TE Bvwg Beschluss 2020/8/7 W185 2199506-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W185 2199506-2/4Z
W185 2199520-2/3Z
W185 2199515-2/3Z
W185 2199524-2/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER über die Beschwerden von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , und 4. XXXX , geb. XXXX , die minderjährigen Beschwerdeführer vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Afghanistan, sämtliche vertreten durch RA Mag. Martin Lebitsch, Rudolfskai 48, 5020 Salzburg, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 15.07.2020, Zlen 1096102008/200444190 (1.), 1096101305/200444181 (2.), 1096102509/200444211 (3.) und 1096103506/200444203 (4.), beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA - Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, und den beiden gemeinsamen Kindern, dem mj Drittbeschwerdeführer und der mj Viertbeschwerdeführerin, alle afghanische Staatsangehörige, in das Bundesgebiet ein, wo sie am 19.11.2015 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz stellten.

Mit Bescheiden vom 17.05.2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Gegen diese Bescheide des Bundesamtes brachten die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein.

Am 21.11.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.03.2020, GZ W136 2199506-1/10E, W136 2199520-1/11E, W136 2199515-1/9E und W136 2199524-1/9E, wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28.04.2020, Ra 2020/14/0158 bis 0161-4, zurück, sodass die oben angeführten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts in Rechtskraft erwuchsen.

Am 31.05.2020 stellten die Beschwerdeführer Folgeanträge.

Mit gegenständlich angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes vom 15.07.2020 wurden die Folgeanträge der Beschwerdeführer hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für deren freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), sowie gem. §53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen (Spruchpunkt VII).

Gegen diese Bescheide des Bundesamtes wurden fristgerecht Beschwerden, verfasst vom rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführer, erhoben. Die Bescheide würden vollumfänglich angefochten. Geltend gemacht würden inhaltliche Rechtswidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie unrichtige rechtliche Beurteilung. Die Zurückweisungen, insbesondere in den Spruchpunkten I und II, seien zu Unrecht erfolgt, da keine „entschiedene Sache“ vorliegen würde. Die belangte Behörde habe die Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen in ihrer Gesamtheit, um den glaubhaften Kern beurteilen zu können, unterlassen. Das neue Vorbringen samt den dargelegten Bescheinigungs- und Beweismitteln sei geeignet, zu einer für die Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung iSe Zuerkennung zumindest des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gelangen. Nach der (ersten) negativen Entscheidung habe die Erstbeschwerdeführerin ihre Schwester in Afghanistan hievon telefonisch in Kenntnis gesetzt. Diese Schwester habe ihr daraufhin am 30.05.2020 eine Sprachnachricht geschickt, in welcher sie die Beschwerdeführer vor einer Rückkehr nach Afghanistan gewarnt habe. Ihr Vater hätte ihr die Flucht und die Eheschließung mit ihrem nunmehrigen Mann noch immer nicht verziehen und ein Kopfgeld auf die Tötung der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers ausgesetzt. Außerdem glaube der Vater, dass der Zweitbeschwerdeführer für den zwischenzeitigen Tod zweier seiner Söhne verantwortlich sei. Auch der Mann der Schwester sei bei dieser „Familiensitzung“ anwesend gewesen und hätte dies alles auch gehört. Der Genannte habe der Erstbeschwerdeführerin ebenfalls am 30.05.2020 eine Sprachnachricht geschickt, in welcher er diese ersucht habe, nicht nach Afghanistan zurückzukehren, da geplant sei, die Beschwerdeführer diesfalls ins Gefängnis zu bringen. Alle hier wüssten vom negativen Bescheid und würden auf die Beschwerdeführer „warten“. Diese beiden Nachrichten seien der Grund für die neuerliche Asylantragstellung der Beschwerdeführer. Die Situation sei dadurch „eskaliert“, die Erstbeschwerdeführerin habe große Angst. Die Änderung ihrer Situation bzw ihrer Fluchtgründe sei den Beschwerdeführern am Tag vor Stellung des Folgeantrags (31.05.2020) bekannt geworden. Außerdem seien die Beschwerdeführer als Hazara gefährdet. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin habe sie und den Zweitbeschwerdeführer bei Gericht angezeigt, da sie ohne Erlaubnis der Eltern (auf nicht islamische Art) geheiratet und geflohen seien. Ein Notar habe gegen Bestechung eine Heiratsurkunde ausgestellt. Die Erstbeschwerdeführerin sei auch bezichtigt worden, Geld und Schmuck gestohlen zu habe und habe eine „offene Akte“ in Afghanistan; sie befürchte nach ihrer Rückkehr inhaftiert zu werden. Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrags in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen stehe, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden seien, schließe dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handle, das auf seinen glaubhaften Kern zu beurteilen sei. Im Folgeverfahren sei vorgebracht, bescheinigt und bewiesen worden, dass neu und aktuell Veranlassungen eines Familienoberhauptes getrofen worden seien, die auf die Auffindung und Beseitigung der Beschwerdeführer nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan abzielen würden. Die Tatsachen und vorgelegten Bescheinigungs- und Beweismittel im Folgeverfahren seien als neue Tatsachen und/oder Beweismittel iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG zu werten, die im ersten Verfahren bis zur rk Entscheidung ohne Verschulden der Beschwerdeführer nicht hätten geltend gemacht werden können. Diese Beweismittel seien damals nicht vorgelegen. Es liege eine wesentliche Änderung der Tatsachenlage vor, nämlich die neu aufgetretene, aktuelle, konkrete Bedrohung in Form der Aussetzung eines Kopfgeldes auf die Beseitigung der Beschwerdeführer. Die Verfolgung gehe auch vom Onkel väterlicherseits, dem XXXX Afghanistans, aus, dessen Sohn der Verlobte der Erstbeschwerdeführerin gewesen sei. Die Beschwerdeführer wären bei richtiger Beurteilung jedenfalls als subsidiär Schutzberechtigte zu qualifizieren. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, dass die von der Erstbeschwerdeführerin vorgebrachen Sachverhaltsänderungen einen glaubhaften Kern aufweisen würden, dem auch Asylrelevanz zukomme.

