TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 W200 2223256-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2020
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Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
BBG §47
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W200 2223256-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien vom 12.08.2019, Zl. 42877456900033, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 42 und 47 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. I Nr. 283/1990, idF BGBl. I Nr. 39/2013 iVm § 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 15.05.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“.

Dem Antrag angeschlossen war ein orthopädischer Befund vom 03.05.2019.

Das vom Sozialministeriumservice eingeholte orthopädischen Sachverständigengutachten vom 24.07.2019 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 50% und gestaltete sich wie folgt:

„Anamnese:

Diabetes mellitus ist seit ca. 5-8 Jahren bekannt, vor etwas 20 Jahren Op an der Halswirbelsäule C6/7, mehrfach konservative stationäre Behandlungen im orthopädischen Spital Speising, Skaraldermoid OP, CHE, Nierensteine

Derzeitige Beschwerden:

Die Kreuzbeschwerden werden immer schlimmer. Ich kann sehr schlecht gehen, dann bekomme ich starke Schmerzen im Kreuzbereich. Manchmal nehme ich bis zu 6 Seractil dann wieder keines. Sitzen und Liegen kann ich. Ich habe Schmerzen am linken Daumenballen, der ist manchmal geschwollen.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Seractil. Cerebokan, Blopress, Metfromin, ThromboASS, Atorvastatin, Candesartan, Pronerv, Urosin

Laufende Therapie: TENS zu Hause Hilfsmittel: ein 4-Pkt Stock

Sozialanamnese: Pens.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

03/2019 NLG Befund spricht für ein sensomotorisches, demyelinisierendes Neuropathiesyndrom im Rahmen des bestehenden Diabetes mellitus.

05/2019 Orthopädischer Befundbericht führt an Diagnosen schwere Claudicatio spinaiis, schwere Spond.def.+ Osteochondrose d. HWS, St.p. Discusersatz C6/C7 93, mittl. Dysplasiecox.bds., Discusprot.L2-S1, deutl.li-Skoliose d.LWS, Beinverkürzung li 4mm, schwere Spond.def.+ Osteochondrose d.LWS an, enthält aber keinen Befund.

06/2019 Neurographie beschreibt beinbetonte sensomotorische PNP 05/2919 neurologischer Befund beschreibt PNP, degenerative

Lendenwirbelsäulenveränderungen und Hypertonie, an den Extremitäten Trophik, Tonus, Kraft und Koordination unauffällig. Romberg etwas unsicher.

Untersuchungsbefund: (…)

Klinischer Status – Fachstatus: (…)

Obere Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal. Symmetrische Muskelverhältnisse. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich eher zart.

Linke Hand: Verschwellung im Bereich des Daumensattelgelenks, dasselbe ist deutlich druckschmerzhaft auch schmerzhaft bei Stauchung sowie bei Daumenbewegungen.

Übrige Gelenke sind bandfest und unauffällig.

Beweglichkeit:

Die Schultern sind über der Horizontalen 1/2 eingeschränkt. Beim Nackengriff reichen die Daumenkuppen bis C6 beidseits, beim Kreuzgriff bis Th 12 beidseits. Ellbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.

Untere Extremitäten:

Der Barfußgang wird stark verlangsamt ausgeführt, die Hände sind beim Gehen ins Kreuz gestemmt. Das Gangbild ist sicher. Zehenballen- und Fersenstand mit anhalten. Anhocken ist 1/2 möglich. Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ist gleich. Die Durchblutung ist ungestört. Die Sensibilität wird ab der Knie abwärts als zunehmend vermindert angegeben. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist erhalten.

Die endlagige Hüftbeugung und Rotation, rechts mehr als links, ist im Kreuz schmerzhaft. Übrige Gelenke sind bandfest und unauffällig.

Beweglichkeit:

Die Innenrotation an den Hüften ist endlagig eingeschränkt, die übrigen Gelenke sind frei beweglich.

Wirbelsäule:

Linkskonvexe Rotationsskoliose der Lendenwirbelsäule, zarte rechtskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule. Verstärkte Brustkyphose, Streckhaltung der Lendenwirbelsäule. Im Stehen ist der Oberkörper insgesamt etwas nach vor- und etwas nach rechts geneigt.

Ausgeprägt Hartspann lumbal. Druckschmerz und Klopfschmerz lumbal.

