Entscheidungsdatum
01.10.2020Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Spruch
W235 2176487-1/50E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch: XXXX und XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2017, Zl. 1094846600-151774589, zu Recht erkannt:
A)
I. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird mj. XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird mj. XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte als unbegleiteter Minderjähriger nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
1.2. Am 16.11.2015 wurde er im Beisein eines Rechtsberaters einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, im Zuge der er zu seiner Person angab, am XXXX in der afghanischen Stadt Mazar-e Sharif geboren zu sein und der Volksgruppe der Pashtunen sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam anzugehören. Er spreche Dari. Im Herkunftsstaat habe er die Schule besucht. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Berufsausbildung und habe noch nie gearbeitet. Im Herkunftsstaat würden noch seine Eltern, sein Bruder sowie seine vier Schwestern leben. In Österreich lebe sein Onkel, welchem der Flüchtlingsstatus zukomme.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, sein Vater habe in Afghanistan als Programmierer für das Fernsehen gearbeitet. Eines Tages seien Taliban gekommen und hätten seinen Vater gezwungen, für sie zu arbeiten. Der Vater sei von den Taliban angehalten worden. Als er wieder freigekommen sei, habe sein Vater beschlossen, den Beschwerdeführer aus Afghanistan wegzuschicken.
1.3. Da das Bundesamt an den Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Alter Zweifel hatte, wurde eine Untersuchung zur Bestimmung des Knochenalters durch „Röntgen am Ring“ veranlasst.
Dem Untersuchungsergebnis von „Röntgen am Ring“ vom 04.12.2015 ist zu entnehmen, dass beim Beschwerdeführer „Schmeling 3, GP 27“ vorliegt und die Epiphysenfuge an den mittleren und proximalen Phalangen sowie den Metacarpalia knöchern, noch nicht durchbaut, sind. Sowohl am distalen Radius als auch an der distalen Ulna lasse sich eine zarte Epiphysenfuge erkennen.
1.4. Daraufhin erfolgte am 20.09.2017 eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in welcher er angab, er spreche neben Dari ein wenig Urdu, Pashtu und Englisch. Ferner erlerne er die deutsche Sprache. Er sei in Mazar-e Sharif geboren und aufgewachsen. Die Provinz Balkh habe er bis zu seiner Ausreise nie wirklich verlassen. Er habe sechs Jahre die Schule besucht. Sein Vater sei für seinen Lebensunterhalt aufgekommen. Den aktuellen Aufenthaltsort seines Vaters kenne er nicht. Sein Onkel mütterlicherseits habe ihm gesagt, dass er sich vermutlich in Pakistan aufhalte. Die Mutter des Beschwerdeführers sei als Hausfrau tätig und befinde sich vermutlich bei seinem Vater. Seit der Trennung habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Den Grund hierfür könne er nicht nennen. Er sei mit seinen beiden Onkeln mütterlicherseits nach Europa gegangen. Seine Familie habe gesagt, dass sie nachkommen werde. Seine Großeltern kenne er nicht; sie seien wahrscheinlich schon verstorben. An seinem Wohnort im Herkunftsstaat hätten noch zwei Tanten väterlicherseits gelebt. Wo seine anderen Tanten väterlicherseits leben würden, wisse er nicht. Seiner Familie sei es finanziell gut gegangen, aber in den letzten zwei Monaten vor der Ausreise sei die Lage schlecht gewesen. Der Beschwerdeführer habe versucht, Kontakt zu seinen Angehörigen aufzunehmen und sei auch beim Roten Kreuz gewesen. Er habe sie aber nicht gefunden. Vor seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer mit seiner Familie in einem Haus, welches sie gemietet hätten, gewohnt. Ca. eineinhalb bis zwei Monate vor seiner Ankunft in Österreich sei er endgültig aus Afghanistan ausgereist. In Österreich würden zwei seiner Onkel sowie ein Cousin leben. Ein anderer Onkel lebe auch in Europa.
