TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/3 L511 2169407-1

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Veröffentlicht am 03.07.2020
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Entscheidungsdatum

03.07.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L511 2169407–1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwältin Dr.in PATZELT, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 19.06.2017, Zahl: XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) in Verbindung mit § 67 Abs. 10 Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor der Gebietskrankenkasse [SGKK]

1.1.    Mit Schreiben vom 12.04.2017 teilte die SGKK dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX [im Folgenden: R GmbH] nach Aufhebung des Konkursverfahrens, der Bezahlung der Quote und der Zahlung aus dem Insolvenzentgelt-Fonds ein Rückstand in Höhe von insgesamt EUR 32.688,14 offen aufscheine, welcher im Wege der Ausfallshaftung nach § 67 Abs. 10 iVm 58 Abs. 5 ASVG Jänner 2013 und September 2013 – März 2016 in der Höhe von EUR 24.718,45 zuzüglich der Verzugszinsen geltend gemacht werde. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt (Aktenzahl der vorgelegten Aktenteile [AZ] I).

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, den Rückstand bis spätestens 05.05.2017 zu begleichen oder innerhalb dieser Frist Gründe darzulegen, welche ihn ohne sein Verschulden an der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge gehindert haben, sowie Unterlagen vorzulegen, welche die Prüfung der Gleichbehandlung der Sozialversicherung mit allen anderen Verbindlichkeiten ermöglichten.

1.2.    Im weiteren Ermittlungsverfahren teilte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22.05.2017 (AZ III-IV) mit, er sei zwar als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen gewesen, die Geschäfte seien faktisch jedoch von den Herren XXXX [L] und XXXX [B] geführt worden. Er sei als Strohmann missbraucht worden, habe weder Einsicht in die Bücher und Geschäftsunterlagen noch irgendeine Entscheidungsgewalt gehabt. Er ersuche daher, die Haftung gegen die ehemaligen faktischen Geschäftsführer geltend zu machen, soweit nicht der Anspruch der SGKK aufgrund der ausbezahlten Konkursquote erloschen ist.

Mit E-Mail vom 31.05.2017 forderte die SGKK den Beschwerdeführer abermals zur Beibringung von Unterlagen auf (AZ V).

1.3.    Mit Haftungsbescheid vom 19.06.2017, Zahl: XXXX , verpflichtete die SGKK den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 58 Abs. 5 ASVG als ehemaligen Geschäftsführer der R GmbH, zur Zahlung eines Rückstandes von EUR 24.831,27 innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger Exekution. Zusätzlich sei der Beschwerdeführer verpflichtet, ab 01.06.2017 bis zur Einzahlung Verzugszinsen in der Höhe von derzeit 3,38% p.a. von EUR 20.090,24 zu entrichten (AZ VI).

Die Summe setze sich laut beigelegtem Rückstandsausweis vom 19.06.2017 aus „Beiträgen GPLA Rest“ der Monate 09/2013-03/2016 und „Beiträgen GPLA“ für die Monate 12/2014 und 12/2015 sowie Verzugszinsen zusammen.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei von 06.09.2004 bis 06.05.2016 Geschäftsführer der R GmbH gewesen. Die im Rückstandsausweis dargestellten Beträge seien bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung vom 12.04.2017 keine Gründe vorgebracht, welche ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen (Erfüllung der Meldepflicht und Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge) zu erfüllen und auch keine Gründe oder Beweisanbote für die Gleichbehandlung der Sozialversicherung beigebracht, weshalb von seinem Verschulden auszugehen und die persönliche Haftung auszusprechen gewesen sei.

1.4.    Mit Schreiben vom 27.06.2013 erhob der Beschwerdeführer gegen den am 14.06.2013 zugestellten Bescheid fristgerecht Beschwerde [Bsw] (AZ VII, VIII).

Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, er sei von den faktischen Geschäftsführern als Strohmann missbraucht worden und habe niemals eine Entscheidungsgewalt über die GmbH gehabt, sondern sei als Taxilenker bei der GmbH beschäftigt gewesen, und mit Konkurseröffnung gekündigt worden. Die SGKK müsse daher die Beiträge zunächst beim tatsächlichen faktischen Geschäftsführer einbringlich machen.

Vorgelegt wurden Gehaltsabrechnungen des Beschwerdeführers für die Monate Jänner bis September 2016.

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 29.08.2017 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ I-IX]).

2.1.    Das BVwG führte eine Abfrage beim Firmenbuch betreffend die R GmbH durch (OZ 4).

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Der Beschwerdeführer vertrat die R GmbH von 06.09.2004 bis 06.05.2016 selbständig als Geschäftsführer. Mit Beschluss des LG Salzburg vom 15.09.2016, XXXX , wurde der Konkurs über die R GmbH eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss vom 27.02.2017 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma am 22.03.2018 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.

1.2.    Die Summe der verfahrensgegenständlichen offenen Forderungen am Beitragskonto der R GmbH setzt sich laut Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom 19.06.2017 wie folgt zusammen:

Beiträge GPLA Rest und GPLA 09/2013-03/2016

EUR      20.090,24

Verzugszinsen (§59 Abs. 1 ASVG) bis 31.05.2011

EUR      4.741,03

Summe

EUR      24.831,27

1.3.    Die Beträge mit dem Zusatz GPLA und GPLA Rest resultieren aus der Nachverrechnung von (auf Grund mangelhafter Aufzeichnungen) geschätzten Aufwandsentschädigungen, sowie der Nachverrechnung des Sachbezuges der Privatnutzung von arbeitgebereigenen KFZ (AZ IX).

1.4.    Ein Nachweis über die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten im Zeitraum vor Konkurseröffnung am 15.09.2016 liegt nicht vor (AZ I-IX).

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme, aus der sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt, erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen

im Verfahrensakt der GKK:

?        Haftungsbrief und Aufforderung zur Unterlagenvorlage der SGKK (AZ I)

?        Rückstandsausweis vom 19.06.2017 (AZ VI)

?        Bescheid der SGKK vom 19.06.2017 (AZ VI)

?        Stellungnahme und Beschwerde des Beschwerdeführers vom 19.07.2017 (AZIV und AZ VIII)

?        Gehaltsabrechnung des Beschwerdeführers als Taxilenker für Jänner bis September 2016 (VIII)

im hg. Gerichtsakt:

?        Firmenbuchauszug der GmbH (OZ 4)

2.2.    Beweiswürdigung

2.2.1.  Der Zeitpunkt des Beginns der Geschäftsführertätigkeit sowie die Konkurseröffnung und -aufhebung ergeben sich aus dem österreichischen Firmenbuchauszug (OZ 4), an dessen Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln bestand.

2.2.2.  Die Höhe des Haftungsbetrages ergibt sich aus dem Rückstandsausweis vom 19.06.2017, und wird vom Beschwerdeführer der Höhe nach auch nicht bestritten (AZ VI,VIII).

2.2.3.  Dass es sich gegenständlich um aus Meldepflichtverletzungen resultierende Beträge handelt, ergibt sich aus dem Prüfbericht der gemeinsamen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) vom 22.07.2016 (AZ IX). Der Beschwerdeführer ist dem in seiner Beschwerde nicht entgegengetreten (AZ VIII).

2.2.4.  Dass kein Nachweis über die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten vorliegt, ergibt sich unmittelbar aus dem Verfahrensakt (AZ I-IX).

