TE Bvwg Beschluss 2020/7/9 L521 2231264-1

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Veröffentlicht am 09.07.2020
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Entscheidungsdatum

09.07.2020

Norm

ASVG §367
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

L521 2231264-1/6E

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. in der Beschwerdesache der XXXX , vertreten durch MMMMag. Dr. Konstantin Haas, Rechtsanwalt in 4060 Leonding, Gerstmayrstraße 40, gegen den Bescheid der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 04.07.2019, Zl. XXXX , betreffend Rehabilitationsgeld den

BESCHLUSS

gefasst:

A)

Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nicht stattgegeben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der am XXXX geborenen Beschwerdeführerin wurde aufgrund ihres Antrages vom 04.05.2015 auf Gewährung von Berufsunfähigkeitspension mit rechtskräftigem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 27.08.2015, Zl. XXXX , dem Grunde ab dem 01.06.2015 für die Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung zuerkannt. Die Gewährung von Berufsunfähigkeitspension wurde unter einem abgelehnt, weil keine dauerhafte Berufungsfähigkeit gegeben war.

2. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 21.12.2018, XXXX , wurde die Beschwerdeführerin zum 31.12.2018 aus dem Maßnahmenvollzug unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen. Der Beschwerdeführerin wurde – soweit hier von Relevanz – unter anderem die Weisung erteilt, ihren Wohnsitz in einer betreuten Wohneinrichtung entsprechend ihrer gegenwärtigen Betreuung im XXXX der XXXX unter Einhaltung der Hausregeln zu nehmen.

3. Mit Schreiben vom 19.03.2019 wurde die Beschwerdeführerin seitens der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Teilung des ihr gebührenden Rehabilitationsgeldes nach den gesetzlichen Bestimmungen vorzunehmen sei und 80% davon (EUR 30,17 täglich) zur teilweisen Abdeckung des Tagessatzes von EUR 126,50 der XXXX überwiesen werde. Der Beschwerdeführerin verbleibe ein Anteil von 20% (EUR 7,54 täglich).

4. Die XXXX richtete am 19.04.2019 ein Schreiben an die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse und legte dar, dass die Beschwerdeführerin in der Einrichtung XXXX teilversorgt betreut werde. In Bezug auf „alltagspraktische Dinge (Lebensmittel, Kleidung, Fahrkarten, …)“ sie keine Unterstützung gegeben. Die Beschwerdeführerin müsse mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln „Telefon, Bekleidung, Fahrkarten, Rezeptgebühren, Versuchungen und Aufwendungen zur Teilnahme am sozialen Leben selbständig bezahlen“. Als Therapieziel sei ein eigenständiges Wohnen mit aufsuchender Betreuung angedacht, wofür ein „finanzielles Polster“ von Vorteil wäre. Die Beschwerdeführerin nehme „das Angebot [an], die Teilung des Reha-Geldes dahingehend zu ändern, dass sie ab April 2019 80% der Bezüge erhält“.

Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse replizierte darauf mit Erledigung vom 19.04.2019 und teilte mit, dass dem Begehren im Hinblick auf die Rechtslage nicht nähergetreten werden könne.

5. Mit Eingabe vom 29.05.2019 beantragte die Beschwerdeführerin die Erlassung eines Bescheides hinsichtlich der ihr mit Schreiben vom 19.03.2019 mitgeteilten Teilung des Rehabilitationsgeldes. Eine nähere Begründung des Begehrens enthält die Eingabe nicht.

6. In der Folge erließ die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse den hier angefochtenen Bescheid vom 04.07.2019, dessen Spruch wie folgt lautet: XXXX

Begründend führte die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse im Wesentlichen aus, dass die Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch der nicht unterhaltspflichtigen Beschwerdeführerin auf Rehabilitationsgeld dem Grunde nach festgestellt habe. Aufgrund der Beitragsgrundlage des letzten Dienstverhältnisses vom 09.02.2009 bis zum 27.02.2009 ergebe sich ein tägliches Rehabilitationsgeld in der im Spruch angeführten Höhe.