Sein Vorbringen zu seinen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates, welches er im Zuge der Erstbefragung erstattete, hielt der Beschwerdeführer aufrecht und führte als weiteren Fluchtgrund an, dass sein Vater Grundstücksstreitigkeiten mit seinen Cousins gehabt habe. Zudem sei der Cousin des Beschwerdeführers im Jahr 2015 getötet worden, weil dieser ein Mitglied des Geheimdienstes gewesen sei. Dies sei, was man ihm gesagt habe. Mehr wisse er dazu nicht.
1.5. Am 02.10.2017 erstattete der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters eine Stellungnahme, in welcher seine Gründe für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat sowie deren Asylrelevanz erörtert wurden. Sein Fluchtvorbringen wurde dahingehend ergänzt, dass ihm im Fall der Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung drohen würde, da er aufgrund seines Aufenthalts in Österreich der Risikogruppe der „als verwestlicht wahrgenommenen Personen“ angehöre. Ferner wurde auf die allgemein schlechte Sicherheitslage in Afghanistan sowie die besondere Vulnerabilität von Minderjährigen hingewiesen. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seines Alters nicht in der Lage, in Afghanistan unter zumutbaren Umständen zu leben.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Zudem wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 28 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Festgestellt wurde hinsichtlich der Situation des Beschwerdeführers im Fall der Rückkehr nach Afghanistan im Wesentlichen, dass er keiner konkret gegen seine Person gerichteten asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung in Afghanistan ausgesetzt sein werde. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Eltern habe und ihren Aufenthaltsort nicht kenne. Er könne nach Mazar-e Sharif zurückkehren, habe dort eine sichere Unterkunft und könne zudem Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Ferner werde er Unterstützung von seiner Familie sowie von Bekannten erhalten. Bereits vor seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer in Afghanistan die Schule besucht. Die Provinz Balkh sei auch hinreichend sicher. Seine Eltern könnten ihn vom Flughafen in Kabul abholen und in ihre Obhut nehmen, da die Provinz Balkh sicher von Kabul aus erreicht werden könne. Ferner stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul offen. Rechtlich wurde unter anderem zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids gefolgert, dass keine Hinweise auf das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“ bestünden. Im Fall der Rückkehr werde der Beschwerdeführer nicht in seinen nach Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt.
Mit Verfahrensanordnung vom 06.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
3.1. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters am 06.11.2017 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, der Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelhafter Beweiswürdigung, der Verletzung des Rechts auf Parteiengehör sowie wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Bescheidbegründung. Nach Darstellung der Asylrelevanz des Vorbringens des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dass sich die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als rechtswidrig erweise. So hätten im Verfahren des erst 14-jährigen Beschwerdeführers kinderspezifische Herkunftslandinformationen wie auch die erhöhte Vulnerabilität von Minderjährigen Beachtung finden müssen. In der Folge wurde unter Verweis auf verschiedene Länderberichte festgehalten, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen sowie in der Provinz Balkh im Speziellen signifikant verschlechtert habe. Dem Beschwerdeführer sei ferner – entgegen der Ansicht des Bundesamtes – eine Ansiedlung in Kabul ohne soziales Netzwerk nicht zumutbar. In der Folge wurde erörtert, dass sich auch die Situation von Rückkehrenden verschlechtert habe, da aufgrund der hohen Zahl von Rückkehrenden aus Pakistan und aus dem Iran die Aufnahmekapazitäten gerade in Ballungsräumen ausgeschöpft seien. Aus dem Artikel von Friederike Stahlmann „Überleben in Afghanistan?“ ergebe sich, dass man außergewöhnliche finanzielle Ressourcen sowie ausgezeichnete soziale Netzwerke benötige, um eine Chance auf eine winterfeste Unterkunft zu haben. Beides habe der Beschwerdeführer in den als vermeintlich sicher geltenden Städten nicht. Angesichts fehlender sozialstaatlicher Sicherheiten sei der Zugang zum Arbeitsmarkt in Afghanistan die Grundbedingung für sozioökonomische Sicherung. In diesem Zusammenhang wurde auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit, welche nach einer Erhebung von „Democracy International“ im Erhebungszeitraum 82 % betragen habe, verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer im schulpflichtigen Alter befinde, noch nie gearbeitet habe und noch niemals in Kabul gelebt habe. Seine Kernfamilie sei zwischenzeitlich nach Pakistan geflohen. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Beziehungen in Afghanistan, die geeignet wären, ihm ausreichenden Rückhalt im Fall einer Rückkehr zu bieten. Er wäre folglich auf sich alleine gestellt und würde angesichts dieser exzeptionellen Umstände in eine für ihn gänzlich menschenunwürdige Situation gelangen. Abschließend wurde zum Privat- und Familienleben in Österreich Stellung bezogen.
