TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/5 LVwG-2020/44/2216-3

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Veröffentlicht am 05.11.2020
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Entscheidungsdatum

05.11.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §16
VStG §49

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Spielmann über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 14.09.2020, Zahl ***, betreffend der Zurückweisung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung nach der StVO und dem FSG

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahren:

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.06.2020, Zahl
***, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„Fahrzeug: PKW, X-XXXXX

1.       Tatzeit: 04.12.2019, 09.35 Uhr

Tatort:          Gemeinde X, A12

Sie haben das Armzeichen HALT (ein Arm senkrecht nach oben) des auf der Fahrbahn stehenden Verkehrspostens nicht beachtet und das Fahrzeug nicht vor dem Verkehrsposten angehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 37 Abs. 1 StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO          € 80,00

Ersatzfreiheitsstrafe: 37 Stunden

2.       Tatzeit: 04.12.2019, 09.35 Uhr

Tatort:          Gemeinde X, A12

Sie haben das angeführte Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, obwohl Sie nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung waren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 3 FSG

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe gemäß § 37 Abs. 1 i.V.m. § 37 Abs. 3 Zif. 1 FSG € 500,00

Ersatzfreiheitsstrafe: 231 Stunden“

Mit E-Mail vom 07.09.2020 hat der Beschwerdeführer gegen diese Strafverfügung Einspruch erhoben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.09.2020 wurde dieser Einspruch als verspätet zurückgewiesen, da ein Einspruch gegen eine Strafverfügung gemäß § 49 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) binnen zwei Wochen nach der Zustellung der Strafverfügung zu erheben ist.

Mit E-Mail vom 01.10.2020 hat der Beschwerdeführer gegen diese Zurückweisung folgendes Rechtsmittel an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben:

„Hiermit erhebe ich Einspruch gegen diesen Akt denn ich habe mit Frau […] schon eine Ratenzahlung ausgemacht und dann ist behauptet worden das ich am nächsten Tag wieder kontrolliert wurde ohne Führerschein obwohl ich da frei gehabt habe und bei der bh Y Ware um den Führerschein zu erneuern und habe auch sofort den vorläufigen Führerschein bekommen also kann ich da nicht kontrolliert worden“

Mit Parteiengehör vom 14.10.2020 hat das Landesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer den Zustellnachweis der Strafverfügung zur Kenntnis gebracht und ihm gemäß § 45 Abs 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) Gelegenheit gegeben, sich binnen zwei Wochen zur Rechtzeitigkeit seines Einspruches zu äußern und allfällige Umstände, die die Zustellung durch Hinterlegung mangelhaft erscheinen lassen, geltend zu machen.

Aufgrund dieses Parteiengehörs hat der Beschwerdeführer dem Landesverwaltungsgericht am 03.11.2020 telefonisch mitgeteilt, dass er die Strafe nicht bezahlen werde. Die Zustellung der Strafverfügung am 09.06.2020 hat er nicht bestritten.

II.      Sachverhalt:

Die Strafverfügung vom 03.06.2020 wurde am 09.06.2020 am Wohnsitz des Beschwerdeführers von seinem Mitbewohner im Wege einer Ersatzzustellung gemäß § 16 Zustellgesetz (ZustG) übernommen. Der Beschwerdeführer hat sich zum Zeitpunkt dieser Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten.

Mit E-Mail vom 07.09.2020 hat der Beschwerdeführer gegen diese Strafverfügung Einspruch erhoben.

III.      Beweiswürdigung:

Gemäß § 47 AVG ist die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden und Privaturkunden nach den §§ 292 bis 294, 296, 310 und 311 Zivilprozessordnung (ZPO) zu beurteilen. Dabei gilt § 292 Abs 1 erster Satz ZPO mit der Maßgabe, dass inländische öffentliche Urkunden den Beweis auch über jene Tatsachen und Rechtsverhältnisse liefern, die die Voraussetzung für ihre Ausstellung bildeten und in der Urkunde ausdrücklich genannt sind; wenn die Behörde im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles dagegen Bedenken hat, dass die Urkunde diesen Beweis liefert, so kann sie der Partei auftragen, den Beweis auf andere Weise zu führen.

