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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,
Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der 1954 geborenen LS in Wien, vertreten durch
Dr. Karl Weingarten, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dapontegasse 5/11, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1995, Zl. 303.224/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über Wiedereinreisesichtvermerke mit Geltungsdauer vom 19. August 1991 bis 31. Dezember 1991
23. September 1992 bis 30. Dezember 1992.
Den Verwaltungsakten ist auch zu entnehmen, daß ihr ein weiterer Sichtvermerk mit Geltungsdauer bis 10. August 1992 ausgestellt worden war.
Anträge der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom 12. August 1993 und vom 15. Mai 1995 wurden mit im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres jeweils gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen.
Am 2. August 1995 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich vom Inland aus die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten, den sie am 6. Juli 1993 geheiratet hatte. Sie brachte vor, dieser und dessen Stiefsohn aus erster Ehe, für den der Ehegatte das Sorgerecht habe, lebten in Wien und verfügten sowohl über eine Aufenthaltsbewilligung als auch über eine Arbeitserlaubnis. Der Stiefsohn sei schwerst behindert. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei zur Pflege des Stiefsohnes auf deren Hilfe angewiesen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1995 wurde dieser Antrag - unter anderem - gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der gegenständliche Antrag sei nicht vor der Einreise vom Ausland aus gestellt worden. Die Beschwerdeführerin habe zuletzt über einen Sichtvermerk mit Geltungsdauer bis 30. Dezember 1992 verfügt. Sie sei verheiratet, ihr Gatte verfüge über eine Aufenthaltsbewilligung und eine Arbeitserlaubnis. Dennoch liege kein Fall einer ausnahmsweisen Zulässigkeit der Inlandsantragstellung gemäß § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 vor, weil die Beschwerdeführerin zwar über gewöhnliche Sichtvermerke, nicht jedoch über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte. Im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen die öffentlichen Interessen die privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK, zumal die Ehe der Beschwerdeführerin erst nach Ablauf ihres Wiedereinreisesichtvermerkes während eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet geschlossen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (21. Dezember 1995) hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 sowie die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, anzuwenden (die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, wurde erst am 22. Dezember 1995 ausgegeben).
§ 6 Abs. 2 AufG lautet:
"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist."
§ 3 Z. 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995 lautete:
"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und
..."
Die Beschwerdeführerin tritt der maßgebenden Feststellung der belangten Behörde, sie habe den Antrag nicht vor ihrer Einreise nach Österreich vom Ausland aus gestellt, nicht entgegen.
Die Beschwerdeführerin behauptet allerdings, sie habe "rechtzeitig vor Ablauf" des ihr bis 30. Dezember 1992 erteilten Sichtvermerkes einen "Verlängerungsantrag bei der Fremdenpolizei" gestellt. Dieser Antrag sei an den Landeshauptmann von Wien weitergeleitet worden. Im November 1993 sei sie bei der erstinstanzlichen Behörde vorgeladen worden, wobei ihr mündlich mitgeteilt worden sei, sie bekomme "kein Visum". Einen abschlägigen Bescheid habe die Beschwerdeführerin niemals erhalten.
Die bloße Stellung eines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes verschaffte der Beschwerdeführerin noch keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1994, Zl. 93/18/0583). Ihre Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich endete daher mit Ablauf des 30. Dezember 1992. Die Beschwerdeführerin war daher bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Übergangsbestimmung des § 13 Abs. 1 AufG ist in ihrem Fall nicht anwendbar. Eine Säumnis des Landeshauptmannes von Wien mit der Erledigung des behauptetermaßen vor dem 30. Dezember 1992 gestellten und an ihn gemäß § 7 Abs. 7 FrG weitergeleiteten Antrages kann mit der vorliegenden Bescheidbeschwerde gegen die Abweisung des Antrages vom 2. August 1995 nicht geltend gemacht werden.
Die Beschwerdeführerin vertritt weiters die Auffassung, sie sei aus dem Grunde des § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ausnahmsweise zur Antragsstellung im Inland berechtigt. Ihr Ehegatte zähle zu dem in dieser Verordnungsbestimmung umschriebenen Personenkreis. Sie selbst habe zwar nie über eine Aufenthaltsbewilligung, wohl jedoch über "mehrere Sichtvermerke, zuletzt bis 30.12.1992" verfügt.
Diesem Vorbringen ist jedoch die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung die in § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint ist. Diese - im Aufenthaltsgesetz "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 3 erster Satz etwas anderes bedeuten soll als jener in Z. 3 leg. cit. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/19/0743). Die nach der Aktenlage ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerke gehören nicht dazu.
Insoweit die Beschwerdeführerin auf ihre durch die Anwesenheit ihres Gatten begründeten familiären und durch die Anwesenheit dessen pflegebedürftigen Stiefsohnes aus erster Ehe begründeten persönlichen Interessen in Österreich verweist, ist ihr zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 351/1995, mit den Bestimmungen des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG und des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG sowie der darin enthaltenen - von der Bundesregierung auch genutzten - Verordnungsermächtigung in Ansehung der Angehörigen in Österreich aufhältiger Fremder bereits auf die durch Art. 8 MRK geschützten Interessen Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 96/19/0161). Gegen die Determinierung der Verordnungsermächtigung auf solche Angehörige, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten, bestehen im Fall der Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof ebensowenig Bedenken wie gegen die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Verordnung BGBl. Nr. 408/1995, zumal die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten familiären und persönlichen Interessen im Inland - wie auch die belangte Behörde bereits erkannte - erst nach Ablauf ihrer Berechtigung zum Aufenthalt begründet wurden.
Die Beschwerdeführerin bringt schließlich vor, eine Abschiebung in ihre Heimatgemeinde sei nicht zulässig, weil für sie dort weiterhin Lebensgefahr bestehe. Dieses Vorbringen zeigt nicht auf, daß der Beschwerdeführerin ungeachtet des Versagungsgrundes des § 6 Abs. 2 AufG eine Bewilligung zu erteilen wäre. Für den Fall, daß das Leben der Beschwerdeführerin im Fall einer Abschiebung aus einem der in § 37 Abs. 1 FrG genannten Gründe bedroht wäre, könnte sie dies mit einem Antrag gemäß § 36 Abs. 2 FrG, nicht jedoch im Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung geltend machen.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996191938.X00Im RIS seit
02.05.2001