3.2. Am 09.02.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .01.2018 übermittelt, mit welchem der Onkel des Beschwerdeführers, XXXX , und dessen Lebensgefährtin, XXXX , gemeinsam mit der Obsorge für den Beschwerdeführer betraut wurden.
3.3. Mit Schriftsatz vom 20.03.2018 führte der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters im Wesentlichen aus, dass zwischen ihm und seinem Vater seit geraumer Zeit kein persönlicher Kontakt bestehe. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers halte sich in Pakistan aus Angst vor Deportation nach Afghanistan durchwegs versteckt auf. In der Folge wurden eine Telefonnummer sowie zwei Adressen, an welchen sich sein Vater regelmäßig aufhalte, bekanntgegeben.
4.1. Am 19.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers und seiner gesetzlichen Vertreterin XXXX sowie unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Ferner wurden XXXX und XXXX als Zeugen einvernommen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete bereits mit Beschwerdevorlage auf die Teilnahme an einer Beschwerdeverhandlung.
Eingangs wurde der Beschwerdeführer zu seiner Person und zu seinem Leben in Afghanistan befragt, wobei er seine bisherigen Angaben aufrechthielt. In der Folge wurde er zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates einvernommen. Zu seinem Gesundheitszustand führte der Beschwerdeführer an, sich nicht in medikamentöser Behandlung zu befinden. Allerdings gehe er alle zwei Wochen zu einem Psychotherapeuten. Der letzte Termin sei vor einer Woche gewesen. Zu seinen Angehörigen gab er an, dass sich seine Familie in Pakistan aufhalte und er mit ihnen in Kontakt stehe. Zur Frage, warum er mit seinen Onkeln geflüchtet sei, während seine Geschwister bei seinen Eltern geblieben seien, erklärte er, er sei der älteste Sohn. Sein Vater habe nicht genug Geld gehabt, um die Flucht der ganzen Familie zu finanzieren. Ergänzend gab die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers an, seine älteste Schwester habe ein gelähmtes Bein und wäre eine Reise nach Europa für sie aufgrund der körperlichen Einschränkung sehr schwer gewesen.
Der obsorgeberechtigte Onkel des Beschwerdeführers, XXXX , gab im Rahmen seiner Einvernahme als Zeuge unter andrem an, er habe noch Verwandte in Afghanistan, kenne sie aber nicht. Mit den Verwandten seiner Mutter habe er schon eine halbe Ewigkeit keinen Kontakt mehr.
Der Zeuge XXXX , ein in Deutschland lebender weiterer Onkel des Beschwerdeführers, gab zu seinen Angehörigen im Herkunftsstaat an, in Afghanistan lebe noch seine Ehefrau sowie seine Kinder und ein Bruder. Sie würden aber in Streit leben. Seine Ehefrau lebe die meiste Zeit bei seinem Bruder und dessen Familie; sie hätten aber keinen festen Wohnsitz. Sie würden ihren Wohnsitz alle paar Monate wechseln. Sein Bruder lebe versteckt.