Auch der Zweitbeschwerdeführer habe neue Tatsachen vorgebracht und Beweise vorgelegt, die ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG noch nicht bekannt gewesen seien. Sein Bruder habe ihm berichtet, dass seit Bekanntwerden der allfälligen Rückkehr der Beschwerdeführer nach Afghanistan verdächtige Fahrzeuge vor seinem Haus patrouillieren würden. Auch aus der vorgelegten aktuellen Sprachdatei des Bruders (vom 26.06.2020) gehe hervor, dass die Beschwerdeführer aktuell gesucht würden. Vorgelegt worden seien auch ein Haftbefehl bzw eine Bürgschaft, ein behördliches Schreiben, gerichtet an den Bruder des Zweitbeschwerdeführers, mit protokollierten Fragen, gefertigt und gestempelt durch einen Beamten des Kriminalamtes, worin der angeführte Bruder der Behörde mitgeteilt habe, dass er den Aufenthaltsort der Beschwerdeführer in Österreich bekanntgegeben habe. Die behaupteten neuen Tatsachen, nämlich dass aktuell von Familienangehörigen der Erstbeschwerdeführerin ein Kopfgeld auf die Tötung der Beschwerdeführer ausgesetzt worden sei, nachdem bekannt geworden sei, dass die Verfahren der Beschwerdeführer negativ beendet worden seien, seien geeignet, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu führen. Auch wenn die aktuelle Bedrohung Folge des im ersten Verfahrens vorgebrachten Problems sei, liege nun ein neuer Sachverhalt in Form der akuten Bedrohung des Lebens vor. Es handle sich um ein neues Vorbringen, das von der Behörde auf seinen glaubhaften Kern zu beurteilen gewesen wäre. Der Folgeantrag sei ohne ausreichende Beweiswürdigung und zu Unrecht zurückgewiesen worden. Die Inhalte der neuen Dokumente und Mitteilungen seien wahr und handle es sich dabei nicht um „Gefälligkeiten“, wie die Behörde annehme. Die von Privatpersonen ausgehende Bedrohungslage habe aktuell eine neue Qualitätsstufe erreicht. Es bestehe die reale Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK. Der Staat Afghanistan sei nicht schutzfähig. Die belangte Behörde hätte bei der Beurteilung der Situation bei Rückkehr, bezüglich der Herkunftsregion, allfälliger IFA, der besonderen Vulnerabilität der Erstbeschwerdeführerin aufgrund der Zugehörigkeit zur Gruppe der Frauen, zur Gruppe der Mütter mj Kinder und der Gruppe der schiitischen Minderheit der Hazara, fallbezogen berücksichtigen müssen. Die Erstbeschwerdeführerin sei bereits fortgeschritten westlich orientiert und wolle freibestimmt leben. Eine nachvollziehbare Begründung, warum es den Beschwerdeführern möglich sein sollte, in Kabul, Herat oder Mazar e Sharif ohne deren familiäres oder sonstiges Unterstützungsnetzwerk vor Ort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, sei dem Bescheid nicht zu entnehmen. Die Beschwerdeführer könnten nicht auf die Unterstützung ihrer Familien zählen. Aufgrund der Minderjährigkeit der Kinder der Erstbeschwerdeführerin potenziere sich die vielfältige Gefahrenlage in Afghanistan. Die Länderfeststellungen des Bescheids seien hier unzureichend. Für Afghanistan bestehe Reisewarnstufe 6; auch die aktuelle COVID-Situation erlaube es nicht, Personen dorthin abzuschieben. Der Zweitbeschwerdeführer würde in Afghanistan nicht für die Familie sorgen können.

Aus den oa Gründen seien auch die Rückkehrentscheidung wegen der damit verbundenen Verletzung des Art 8 EMRK, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan, die Nichtgewährung einer Frist zur freiwilligen Ausreise und das Einreiseverbot sowie dessen Dauer rechtswidrig.

