TE Vwgh Beschluss 1997/9/24 96/03/0254

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Veröffentlicht am 24.09.1997
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Index

E1E;
E3L E03503000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;
86/01 Veterinärrecht allgemein;

Norm

11992E030 EGV Art30;
11992E031 EGV Art31;
11992E032 EGV Art32;
11992E033 EGV Art33;
11992E034 EGV Art34;
11992E035 EGV Art35;
11992E036 EGV Art36;
11992E177 EGV Art177;
11997E028 EG Art28;
11997E029 EG Art29;
11997E030 EG Art30;
11997E234 EG Art234;
31991L0628 Tiertransport-RL idF 395L0029;
31995L0029 Nov-31991L0628;
61997CJ0350 Monsees VORAB;
B-VG Art129;
TGSt 1994 §16;
TGSt 1994 §5 Abs1;
TGSt 1994 §5 Abs2;
VwGG §38a;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 97/0156 * EuGH-Zahl: C-350/97 Monsees Weitere VORABanträge vom 21. Jänner 1998 siehe obiger Serieneintrag. Registriert beim EuGH zu C-42/98. Zurückziehung mit B v 26. Mai 1999. Enderledigung siehe Serieneintrag bei 99/03/0191.* EuGH-Entscheidung:EuGH 61997CJ0350 11. Mai 1999 * Enderledigung des gegenständlichen Ausgangsverfahrens im fortgesetzten Verfahren: 99/03/0191 E 30. Juni 1999 VwSlg 15185 A/1999 Serie (erledigt im gleichen Sinn):96/03/0300 B 10. Dezember 1997 97/03/0036 B 10. Dezember 1997 97/03/0073 B 10. Dezember 1997 97/03/0150 B 10. Dezember 1997 97/03/0152 B 21. Jänner 1998 97/03/0351 B 21. Jänner 1998 97/03/0154 B 21. Jänner 1998 97/03/0205 B 10. Dezember 1997 97/03/0216 B 21. Jänner 1998 97/03/0246 B 10. Dezember 1997 97/03/0153 B 21. Jänner 1998

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, in der Beschwerdesache des W in O, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Arnold Köchl, Rechtsanwalt in Villach, 10.-Oktober-Straße 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 26. Juni 1996, Zl. KUVS-208-209/1/96, betreffend Übertretung des Tiertransportgesetzes-Straße, (weitere Partei: Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 177 EGV vorgelegt:

Sind die Art. 30 bis 36 EGV (Vorschriften über die Freiheit des Warenverkehrs) und die sonstigen Vorschriften des geltenden Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, daß sie einen Mitgliedstaat daran hindern, den Schlachttiertransport insoweit zu beschränken, als Schlachttiertransporte nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb durchgeführt werden dürfen, und ein Schlachttiertransport nur dann jedenfalls durchgeführt werden darf, wenn bei Einhaltung der kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften eine Gesamttransportdauer von 6 Stunden und eine Entfernung von 130 km nicht überschritten werden, wobei die tatsächlich auf der Autobahn zurückgelegten Kilometer nur zur Hälfte bei der Berechnung der Entfernung berücksichtigt werden?