Hinsichtlich der Teilung des Rehabilitationsgeldes habe der Bund den ihm nach § 324 Abs. 4 ASVG gebührenden Ersatzanspruch geltend gemacht. Der Anspruchsübergang gemäß § 324 Abs. 3 und 4 ASVG erfolge im Wege der Legalzession und trete unmittelbar aufgrund des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ein, wenn der Krankenversicherungsträger vom Sachverhalt Kenntnis erlangen würde. Da das Landesgericht Linz den Ersatzanspruch des Bundes mit Note vom 25.01.2019 geltend gemacht habe, sei die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse zur Umsetzung verpflichtet. Eine Berücksichtigung individueller Umstände sei angesichts des klaren Gesetzeswortlautes nicht möglich,

Der Bescheid schließt mit einer Rechtsmittelbelehrung des Inhaltes, dass dagegen innerhalb von vier Wochen Klage beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht erhoben werden könne.

7. Die von der Beschwerdeführerin selbstverfasste Klage vom 30.07.2019 langte am 01.08.2019 beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht ein. Im Klageschriftsatz beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des Bescheides vom 04.07.2019 und die Neufestsetzung „der prozentuellen Aufteilung“. Begründend wird – nach einer ausführlichen Aufzählung der Leistungen der XXXX vorgebrahct, die Beschwerdeführerin versorge sich in Bezug auf „alltagspraktische Dinge (Lebensmittelversorgung, Hygieneartikel, Kleidung, Freizeitgestaltung, öffentlicher Verkehr …)“ selbständig und erhalte dafür von der XXXX keine Unterstützung.

8. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 17.10.2019, XXXX , wurde die Klage der Beschwerdeführerin nach Erstattung der Klagebeantwortung zurückgewiesen.

Begründend führte das Landesgericht Linz im Wesentlichen aus, § 324 ASVG sehe in dessen Abs. 3 und 4 bei einer Unterbringung in einer Anstalt oder Einrichtung auf Kosten des Bundes eine Legalzession zugunsten des Bundes vor. Das Klagebegehren beziehe sich lediglich auf die Frage, welcher Teil des dem Grunde und der Höhe nach unbestrittenen Rehabilitationsgeldes dem Bund als Legalzessionar gemäß § 324 Abs. 4 ASVG auszuzahlen sei. Strittig sei die Frage, wer aufgrund des Anspruchsübergangs nach § 106 ASVG Zahlungsempfänger der zuerkannten Leistung sei. Die Überprüfung der Auszahlung einer zuerkannten Leistung sei jedoch werde eine Leistungssache im Sinn des § 65 Abs. 1 Z. 1 ASGG, noch eine bürgerliche Rechtssache im Sinn des § 1 JN. Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zufolge handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch, dessen Überprüfung den ordentlichen Gerichten entzogen sei, sodass die Klage zurückzuweisen sei.

9. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen das Rechtsmittel des Rekurses und brachte im Wesentlichen vor, die Beschwerdeführerin habe die gänzliche Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt und zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem Bescheid vom 04.07.2019 „nicht einverstanden“ sei, sodass auch die Überprüfung der Höhe der der Beschwerdeführerin zuerkannten Leistung der richterlichen Kontrolle unterliegen würde.

10. Das Oberlandesgericht Linz gab dem Rekurs mit Beschluss vom 17.02.2020, XXXX , keine Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. In der Sache teilte das Oberlandesgericht Linz die rechtliche Beurteilung des Landesgerichtes Linz ohne Vorbehalt und bekräftigte, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rehabilitationsgeld rechtskräftig festgestellt und dem Grunde und der Höhe nach unstrittig sei. Die Beschwerdeführerin strebe lediglich eine für sie günstigere Aufteilung der zuerkannten Leistung an. Die Überprüfung der Auszahlung einer bereits rechtskräftig zuerkannten Leistung sei jedoch keine Leistungs- bzw. Sozialrechtssache, was auch für eine Klage des Versicherten gegen die Einbehaltung bzw. den Übergang eines Leistungsanspruchs nach § 324 Abs. 3 ASVG gelten würde. Die Klage sei daher wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen gewesen.

