TE Lvwg Erkenntnis 2020/11/12 LVwG-2020/25/2377-1

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Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §356

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst bzw erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerden von 1. AA, geb xx.xx.xxxx, und 2. BB, geb xx.xx.xxxx, beide wohnhaft Adresse 1, Z, beide vertreten durch CC, wohnhaft Adresse 2, Z, vom 12.10.2020, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 14.09.2020, Zl ***, betreffend Verfahren gem § 77 Abs 1 Gewerbeordnung 1994, den

I.

Beschluss:

1.       Die Beschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

II.

zu Recht:

1.       Die Anträge auf Ersatz der Aufwendungen der beiden Beschwerdeführer werden als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid erteilte die Bezirkshauptmannschaft Z der DD GmbH gem §§ 74 Abs 2, 77 Abs 1 und 356 Abs 1 GewO 1994 iVm § 93 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz die betriebsanlagenrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Lebensmittelmarktes mit angeschlossenem Gastronomiebetrieb in der Betriebsart „Buffet“ im Standort Z (Gst **1, KG Z) iSd Befundbeschreibung nach Maßgabe der einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden und vidierten Projektunterlagen unter einer Vielzahl von Auflagen. Unter Mitanwendung des Wasserrechtsgesetzes wurde die Genehmigung für die Versickerung von Dach- und Oberflächenwässer unter Vorschreibungen erteilt.

Dagegen richten sich die beiden Beschwerden von AA und BB, in welchen inhaltlich ein gleichlautendes Vorbringen erstattet wird und die Anträge gestellt werden, nach Abschluss des Verfahrens eine Verhandlung durchzuführen, der Beschwerde im vollen Umfang, jedenfalls in punkto Wasserrecht eine aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde aufzuheben und in der Sache selbst die Abänderung des Bescheides auszusprechen oder in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen; schließlich wird beantragt, dem Land Tiroler als Rechtsträger der belangten Behörde einen Ersatz der Kosten der Beschwerdeführer zu ihren Handen binnen 14 Tagen aufzutragen. Beigelegt den Beschwerden waren die Vollmachten sowie ein Vorschlag für Sicht- und Lärmschutzwand, Verkehrsstatistik und Baumbestand.

II.      Sachverhalt:

Die DD GmbH, Adresse 3, Y, beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft Z mit Eingabe vom 16.04.2020 die betriebsanlagenrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Lebensmittelmarktes mit angeschlossenem Gastronomiebetrieb in der Betriebsart Buffet auf Gst **1, KG Z. Dazu beraumte die Bezirkshauptmannschaft Z eine mündliche Verhandlung für 27.05.2020 an Ort und Stelle an. Die entsprechende Kundmachung enthielt eine Belehrung über die Präklusionswirkung iSd § 42 AVG. Diese Kundmachung wurde unter anderen den beiden nunmehrigen Beschwerdeführern zugestellt.