Begründung

Es liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 9. Jänner 1996 wurde der Beschwerdeführer W schuldig erkannt, er habe vom 23. August 1995, 11.00 Uhr, bis zum 24. August 1995, 10.15 Uhr, mit einem nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftwagenzug vom Verladeort B in Deutschland über die Autobahn und in der Folge nach dem Eintritt in das österreichische Bundesgebiet über die Tauernautobahn A 10 mit dem Bestimmungsort Triest, in weiterer Folge über die A 2 bis zur Grenzkontrollstelle Arnoldstein, und zwar dem Zollamtsplatz I, einen Schlachttiertransport von 31 Stück lebenden Stieren entgegen dem Tiertransportgesetz-Straße durchgeführt, zumal der Schlachttiertransport nicht bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb durchgeführt worden sei, wobei bei Einhaltung der kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften eine Gesamttransportdauer von 6 Stunden und eine Entfernung von 300 km auf Autobahnen überschritten worden sei, zumal die Gesamttransportdauer bis zur Anhaltung 23 Stunden 15 Minuten und die Entfernung jedenfalls mehr als 300 km betragen habe und auch eine allfällige Bewilligung nach dem Tiertransportgesetz-Straße für die Überschreitung der Zeiten und der Wegstrecke nicht vorgelegen habe. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 16 Abs. 3 Z. 4 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des Tiertransportgesetzes-Straße - TGSt, BGBl. Nr. 411/1994, verletzt. Es wurde deshalb über ihn eine Geldstrafe (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 26. Juni 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß anläßlich einer Überprüfung an der Grenzkontrollstelle Arnoldstein die im Spruch dargestellte Übertretung festgestellt und zur Anzeige gebracht worden sei. Der Beschwerdeführer sei am 23. August 1995 gegen 11.00 Uhr vom Verladeort B in Deutschland aus über die Autobahn und in der Folge nach Eintritt in das österreichische Bundesgebiet über die Tauernautobahn A 10 mit einem Kraftwagenzug nach Triest unterwegs gewesen. Die beförderten 31 Schlachtbullen seien für den internationalen Transport nach Istanbul bestimmt gewesen. Die Tiere seien durch den Beschwerdeführer am 24. August 1995 um 4.45 Uhr in Samerberg versorgt worden. Unter Bedachtnahme auf die genannten Bestimmungen des Tiertransportgesetzes-Straße sowie die Richtlinien 91/628/EWG und 95/29/EG des Rates sei die Bestimmung des § 5 Abs. 2 TGSt anzuwenden und der Beschwerdeführer, der Fahrzeugführer gewesen sei, habe den in dieser Bestimmung normierten Tatbestand erfüllt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof dagegen erhobenen Beschwerde wendet der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, daß die belangte Behörde die genannte Bestimmung des Tiertransportgesetzes-Straße nicht hätte anwenden dürfen. Die Behörde habe übersehen, daß es sich um einen internationalen Tiertransport gehandelt habe und dieser nicht durch innerstaatliche Bestimmungen eingegrenzt bzw. unmöglich gemacht werden könne. Wäre die Rechtsansicht der belangten Behörde richtig, "würde jeder internationale Viehtransport aus Deutschland Richtung Osten im nächstgelegenen Schlachthof Salzburg enden". Das Tiertransportgesetz-Straße regle nur innerösterreichische Viehtransporte.

Der erkennende Senat des Verwaltungsgerichtshofes ist zur Entscheidung über diese nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG erhobene Beschwerde berufen. Für seine Entscheidung sind folgende Bestimmungen des TGSt, BGBl. Nr. 411/1994, von Bedeutung:

"Durchführung des Transportes

§ 5. (1) Der Transport von Tieren auf der Straße ist auf der kürzesten verkehrsüblichen, veterinärmedizinisch vertretbaren und nach den kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften zulässigen Route durchzuführen. Der Lenker hat sich einer schonenden und rücksichtsvollen Fahrweise zu bedienen, die insbesondere eine Verletzung der transportierten Tiere vermeidet. Die Be- und Entladung ist in schonender und rücksichtsvoller Form durchzuführen; Verletzungen der Tiere sind zu vermeiden.

(2) Schlachttiertransporte dürfen nur bis zum nächstgelegenen geeigneten inländischen Schlachtbetrieb durchgeführt werden; wenn bei Einhaltung der kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften eine Gesamttransportdauer von 6 Stunden und eine Entfernung von 130 km nicht überschritten werden, darf ein Schlachttiertransport jedenfalls durchgeführt werden. Dabei werden die tatsächlich auf der Autobahn zurückgelegten Kilometer nur zur Hälfte bei der Berechnung der Entfernung berücksichtigt.

....

Strafbestimmungen

§ 16 ....

(3) Wer ....

4. einen Tiertransport durchführen läßt oder durchführt, der dem § 5 Abs. 1 oder 2 widerspricht, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 10.000 S bis 50.000 S zu bestrafen."

Von dieser Gesetzeslage ausgehend ist für das in der vorliegenden Rechtssache zu schöpfende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes die Entscheidung der Frage von Bedeutung, ob die vom österreichischen Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 TGSt normierte Beschränkung von Schlachttiertransporten dem aus Art. 30 bis 36 EGV erfließenden Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit widerspricht.

Diesem Grundsatz folgend sind neben mengenmäßigen Beschränkungen auch alle staatlichen Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen verboten, somit jene Regelungen der Mitgliedstaaten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern (Dassonville). Beschränkungen des Schlachtviehtransportes wie in § 5 Abs. 2 TGSt normiert können diese Wirkung zeigen.