In der Verhandlung wurden unter anderem folgende verfahrenswesentliche Dokumente (in Kopie) in Vorlage gebracht:
? Schulnachricht einer Öffentlichen Neuen Mittelschule für das Schuljahr 2017/2018 und
? Schreiben der Klassenvorständin des Beschwerdeführers vom XXXX .04.2018, wonach der Beschwerdeführer in allen Pflichtgegenständen beurteilt werden konnte, er gut in die Klassengemeinschaft integriert ist und im September 2017 zum Klassensprecher gewählt wurde
4.2. Am 12.07.2018 erfolgte eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie in Anwesenheit des Rechtsvertreters sowie der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers, im Zuge derer der obsorgeberechtigte Onkel des Beschwerdeführers, XXXX , erneut als Zeuge einvernommen wurde. Der Zeuge gab an, dass er zu seinem Bruder (= Vater des Beschwerdeführers) zwar Kontakt aufnehmen habe können, der Kontakt jedoch nicht regelmäßig sei, da sein Bruder manchmal keinen Empfang oder kein Internet habe. Es sei schwierig, ihn zu erreichen. Die Adresse habe er bereits vorgelegt; sein Bruder halte sich im Großraum Peschawar auf. In Afghanistan lebe noch seine Schwester mit deren Familie. Von anderen Angehörigen wisse er es nicht, da seit Jahren kein Kontakt mehr bestehe. Im Iran habe er keine Angehörigen. In Pakistan lebe der Vater des Beschwerdeführers mit seiner Familie. Ferner gebe es noch zwei Cousins väterlicherseits, die er aber fast nicht kenne.
5.1. Mit Stellungnahme vom 02.08.2018 wurde zusammengefasst und verfahrenswesentlich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Kind ohne Verwandte in Mazar-e Sharif keine Möglichkeit, sich eine menschenwürdige und kindgerechte Lebensgrundlage zu erwirtschaften. Die derzeit alleinstehende Ehefrau des in Deutschland lebenden Onkels warte zudem auf eine Entscheidung betreffend Familienzusammenführung und werde folglich Afghanistan ehestmöglich verlassen. Es gebe keine auf unbegleitete Minderjährige spezialisierte Reintegrationsprogramme und auch sonst keine Unterstützung, welche über die Bereitstellung von Grundversorgungsdiensten hinausgehe. Dies sei für ein 15-jähriges Kind jedenfalls nicht ausreichend, um eine entsprechende Entwicklung und Entfaltung zu garantieren. Auch aus den UNHCR-Richtlinien gehe hervor, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul für unbegleitete Kinder nicht anzunehmen sei. Die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage habe sich weiter verschärft. Zudem sei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verweisen. Mit Erkenntnis vom 28.05.2018, W210 2161215-1, sei beispielsweise einem minderjährigen Fremden, welcher über familiären Hintergrund in Afghanistan verfügt habe, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Umso mehr sei dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zu gewähren, da er keine familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat habe und zudem klar verwestlicht sei.
5.2. Mit Stellungnahme vom 31.10.2018 wurde zusammengefasst und verfahrenswesentlich ausgeführt, den aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 sei zu entnehmen, dass sich die Sicherheits- und Versorgungslage in sämtlichen Provinzen Afghanistans verschlechtert habe. Ferner wurde erneut zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates sowie zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich Stellung bezogen.
Der Stellungnahme wurde ein Schreiben (in Kopie) vorgelegt, mit welchem bestätigt wird, dass der Beschwerdeführer im Schuljahr 2018/2019 die Höhere Bundeslehranstalt für Mode sowie für Kunst und Gestaltung besucht.
5.3. Mit Schriftsatz vom 20.11.2018 bezog der Beschwerdeführer zu den ihm vom Bundesverwaltungsgericht am 07.11.2018 übermittelten Auszügen aus dem Länderinformationsblatt Afghanistan Stellung.