Diese gaben zur mündlichen Verhandlung inhaltlich gleichlautende Stellungnahmen vom 26.05.2020 ab. Dort führen die beiden Beteiligten unter vielem anderen an, dass grundsätzlich gegen die Errichtung und den Betrieb des vorgesehenen Lebensmittelmarktes nach Maßgabe nachstehender Einschränkungen keine Einwände bestehen. Die Verletzung subjektiver Rechte begründe sich aus den nachstehenden Punkten. Dort wird unter der Rubrik „Flächenwidmung und Auswirkungen“ im Hinblick auf Lärm ausgeführt, dass Einwände aus dem Titel des Schutzes der anwohnenden Kleinkinder gemacht werden müssten. Beide Einschreiter fordern eine Lärmschutzwand in der Höhe von mindestens 250 cm als Abgrenzung der Verkehrszufahrtsfläche, so wie beim nahegelegenen Gewerbebetrieb EE KG. Optimierend sollten sogar noch natürliche Anpflanzungen (Bäume) vorgenommen werden, womit auch ein ausreichender Sichtschutz vor anfallenden Lichtimmissionen gewährleistet wäre und die Feinstaubbelastung abgemindert würde. Die bauliche Abgrenzung (Mauer) würde eine zwingende Sicherheitsbarriere darstellen, damit Kinder nicht den Reversionsbereich betreten könnten. Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen sei eine zusätzliche Luftverschmutzung und Belastung der Anrainer zu befürchten. Dieser Kreuzungsbereich sei täglich Weg von über 30 Kindern der angrenzenden Wohnsiedlung in Kindergarten und Schule, womit eine massive Gefährdung zu erwarten sei und deshalb die Errichtung eines Gehsteiges und Schutzweges angeregt werde. Durch den geplanten Lebensmittelmarkt mit Gastronomiebetrieb kämen eine Reihe neuer Belastungen hinzu. Die Befunderhebung des lärmtechnischen Gutachtens sei zur falschen Zeit erfolgt und werde die Unschlüssigkeit des lärmtechnischen Gutachtens gerügt. Jedenfalls werde eine Lärmschutzwand mit dichten Baureihen gefordert zum Schutz der anrainenden Parteien. Es werde eine individuelle medizinische Zusatzuntersuchung der zusätzlichen Lärmbelastungen und deren negativen gesundheitlichen Folgen gefordert, wo die Staubbelastungen mit untersucht werden könnten. Bezüglich der Beschallung der Gastterrasse sei zu erwarten, dass die Lärmquelle für die umliegenden Anrainer akustisch stark wahrnehmbar sein wird. Bezüglich des Lichts sei zu befürchten, dass der Lichtstrahl direkt die Ausrichtung der Obergeschosse der anrainenden Parteien treffen werde. Die Lichtimmissionen ließen direkte Einwirkungen auf die Schlafräume erwarten, die allesamt in den jeweiligen Obergeschossen der umgebenden Anrainergebäude gelegen seien. Bezüglich der Versickerungsmulden sei wünschenswert eine Erweiterung der geplanten Mulden in westliche Richtung. Bezüglich Errichtung einer Schrankenanlage werde eine diesbezügliche Nebenbestimmung in den Bescheid angeregt. Es werde daher der Antrag gestellt, das offensichtlich mangelhafte Projekt zu modifizieren bzw zu ergänzen oder überhaupt zurückzuziehen und neu einzureichen. Zudem wollten noch Gutachten beigebracht werden. Zum derzeit eingereichten Projekt könnten sie leider ihre Zustimmung nicht erteilen, da sie in einigen subjektiven Rechten verletzt würden und ergehe die Bitte an die Behörde, den gestellten Anträgen entsprechen zu wollen.

In der mündlichen Verhandlung verwiesen die beiden Beteiligten auf diese schriftlichen Eingaben von ihnen vom 26.05.2020, die am selben Tag der Behörde übermittelt wurden. Dort wurde nochmals betont, dass der wesentlichste Punkt für sie die Errichtung einer Lärmschutzwand bzw die Vornahme von Bepflanzungsmaßnahmen im Nord- und Westteil des Grundstückes sei; dies nach Maßgabe der Stellungnahme des Baubezirksamtes Z. Die Einwendungen betreffend des Werbewürfels wurden zurückgezogen. AA führte in der mündlichen Verhandlung noch ergänzend aus, dass er eine Lärmschutzwand an der Nordseite (Massivwand) grundsätzlich sehr begrüßen würde. Diesbezüglich nehme er die Signale der Vertreter der Antragswerberin zur Kenntnis, über eine derartige Lärmschutzwand an der Nordseite nachdenken zu wollen.