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.    Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2.    Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2.    Abweisung der Beschwerde

4.2.1.  Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG ist eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung. Danach haftet der Vertreter für bei der Primärschuldnerin uneinbringlich gewordene (nicht schon für bloß rückständige) Beiträge insoweit, als ein Kausalzusammenhang zwischen der Uneinbringlichkeit und einer schuldhaften (leichte Fahrlässigkeit genügt) und rechtswidrigen Verletzung der den Vertretern auferlegten sozialversicherungsrechtlichen Pflichten besteht (VwGH 07.10.2015, Ra2015/08/0040 mwN). Voraussetzung für die Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist zunächst die objektive, gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge bei der Primärschuldnerin. Zur Beurteilung der Uneinbringlichkeit bedarf es nicht notwendigerweise der vollständigen Abwicklung (bis zur Aufhebung) des Konkurses, Uneinbringlichkeit ist vielmehr bereits anzunehmen, sobald im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Beitragsforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht oder zumindest nur zum Teil wird befriedigt werden können (VwGH 20.06.2018, Ra2018/08/0039 mwN).

4.2.2.  Der Beschwerdeführer war im gegenständlich betroffenen Zeitraum Geschäftsführer der R GmbH, und somit die zur Vertretung berufene Person der Primärschuldnerin iSd § 67 Abs. 10 ASVG. Die Primärschuldnerin wurde am 22.03.2018 wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht, so dass eine objektive Uneinbringlichkeit der aushaftenden Beträge bei der Primärschuldnerin vorliegt. Die Heranziehung des Beschwerdeführers als Vertreter der R GmbH zur Haftung für deren uneinbringliche Beitragsschulden erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.

4.2.3.  Als haftungsbegründend kommt (seit der Novellierung des § 58 Abs. 5 ASVG mit BGBl I 2010/62 [SRÄG 2010]) die Verletzung all jener Pflichten in Betracht, deren Verletzung dafür kausal sein kann, dass Beiträge nicht bei Fälligkeit entrichtet und später uneinbringlich werden, etwa die Verletzung der Meldepflichten, die Abfuhrpflicht der einbehaltenen Dienstnehmerbeiträge sowie die Zahlungspflicht. Eine kausale schuldhafte Pflichtverletzung ist immer schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, weshalb er ohne sein Verschulden gehindert war die ihm obliegenden sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen und nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig zur Gänze oder zumindest anteilig entrichtet wurden (VwGH 12.01.2016, Ra2014/08/0028). Im Hinblick auf den Haftungsumfang ist bei Nichtentrichtung von Beitragsschulden darauf abzustellen, ob der Vertreter die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, als er diese bedient, erstere aber unberichtigt lässt, bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Einen zur Haftung herangezogenen Vertreter trifft dabei eine qualifizierte Mitwirkungspflicht, weil ohne diese Mitwirkung jener Anteil, der durch das schuldhafte Verhalten uneinbringlich geworden ist, nicht festgestellt werden kann. Bei entsprechendem Nachweis haftet ein Vertreter (bei Nichtentrichtung von Beitragsschulden) nur für die Differenz zwischen jenem Betrag, der bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger zu entrichten gewesen wäre und der tatsächlich erfolgten Zahlung (zur detaillierten Berechnungsmethode des Haftungsbetrages nach der Zahlungstheorie siehe VwGH 07.10.2015, Ra2015/08/0040 uHa 29.01.2014, 2012/08/0227 und den dort ergänzend aufgezeigten alternativen Berechnungsmethoden sowie weiteren Nachweisen). Tritt ein haftungspflichtiger Vertreter diesen Nachweis nicht an und erbringt kein entsprechendes Beweisanbot, so erstreckt sich die Haftung auf die gesamten uneinbringlichen Beitragsverbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Haftungszeitraum (vgl. VwGH 07.10.2015, Ra2015/08/0040 mwN). Für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw. für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, haften Vertreter jedoch ohne Bedachtnahme auf die Frage der Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern und ohne Bedachtnahme auf die bei Fälligkeit oder bei tatsächlich erfolgter Lohnzahlung noch vorhandenen Mittel im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze (VwGH 27.11.2014 2012/08/0216 mwN).