Beweglichkeit:

Halswirbelsäule: KJA 1/12, Seitwärtsneigen 10-0-10, Rotation 30-0-30. Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: beim Vorwärtsbeugen reichen die Hände zu den Kniegelenken, Seitwärtsneigen und Rotation jeweils 2/3 eingeschränkt.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Kommt in Konfektionsschuhen mit einem 4-Punkt Stock rechts zur Untersuchung, das Gangbild ist verlangsamt, bedächtig, insgesamt aber symmetrisch und sicher. Das Aus- und Ankleiden wird teilweise im Sitzen, teilweise im Stehen durchgeführt.

Status Psychicus: wach, Sprache unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da mittel- bis höhergradige Funktionsbehinderung, aber ohne relevantes neurologisches Defizit.

02.01.02

40

2

Degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat

Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da mehrere Gelenke betroffen sind, aber im Einzelnen keine höhergradige Funktionsbehinderung besteht. Gangbildstörung und

Gangleistungsminderung sind mitberücksichtigt.

02.02.02

30

3

Diabetes mellitus

Wahl dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da mit oraler Medikation zufriedenstellende Blutzuckerwerte erreicht werden und keine relevanten Spätschäden objektivierbar sind.

09.02.01

20

4

Polyneuropathie

Wahl dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da ohne motorisches Defizit.

04.06.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

(…)

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Eine kurze Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m ist unter Verwendung von 1 Gehstock zumutbar und möglich. Die Beine können gehoben, Niveauunterschiede können überwunden werden. Es besteht ausreichend Kraft und Beweglichkeit an den oberen Extremitäten. Greifformen sind erhalten.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein“

In einer Stellungnahme zum gewährten Parteiengehör gab der Beschwerdeführer an, dass er ohne Gehstock nicht gehen könne und unbedingt eine Stütze benötige. Er müsse nach 40 bis 50 Metern stehenbleiben. Seine Rückenschmerzen wären nach kurzer Zeit schon unerträglich. Seit Ende 2018 hätte er auch ein taubes Gefühl in den Füßen und Beinen.

Der Stellungnahme angeschlossen war ein Elektroneurodiagnostischer Befund sowie ein neurologischer Arztbrief.

In einer vom befassten Orthopäden erstellten Stellungnahme führte dieser zu den vorgelegten Befunden aus, dass diese bei der Gutachtenserstellung bereits vorgelegt und berücksichtigt worden seien. Ein relevantes motorisches Defizit hätte zum Untersuchungszeitpunkt nicht bestanden und an den unteren Extremitäten bestünde kein höhergradiges Funktionsdefizit. Am Gutachten werde festgehalten.

Mit Bescheid des Sozialministeriumsservice vom 12.08.2019 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Berhindertenpass mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde, in der ausgeführt wurde, dass er schlecht Beinheben könne, Kreuzschmerzen und Atemprobleme hätte, beim Gehen oft einen Stich im Rücken und Schweißausbruch vor Schmerzen hätte sowie an Taubheitsgefühlen leide, holte das BVwG ein Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie ein, das Folgendes ergab:


„Vorgeschichte:

TE, CHE, OP HWS, OP Sakraldermoid, Nierensteinoperation NIDDM, diabetische Polyneuropathie

Zwischenanamnese seit 08/2019:

Keine Operation, kein stationärer Aufenthalt, regelmäßige orthopädische und internistische Behandlung.

Befunde:

Abl. 12 Elektroneurodiagnostischer Befund 6. 3. 2019 (sensomotorisches demyelinisierender Neuropathiesyndrom im Rahmen eines bestehenden Diabetes mellitus)

Abl. 13 orthopädischer Befund 3. 5. 2019 (schwere Claudicatio spinalis, schwere Spondylosis deformans und Osteochondrose der HWS, Zustand nach Diskusersatz C6/C7, mittlere Hüftdysplasie beidseits, deutliche Skoliose der LWS und Spondylosis deformans.