In der gemeinsamen Stellungnahme von AA und BB vom 21.07.2020 zu den Gutachtensergänzungen werden die bisherigen Argumente inhaltlich bestätigt und wird unter Punkt 7. ausgeführt, dass die beiden Einschreiter der Antragstellerin im Sinn einer gütlichen Einigung vorschlagen, eine Lärm- und Sichtschutzwand in der Höhe von mindestens 2,5 m mit Begrünung durch dichten Baumbestand (Hainbuche) zu errichten. Die Kosten der weiteren Erhöhung der angedeuteten Sichtschutzwand und deren gleichzeitige Nutzung als Lärmschutzwand wären im unteren Prozentbereich und allen Anrainer damit geholfen. Eine lange dauerndes Berufungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol wäre der Antragstellerin dadurch vermeidbar.

In den nunmehr vorliegenden Beschwerden wird ausgeführt, dass im Hinblick auf Lärm- und Blendschutz konstruktive Vorschläge seitens der Beschwerdeführer im Verfahren eingebracht worden seien. Die Parteien würden zwar grundsätzlich ohnehin dem Projekt zustimmen, wenn noch die eine oder andere Grundvoraussetzung hierfür geschaffen würde. Durch die Errichtung einer Lärmschutzwand bzw die Pflanzung einer dichten Baumreihe würde die Lebensqualität der angrenzenden Nachbarn deutlich weniger eingeschränkt, weshalb diese Anregung nach wie vor aufrecht bleibe. Wenn schon keine Lärmschutzwand komme, wäre die Aufbringung eines Flüsterasphalts ein wenig hilfreich. Die Beschwerdeführer hätten die offensichtliche Lichtimmissionsproblematik aufgrund der abschüssigen Fahrbahnoberfläche explizit aufgezeigt. Der zu errichtende Lärm- und Blendschutz diene untrüglich der Gesundheit aller Anrainer. Die Beschwerdeführer hätten nichts gegen ein derartiges Projekt einzuwenden, es müsse aber sauber und ordentlich aufgebaut und abgewickelt werden. Die Beschwerdeführer wären sehr wohl zu Gesprächen mit der Antragstellerin bereit, die das Ziel haben, eine Blend- bzw Sichtschutzwand mit gewissen Lärmschutzfunktionen näher zu definieren, ins Projekt aufzunehmen und zu bescheiden. Angeregt würde auch noch eine Baumbepflanzung/Begrünung an der Nordseite des Gst **2; wünschenswert wäre die Errichtung einer eigenen Lärmschutzwand.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Z.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren ist folgende Bestimmung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes maßgeblich:

§ 41

„(1) Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung hat durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.

(2) Die Verhandlung ist so anzuberaumen, dass die Teilnehmer rechtzeitig und vorbereitet erscheinen können. Die Verständigung (Kundmachung) über die Anberaumung der Verhandlung hat die für Ladungen vorgeschriebenen Angaben einschließlich des Hinweises auf die gemäß § 42 eintretenden Folgen zu enthalten. Sie kann unter Hinweis auf die gemäß § 39 Abs. 4 eintretenden Folgen die Aufforderung an die Parteien enthalten, binnen einer angemessenen, vier Wochen möglichst nicht übersteigenden Frist alle ihnen bekannten Tatsachen und Beweismittel geltend zu machen. Falls für Zwecke der Verhandlung Pläne oder sonstige Behelfe zur Einsicht der Beteiligten aufzulegen sind, ist dies bei der Anberaumung der Verhandlung unter Angabe von Zeit und Ort der Einsichtnahme bekanntzugeben.“

§ 42

„(1) Wurde eine mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form kundgemacht, so hat dies zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.

(1a) Die Kundmachung im Internet unter der Adresse der Behörde gilt als geeignet, wenn sich aus einer dauerhaften Kundmachung an der Amtstafel der Behörde ergibt, dass solche Kundmachungen im Internet erfolgen können und unter welcher Adresse sie erfolgen. Sonstige Formen der Kundmachung sind geeignet, wenn sie sicherstellen, dass ein Beteiligter von der Verhandlung voraussichtlich Kenntnis erlangt.