11. In weiterer Folge übermittelte die Beschwerdeführerin im Wege ihres rechtsfreundlichen Vertreters am 31.10.2019 der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse einen Schriftsatz, womit die Gewährung von Verfahrenshilfe im Umfang der Beigebung eines Rechtsanwaltes und die Bewilligung der Widereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegen den Bescheid der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019 begehrt werden sowie die Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.07.2019 ausgeführt und dazu auch eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt wird.

In der Sache bringt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, ihre Unterbringung in der Einrichtung der XXXX umfasse – im Gegensatz zu einer Unterbringung in einer der in § 324 Abs. 3 ASVG angeführten Einrichtungen – keine Vollversorgung. Die eigentliche Versorgung und Verpflegung müsse von jedem Bewohner selbst finanziert werden. Ihr stehe dazu ein Betrag von monatlich EUR 520,00 zur Verfügung, davon ca. EUR 205,00 Rehabilitationsgeld sowie ergänzend die (erhöhte) Familienbeihilfe. Eine „kulturelle, soziale und gesellschaftliche Teilhabe [sei] mit einem Einkommen von EUR 520,00 nicht möglich“. Die Beschwerdeführerin könne davon auch keine eigene Wohnung ansparen, kein Kraftfahrzeug und keine größeren Konsumgüter erwerben und keine gesunden Lebensmittel erwerben. Eine Resozialisierung bzw. Reintegration sei mit diesem Betrag nicht erreichbar. § 324 Abs. 4 ASVG verstoße damit gegen den Gleichheitssatz.

12. Mit Bescheid vom 27.03.2020 gab die Österreichische Gesundheitskasse als Rechtsnachfolgerin der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse dem Antrag auf Bewilligung der Widereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG gegen den Bescheid der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019 statt.

Mit weiterem Bescheid vom 27.03.2020 erließ die Österreichische Gesundheitskasse eine Beschwerdevorentscheidung, gab der Beschwerde gegen den Bescheid der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019 teilweise Folge und änderte dessen Spruch dahingehend ab, dass der verfahrenseinleitende Antrag der Beschwerdeführerin vom 29.05.2019 zurückgewiesen wurde. Begründend führte die Österreichische Gesundheitskasse dazu aus, der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rehabilitationsgeld sowie dessen Höhe wären unstrittig. In ihrem Antrag vom 29.05.2019 habe sich die Beschwerdeführerin lediglich gegen die Teilung des Rehabilitationsgeldes ausgesprochen, mithin dagegen, dass ein Teil des Rehabilitationsgeldes aufgrund der Legalzession gemäß § 324 Abs. 4 ASVG dem Bund ausbezahlt werde. Das Oberlandesgericht Linz habe in seinem Beschluss vom 17.02.2020, XXXX , darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine Auszahlungsstreitigkeit handeln würde. Die Beschwerdeführerin werde deshalb auf mögliche Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz bzw. der Exekutionsordnung verwiesen.

13. Im Vorlageantrag vom 07.04.2020 wird dazu – nach wörtlicher Widergabe der Beschwerdeausführungen – dargelegt, dass sich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Umstand ergebe, dass ein öffentlich-rechtlicher Leistungsanspruch vorliegen würde, dessen Überprüfung den ordentlichen Gerichten entzogen sei. Er bleibe daher nur die „Anfechtung über die Verwaltungsgerichtsbarkeit“.

14. Die Beschwerdevorlage langte am 18.05.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Das Beschwerdeverfahren wurde in der Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Erledigung zugewiesen.