Nur kurze Strecken gehfähig, in letzten Monaten Verschlechterung)

Abl. 24-45 Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurologie und Psychiatrie 28.5. 2019 (Gefühlsstörungen in den Füßen, Schmerzen vor allem beim Gehen im Bereich der LWS. Diabetes seit 15 Jahren, OP HWS. Hinweis auf Polyneuropathie, ad NLG)

Abl. 26-27 Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurologie 3. 6. 2019 (beinbetonte sensomotorische Polyneuropathie)

Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichte Befunde: keine

Sozialanamnese: geschieden, ein Sohn, lebt in Lebensgemeinschaft in Wohnung im Erdgeschoss

Berufsanamnese: Pensionist, vormals Immobilienmakler

Medikamente: Thrombo ASS, Metformin, Cerebokan, ProNerv, Tavipec, Seractil forte, Atorvastatin, Candesartan Allergien: 0 Nikotin: 16-20

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX , 1120

Derzeitige Beschwerden:

„Beschwerden habe ich vor allem beim Gehen, durch die Polyneuropathie habe ich Gefühlsstörungen von den Füßen herauf bis etwa zur Mitte der Unterschenkel. Seit etwa 2 Jahren habe ich diese Gefühlsstörungen, aber vor etwa 10 Jahren ist ein schwerer Gegenstand auf den Fußrücken rechts gefallen, seither habe ich auch hier Gefühlsstörungen. Das Gehen ist schmerzhaft, kann nur etwa 30-40 Schritte gehen und bekomme dann Schweißausbrüche, bin erschöpft, Schwindel. Bin regelmäßig bei Facharzt für Innere Medizin Prof. XXXX etwa 2-mal im Jahr, zuletzt vor etwa einem halben Jahr. Schmerzen habe ich vor allem im Bereich der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, in der Halswirbelsäule wurde bisher 5-6-mal eine CT-gezielte Infiltration durchgeführt und vor etwa 20 Jahren eine Operation der Bandscheibe C6/C7, hier habe ich eine künstliche Bandscheibe.

Im Bereich der Lendenwirbelsäule ist leider keine Operation möglich.

Ich habe außerdem Schmerzen im Bereich der Daumensattelgelenke beidseits.“

STATUS: (…)

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Daumensattelgelenk beidseits: Druckschmerzen, sonst unauffällige Gelenke. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zur Hälfte möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 70° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, Streckhaltung der LWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: Rotation rechts 50/0/40 links, Seitneigen nicht eingeschränkt BWS/LWS: FBA: 25 cm, Rotation und Seitneigen 20°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe: PSR rechts nicht auslösbar, links nicht sicher auslösbar

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild ohne Gehstock barfuß ist hinkfrei, teilweise etwas unsicher, insgesamt kann die Spur aber gehalten werden, Richtungswechsel ohne Anhalten möglich.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Diagnosenliste

1)       Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

2)       Degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat

3)       Diabetes mellitus, nicht insulinpflichtig

4)       Polyneuropathie

ad 2) In welchem Ausmaß liegen die angeführten Leidenszustände vor und wie wirken sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus?

Im Bereich der Wirbelsäule liegen mittelgradige Einschränkungen im Bewegungsumfang bei nachgewiesenen degenerativen Veränderungen vor. Ein radikuläres neurologisches Defizit konnte weder anhand der Begutachtungen festgestellt werden noch anhand der vorliegenden Befunde dokumentiert werden.

Im Bereich des Bewegungsapparates werden vor allem im Bereich der Daumensattelgelenke und Hüftgelenke Beschwerden angegeben. Höhergradige Funktionseinschränkungen im Einzelnen sind jedoch nicht festzustellen.

Diabetes mellitus ist unter oraler Medikation eingestellt, eine Erhöhung des Langzeitblutzuckerwertes ist nicht dokumentiert.

Die Polyneuropathie führt zu Gefühlsstörungen im Bereich der Füße bis zu den Unterschenkeln, eine diskrete Gangunsicherheit ist festzustellen, jedoch keine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung. Ein motorisches Defizit liegt nicht vor.

ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Nein. Eine kardiopulmonale Funktionseinschränkung oder anderweitige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar. Insbesondere liegt kein Dokument vor, welches die angegebenen Atemprobleme beim Gehen in Hinblick auf cardiopulmonale Erkrankungen begründen würden.

ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Nein. Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor. Weder im Bereich der Hüftgelenke noch Kniegelenke noch Sprunggelenke und Füße konnte eine höhergradige Funktionseinschränkung festgestellt werden. Insbesondere konnte weder eine Instabilität der Kniegelenke noch ein radikuläres Defizit bei Abnützungen der Wirbelsäule objektiviert werden.