(2) Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben.

(3) Eine Person, die glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, rechtzeitig Einwendungen zu erheben, und die kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, kann binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses, jedoch spätestens bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung der Sache bei der Behörde Einwendungen erheben. Solche Einwendungen gelten als rechtzeitig erhoben und sind von jener Behörde zu berücksichtigen, bei der das Verfahren anhängig ist.

(4) Versäumt derjenige, über dessen Antrag das Verfahren eingeleitet wurde, die Verhandlung, so kann sie entweder in seiner Abwesenheit durchgeführt oder auf seine Kosten auf einen anderen Termin verlegt werden.“

V.       Erwägungen:

Nachbarn verlieren gem § 42 Abs 1 AVG ihre Parteistellung, wenn sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Augenscheinverhandlung gem § 356 Abs 1 GewO 1994 Einwendungen gegen die Anlage iSd § 74 Abs 2 Z 1, 3 oder 5 GewO 1994 erheben (VwGH 30.06.1999, 98/04/0215). Die den Nachbarn iSd § 75 Abs 2 GewO 1994 ex lege zukommende Parteistellung bleibt im Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nur insoweit aufrecht, als von diesen zulässige und rechtzeitige Einwendungen erhoben wurden (VwGH 27.06.2003, 2001/04/0236). Eine dem § 42 AVG entsprechende Einwendung liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines konkreten subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muss jedenfalls entnommen werden können, dass überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend gemacht wird, und ferner, welcher Art dieses Recht ist. Das heißt, es muss auf einen oder mehrere der im § 74 Abs 2 Z 1, 2, 3 oder 5 GewO 1994, im Falle des § 74 Abs 2 Z 2 auf einen oder mehrere der dort vorgeschriebenen Alternativtatbestände (Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterungen oder in anderer Weise auftretende Einwirkungen) abgestellt sein.

Nach geltender Rechtsprechung kommt den Nachbarn ein Recht auf Vorschreibung bestimmter Auflagen nicht zu (VwGH 22.02.1994, 93/04/0202). Die in den Stellungnahmen vom 26.05.2020 geforderte Abgrenzung der Verkehrszufahrtsfläche durch eine Lärmschutzwand in der Höhe von mindestens 2,5 m oder die Forderung nach der bescheidmäßigen Vorschreibung einer Abschrankungsanlage steht den Nachbarn nicht zu. In seiner Entscheidung vom 28.02.1978, 1568/76, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Erklärung eines Nachbarn, mit der Betriebsanlage nicht einverstanden zu sein, so lange nicht eine bestimmte rechtsgültige Vereinbarung vorliegt, keine Einwendung darstellt, weil damit nicht die Verletzung konkreter subjektiver Rechte geltend gemacht worden ist. In den Beschwerden wird ausgeführt, dass die Parteien zwar grundsätzlich ohnehin zustimmen würden, wenn noch die eine oder andere Grundvoraussetzung hierfür geschaffen würde. Durch die Betonung, dass die Beschwerdeführer sehr wohl zu Gesprächen mit der Antragstellerin bereit wären, eine Blend- bzw Sichtschutzwand mit gewissen Lärmschutzfunktionen näher zu definieren und ins Projekt aufzunehmen und eine Baumbepflanzung/Begrünung anzuregen, werden keine Einwendungen im Rechtssinne erhoben. Dies hebt schon die Eingangsausführung der Stellungnahmen vom 26.05.2020 hervor, in welchen betont wird, dass grundsätzlich gegen die Errichtung und den Betrieb nach Maßgabe nachstehender Einschränkungen keine Einwände bestehen. In der Beschwerde wird nochmals betont, dass die Beschwerdeführer nichts gegen ein derartiges Projekt einzuwenden haben, es muss aber sauber und ordentlich aufgebaut und abgewickelt werden.