15. Das Bundesverwaltungsgericht forderte die Beschwerdeführerin mit Note vom 23.06.2020 auf, die divergierenden Angaben zu ihrer Einkommenssituation in der Beschwerde einerseits sowie im Verfahrenshilfeantrag andererseits schlüssig zu stellen.

Die Beschwerdeführerin kam dieser Aufforderung am 03.07.2020 nach und legte aktuelle Unterlagen zu ihrer Einkommens- und Vermögenssituation vor.

15. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, L521 2231264-1/5E, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, wurde die gegen den Bescheid der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019, Zl. XXXX , erhobene Beschwerde teilweise zurück- und teilweise abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der am XXXX geborenen Beschwerdeführerin wurde mit rechtskräftigem Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 27.08.2015, Zl. XXXX , dem Grunde ab dem 01.06.2015 für die Dauer der vorübergehenden Berufsunfähigkeit Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung zuerkannt. Die Gewährung von Berufsunfähigkeitspension wurde unter einem abgelehnt, weil keine dauerhafte Berufungsfähigkeit gegeben war.

1.2. Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 21.12.2018, XXXX , wurde die Beschwerdeführerin zum 31.12.2018 aus dem Maßnahmenvollzug unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren bedingt entlassen. Der Beschwerdeführerin wurde – soweit hier von Relevanz – unter anderem die Weisung erteilt, ihren Wohnsitz in einer betreuten Wohneinrichtung entsprechend ihrer gegenwärtigen Betreuung im XXXX der XXXX unter Einhaltung der Hausregeln zu nehmen.

1.3. Dass die bedingte Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug bewilligende Landesgerichtes Linz teilte der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse am 25.01.2019 mit, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz weisungsgemäß in der Einrichtung XXXX genommen habe. Für den Aufenthalt der Beschwerdeführerin falle ein die Betreuung und die Unterbringung abdeckender Tagessatz von EUR 126,50 an, der gemäß § 179a StVG vom Bund getragen werden. Die Versorgung mit Lebensmitteln, Bekleidung und Hygieneartikeln habe die Beschwerdeführerin selbst zu bestreiten. Die Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse werde ersucht, die Teilung des Rehabilitationsgeldes aufgrund der Legalzession gemäß § 324 Abs. 4 ASVG vorzunehmen und die „an den Bund bzw. die Betreuungseinrichtung abzuführenden Beträge“ der Betreuungseinrichtung direkt anzuweisen.

1.4. Aufgrund dessen wird das der Beschwerdeführerin gebührenden Rehabilitationsgeld im Betrag von EUR 37,71 (netto) täglich im Ausmaß von 80% (EUR 30,17 täglich) zur teilweisen Abdeckung des Tagessatzes von EUR 126,50 der XXXX überwiesen. Der Beschwerdeführerin verbleibe ein Anteil von 20% (EUR 7,54 täglich), der an die Beschwerdeführerin direkt zur Auszahlung gebracht wird.

Die Beschwerdeführerin bezieht außerdem erhöhte Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag im Betrag von (insgesamt) EUR 379,40 monatlich, wobei der Bezug derzeit bis September 2020 bewilligt wurde.

1.5. Die Beschwerdeführerin bewohnt in XXXX ein Zimmer im Ausmaß von ca. 25 m² in einer Einrichtung der XXXX des Landesgerichtes Linz, mit der Bezeichnung XXXX . Die dem Bund in Rechnung gestellten Tagessätze von EUR 126,50 decken die Betreuung und die Unterbringung der Beschwerdeführerin (einschließlich Strom und Heizung) vollständig ab.

1.6. Bei der Raiffeisenbank Traun unterhält die Beschwerdeführerin ein Bankkonto, welches per 30.06.2020 einen Guthabenstand von EUR 8.568,90 aufweist. Sie ist nicht für dritte Personen sorgepflichtig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Pensionsversicherungsanstalt vorgelegten Verfahrensakt (der auch die wesentlichen Aktenteile des Verfahrens vor dem Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht sowie dem Oberlandesgericht Linz enthält) sowie des Inhaltes des gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde.