Erhebliche Komorbiditäten der oberen Extremitäten liegen nicht vor, das Erreichen von Haltegriffen und Festhalten ist unbeschränkt möglich, da ausreichend Kraft und Beweglichkeit im Bereich der gesamten oberen Extremitäten beidseits vorliegt.

Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, können nur indirekt erfasst werden.

Anhand des beobachteten Gangbilds - das Gangbild ohne Gehstock barfuß ist hinkfrei, teilweise etwas unsicher, insgesamt kann die Spur aber gehalten werden, Richtungswechsel ohne Anhalten möglich-, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten, und der derzeitigen Therapieerfordernis (Seractil forte, WHO Stufe 1) ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnten.

ad 5) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen vor?

Nein. Die Polyneuropathie führt zu keiner wesentlichen Gangbildbeeinträchtigung.

ad 6) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

ad 6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Nein.

ad 7) Begründung einer eventuell vom aktuellen Ergebnis abweichenden Beurteilung

keine abweichende Beurteilung“

Im gewährten Parteiengehör gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung in der Höhe von 50 von Hundert.

1.2.    Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1.  Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Status:

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Daumensattelgelenk beidseits: Druckschmerzen, sonst unauffällige Gelenke. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zur Hälfte möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 70° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, Streckhaltung der LWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: Rotation rechts 50/0/40 links, Seitneigen nicht eingeschränkt BWS/LWS: FBA: 25 cm, Rotation und Seitneigen 20°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe: PSR rechts nicht auslösbar, links nicht sicher auslösbar

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild ohne Gehstock barfuß ist hinkfrei, teilweise etwas unsicher, insgesamt kann die Spur aber gehalten werden, Richtungswechsel ohne Anhalten möglich.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Funktionseinschränkungen: -degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, - degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat, - Diabetes mellitus, nicht insulinpflichtig, -Polyneuropathie

1.2.2.  Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Im Bereich der Wirbelsäule liegen zwar mittelgradige Einschränkungen im Bewegungsumfang bei nachgewiesenen degenerativen Veränderungen vor, ein radikuläres neurologisches Defizit konnte weder anhand der Begutachtungen festgestellt noch anhand der vorliegenden Befunde dokumentiert werden.

Im Bereich des Bewegungsapparates werden vor allem im Bereich der Daumensattelgelenke und Hüftgelenke Beschwerden angegeben. Höhergradige Funktionseinschränkungen im Einzelnen sind jedoch nicht festzustellen.

Diabetes mellitus ist unter oraler Medikation eingestellt, eine Erhöhung des Langzeitblutzuckerwertes ist nicht dokumentiert.

Die Polyneuropathie führt zu Gefühlsstörungen im Bereich der Füße bis zu den Unterschenkeln, eine diskrete Gangunsicherheit ist festzustellen, jedoch keine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung. Ein motorisches Defizit liegt nicht vor.

Eine kardiopulmonale Funktionseinschränkung oder anderweitige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit ist nicht objektivierbar.

Im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor: Weder im Bereich der Hüftgelenke noch Kniegelenke noch Sprunggelenke und Füße konnte eine höhergradige Funktionseinschränkung festgestellt werden. Insbesondere konnte weder eine Instabilität der Kniegelenke noch ein radikuläres Defizit bei Abnützungen der Wirbelsäule objektiviert werden.

Erhebliche Komorbiditäten der oberen Extremitäten liegen nicht vor, das Erreichen von Haltegriffen und Festhalten ist unbeschränkt möglich, da ausreichend Kraft und Beweglichkeit im Bereich der gesamten oberen Extremitäten beidseits vorliegt.

Anhand des beobachteten Gangbilds - ohne Gehstock barfuß hinkfrei, teilweise etwas unsicher, insgesamt kann die Spur aber gehalten werden, Richtungswechsel ohne Anhalten möglich-, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten, und der derzeitigen Therapieerfordernis (Seractil forte, WHO Stufe 1) ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnten.

Eine ausreichende Beweglichkeit bzw. Gesamtmobilität ist gegeben, sodass der Beschwerdeführer sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen kann.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen.

Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Klärung des Sachverhaltes war von der belangten Behörde ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 24.07.2019 eingeholt worden. Bereits im zitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt.

Aufgrund des Beschwerdevorbringens des Beschwerdeführers holte das BVwG ein weiteres Gutachten einer bis dato nicht befassten Fachärztin für Unfallchirurgie, MSc Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 20.07.2020 ein.