5.4. Mit Stellungnahme vom 27.12.2018 wiederholte der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters zusammengefasst sein bisheriges Vorbringen und wies im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den ACCORD-Bericht zur Lage von Kindern in der Provinz Balkh von Dezember 2018 hin. Rechtlich wurde ausgeführt, dass der afghanische Staat durch die fehlende Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen nicht nur passiv verantwortlich sei, sondern ihn positive Verpflichtungen treffen würden, welche im Fall der Unterlassung als Verletzung von Art. 3 EMRK zu werten seien. Folglich sei der Staat im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Akteur gemäß Art. 6 lit. a Statusrichtlinie, der seinen Verpflichtungen in keiner Weise gerecht werde. Zudem sei zu beachten, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Verschlechterung seines psychischen Zustands mittlerweile Psychotherapie in Anspruch nehme. Der Leidensdruck resultiere nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Flucht, dem Verlust der Heimat und der Familie sowie auch aus der Neuorientierung und der Unsicherheit in Österreich. Hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage in der Stadt Mazar-e Sharif sowie der Situation von Rückkehrenden aus Europa wurde auf Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation von November 2018 verwiesen. Abschließend wurde festgehalten, dass dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Kabul und Herat nicht offenstehe, da er dort weder über ein Unterstützungsnetzwerk noch über Ortskenntnisse verfüge. Bereits aufgrund seiner Ethnie, seines Alters, seiner Herkunft sowie der daraus resultierenden besonderen Vulnerabilität sei ihm eine Neuansiedlung in Herat nicht möglich. Hinzu komme die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in dieser Stadt. Im Fall einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer sohin in eine Notlage geraten, die einer unmenschlichen bzw. erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK gleichkomme.
Der Stellungnahme wurden unter anderem ein Konvolut an Unterstützungsschreiben sowie Lichtbilder einer Modenschau, auf welchen auch der Beschwerdeführer abgebildet ist, (jeweils in Kopie) beigelegt.
6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2019, Zl. W210 2176487-1/30E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheids als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ebenso abgewiesen. Der Beschwerde wurde insoweit stattgegeben, als eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt wurde. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wurde ersatzlos behoben. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine wohlbegründete, aktuelle und damit asylrelevante Verfolgungsgefahr innerhalb des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK entsprechend glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass alleinstehende Minderjährige evident prekäre Lebensumstände in Afghanistan vorfinden würden. Aus den Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, ergebe sich, „dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, nicht bedeute, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH dagegen, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist“. Im vorliegenden Fall würden die Lebensumstände alleinstehender Minderjähriger und das nach den Feststellungen zwar bestehende und jedenfalls als prekär zu bezeichnende Versorgungssystem von Kindern und Jugendlichen in Afghanistan nicht nur den Beschwerdeführer, sondern alle Minderjährigen in Afghanistan in derselben Situation treffen. Ein Akteur im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe mangels persönlicher Bedrohung nicht identifiziert werden können. Demnach lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Sinne des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie im vorliegenden Fall nicht vor. Die nach den Länderberichten evident bestehende Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 EMRK wäre demnach bei der Überprüfung der Zulässigkeit einer Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG zu prüfen. Die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG würden nicht vorliegen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan sei angesichts des vorliegenden Privat- und Familienlebens unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK. Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG im Fall des Beschwerdeführers erfüllt seien, sei dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu gewähren.
7.1. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.12.2019, E 681/2019-9, abgelehnt. Mit Beschluss vom 15.01.2020, E 681/2019-11, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ab.
7.2. Am 28.02.2020 wurde der hg. Akt zur Zl. 2176487 der Gerichtsabteilung W235 neu zugewiesen, da die Gerichtsabteilung W210 nicht mehr im Amt ist.
7.3. Mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.07.2020, Ra 2020/19/0083, wurde die gegen das Erkenntnis vom 14.01.2019 erhobene außerordentlichen Revision hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten zurückgewiesen. Der außerordentlichen Revision wurde insoweit stattgegeben, als das Erkenntnis hinsichtlich der Nichtgewährung von subsidiärem Schutz und der darauf aufbauenden Spruchpunkte wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben wurde.
Begründend wurde unter anderem Folgendes festgehalten:
„In seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, unter Beachtung des klaren Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sowie der Entstehungsgeschichte und der systematischen Stellung der Norm die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Infolge dessen ist an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten.