Ein lediglich allgemein gehaltenes, nicht auf die konkreten Verhältnisse des Beteiligten abgestelltes Vorbringen stellt schon begrifflich keine Behauptung der Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes iSd Rechtsbegriffes einer Einwendung dar (VwGH 02.02.2000, 99/04/0172). In den Stellungnahmen vom 26.05.2020 wird hinsichtlich Lärm ausgeführt, dass Einwände aus dem Titel des Schutzes der anwohnenden Kleinkinder gemacht werden müssen. Durch den geplanten Lebensmittelmarkt kämen eine Reihe neuer Belastungen hinzu. Bezüglich der Beschallung der Gastterrasse sei zu erwarten, dass die Lärmquelle für die umliegenden Anrainer akustisch stark wahrnehmbar sei und zu befürchten, dass der Lichtstrahl direkt die Ausrichtung der Obergeschosse der anrainenden Parteien treffe werde. Nirgendwo findet sich die Behauptung, dass dies unzumutbare Belästigungen oder Gefährdungen iSd § 74 Abs 2 zufolge hätte.

In seiner Entscheidung vom 15.09.2004, 2004/04/0142, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer, dass die bestehende Immissionsbelastung bereits derart sei, dass zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegte Grenzwerte immer wieder überschritten würden, sodass die, weil ebenfalls zu einem Anstieg der Luftschadstoffe beitragende beantragte Betriebsanlage nicht genehmigt werden dürfe, nicht eine auf die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb der beantragten Betriebsanlage unmittelbar zurückzuführende Änderung der örtlichen Verhältnisse bedeute, wodurch der Beschwerdeführer iSd § 74 Abs 2 GewO 1994 konkret gefährdet oder belästigt würde, nicht geltend gemacht werde. Vielmehr bewege sich dieses Vorbringen außerhalb jenes Bereiches, in dem den Parteien eines Genehmigungsverfahrens betreffend eine bestimmte gewerbliche Betriebsanlage ein subjektiv-öffentliches Mitspracherecht eingeräumt ist. Dasselbe gilt im konkreten Fall für die in den Stellungnahmen vom 26.05.2020 vorgebrachte Argumentation, dass durch die Errichtung einer Lärmschutzwand auch die Feinstaubbelastung durch den zusätzlichen Verkehr abgemindert werden könnte, da eine zusätzliche Luftverschmutzung und Belastung der Anrainer zu befürchten sei.

Die Wahrnehmung anderer als eigener subjektiv-öffentlicher Rechte steht dem Nachbarn im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht zu. Einem bloß allgemein auf die Einwirkungen auf die Nachbarschaft gerichteten Vorbringen kommt eine Qualifikation als Einwendung im Rechtssinn nicht zu, weil das Vorbringen eine Konkretisierung insbesondere in Ansehung der hierfür erforderlichen sachverhaltsmäßigen Bezugspunkte als Voraussetzung für eine persönliche Gefährdung oder Belästigung des Nachbarn oder eine relevante Gefährdung seines Eigentums nicht erkennen lässt (VwGH 18.06.1996, 95/04/0220). Die in den Stellungnahmen vom 26.05.2020 erhobenen Einwände aus dem Titel des Schutzes der anwohnenden Kleinkinder und der massiven Gefährdung von über 30 Schul- und Kindergartenkindern stellt demnach keine Verletzung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte dar, ebenso wie die Ausführung, dass die Beschallung der Gastterrasse eine für die umliegenden Anrainer akustisch wahrnehmbare Lärmquelle erwarten lasse bzw Lichtimmission zu erwarten seien, die direkte Einwirkungen auf die Schlafräume in den jeweiligen Obergeschossen umliegender Anrainergebäude nach sich ziehen. In diesem Vorbringen werden allgemeine Einwirkungen auf die Nachbarschaft behauptet, nirgend jedoch behauptet einer der beiden Beteiligten, dass er/sie dadurch unzumutbar belästigt oder gar gefährdet würde. An manchen Stellen ihrer Stellungnahmen vom 26.05.2020 wechseln beide Beteiligte in die Mehrzahl und erheben Forderungen oder Vorbringen in der „wir-Form“ bzw „uns-Form“. Auch diese Ausführungen dienen der Wahrnehmung anderer als eigener subjektiv-öffentlicher Rechte.

