TE Vwgh Beschluss 2020/11/9 Ra 2020/11/0188

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
10/10 Grundrechte
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art144 Abs1
LSD-BG 2016 §26
LSD-BG 2016 §28
StGG Art5
VwGG §34 Abs1

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/11/0148 B 18.12.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des J K in M (Slowakei), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. November 2019, Zl. VGW-041/046/13441/2019/E, betreffend Bestrafung nach dem AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, verwiesen, mit dem die Revision gegen das gegenüber dem Revisionswerber ergangene (Straf-)Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 8. August 2017 einerseits hinsichtlich des Schuldspruches (Übertretung des § 7d Abs. 1 und 2 AVRAG wegen der Nichtbereitstellung der Lohnunterlagen von 25 grenzüberschreitend entsandten Arbeitnehmern an den Beschäftiger) zurückgewiesen wurde. Andererseits wurde der Revision hinsichtlich des Strafausspruches (25 Geldstrafen zu jeweils € 6.000,-- sowie Ersatzfreiheitsstrafen), des Ausspruches über den Beitrag zu den Verfahrenskosten und des Ausspruches über die Haftung gemäß § 9 Abs. 7 VStG Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

2        In den Entscheidungsgründen hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständlich verhängten Strafen (und folglich auch die dem Revisionswerber vorgeschriebenen Verfahrenskosten sowie der Haftungsausspruch) vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic, C-64/18 u.a., unverhältnismäßig und unionsrechtswidrig sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat aufgrund des zitierten Urteils des EuGH ausgeführt, welchen Anforderungen unionsrechtskonforme Strafen für Übertretungen wie die gegenständlichen entsprechen müssen und aufgezeigt, auf welche Weise vom Verwaltungsgericht im Rahmen einer neuerlichen Strafbemessung eine unionsrechtskonforme Rechtslage mithilfe der (teilweisen) Verdrängung von nationalem Recht herzustellen sei.

3        Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis vom 28. November 2019 wurden unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 die ursprünglich gegenüber dem Revisionswerber verhängten 25 Geldstrafen zu jeweils € 6.000,-- auf nunmehr eine einzige Geldstrafe in der Höhe von € 8.000,-- herabgesetzt und die Ersatzfreiheitsstrafen aufgehoben, wobei hinsichtlich der Geldstrafe als Sanktionsnorm nunmehr der dritte Strafsatz des § 7i Abs. 4 Z 2 AVRAG festgelegt wurde. Dementsprechend wurde der Verfahrenskostenbeitrag zum behördlichen Strafverfahren auf € 800,-- herabgesetzt, der Haftungsausspruch neu formuliert und ausgesprochen, dass gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG kein Verfahrenskostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht zu leisten sei.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4        In der Begründung führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das zitierte hg. Erkenntnis aus, infolge der mittlerweiligen Tilgung einer einschlägigen Vormerkung des Revisionswerbers sei nicht mehr der vierte, sondern (bloß) der dritte Strafsatz des § 7i Abs. 2 (gemeint: § 7i Abs. 4 Z 2) AVRAG (Strafhöchstgrenze € 20.000,--) heranzuziehen, und es habe dessen Mindeststrafsatz aus den erwähnten unionsrechtlichen Gesichtspunkten ebenso wenig zur Anwendung zu gelangen wie das Kumulationsprinzip (eine Strafe pro betroffenem Arbeitnehmer) und die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe.

5        Daher sei gegenständlich nur eine einzige Geldstrafe nach den Kriterien des § 19 VStG zu verhängen, wobei allerdings mit Blick auf den anzuwendenden Strafsatz (der bereits für Übertretungen bei mehr als drei betroffenen Arbeitnehmern gelte) der Unrechtsgehalt fallbezogen wegen sogar 25 betroffener Arbeitnehmer erhöht sei.

6        Mildernd wertete das Verwaltungsgericht die lange Dauer des Strafverfahrens und die zwischenzeitig eingetretene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Revisionswerbers. Da über Auftrag der Abgabenbehörde die Lohnunterlagen auch nicht vollständig nachgereicht worden seien, sei der Unrechtsgehalt nicht maßgeblich gemindert worden.

7        Insgesamt erachtete das Verwaltungsgericht daher unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Revisionswerbers die Verhängung einer (einzigen) Geldstrafe in Höhe von € 8.000,-- für tat- und schuldangemessen.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die nach Ablehnung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Juni 2020, E 129/2020-5, und der Abtretung dieser Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Juli 2020, E 129/2020-7, erhoben wurde.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Dem Erfordernis einer gesonderten Zulässigkeitsbegründung wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. aus vielen die Beschlüsse VwGH 23.3.2017, Ra 2017/11/0014, und VwGH 1.9.2017, Ra 2017/11/0225, jeweils mwN).