Zunächst ist davon auszugehen, daß nach den Materialien zum TGSt (1068 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVIII. GP) es der Zweck der in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen ist, den Transport von Tieren auf der Straße unter dem Gesichtspunkt der spezifischen Gefahren, vor denen sowohl die Tiere beim Transport auf der Straße als auch die Verkehrsteilnehmer geschützt werden sollen, zu regeln. In der Regierungsvorlage wurde zu § 5 Abs. 2 TGSt ausgeführt, daß sich die aus dieser Bestimmung ergebenden Einschränkungen zugunsten des Wohlergehens der Tiere und der Hintanhaltung der Gefahren, die von Tiertransporten - insbesondere bei größeren Entfernungen - ausgehen, im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung als unumgänglich für einen effektiven Schutz von Tieren beim Straßentransport vor unnötiger Streßbelastung und Erschöpfungszuständen einerseits und der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer andererseits darstellen.

Derart kann die Auffassung vertreten werden, daß die in der genannten Bestimmung normierten einfuhr- und ausfuhrhemmende Wirkung entfaltenden Maßnahmen ein gerechtfertigtes Ziel verfolgen, nämlich insbesondere den Schutz der Gesundheit von Tieren. Auch Art. 36 EGV sieht Ausnahmen vom Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit u.a. zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren vor.

Es ist jedoch weiter zu prüfen, ob die Bestimmungen des § 5 Abs. 2 TGSt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzen, der ein weiteres Erfordernis für die Zulässigkeit einer nationalen Maßnahme bildet. Ausgehend davon, daß sich die nationalen Maßnahmen zur Erreichung ihres Zieles auf das unbedingt Notwendige zu beschränken haben und das Mittel zu wählen ist, das den freien Warenverkehr am wenigsten behindert, bestehen die Bedenken, daß es der Erreichung des Zieles des Tierschutzes nicht der in § 5 Abs. 2 TGSt genannten Maßnahmen bedarf, sondern gelindere Mittel, wie häufigere Ruhezeiten, zeitweises Tränken und Füttern der Tiere und ähnliche, ausreichen.

Die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29. Juni 1995 sah in ihrem Art. 2, Abs. 1, eine Umsetzungsfrist bis 31. Dezember 1996 vor. Da somit der österreichische Gesetzgeber in der Umsetzung der in dieser Richtlinie festgesetzten Maßnahmen zum Schutz der Tiere zum Zeitpunkt der Begehung der hier dem Beschwerdeführer angelasteten Tat bzw. zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde nicht säumig war, ist es dem Beschwerdeführer verwehrt, sich unmittelbar auf die Bestimmungen dieser Richtlinie zu berufen.

Bereits die Richtlinie 91/628/EWG, die nach ihrem Art. 21 bis 1. Jänner 1993 umzusetzen war und daher mit dem Beitritt Österreichs per 1. Jänner 1995 jedenfalls anzuwenden war, schrieb in Kapitel 1, lit. A, Z. 2, lit. b des Anhanges vor, daß Tiere (darunter auch Rinder) während des Transportes in angemessenen Zeitabständen mit Wasser und geeignetem Futter versorgt werden müssen und nicht länger als 24 Stunden ohne Futter und Wasser bleiben dürfen. Art. 5 Z. 2 lit. b dieser Richtlinie stellte erforderliche Maßnahmen für den Fall von mehr als 24-stündigen Beförderungen auf. Beschränkungen von (Schlacht-)Tiertransporten der Zeit oder der Entfernung nach finden sich hier nicht, sondern es wird im Gegenteil die Möglichkeit von mehr als 24-stündigen Beförderungen der Tiere einbezogen. Es stellt sich daher auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob die genannten gemeinschaftsrechtlichen Normen nicht dahin auszulegen sind, daß Beschränkungen, wie sie in § 5 Abs. 2 TGSt enthalten sind, unzulässig sind.

Da die gestellte Frage, soweit ersichtlich, weder durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes geklärt ist, noch deren Lösung derart offenkundig ist, daß für einen Zweifel kein Raum bliebe, wird diese Frage gemäß Art. 177 EGV zur Vorabentscheidung vorgelegt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996030254.X00

Im RIS seit

05.03.2002

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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