Der Beweis, dass eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird somit durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs 2 ZPO iVm § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (VwGH 19.12.2012, 2012/06/0094).

Im gegenständlichen Fall liegt für die Strafverfügung vom 03.06.2020 der vom Zusteller beurkundete RSb-Rückschein vom 09.06.2020 vor, wonach die Strafverfügung von einem dem Zusteller persönlich bekannten Mitbewohner des Beschwerdeführers an seiner Abgabestelle übernommen worden ist.

Mit Schreiben vom 14.10.2020 hat das Landesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer unter Verweis auf § 49 VStG und § 16 ZustG die offensichtliche Verspätung seines Einspruches vorgehalten und ihn aufgefordert zu beantworten, ob er sich zum Zeitpunkt der Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle (Zustellort) aufgehalten hat oder, ob er zum Zeitpunkt der Zustellung vorübergehend von der Abgabestelle abwesend war, sodass er vom Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte.

Im Rahmen dieses Parteiengehörs hat der Beschwerdeführer dem Landesverwaltungsgericht lediglich mitgeteilt, dass er die Strafe nicht bezahlen werde. Die Zustellung der Strafverfügung am 09.06.2020 hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht bestritten. Der Gegenbeweis nach § 47 AVG ist ihm damit nicht gelungen.

IV.      Rechtslage:

Die relevante Bestimmung des Zustellgesetzes (ZustG) lautet wie folgt:

„Ersatzzustellung

§ 16.

(1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.

(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.

(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.

(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.“

Die relevante Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lautet auszugsweise wie folgt:

㤠49.

(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(…)

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken.“

V.       Erwägungen:

Die Strafverfügung vom 03.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer am 09.06.2020 im Wege einer Ersatzzustellung an einen Mitbewohner gemäß § 16 Abs 1 ZustG zugestellt. Zumal es sich bei der Abgabestelle um den Wohnsitz des Beschwerdeführers gehandelt hat, konnte der Zusteller davon ausgehen, dass sich dieser dort regelmäßig aufgehalten hat. Es wäre ihm damit möglich gewesen, noch innerhalb der Rechtsmittelfrist vom Zustellvorgang Kenntnis zu erlangen (vgl 19.12.2016, Ra 2015/02/0028). Ob er das Schriftstück dann auch tatsächlich erhalten hat, ist für die Wirksamkeit der Zustellung nicht mehr relevant (vgl VwGH 24.02.1993, 92/03/0011). Bei der Ersatzzustellung hat nämlich der Empfänger das – durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG behebbare – Risiko zu tragen, das sich aus der Übergabe eines für ihn bestimmen Schriftstücks an einen Ersatzempfänger ergibt (vgl VwGH 13.09.1999, 97/09/0134).

Es ist auch sonst nichts hervorgetreten, was Zweifel an der Gültigkeit der Ersatzzustellung aufkommen ließe. Somit liegen die Voraussetzungen für eine am 09.06.2020 wirksam erfolgte Zustellung gemäß § 16 ZustG vor.

Nach § 49 Abs 1 VStG beträgt die Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung zwei Wochen. Bei einer Zustellung der Strafverfügung am 09.06.2020 ist die Einspruchsfrist am 23.06.2020 abgelaufen. Die Behörde hat den Einspruch vom 07.09.2020 daher zu Recht als verspätet zurückgewiesen. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen.

Gemäß § 44 Abs 3 Z 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) konnte das Verwaltungsgericht von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung absehen.

VI.      Unzulässigkeit der Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Spielmann

(Richter)

Schlagworte

Verspäteter Einspruch gegen die Strafverfügung;
Abweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.44.2216.3

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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