Auch in diesen Gutachten wurde kein Hindernis für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Die Leiden des Beschwerdeführers führen laut beiden fachärztlichen Gutachten nachvollziehbar nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten, die die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränken sowie zu keiner erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bzw. einer Sinnesbeeinträchtigung.

Eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung der unteren Extremitäten kann der erkennende Senat somit unter Zugrundelegung des aufgrund der Beschwerde eingeholten schlüssigen Gutachtens beim Beschwerdeführer nicht erkennen. Laut diesem Gutachten liegen weder im Bereich der Hüftgelenke noch Kniegelenke noch Sprunggelenke und Füße eine höhergradige Funktionseinschränkungen vor und es konnte weder eine Instabilität der Kniegelenke noch ein radikuläres Defizit bei Abnützungen der Wirbelsäule objektiviert werden. Das Erreichen von Haltegriffen und Festhalten ist laut Gutachten wegen ausreichender Kraft und Beweglichkeit der gesamten oberen Extremitäten unbeschränkt möglich.

Wenn auch – wie im Rahmen der Untersuchung durch die Fachärztin für Unfallchirurgie festgestellt - die Polyneuropathie zu Gefühlsstörungen im Bereich der Füße bis zu den Unterschenkeln führt und eine diskrete Gangunsicherheit feststellbar ist, liegt jedoch weder ein motorisches Defizit und noch eine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung vor.

Den behaupteten Schmerzzuständen hält die Gutachterin nachvollziehbar entgegen, dass kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände vorliegt, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnten: das Gangbild ohne Gehstock barfuß ist hinkfrei, teilweise etwas unsicher, insgesamt kann die Spur aber gehalten werden, ein Richtungswechsel ohne Anhalten möglich. Das derzeitige Therapieerfordernis (Seractil forte) entspricht der WHO Stufe 1 (schwache bis mäßige Schmerzen).

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit bzw. psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten - die Polyneuropathie führt zu keiner wesentlichen Gangbildbeeinträchtigung - vor und auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems. Es bestehen auch keine wesentlichen kardiopulmologischen Einschränkungen.

In dem eingeholten Sachverständigengutachten wird auf den Zustand des Beschwerdeführers ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich somit ein nachvollziehbares Bild des Zustandes des Beschwerdeführers. Er ist dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene ausreichend konkret entgegengetreten bzw. wurden die von ihm vorgelegten Befunde mitberücksichtigt und waren diese nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darzutun. Anhaltspunkte für eine Befangenheit der Sachverständigen liegen nicht vor.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wurden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 ist die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-         erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-         erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-         erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen oder
-         eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-         eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 wird ausgeführt:

Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Beurteilungskriterien zur Frage „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sind Funktionseinschränkungen relevant, die die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Als Aktionsradius ist eine Gehstrecke von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 200 bis 300 m anzunehmen.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes/der behandelnden Ärztin ist nicht ausreichend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen. Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
-         arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
-         Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
-         hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
-         Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
-         COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
-         Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
-         mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Beim Beschwerdeführer liegen weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, die das Zurücklegen einer angemessenen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel beeinträchtigen. Es ist auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vorhanden.

Die allfällige Verwendung eines Hilfsmittels zur Fortbewegung außer Haus (Schuheinlagen, Gehstock, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist - da die Funktionalität der oberen Extremitäten beim Beschwerdeführer gegeben ist - zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es ist beim Beschwerdeführer von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachte Einschränkung der Gehstrecke konnte nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.

Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist einwandfrei möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind ausreichend.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar." rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO vorliegen, zumal die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass nach dem Bundesbehindertengesetz Voraussetzung für die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ist.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. (§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist. (§ 24 Abs. 2 Z.1 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Zur Klärung des Sachverhaltes war sowohl von der belangten Behörde als auch vom BVwG ein Gutachten eingeholt worden. In den vorzitierten Gutachten wurde der Zustand des Beschwerdeführers im Detail dargelegt und übereinstimmend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen – konkret das Nichtvorliegen erheblicher Funktionseinschränkungen – für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung festgestellt.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde das vom BVwG eingeholte Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Eine Verhandlung konnte angesichts der ausführlichen Beschreibung des medizinischen Zustandes des Beschwerdeführers unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2223256.1.00

Im RIS seit

26.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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