[…]
Ausgehend davon hätte bereits im Rahmen der Prüfung des Anspruches der revisionswerbenden Partei auf subsidiären Schutz darauf Bedacht genommen werden müssen, ob ihr bei Rückkehr in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung ihrer durch Art. 2 und/oder Art. 3 EMRK geschützten Rechte drohen würde, und zwar auch dann, wenn diese Gefahren nicht auf das Verhalten eines Akteurs zurückzuführen sind oder die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht werden. Diese Prüfung hat das BVwG zu Unrecht unterlassen und sein Erkenntnis dadurch mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.“
8.1. Mit Verfahrensanordnung vom 07.09.2020 wurde dem Beschwerdeführer sowie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, aufgrund der Aktenlage sowie unter Berücksichtigung des bisherigen Verfahrensganges, insbesondere in Hinblick auf das in diesem Verfahren ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.07.2020, Ra 2020/19/0083, eine Entscheidung zu treffen. Den Verfahrensparteien wurde das aktuelle Länderinformationsblatt „Afghanistan“ mit letzter Kurzinformation vom 21.07.2020 zur Stellungnahme binnen drei Wochen übermittelt und wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen bekanntzugeben, ob sich seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.01.2019, Zl. W210 2176487-1/30E, verfahrenswesentliche Änderungen in seinem in Österreich aufgebauten Familien- und Privatleben und/oder betreffend die von ihm vorgenommenen Integrationsmaßnahmen, ergeben haben.
8.2. Mit Stellungnahme vom 09.09.2020 führte der Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.07.2020, Ra 2020/19/0083, aus, dass bereits im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes darauf Bedacht genommen werden müsse, ob der Partei bei der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr der Verletzung ihrer durch Art. 2 und/oder Art. 3 EMRK geschützten Rechte drohen würde, und zwar auch dann, wenn diese Gefahren nicht auf das Verhalten eines Akteures zurückzuführen seien oder die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht würden. Zu betonen sei in diesem Zusammenhang, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom 14.01.2019, W210 2176487-1/30E, bereits ausgeführt habe, dass nach den Länderberichten evident die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe. Folglich ergebe sich bereits aus der damaligen Entscheidung, dass dem minderjährigen Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer Verletzung seiner grundrechtlich geschützten Rechtsgüter nach Art. 3 EMRK mit der für das Verfahren maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohe. Sowohl aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien sowie aus den EASO-Leitlinien von Juni 2019 gehe hervor, dass sich die Situation für unbegleitete Minderjährige in keiner Weise verändert habe. Auch im aktuellen – in das Verfahren eingeführte – Länderinformationsblatt der Staatendokumentation würden die besonderen Gefahren für Kinder sowie die zentrale Bedeutung von familiären Bindungen im Herkunftsstaat bei der Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens ausdrücklich betont werden. Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer offen eine westliche, den afghanischen Traditionen und Vorstellungen diametral entgegenstehende Lebensweise habe. Zudem leide er an den Folgen der psychischen Auswirkungen der Flucht und insbesondere unter der Trennung von der eigenen Familie, weswegen er therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen müsse. Bei ihm handle es sich somit sowohl in Hinblick auf die frühe Sozialisierung in Österreich im Alter von 13 Jahren, als auch aufgrund der psychischen Vorbelastungen nach wie vor um ein Kind, welches auch in Hinblick auf seine Reife einen besonderen Unterstützungsbedarf habe. Ferner werde daran erinnert, dass der Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen in Afghanistan verfüge, die ihn unterstützen oder versorgen könnten. Er wäre somit als unbegleiteter Minderjähriger im Fall einer Abschiebung in besonderem Ausmaß von den im Länderinformationsblatt dargelegten realen Gefahren der unmenschlichen Behandlung gemäß Art. 3 EMRK betroffen. Seine Kernfamilie sei aufgrund drohender Verfolgungshandlungen nach Pakistan geflohen. Inzwischen würden sie sich auf der Insel Lesbos im Flüchtlingslager Moria aufhalten. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich zudem aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie weiter zugespitzt. Hingewiesen werde auf einen Bericht des OCHA vom 06.09.2020, in welchem die äußerst prekäre Lage in Afghanistan aufgrund der COVID-19-Pandemie – insbesondere in Zusammenschau mit dem anhaltenden innerstaatlichen Konflikt, den wiederholten Naturkatastrophen sowie mangelhafter medizinischer Versorgung - betont werde. In einer Gesamtschau sei dem Beschwerdeführer sohin im fortgesetzten Verfahren der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG zu gewähren. Sollte die Beschwerde wider Erwarten abgewiesen werden, sei erneut festzustellen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer im Lichte seines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK weiterhin auf Dauer unzulässig sei.