4.2.4.  Der bei der Primärschuldnerin uneinbringliche Nachforderungsbeitrag resultiert ausschließlich aus Meldepflichtverletzungen aus den Jahren 2005 bis 2008.

4.2.4.1. Dazu bringt der Beschwerdeführer vor, ihn habe kein Verschulden getroffen, weil die Geschäfte faktisch von den Gesellschaftern L und B geführt worden seien, und er weder Einsicht in die Bücher und Geschäftsunterlagen noch Entscheidungsgewalt gehabt habe. Er sei lediglich als Taxilenker bei der GmbH beschäftigt gewesen und habe dafür auch ein Gehalt bezogen.

4.2.4.2. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die faktischen Geschäftsführer zwar eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (iVm § 539a) treffen kann (vgl. Derntl in Sonntag, ASVG10 (2019) §67 Rz78 und Müller in Mosler/Müller/Pfeil, SV-Komm §67 Rz79), diese verdrängt jedoch die fortdauernde Haftung des im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführers nicht.

Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung – sei es auf Grund eines eigenen Willensentschlusses des Geschäftsführers, sei es über Weisung von Gesellschaftern, sei es auf Grund einer sonstigen Einflussnahme wirtschaftlich die Gesellschaft beherrschender Personen – faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden und effektiven Kontrolle in der Richtung, ob die jeweils fällig werdenden Abgaben zumindest anteilig entrichtet werden, beraubt ist. Das haftungsbegründende Verschulden liegt in einem solchen Fall darin, dass sich der Geschäftsführer an der Wahrnehmung seiner Aufgaben hat hindern lassen, ohne sich gegen die unzulässige Beschränkung seiner Geschäftsführung durch entsprechende gerichtliche Schritte zur Wehr zu setzen oder daraus zumindest die Konsequenzen des Rücktritts zu ziehen (vgl. VwGH 23.03.2010, 2009/13/0078 mwN).

4.2.4.3. Der Beschwerdeführer hat im Verfahren weder behauptet, sich gegen seine Entmachtung zur Wehr gesetzt zu haben, noch ergibt sich dies aus dem Verwaltungsakt. Im Gegenteil, angesichts der Tatsache, dass er über 12 Jahre lang Geschäftsführer gewesen war, ist evident, dass er sich mit dieser Entmachtung abgefunden hatte, was ihm als Verschulden anzulasten ist.

4.2.4.4. Zusammenfassend hat der Beschwerdeführer daher keinen Nachweis erbracht, dass ihn an der vorgeworfenen Meldepflichtverletzung kein Verschulden träfe.

4.2.5.  Zum Einwand des Beschwerdeführers, der Anspruch der SGKK sei aufgrund der ausbezahlten Konkursquote erloschen, ist festzuhalten, dass die Vertreterhaftung nach § 67 Abs. 10 ASVG eine Ausfallshaftung ist, welche gerade dann zum Tragen kommt, wenn die Beitragsforderung bei der Primärschuldnerin, der Dienstgeber-GmbH, uneinbringlich geworden ist. Nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens bleibt jener Teil, der in der Quote keine Deckung findet bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, und ist daher der organschaftliche Vertreter der GmbH bei Verschulden heranzuziehen (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

4.2.6.  Die SGKK ist zu Recht von einer kausalen, schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführes ausgegangen und hat ihn zu Recht für die gesamten, uneinbringlich gewordenen Beiträge in Haftung genommen (vgl. dazu insbes. VwGH 12.01.2016, Ra2014/08/0028), weshalb die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Wie sich aus der oben unter A) Punkt II.4.2. wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, besteht zu § 67 Abs. 10 eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die vorliegende Entscheidung weicht von dieser Rechtsprechung auch nicht ab, sondern stützt sich maßgeblich auf diese Judikatur.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Beitragsschuld Geschäftsführer Haftung Meldepflicht Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2169407.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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