TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/7 I403 2225137-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.09.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.09.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2225137-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VII wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wird stattgegeben und festgestellt, dass das Recht des Beschwerdeführers zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG auch nach dem 08.08.2019 bestand.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer heiratete am XXXX .2016 in Ägypten eine österreichische Staatsbürgerin; er wurde am 21.01.2019 von der Polizei aufgrund des Verdachts eines Ladendiebstahls kontrolliert und festgenommen, da er sich nicht ausweisen konnte. Daraufhin stellte er am 22.01.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass er fälschlicherweise beschuldigt worden sei, mit dem Verschwinden einer Muslima, die zum Christentum konvertieren wollte, und deren Freund zu tun zu haben. Er sei angeschossen worden und dann 5 Jahre inhaftiert gewesen. Nach seiner Entlassung aus der Haft habe man versucht ihn zu töten, daher habe er sich von Mai 2015 bis zu seiner Ausreise im November 2018 versteckt gehalten.

Mit im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 22.01.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen, und es wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt IV. und V.). Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG ab dem 08.08.2019 verloren habe (Spruchpunkt VI.). Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG festgelegt (Spruchpunkt VII.).

Mit Schriftsatz vom 16.10.2019 wurde Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und dem Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten Folge geben, in eventu dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 erteilen und eine mündliche Verhandlung anberaumen.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.11.2019 vorgelegt.

Für den 30.03.2020 wurde eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht anberaumt, die aufgrund der Covid-19 Pandemie auf den 01.09.2020 verschoben werden musste. In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung befragt. Seine frühere Ehefrau wurde als Zeugin einvernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur koptischen Glaubensrichtung. Seine Muttersprache ist Arabisch. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus Kairo, besuchte 12 Jahre lang die Schule und arbeitete als Elektriker. Seine Eltern leben in Kairo; eine Schwester befindet sich seit mehr als zehn Jahren in Österreich, eine in Frankreich.

Der Beschwerdeführer erlitt vor einigen Jahren eine Schussverletzung, wodurch der Nervus radialis im Bereich des Unterarms durchtrennt wurde. Es handelt sich dabei um keine lebensbedrohliche Verletzung bzw. Erkrankung. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig und reisefähig.

Der Beschwerdeführer wurde in Ägypten wegen eines Raubüberfalls zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er war ab dem 17.02.2010 in Haft, wurde aber im Mai 2015 vorzeitig begnadigt. Vor seiner Ausreise lebte er bei seinen Eltern in Kairo und arbeitete er im Elektrogeschäft der Familie.

Der in Österreich unbescholtene Beschwerdeführer heiratete am XXXX .2016 in Kairo die österreichische Staatsbürgerin XXXX , die ebenfalls aus Ägypten stammt. Nachdem vergeblich versucht wurde, im Wege der österreichischen Botschaft in Kairo einen Einreise- und Aufenthaltstitel für den Beschwerdeführer zu erlangen, reiste dieser mit einem Schengenvisum für die Niederlande im November 2018 in die Europäische Union ein und kam er Ende November 2018 nach Österreich, wo er ohne entsprechende Meldung bei seiner Ehefrau Unterkunft nahm. Nachdem er am 21.01.2019 von der Polizei aufgrund des Verdachts eines Ladendiebstahls kontrolliert und festgenommen wurde, stellte er am 22.01.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz

Die Ehe wurde einvernehmlich am XXXX .2020 geschieden, nachdem die eheliche Gemeinschaft seit mehr als sechs Monaten aufgehoben war. Zu seiner in Österreich lebenden Schwester besteht keine besondere Abhängigkeit. Der Beschwerdeführer ist nicht am österreichischen Arbeitsmarkt integriert und befindet sich seit weniger als zwei Jahren in Österreich.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer wird in Ägypten nicht von der Familie eines verschwundenen muslimischen Mädchens verfolgt oder bedroht. Er war auch nicht aufgrund einer Intervention dieser Familie in Haft.