Mit der Stellungnahme wurden folgende verfahrensrelevante Dokumente in Kopie vorgelegt:
? Bestätigung eines Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen vom XXXX .06.2020, wonach der Beschwerdeführer aufgrund der Trennung von seiner Familie unter erheblichen psychischen Belastungen sowie Schlafstörungen leidet;
? Bestätigung eines Ambulatoriums für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen vom XXXX .06.2020, dass der Beschwerdeführer kriseninterventionsmäßig betreut wird und weitere Termine geplant sind;
? Konvolut an medizinischen Unterlagen betreffend die Schwester des Beschwerdeführers, ausgestellt von der „ XXXX “ und
? Bestätigung über ein Ferialpraktikum im Sommer 2020
8.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl brachte keine Stellungnahme innerhalb der dreiwöchigen Frist ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1.1. Der minderjährige Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Pashtunen an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Erstsprache ist zwar Pashtu, aber seine gesprochene Sprache ist Dari. Er ist ledig und hat keine Obsorgeverpflichtungen. An einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheit leidet er nicht.
Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Balkh, in Mazar-e Sharif, geboren und aufgewachsen. Er hat dort gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf jüngeren Geschwistern bis zur Ausreise aus Afghanistan gelebt. Der Beschwerdeführer hat in seiner Heimatprovinz sechs Jahre die Schule besucht. Er hat in Afghanistan weder eine Berufsausbildung absolviert noch Berufserfahrung gesammelt. Der Beschwerdeführer hat keine Angehörigen oder Verwandten in Afghanistan, welchen ihn im Fall seiner Rückkehr unterstützen könnten. Seine Eltern und Geschwister sind zunächst nach Pakistan verzogen und halten sich nunmehr in Griechenland auf. Es besteht sporadischer telefonischer Kontakt.
1.1.2. Am 14.11.2015 hat der Beschwerdeführer nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und ist seither nicht mehr aus dem Bundesgebiet ausgereist.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 28 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
Die gegen die Spruchpunkte I. und II. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.01.2019, W210 2176487-1/30E, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde insoweit stattgegeben, als die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt wurde.
Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters durch Hinterlegung im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.12.2019, E 681/2019-9, abgelehnt.
Die gegen das Erkenntnis vom 14.01.2019 erhobene außerordentliche Revision wurde mit Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 13.07.2020, Ra 2020/19/0083, hinsichtlich der Nichtgewährung des Status des Asylberechtigten zurückgewiesen. Hinsichtlich Nichtgewährung von subsidiärem Schutz und der darauf aufbauenden Spruchpunkte wurde der außerordentlichen Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts stattgegeben und das Erkenntnis in diesem Umfang aufgehoben.
1.1.3. Der minderjährige Beschwerdeführer lebt derzeit im gemeinsamen Haushalt mit seinem obsorgeberechtigten Onkel XXXX , dessen ebenfalls obsorgeberechtigter Lebensgefährtin XXXX und ihrem gemeinsamen Sohn. Er ist in Österreich gut integriert. Bis zum Schuljahr 2017/2018 besuchte er eine Neue Mittelschule und wurde dort zum Klassensprecher gewählt. Seit dem Schuljahr 2018/2019 ist er Schüler einer fünfjährigen Höheren Bundeslehranstalt für Mode sowie für Kunst und Gestaltung. Über eine Berufsausbildung und/oder Berufserfahrung verfügt er nach wie vor nicht. In Österreich ist der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten.