12       In den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 23.4.2018, Ra 2018/11/0066, mwN).

13       In den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit behauptet die Revision eine Divergenz der Rechtsprechung zwischen (einerseits) der „Judikaturlinie des VfGH“, welcher nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Maksimovic „bereits einmal festgestellt“ habe, dass der Revisionswerber durch gegen ihn verhängte Geldstrafen gemäß §§ 26 und 28 LSD-BG in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei, und (andererseits) dem zitierten hg. Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034, das von der weiteren Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVRAG mit der Maßgabe der bloß eingeschränkten Anwendbarkeit bestimmter Strafnormen ausgehe. Fraglich sei daher, „ab welcher Höhe einer Geldstrafe im Sinne der Judikatur des VfGH bereits im gegenständlichen Fall eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vorliegt“ und ob die gegenständlichen Strafnormen „überhaupt angewendet werden können“.

14       Mit der letztgenannten Frage ist der Revisionswerber auf das zitierte Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 zu verweisen. In diesem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits die Rechtsfrage entschieden, inwieweit die im Revisionsfall in Betracht kommenden Strafbestimmungen des AVRAG (auf deren Wiedergabe im zitierten Erkenntnis wird verwiesen) auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH Maksimovic anwendbar sind, sodass insoweit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung infolge ungeklärter Rechtslage nicht vorliegt.

15       Abgesehen davon war das Verwaltungsgericht schon aufgrund der Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG gehalten, in seinem zweiten Rechtsgang der im zitierten hg. Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 dargelegten Rechtsanschauung zu entsprechen und eine neuerliche Strafbemessung unter den genannten Gesichtspunkten vorzunehmen.

16       Der Vollständigkeit halber sei aber angemerkt, dass es die Revision unterlässt, Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, die dem letztzitierten hg. Erkenntnis vermeintlich entgegen stehe, konkret zu bezeichnen, und dass eine solche „Judikaturlinie“ des Verfassungsgerichtshofes auch nicht ersichtlich ist. In diesem Zusammenhang seien vielmehr die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 2019, E 2893-2896/2019, und vom 26. Juni 2020, E 4329/2019, genannt, in denen auf das zitierte hg. Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 verwiesen wird, ohne dass der Verfassungsgerichtshof dabei eine gegenteilige Rechtsposition bezieht.

17       In seinem Beschluss vom 26. Juni 2020, G 22/2020 (vgl. dort Pkt. IV.1.2.) hat der Verfassungsgerichtshof zu einer vergleichbaren Strafnorm (§ 26 LSD-BG) ausgesprochen, er habe keine Bedenken, dass diese Strafnorm auch bei Berücksichtigung des Anwendungsvorranges des Unionsrechts iSd. hg. Erkenntnisses Ra 2019/11/0033 bis 0034 dem Art. 18 B-VG entspreche (und somit ausreichend determiniert ist).

18       Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die Frage der Reichweite des verfassungsgesetzlich geschützten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums aufwirft, wird mangels diesbezüglicher Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG von vornherein nicht aufgeworfen (vgl. etwa VwGH 13.3.2019, Ra 2019/11/0021).

19       Wenn die Revision einwendet, das Verwaltungsgericht habe es gegenständlich entgegen der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 31.1.1990, 89/03/0027) unterlassen, § 20 VStG (Unterschreitung der Mindeststrafe) anzuwenden, so genügt der Hinweis, dass dem angefochtenen Erkenntnis zu Recht (vgl. abermals Ra 2019/11/0033 bis 0034) die Ansicht zugrunde liegt, dass gegenständlich infolge des Anwendungsvorranges des Unionsrechts die in § 7i Abs. 4 AVRAG vorgesehenen Mindeststrafen überhaupt nicht anzuwenden sind.

20       Schließlich wird auch mit dem Hinweis, der dem Revisionswerber im vorliegenden Strafverfahren erwachsene Verfahrensaufwand hätte nach der „ständigen Judikatur“ des Verwaltungsgerichtshofes als zusätzlicher Milderungsgrund berücksichtigt werden müssen, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon mangels Präzisierung der angesprochenen Judikatur nicht dargelegt (vgl. etwa den obzitierten hg. Beschluss Ra 2018/11/0066).

21       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020110188.L00

Im RIS seit

29.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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