2.2. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist im Rechtsmittelverfahren nicht strittig und ergibt sich unzweifelhaft aus dem Akteninhalt und dem damit übereinstimmenden Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie den Ausführungen in ihrer Stellungnahme vom 03.07.2020 sowie den in Vorlage gebrachten Urkunden.

Im gegebenen Zusammenhang ist kritisch anzumerken, dass im Verfahrenshilfeantrag vom 29.10.2019, dessen „Aktualität“ im Vorlageantrag explizit bestätigt wird, ein weit niedriger Guthabenstand des Girokontos ausgewiesen ist (nämlich EUR 2.225,00) und der Bezug von (erhöhter) Familienbeihilfe überhaupt verschwiegen wird, mithin unzutreffende Angaben zur Einkommens- und Vermögenssituation getätigt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018 ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Soweit nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe § 8a Abs. 2 VwGVG zufolge nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen.

3.2. Durch die Bestimmung des § 8a VwGVG soll dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25.06.2015, G 7/2015, Rechnung getragen werden, wonach die Bewilligung der Verfahrenshilfe auch abseits der Verwaltungsstrafverfahren in Administrativverfahren gewährleistet sein muss.

Ein Rechtsanspruch auf Bewilligung der Verfahrenshilfe besteht gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur, wenn nachstehende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

?        Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC erfordern die Bewilligung;

?        der notwendige Unterhalt der Partei wird durch die Kosten der Verfahrensführung beeinträchtigt;

?        die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht offenbar mutwillig erscheinen;

?        die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf nicht offenbar aussichtslos erscheinen (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 8a VwGVG K5).

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 22.12.2010, C-279/09, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwaltes umfassen können, einzelfallbezogen nach Maßgabe folgender Kriterien zu erfolgen haben: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen (VwGH 03.09.2015, Zl. Ro 2015/21/0032). Nach der Rechtsprechung des EGMR ist die Verfahrenshilfe nicht in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren. In seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung der Bestimmung des § 40 VwGVG führte, fasste der Verfassungsgerichtshof die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dahingehend zusammen, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“. In jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde“, müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten zum Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl. die Erläuterungen zu § 8a VwGVG, RV 1255 BlgNR 25. GP).

3.3. Die nicht für dritte Personen sorgepflichtige Beschwerdeführerin bezieht eigenen Angaben zufolge ein monatliches Einkommen von (zumindest) EUR 600,00, welches sich aus dem Bezug von anteiligem Rehabilitationsgeld und erhöhter Familienbeihilfe zusammensetzt. Bei der Raiffeisenbank Traun unterhält die Beschwerdeführerin ein Bankkonto, welches zum 30.06.2020 einen Guthabenstand von EUR 28.568,90 aufweist. Aufgrund ihrer Unterbringung in einer Einrichtung der XXXX hat die Beschwerdeführerin keine Kosten für die Unterkunft sowie für die Versorgung mit elektrischer Energie und die Beheizung zu bestreiten.

3.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, L521 2231264-1/5E, wurde die seitens der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019 erhobene Beschwerde teilweise zurück- und teilweise abgewiesen. Es sind somit keine weiteren Verfahrensschritte zu setzen, für die die Beigebung eines Rechtsanwaltes im Wege der Bewilligung der Verfahrenshilfe vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC erforderlich wäre. Für die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG bzw. einer Revision gemäß Art. 133 B-VG gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag ist die Bewilligung der Verfahrenshilfe neuerlich beim zuständigen Gerichtshof zu beantragen.