1.1.4. Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der allgemeinen problematischen Sicherheits- und Versorgungslage im gesamten Staatsgebiet Afghanistans in Verbindung mit seiner Minderjährigkeit sowie aufgrund des Umstandes, dass er im Herkunftsstaat über kein familiäres oder soziales Netzwerk, welches ihn im Fall seiner Rückkehr unterstützen könnte, verfügt und er einen wesentlich Teil seiner Sozialisierung in Österreich erfahren hat, bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr unmenschlicher und erniedrigender Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht bzw. ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes treffen würde.
1.2. Zur verfahrensrelevanten Situation in Afghanistan:
1.2.1. Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan:
Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).
Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).
Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe:
Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).
Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).
Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).
Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).
Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).
Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).
Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans:
Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).
In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).
In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).
In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).
In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).
Wirtschaftliche Lage in Afghanistan:
Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).
Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).
Einreise und Bewegungsfreiheit:
Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).
Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).
Quellen:
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http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html, Zugriff 20.7.2020 und
? UNICEF (19.4.2020): Female-headed households bear the brunt of Covid-19 as livelihood gaps increase, https://www.unicef.org/afghanistan/stories/female-headed-households-bear-brunt-covid-19-livelihood-gaps-increase,
Zugriff 20.7.2020
1.2.2. Sicherheitslage:
[…]
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2019). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Nichtsdestotrotz, hat die afghanische Regierung wichtige Transitrouten verloren (USDOD 12.2019).
Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer "strategischen Pattsituation", die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt; bis dahin hatten die beiden Seiten sich nur per Videokonferenz unterhalten (BBC 1.4.2020). Ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welcher Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens ist (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020).
Für den Berichtszeitraum 8.11.2019-6.2.2020 verzeichnete die UNAMA 4.907 sicherheitsrelevante Vorfälle – ähnlich dem Vorjahreswert. Die Sicherheitslage blieb nach wie vor volatil. Die höchste Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle wurden in der südlichen Region, gefolgt von den nördlichen und östlichen Regionen, registriert, die alle samt 68% der Zwischenfälle ausmachten. Die aktivsten Konfliktregionen waren in den Provinzen Kandahar, Helmand, Nangarhar und Balkh zu finden. Entsprechend saisonaler Trends, gingen die Kämpfe in den Wintermonaten – Ende 2019 und Anfang 2020 – zurück (UNGASC 17.3.2020).
Die Sicherheitslage im Jahr 2019:
Die geographische Verteilung aufständischer Aktivitäten innerhalb Afghanistans blieb, im Vergleich der beiden Jahre 2018 und 2019, weitgehend konstant. Im Jahr 2019 fanden auch weiterhin im Süden und Westen Afghanistans weiterhin schwere Kampfhandlungen statt; feindliche Aktivitäten nahmen zu und breiteten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Der Resolute Support (RS) Mision (seit 2015 die Unterstützungsmission der NATO in Afghanistan) zufolge, waren für das Jahr 2019 29.083 feindlich-initiierte Angriffe landesweit zu verzeichnen. Im Gegensatz waren es im Jahr 2018 27.417 (SIGAR 30.1.2020). Mit einer hohen Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen – speziell in den südlichen, nördlichen und östlichen Regionen – blieb die Sicherheitslage vorerst volatil, bevor ein Zeitraum der Reduzierung der Gewalt registriert werden konnte. Die UNAMA (Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan) registrierte für das gesamte Jahr 2019 10.392 zivile Opfer, was einem Rückgang von 5% gegenüber 2018 entspricht (UNGASC 17.3.2020).
Seit Ende des Jahres 2019 haben Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente erheblich zugenommen. Im September 2019 fanden die afghanischen Präsidentschaftswahlen statt, in diesem Monat wurde auch die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnung der RS-Mission im Januar 2010 registr