Die auch in der „wir-Form“ gestellten Forderungen nach einer individuellen medizinischen Zusatzuntersuchung der zusätzlichen Lärmbelastungen würde einen reinen Erkundungsbeweis darstellen, der nicht zulässig ist. Das Gleiche gilt für die Ausführung, dass die offensichtliche Lichtimmissionsproblematik aufgrund der abschüssigen Fahrbahnoberfläche explizit aufgezeigt worden sei und eine Prüfung der Lichtimmissionen und ihrer Folgen auf alle direkt betroffenen Nachbargrundstücke gefordert werde. Darin liegt auch nicht die Wahrnehmung eigener subjektiv-öffentlicher Rechte.

Den Nachbarn steht ein isoliertes Recht auf Prüfung der nachteiligen Einwirkungen einer Betriebsanlage auf die Beschaffenheit der Gewässer gem § 74 Abs 2 Z 5 GewO nicht zu (VwGH 30.06.2004, 2002/04/0072). Damit stehen den Rechtsmittelwerbern ihre Wünsche in Bezug auf die Versickerungsmulden nicht zu.

Zusammengefasst bleibt somit festzuhalten, dass keiner der beiden Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren weder in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 26.05.2020 noch in der mündlichen Verhandlung am 27.05.2020 für sich selbst behauptet haben, durch eine der von ihnen aufgezeigten Immissionen unzumutbar belästigt oder gefährdet zu werden. Sowohl in den Stellungnahmen als auch Beschwerden wird betont, dass dem derzeit eingereichten Projekt nicht zugestimmt werden könne, grundsätzlich aber gegen ein derartiges Projekt keine Einwände bestünden, wenn es sauber und ordentlich aufgebaut und abgewickelt werde. Die Gewerbeordnung kennt kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf die Durchführung eines mängelfreien Verfahrens. Die von den Beschwerdeführern in ihren Stellungnahmen vom 26.05.2020 behaupteten Verletzungen ihrer subjektiven Rechte stellen – wie oben aufgezeigt – keine Einwendungen im Rechtssinne dar. Die Äußerung von Anregungen und Wünschen steht Beteiligten selbstredend zu, sie stellen aber keine Einwendungen im Rechtssinne dar, durch die die Parteistellung aufrecht bleibt, und die Konsenswerberin benötigt nicht im privatrechtlichen Sinn eine Zustimmung der Nachbarn zum eingereichten Projekt.

Da mangels Erhebung qualifizierter Eiwendungen beide Beschwerdeführer ihre Parteistellung verloren haben, stand ihnen nicht mehr das Recht auf die Erhebung einer Beschwerde gegen den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid zu, weshalb diese Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen waren.

§ 35 VwGVG sieht einen Kostenersatz nur bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG) vor. Im gegenständlichen Fall handelt es sich aber um Bescheidbeschwerden nach § 130 Abs 1 Z 1 B-VG. Für einen Kostenersatz besteht deshalb keine Rechtsgrundlage, weshalb diese Begehren abzuweisen waren.

Nach § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann (trotz Parteiantrages) die Verhandlung entfallen, wenn die Beschwerde zurückzuweisen ist. Aus diesem Grund war den gestellten Verhandlungsanträgen nicht nachzukommen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Einwendung;

Anmerkung

Aufgrund der außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 18.03.2022, Z Ra 2021/04/0001 bis 0002-7, den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 12.11.2020, Z LVwG-2020/25/2377-1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.2377.1

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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