1.3. Zur Rückkehrsituation:

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Ägypten ist möglich und zumutbar. Seine Eltern leben in Ägypten und kann er wieder in den Kreis seiner dort ansässigen Familie zurückkehren. Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Vor seiner Ausreise arbeitete er in einem Elektrogeschäft; sein Vater führt dieses noch immer. Der Beschwerdeführer kann dieses nach seiner Rückkehr übernehmen oder eine Anstellung als Elektriker finden. Er ist in der Lage, in Ägypten mit Unterstützung der Familie eine Unterkunft zu erlangen und am Erwerbsleben teilzunehmen.

Er leidet an keiner Vorerkrankung, welche ihn im Falle einer Covid-19-Erkrankung einem besonderen Risiko aussetzen würde.

1.4. Zur allgemeinen Lage in Ägypten:

Im angefochtenen Bescheid wurden zur allgemeinen Lage in Ägypten Feststellungen auf Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (aktualisiert am 24. Juli 2019) getroffen; die entscheidungsrelevanten Feststellungen lauten:

1.4.1. Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018“ gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat“ hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622, Zugriff 1.7.3019

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-AA - Auswärties Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 1.7.2019

-AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 1.7.2019

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Dernière minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/, Zugriff 1.7.2019

-FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

1.4.2. Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 9.7.2019

1.4.3. Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018).

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018).

Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019).

Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.7.2019): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 9.7.2019

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Liportal, Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

1.4.4. Kopten

Kopten, die etwa 10 % der ägyptischen Gesellschaft ausmachen und in ihrer Eigenwahrnehmung keine Minderheit darstellen, sind Opfer vielfacher Diskriminierungen, die oft auch in Gewalt münden. Insbesondere während der Welle der Gewalt im August 2013, die seit Mai 2016 wieder aufflammte, wurden koptische Kirchen attackiert und Christen ermordet. Die Sicherheitskräfte griffen kaum zu ihrem Schutz ein. Im August 2016 verabschiedete das ägyptische Parlament ein einerseits lange erwartetes, andererseits hoch umstrittenes Gesetz über den Bau von Kirchen in Ägypten. Obwohl die Führungspersönlichkeiten der drei großen christlichen Kirchen dem Gesetz zugestimmt haben, lassen vage Formulierungen darin Raum für Diskriminierung in der Praxis; dem Kirchenbau sind weiterhin gesetzliche Hürden in den Weg gelegt (AA 25.2.2019).

Kopten sehen sich vielfach als Opfer von Diskriminierungen, die des Öfteren auch in Gewalt münden (AA 24.6.2019a).

Es gab Vorfälle von Gewalttätigkeit und Selbstjustiz des Mobs, insbesondere sektiererische/ religiös motivierte Gewalt gegen koptisch-christliche Ägypter. Anfang Juli 2018 griff ein Mob von Muslimen die Häuser der Kopten im Dorf Minbal an, nachdem ein Kopte angeblich Inhalte über Social Media, die den Islam beleidigten, veröffentlicht hatte. Nach der Gewalttat verhaftete die Polizei mehr als 90 Muslime. Die Polizei verhaftete auch den Kopten, der angeblich den Social Media Post veröffentlicht haben soll. Alle Verhafteten wurden Ende des Monats freigelassen, mit Ausnahme eines Angeklagten, der beschuldigt wurde, den Angriff angestiftet zu haben (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (24.6.2019a): Ägypten – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652, Zugriff 9.7.2019

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 9.7.2019

1.4.5. Rechtsschutz/Justiz

Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb jedweder rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik. (AA 22.2.2019).

Die Todesstrafe wird verhängt und gegenwärtig auch vollstreckt. Zu diskriminierender Strafverfolgung oder Strafzumessung aufgrund bestimmter Merkmale liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. In diesem Bereich macht sich häufig der Druck der öffentlichen Meinung bemerkbar. Harte Strafen gegen Angehörige der Muslimbruderschaft und oppositionspolitische Aktivisten sind häufig Ausdruck einer politisierten Justiz, die nicht nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verfährt. Vor dem Hintergrund allgemein harter und häufig menschenrechtswidriger Haftbedingungen gibt es Hinweise, dass insbesondere junge und unbekannte politische Straftäter besonders harten Haftbedingungen ausgesetzt sind. Amnestien werden wiederholt angekündigt und auch umgesetzt. Anlässlich ägyptischer Feiertage werden immer wieder Gefangene amnestiert bzw. im formellen Sinne begnadigt. Allerdings profitieren hiervon in der Regel keine politischen Gefangenen, sondern ausschließlich Strafgefangene. Allgemeine Voraussetzungen sind in der Regel die Verbüßung von mindestens der Hälfte der Haftzeit und gute Führung in Haft. Im November 2016 kam es jedoch zur Amnestierung von über 100 Studenten und Journalisten, die wegen Teilnahme an Demonstrationen oder wegen ihrer Berichterstattung festgenommen wurden (AA 22.2.2019).

Die Behörden nutzten die verlängerte Untersuchungshaft, um Andersdenkende inhaftieren zu können und schränkten und schikanierten zivilgesellschaftliche Organisationen und Mitarbeiter ein. Die Behörden verwendeten Einzelhaft, Folter und andere Misshandlungen und ließen weiterhin Hunderter von Menschen ungestraft verschwinden. Fälle von außergerichtlichen Hinrichtungen wurden nicht untersucht. Zivil- und Militärgerichte erließen nach unfairen Prozessen Massenurteile und verurteilten zahlreiche Menschen zum Tode (AI 26.2.2019; vgl. AI 23.5.2018). Sie hatten im August 2013 an Massenprotesten vor der al-Fateh-Moschee teilgenommen. Das Verfahren gegen die insgesamt 494 Angeklagten war grob unfair. Gerichte verließen sich bei der Urteilsfindung maßgeblich auf Berichte des nationalen Geheimdienstes und ließen Beweise zu, die nicht stichhaltig waren, darunter auch unter Folter erpresste »Geständnisse«. Zivilpersonen mussten nach wie vor mit unfairen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten rechnen. Mindestens 384 Zivilpersonen wurde 2017 vor Militärgerichten der Prozess gemacht (AI 23.5.2018).

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit und Immunität der Richter vor. Die Gerichte handelten in der Regel unabhängig, obwohl es einzelnen Gerichten manchmal an Unparteilichkeit fehlte und diese zu politisch motivierten Ergebnissen gelangten. Die Regierung respektierte in der Regel Gerichtsbeschlüsse. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus, und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für den Rechtsbeistand, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 13.3.2019).

Die ägyptische Justiz ist in Zivil- und Strafgerichte einerseits und Verwaltungsgerichte andererseits unterteilt. Jeweils höchste Instanz ist das Kassationsgericht bzw. das Hohe Verwaltungsgericht. Darüber hinaus existieren Sonder- und Militärgerichte. Seit 1969 ist das Oberste Verfassungsgericht das höchste Gericht. Obwohl die Gerichte in Ägypten - mit gewissen Einschränkungen - als relativ unabhängig gelten und sich Richter immer wieder offen gegen den Präsidenten stellten, gab es immer wieder Vorwürfe gegen Richter, Prozesse im Sinn des Regimes zu manipulieren. Solche Vorwürfe werden auch heute noch in Bezug auf die Prozessführung gegen die angeklagten Spitzen des alten Regimes sowie hohe Offiziere der Sicherheitskräfte erhoben. Das Mubarak-Regime bediente sich immer wieder der durch den Ausnahmezustand legitimierten Militärgerichte, um politische Urteile durchzusetzen. Auch nach der Revolution wurden zahlreiche Zivilisten vor Militärgerichten angeklagt (GIZ 12.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 1.7.2019

-AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf, Zugriff 1.7.2019

-AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte – Ägypten, https://www.amnesty.org/download/Documents/POL1067002018GERMAN.PDF, Zugriff 2.7.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2018): GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH: Ägypten - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/aegypten/geschichte-staat/, Zugriff 2.7.2019

-USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html, Zugriff 2.7.2019

1.4.6. Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

1.5. Zur Covid-19-Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 03.09.2020, 13:00 Uhr, 28.277 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 735 Todesfälle (https://info.gesundheitsministerium.at/dashboard_GenTod.html?l=de; Zugriff am 03.09.2020); in Ägypten wurden 99.280 Infektionen bestätigt, 5.461 Personen sind gestorben (vgl. https://www.worldometers.info/coronavirus/country/egypt/; Zugriff am 03.09.2020). Aufgrund des Umstandes, dass die Einwohnerzahl Ägyptens mehr als zehnmal so hoch ist wie jene Österreichs, liegt die Infektionsrate in Ägypten somit prozentual noch deutlich unter jener von Österreich.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80 % der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5 % der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf. Dass der Beschwerdeführer derzeit an einer COVID-19-Infektion leiden würde, wurde nicht vorgebracht. Bei jungen Menschen ohne Schwächung des Immunsystems verläuft eine Infektion mit COVID-19 zudem mit nur geringen Symptomen vergleichbar einer Grippe. Bei Personen in der Altersgruppe bis 49 Jahre, ist die Sterblichkeit sehr gering und liegt unter 1 %.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Volljährigkeit, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung.

Zu seiner beruflichen Tätigkeit gab der Beschwerdeführer stets an, dass er als Elektriker gearbeitet habe; allerdings hatte er vor der belangten Behörde und dem erkennenden Gericht behauptet, dass er sich die letzten Jahre vor seiner Ausreise versteckt gehalten habe und keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachgegangen sei. Dem widerspricht seine frühere Ehefrau, welche in der mündlichen Verhandlung angab, den Beschwerdeführer 2016 in Kairo besucht zu haben; er habe zu diesem Zeitpunkt bei seinen Eltern gewohnt und ein Elektrofachgeschäft besessen. Dies steht auch in Widerspruch dazu, dass der Beschwerdeführer angibt, dass seine Eltern Kairo 2010 verlassen hätten und zwar nachdem auf ihn geschossen worden sei.

Der Beschwerdeführer erklärte nach den Zeugenaussagen seiner früheren Ehefrau in der mündlichen Verhandlung, dass diese ihm nur schaden wolle und dass sie vor der belangten Behörde noch andere Aussagen getätigt hatte. Tatsächlich hatte sie bei der Einvernahme während aufrechter Ehe am 31.07.2019 erklärt, dass sie zwar nichts genaues über die Probleme ihres Ehemannes wisse, dass er aber vor der Ausreise bei ihrem Bruder gelebt habe. Dagegen erklärte sie nach Belehrung über die Strafbarkeit einer falschen Beweisaussage in der Verhandlung, dass der Beschwerdeführer bei ihrem Bruder nur auf Besuch gewesen sei und tatsächlich bei seinen Eltern in Kairo gewohnt habe. Das Bundesverwaltungsgericht geht, auch aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung, davon aus, dass die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers während der noch aufrechten Ehe – eventuell auch aus Angst vor ihrem Ehemann, gegen den im Juni 2019 ein Betretungsverbot ausgesprochen und aufgrund einer Auseinandersetzung zwischen den Eheleuten Anklage wegen Körperverletzung erhoben worden war - keine korrekten Angaben machte, dass sie aber nunmehr nach der Scheidung und vor Gericht die Wahrheit sagte.

Dass die Eltern des Beschwerdeführers, wie von ihm in der Verhandlung behauptet, 2010 Kairo verlassen hätten, steht im Übrigen auch im Gegensatz dazu, dass er am 16.07.2019 gegenüber der belangten Behörde behauptete, dass sein Vater das Elektrogeschäft noch immer weiterführe. Dem BFA erklärte er zudem, dass seine Familie auch keine Probleme wegen des Vorfalls habe. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Eltern des Beschwerdeführers noch immer in Kairo leben, dass die Familie ein Elektrogeschäft besitzt, das der Beschwerdeführer übernehmen könnte und dass er vor seiner Ausreise bei seinen Eltern in Kairo lebte und in dem Elektrogeschäft arbeitete.