3.5. Die Beschwerdeführerin bediente sich außerdem zur Einbringung ihres Rechtsmittels bzw. des Vorlageantrages bereits eines gewillkürten rechtsfreundlichen Vertreters. Sie legte darüber hinaus im Rahmen ihres Vermögensbekenntnisses nicht dar, dass sie deshalb Verbindlichkeiten eingegangen ist bzw. offene Forderungen für die Abfassung und Einbringung der Beschwerde bestehen würden, die durch eine Bewilligung der Verfahrenshilfe wieder erlöschen würden. Nach der Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichtshofes ist in solchen Konstellationen davon auszugehen, dass Antragsteller in der Lage war, die diesbezüglichen Kosten ohne Beeinträchtigung des für ihn notwendigen Unterhalts zu tragen (VwGH 20.05.2020, Ra 2020/20/0150-4).

Ausgehend davon und ob des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin über ein Vermögen von EUR 8.568,90 verfügt und ihr monatlich ca. EUR 600,00 an ihr ausbezahltem Rehabilitationsgeld und an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag zur Bestreitung des Lebensunterhaltes (ohne Wohnkosten, die vom Bund getragen werden) zur Verfügung stehen, kann darüber hinaus nicht davon gesprochen werden, dass der notwendige Unterhalt der Beschwerdeführerin durch die Kosten der weiteren Verfahrensführung beeinträchtigt wird, zumal die noch zu erwartenden Kosten der Verfahrensführung (Weiterleitung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes) ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes finanzierbar sind. Darüber hinaus wurden Einkommensbestandteile – nämlich der Bezug von (erhöhter) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag im Betrag von (insgesamt) EUR 379,40 monatlich zunächst überhaupt verschwiegen (zur Berücksichtigung der Familienbeihilfe vgl. Klauser/Kodek, JN – ZPO18 § 63 ZPO E 30/4) – und stellte sich der Guthabenstand des Girokontos zuletzt mehr als dreimal so hoch dar, wie im Verfahrenshilfeantrag angegeben.

Für die Einbringung der Beschwerde bestehen – wie bereits erwähnt – keine Forderungen bzw. Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin. Eine rückwirkende Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung der Beschwerde kommt ohnehin gemäß § 64 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht.

Da die Beschwerde bereits unter einem mit dem gegenständlichen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe eingebracht wurde und in der Beschwerde sämtliche Argumente bereits vorgetragen werden und die Beschwerdeführerin darüber hinaus im Verfahren mittels ihrer selbstverfassten Eingaben bereits zu erkennen gegeben hat, dass sie dazu fähig ist, ihr Anliegen wirksam selbst zu vertreten, besteht auch vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC keine Notwendigkeit, ihr für das weitere – amtswegig zu führende und für die Beschwerdeführerin kosten- und gebührenfreie (§ 110 ASVG) Verfahren einen Rechtsanwalt beizugeben.

3.6. Aufgrund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, L521 2231264-1/5E, auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird und womit die seitens der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 04.07.2019 erhobene Beschwerde teilweise zurück- und teilweise abgewiesen wurde, stellt sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung schließlich darüber hinaus als aussichtslos dar (vgl. dazu statt aller VwGH 13.05.2020, Ra 2020/20/0133 bis 0139-6).

3.7. In einer Gesamtbetrachtung liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 8a VwGVG nicht vor. Weder erfordern Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC die Bewilligung, noch wird der der notwendige Unterhalt der Beschwerdeführerin wird durch die voraussichtlich noch anfallenden Kosten der Verfahrensführung beeinträchtigt und es erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung schließlich als aussichtslos. Dem Antrag ist daher nicht stattzugeben.

3.8. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.06.2012, B 155/12). Der festgestellte Sachverhalt ist im Beschwerdeverfahren unstrittig und ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens. Strittig sind lediglich Rechtsfragen, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus gebietet Art. 6 MRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0073 mwN).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Genehmigung behördlicher Erledigungen ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor und handelt es sich bei der Gewährung der Verfahrenshilfe um eine einzelfallbezogene Entscheidung.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit Einkommen Familienbeihilfe Verfahrenshilfe Verfahrenshilfeantrag Vermögensverhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L521.2231264.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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