Am 06.08.2020 wurde seitens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer in Ergänzung der Beschwerde ein Bericht über den stationären Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in einem Klinikum, Innere Medizin, im Zeitraum vom 29.07.2020 bis 03.08.2020 inkl Befunden nachgereicht. Im Schriftsatz wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin am 29.07.2020 aufgrund akuter Belastungssituation eine heftige Panikattacke erlitten habe. Sie habe sediert werden müssen und sei in Notarztbegleitung bei psychischem Ausnahmezustand im Klinikum stationär aufgenommen worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe an ausgeprägten Thorax-Schmerzen sowie Schmerzen am Bein gelitten. Es seien ihr Pantoloc, Sertralin und Seroquel verordnet worden. Eine ambulante psychologische Behandlung/Betreuung an der Abteilung für Psychiatrie sei eingeleitet worden. Kommende Woche werde der nächste Termin stattfinden. Aus den Befunden sei abzuleiten, dass im Zusammenhang mit der befürchteten Abschiebung eine gravierende Panikattacke aufgetreten sei. Die Genannte verspüre bereits Todesangst. Laut dem psychologischen Konsil sei von einer Notfallsituation mit akuter Belastungsreaktion und latenter Suizidalität auszugehen. Es sei somit vom Vorliegen einer schweren psychiatrischen Erkrankung auszugehen, deren adäquate Behandlung in Afghanistan nicht gewährleistet sei. Es werde die Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Fachgutachtens beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Aus der dem BVwG zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage – insbesondere aufgrund der aktuellen gesundheitlichen Situation der Erstbeschwerdeführerin (siehe Näheres oben) sowie der Situation im Herkunftsland - kann in Zusammenschau mit der in den Bescheiden vorgenommenen rechtlichen und faktischen Beurteilung, nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung einzelner durch die EMRK garantierter Rechte bei einer Rückführung der Beschwerdeführer in ihren Herkunftsstaat Afghanistan angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Neben den akuten gesundheitlichen Problemen der Erstbeschwerdeführerin bestehen beim Zweitbeschwerdeführer bereits seit Längerem medikamentös zu behandelnde, chronifizierte psychische Probleme (rezidivierende Depressionen).

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt der Akten der belangten Behörde und des BVwG. Zweifel an der Richtigkeit sind nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.

Dass sich die entscheidungsrelevante Situation der Beschwerdeführer aufgrund der akuten Erkrankung der Erstbeschwerdeführerin inkl mehrtägigem stationärem Aufenthalt sowie der gegenwärtigen Situation im Herkunftsstaat aufgrund der Corona – Pandemie verfahrensrelevant bzw. wesentlich verändert haben könnte, ergibt sich aus den am 06.08.2020 nachgereichten Befunden die Erstbeschwerdeführerin betreffend sowie einer Zusammenschau von diesbezüglich seitens des durch die Staatendokumentation des Bundesamtes an das BVwG übermittelter Berichte zur Lage betreffend Covid - 19 in Afghanistan, bzw. aus weiteren internationalen Quellen betreffend der aktuellen Auswirkungen dieser Pandemie in Afghanistan. Am stärksten betroffen seien demnach die Städte Kabul, Herat und Mazar-e-Sharif, wo aufgrund des Lockdowns hunderttausende Taglöhner nicht arbeiten könnten und somit über kein Einkommen verfügen. Im Falle einer Rückkehr kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass der – aufgrund psychischer Probleme medikamentös behandelte - Zweitbeschwerdeführer deshalb dort kein Einkommen erwirtschaften kann. Eine Unterstützung seitens der Familien der Beschwerdeführer erweist sich, nicht zuletzt aufgrund der entsprechenden Ausführungen in der Beschwerde, keineswegs als gesichert.
Hinsichtlich der Situation minderjähriger Rückkehrer in den Provinzen Herat und Balkh beschränkt sich die Behörde im Wesentlichen auf die Ausführungen, dass die mj Beschwerdeführer nach ihrer Rückkehr weiterhin mit ihren Eltern in einer afghanischen Familie aufwachsen würden; weitere Feststellungen in diesem Kontext fehlen zur Gänze.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

III.2. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

In den vorliegenden Verfahren hat das Bundesamt insbesondere festgehalten, dass es zu keiner relevanten Änderung der Lage in Afghanistan seit der Rechtskraft der Vorentscheidungen gekommen wäre, bzw. eine Rückkehrentscheidung der Beschwerdeführer nach Afghanistan weiterhin zulässig wäre.

Angesichts des aktuellen Gesundheitszustandes der Erstbeschwerdeführerin und der bereits länger bestehenden psychischen Probleme des Zweitbeschwerdeführers sowie allfälligen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie im Herkunftssaat Afghanistan, kann aus der dem BVwG zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen – nach Durchführung einer Grobprüfung - eine Verletzung einzelner durch die EMRK garantierter Rechte (insbesondere Art. 3 EMRK) bei einer Rückführung der Beschwerdeführer in deren Herkunftsstaat Afghanistan, insbesondere auch angesichts der kurzen Entscheidungsfrist und des Inhaltes des vorliegenden Verwaltungsaktes, nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Daher war den Beschwerden gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W185.2199506.2.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten