TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/24 95/12/0186

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Veröffentlicht am 24.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
72/13 Studienförderung;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
StudFG 1992 §41 Abs4;
StudFG 1992 §52 Abs1;
StudFG 1992 §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. Werner Brandstetter, Rechtsanwalt in Wien I, Schottenring 28, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 20. Jänner 1995, Zl. 56.031/5-I/7a/94, betreffend Teilrechtskraft im Zusammenhang mit der amtswegigen Bemessung des Fahrtkostenzuschusses nach dem Studienförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer studiert seit dem Wintersemester 1990/91 an der Technischen Universität Wien Elektrotechnik.

Auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers vom 3. März 1994 wurde letztlich mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 18. Mai 1994 seine Studienbeihilfe mit monatlich S 2.860,-- festgesetzt.

Da mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1994 das Studienförderungsgesetz 1992 (= StudFG) mit Bundesgesetz BGBl. Nr. 619/1994 geändert wurde, wurde die Studienbeihilfe des Beschwerdeführers, insbesondere im Hinblick auf die Einkommensgrenzen und die Absetz- und Freibeträge, von Amts wegen neu berechnet. Dieser Bescheid der Studienbeihilfenbehörde erging am 10. Oktober 1994. Dabei wurde unter Berücksichtigung der genannten Novelle die Studienbeihilfe mit S 3.000,-- monatlich ab 1. Oktober 1994 neu festgesetzt und gleichzeitig festgestellt, daß dem Beschwerdeführer eine Fahrtkostenbeihilfe von monatlich S 300,-- ab 1. Oktober 1994 zustünde. Diese unrichtige Gewährung der Fahrtkostenbeihilfe erfolgte - so die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - trotz richtiger Eingabe der Daten des Beschwerdeführers und grundsätzlich korrektem Verarbeitungsprogramm offensichtlich durch einen technischen Fehler im Betrieb der Datenverarbeitungsanlage.

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer eine Vorstellung am 20. Oktober 1994 ein, die er ausdrücklich als "Teil-Vorstellung" bezeichnete und die sich ausdrücklich lediglich gegen die Berechnung der Studienbeihilfe richtete.

Der Senat der Studienbeihilfenbehörde gab mit Bescheid vom 1. Dezember 1994 dem Vorstellungsbegehren insoweit statt, als die Studienbeihilfe des Beschwerdeführers für das Wintersemester 1994/95 mit monatlich S 3.060,-- festgesetzt wurde. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Fahrtkostenbeihilfe habe, weil er erst das 23. Lebensjahr und nicht das 27. Lebensjahr (§ 52 Abs. 1 StudFG) vollendet habe.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer am 27. Dezember 1994 Berufung, die sich ausschließlich auf die Aberkennung der Fahrtkostenbeihilfe bezog. Diese Berufung begründete er damit, daß ihm die Fahrtkostenbeihilfe rechtskräftig zugesprochen und von ihm diese Entscheidung nicht bekämpft worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde wie folgt entschieden:

"1.

Ihre Berufung vom 27. Dezember 1994 gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde für Studierende an der Technischen Universität Wien vom 1. Dezember 1994 wird gemäß den §§ 41 Abs. 4, 42, 52 Abs. 1 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG), BGBl. Nr. 305, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 29/1994, in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG 1991, abgewiesen.

2.

Gemäß den §§ 26 Abs. 1, 30, 31 und 32 StudFG beträgt Ihre Studienbeihilfe ab 1. Oktober 1994 S 3.060,-- monatlich.

3.

Gemäß § 52 Abs. 2 StudFG besteht ein Anspruch auf eine Fahrtkostenbeihilfe nicht."

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der Rechtslage und des bereits dargestellten Verfahrensablaufes weiter ausgeführt, in rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes sei festzustellen, daß nach § 52 Abs. 1 StudFG eine Fahrtkostenbeihilfe auf Grund des Alters des Beschwerdeführers diesem materiell-rechtlich nicht zustehe. Nach der Intention des Gesetzgebers solle mit dieser Bestimmung der Entfall der entsprechenden Schülerfreifahrt, der mit Vollendung des 27. Lebensjahres eintrete, für Studienbeihilfenbezieher über 27 ausgeglichen werden. Für Studierende, die auf Grund ihres Alters (vor Vollendung des 27. Lebensjahres) Anspruch auf entsprechende Begünstigungen nach dem Familienlastenausgleich hätten, sei die Zuerkennung einer Fahrtkostenbeihilfe nach dem StudFG nicht erforderlich und daher auch nicht vorgesehen. Insoweit sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung auf verfahrensrechtliche Fragen beziehe, sei festzustellen, daß weder im StudFG noch im AVG ein Rechtsmittel der "Teilvorstellung" vorgesehen sei. Das vom Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel sei daher zu Recht vom Senat der Studienbeihilfenbehörde als Vorstellung gewertet worden. Nach § 41 Abs. 4 StudFG sei in Studienförderungsverfahren im Sinne einer raschen und bürgernahen Verwaltung ohne weiteres Ermittlungsverfahren mit Bescheid zu entscheiden. Durch die Möglichkeit der Erhebung einer Vorstellung solle nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens der Sachverhalt durch den zuständigen Senat festgestellt und die Entscheidung überprüft werden können. Hinsichtlich der Entscheidung über eine Berufung durch die Berufungsbehörde ergebe sich die Möglichkeit der nachteiligen Abänderung aus § 66 Abs. 4 AVG, demzufolge der angefochtene Bescheid nach jeder Richtung abgeändert werden könne. Ein Verwaltungsverfahren diene nämlich dem Grundsatz der materiellen Wahrheit folgend nicht nur zur Durchsetzung subjektiver Rechte, sondern insbesondere auch zur Sicherstellung der objektiven Rechtmäßigkeit. Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Fahrtkostenbeihilfe nicht gegeben gewesen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem rechtskräftig erworbenen Anspruch auf Fahrtkostenbeihilfe beginnend mit 1. Oktober 1994 zufolge Verstoßes gegen die Bestimmungen des § 68 AVG verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, im § 68 AVG sei genauestens definiert, unter welchen Voraussetzungen eine Abänderung oder Behebung von Bescheiden von Amts wegen erfolgen könne. § 68 Abs. 2 AVG ermögliche es der Behörde, einen einmal erlassenen rechtskräftigen Bescheid abzuändern, jedoch nicht diesen rückwirkend aufzuheben. Die von der Behörde gewählte Vorgangsweise, ex tunc festzustellen, daß dem Beschwerdeführer eine Fahrtkostenbeihilfe nicht zustehe, nachdem diesem eine Fahrtkostenbeihilfe rechtskräftig zugesprochen worden sei, verstoße eindeutig gegen § 68 AVG. Der Verweis, daß gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berechtigung der Berufungsbehörde zur gewählten Vorgangsweise bestehe, treffe hier nicht zu, zumal sich diese gesetzliche Bestimmung nur mit den Möglichkeiten und Rechten der Berufungsbehörde befasse, wenn Bescheide noch nicht rechtskräftig geworden seien.

Ungeachtet dessen, daß der Beschwerdeführer die uneingeschränkte Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt, bleibt auf Grund des gesamten Vorbringens der Spruchpunkt 2. unangefochten. Die Beschwerde ist daher als nur gegen Punkt 1. und 3. des angefochtenen Bescheides gerichtet zu werten.

Dem diesbezüglichen Vorbringen kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Im Beschwerdefall ist allein strittig, ob der von Amts wegen ergangene Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 10. Oktober 1994, mit dem die Studienbeihilfe des Beschwerdeführers neu berechnet und ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Fahrtkostenbeihilfe festgestellt wurde, im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer nur hinsichtlich der Studienbeihilfe erhobenen Vorstellung hinsichtlich des zweiten Abspruches über die Fahrtkostenbeihilfe, der unbestritten rechtswidrig war, in Rechtskraft erwachsen ist oder nicht.

Zweifellos liegt ein teilbarer Abspruch vor; dem Gesetz ist keine Verpflichtung zu entnehmen, daß über beide genannten Ansprüche unter einem abgesprochen werden müßte.

Auf das Verfahren über die Zuerkennung von Studienbeihilfen und Fahrtkostenbeihilfen ist gemäß § 70 StudFG das AVG unter Bedachtnahme auf die §§ 39 bis 46 StudFG anzuwenden. Die §§ 39 und 40 StudFG regeln die Anträge und Nachweispflichten. Im § 41 ist unter der Überschrift "Erledigung des Antrages" im Abs. 4 folgendes normiert:

"Auf Grund des vorgelegten Formularantrages ist ohne weiteres Ermittlungsverfahren unter zweckmäßiger Verwendung moderner technischer Hilfsmittel, insbesondere der automationsunterstützten Datenverarbeitung, mit Bescheid zu entscheiden."

Gemäß § 42 StudFG kann die Partei binnen zwei Wochen gegen den Bescheid der Studienbeihilfenbehörde wegen behaupteter Rechtswidrigkeit Vorstellung erheben. Die Studienbeihilfenbehörde kann nach § 43 StudFG selbst innerhalb von zwei Monaten eine Abänderung im Sinne des Vorstellungsbegehrens vornehmen (Vorentscheidung über die Vorstellung) oder es hat der Senat der Studienbeihilfenbehörde zu entscheiden (§ 45), gegen dessen Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung (§ 46) eingeräumt ist.

Unter "Rechtsmittel" (abgesehen von den sogenannten außerordentlichen Rechtsmitteln ist dies im wesentlichen der Oberbegriff für die Berufung und die Vorstellung) ist nach der herrschenden Lehre (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, 11. Kapitel: Der Rechtsschutz, insbesondere Rz 494) das Begehren einer Verfahrenspartei auf Überprüfung eines bestimmten Vollzugsaktes zu verstehen, an das sich die Pflicht eines Organes knüpft, diese Überprüfung durchzuführen. Wird ein Bescheid nur teilweise angefochten, ist Berufungsgegenstand nur dann die ganze Sache, wenn der Verfahrensgegenstand nicht teilbar ist; ansonsten ist nur der angefochtene Teil zu überprüfen. Der nicht angefochtene Teil erwächst diesfalls in Rechtskraft (vgl. Walter-Mayer, w.o., Rz 539).

Im Beschwerdell ist unbestritten, daß dem Beschwerdeführer kein materiell-rechtlicher Anspruch auf Fahrtkostenbeihilfe nach § 52 Abs. 1 StudFG zukam, daß ihm aber die Studienbeihilfenbehörde im Zusammenhang mit der durch eine Gesetzesänderung ausgelösten Neubemessung der Studienbeihilfe von Amts wegen auch eine solche Fahrtkostenbeihilfe irrtümlich (- nach der Gegenschrift auf Grund eines Fehlers in der automationsunterstützten Textverarbeitung -) mit Bescheid zuerkannte. Dieser in einem Bescheid verbundene amtswegige Abspruch sowohl über den Anspruch auf Studienbeihilfe als auch über den Anspruch auf Fahrtkostenbeihilfe hätte zweifellos auch getrennt in zwei verschiedenen Bescheiden erfolgen können.

Bei dieser Sachlage ist es aber - ungeachtet der Frage, ob es sich bei dem Bescheid der Studienbeihilfenbehörde vom 10. Oktober 1994 um einen Mandatsbescheid gehandelt hat oder nicht - auszuschließen, daß ein eindeutig nur gegen den an sich selbständigen ersten Abspruch gerichtetes Rechtsmittel ein Überprüfungsrecht der Oberbehörde auch hinsichtlich des selbständig zu sehenden und von Amts wegen erfolgten zweiten Abspruches auslöste. Der Senat der Studienbeihilfenbehörde durfte deshalb als Oberbehörde den durch das Rechtsmittel abgesteckten Verfahrensgegenstand - auch wenn es sich dabei um einen ohne weiteres Ermittlungsverfahren im Sinne des § 41 Abs. 4 StudFG erlassenen Bescheid gehandelt haben sollte - nicht überschreiten, weil damit ein Eingriff in die Rechtskraft erfolgte (vgl. in diesem Sinne beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1984, Slg. N. F. Nr. 11.368/A). Auch der Spruch des angefochtenen Bescheides geht - im Punkt 2. - über den durch die Berufung des Beschwerdeführers bestimmten Prozeßgegenstand, nämlich die Frage der Rechtmäßigkeit des Abspruches des Senates der Studienbeihilfenbehörde über die Fahrtkostenbeihilfe, hinaus; der Beschwerdeführer bekämpft diesen Spruchpunkt aber nicht.

Aus den angeführten Überlegungen erweist sich der angefochtene Bescheid in den Spruchpunkten 1. und 3. mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; er mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995120186.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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