres Kindes durch staatliche Behörden schikaniert werden. Wenn der Ernährer der Familie verhaftet wird, bringe dies außerdem finanzielle Folgen mit sich mit, zumal große Summen Geld als Kaution für die temporäre Freilassung aufgetrieben werden müsste. Diese Beträge werden so hoch festgesetzt, um der Familie möglichst hohen finanziellen Schaden zuzufügen. Berichte weisen auf Verwandte von einem ins Ausland geflohenen und von Verhaftung bedrohten christlichen Pastors hin, die fast täglich bedroht wurden und in eine andere Stadt ziehen mussten, weil der iranische Geheimdienst MOIS die lokale Gemeinde informierte, dass sie Apostaten seien (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 07.07.2018: Iran: Gefährdung von Konvertiten).

Soziale Folgen einer Konversion

Neben den strafrechtlichen Folgen einer Konversion besteht die Möglichkeit, dass bei Bekanntwerden des Glaubenswechsels der Arbeitsplatz in Gefahr gerät. Insbesondere bei staatlichen Unternehmen, in denen Angehörige des „Herasat“ (Aufsichtsgruppe des iranischen Geheimdienstministeriums) regelmäßig vertreten sind und auch in Privatunternehmen ab einer bestimmten Größe, die die Anwesenheit des „Herasat“ dulden müssen. Dabei ist es auch möglich, dass Familienangehörige des Konvertiten ebenfalls eine Kündigung erhalten.

Unabhängig von der gesellschaftlichen Umgebung besteht für Konvertiten die Gefahr, dass sie sich, wenn sie sich innerhalb der eigenen Familie erkennbar zum Christentum bekennen, erheblichen Widerständen bis hin zur aktiven Denunziation bei den Sicherheitskräften seitens eines Angehörigen der Familie aussetzen. Darüber hinaus riskieren sie auch den Ausschluss aus der Familie. Dies trifft insbesondere auf Konvertiten zu, deren Familienangehörige innerhalb des Regierungsapparates arbeiten, da diese in der Furcht leben, die Arbeit zu verlieren. Auch das Recht auf die Kindererziehung wird in solchen Fällen möglicherweise von der Familie in Frage gestellt, da die Erziehung eines muslimischen Kindes für Andersgläubige ausgeschlossen ist.

Grundsätzlich kann aber auch davon ausgegangen werden, dass diese Konflikte ausbleiben, wenn die Familie einem eher säkularen Umfeld entspringt, wie es in der iranischen Gesellschaft oftmals oder zunehmend der Fall ist. Daher kann auch davon ausgegangen werden, dass außerhalb des beruflichen Umfelds ein mangelhafter Moschee-Besuch oder die Verweigerung der Teilnahme an muslimischen Ritualen nicht zwingend den Verdacht einer Konversion aufkommen lässt. Dennoch ist es nicht verwunderlich, dass viele Konvertiten den Glaubenswechsel gegenüber ihren Familien verschweigen, um mögliche Konflikte zu umgehen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Rückkehr von Konvertiten

Die Rückkehr von Konvertiten in den Iran führt nicht zwingend zu einer Festnahme oder Inhaftierung. In den vergangenen zehn Jahren wurde seitens der in Iran vertretenen westlichen Botschaften, die grundsätzlich Rückführungen iranischer Staatsangehöriger vor Ort kontrollieren, kein Fall der Festnahme eines Konvertiten bei der Einreise gemeldet.

Allgemein wird eine Unterscheidung zwischen dem Konvertiten, der bereits vor einer Ausreise in den Fokus der Sicherheitskräfte geraten ist und demjenigen, der nach der Ausreise einen Glaubenswechsel tätigte, vorgenommen.

Konvertiten, die aus einer Gefährdungs- oder Konfliktsituation heraus die Ausreise betrieben haben, werden als gefährdet betrachtet, da möglicherweise seitens der Behörden eine Akte über sie angelegt wurde und dies bei der Einreise über das Informationssystem angezeigt wird. Auch Konvertiten, die im Ausland in der Öffentlichkeit für ihr christliches neues Leben bekannt wurden, laufen Gefahr, dass die iranischen Sicherheitskräfte eine solche Ermittlungsakte angelegt haben. Dabei genügt es nicht, über die sozialen Medien den Glaubenswechsel zu verbreiten; vielmehr wird angenommen, dass bei entsprechender Aufmerksamkeit für die iranischen Dienste entscheidend ist, ob der Glaubenswechsel nachvollziehbar ist oder lediglich eine „copy/paste“-Entscheidung getroffen wurde, um eine Annäherung zum westlichen Leben zu erreichen (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Länderreport 10 Iran, Situation der Christen, Stand 3/2019).

Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein, würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Iran vom 14.06.2019).

Menschenrechtslage/Sanktionen

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer. Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Krimina

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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