Der Beschwerdeführer legte keine Identitätsnachweise vor; in der Erstbefragung gab er an, seinen Reisepass dem Schlepper gegeben zu haben, gegenüber dem BFA meinte er dagegen, er habe seinen Reisepass zerrissen. In der Verhandlung begründete er dies mit seiner Angst vor einer Abschiebung, daher habe er auch keinen neuen Reisepass bei der ägyptischen Botschaft beantragt. Aufgrund der erkennungsdienstlichen Behandlung konnten allerdings sein Visumsantrag und die dafür verwendeten Reisepassdaten eruiert werden.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich unbescholten ist, geht aus dem Auszug aus dem österreichischen Strafregister hervor.

Die Feststellung zu seinem Gesundheitszustand ergibt sich aus dem Umstand, dass er zu keinem Zeitpunkt – abgesehen von seiner Verletzung am Unterarm - eine gesundheitliche Beeinträchtigung vorbrachte. Auch in der Verhandlung bestätigte er, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen. Dass beim Beschwerdeführer der Nervus radialis durchtrennt und eine entsprechende Operation vorgenommen wurde, ergibt sich aus einem Bericht über einen Ambulanzbesuch des Beschwerdeführers am 06.05.2019 und dem Patientenbrief vom 01.10.2019. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer vor Jahren eine Schussverletzung erlitten hat und dass er leichte Beeinträchtigungen beim Durchstrecken des Armes hat, wie er in der Verhandlung angab.

Dass der Beschwerdeführer ab dem 17.02.2010 in Ägypten in Haft war, ergibt sich aus der von ihm vorgelegten Kopie einer Bestätigung der ägyptischen Staatsanwaltschaft, ausgestellt am 16.03.2017, welche vom Beschwerdeführer auch in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde. Der Beschwerdeführer meinte in der Verhandlung, dass die Echtheit des Dokuments durch die ägyptische Botschaft bestätigt werden könne; eine entsprechende Anfrage (etwa bei der Staatendokumentation im Wege eines Vertrauensanwaltes) konnte gegenständlich aber unterbleiben, da es für den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens nicht wesentlich ist, ob der Beschwerdeführer wegen eines Raubüberfalls (so der Inhalt des Dokuments) verurteilt wurde oder nicht. Die Echtheit des Dokuments und damit die Verurteilung des Beschwerdeführers in Ägypten wird daher als wahr angenommen, ohne einer weiteren (zeit- und kostenintensiven) Überprüfung unterzogen zu werden. Da das Schreiben der Staatsanwaltschaft in Handschrift verfasst ist und große Teile kaum zu lesen ist, war dem Schreiben nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Beschwerdeführer, wie von ihm angegeben, im Mai 2015 vorzeitig begnadigt und aus dem Gefängnis entlassen wurde (die Verurteilung war für sieben Jahre bis zum 17.02.2017 erfolgt). Nachdem er sich aber im Jahr 2016 in Kairo einen Ausweis ausstellen ließ und seine frühere Ehefrau persönlich kennenlernte, ist seine diesbezügliche Angabe plausibel und davon auszugehen, dass er sich seit Mai 2015 wieder auf freiem Fuß befand.

Die Eheschließung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der im Akt einliegenden Heiratsurkunde; seine Scheidung aus dem in der Verhandlung vorgelegten Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX 2020, Zl. XXXX .

Dass der Beschwerdeführer vor seiner - aufgrund der Visumsdaten glaubhaften – Einreise in die Europäische Union im November 2018 vergeblich versuchte, über einen bei der Österreichischen Botschaft in Kairo beantragten Einreisetitel in das Bundesgebiet zu kommen, ergibt sich aus den Angaben seiner früheren Ehefrau in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer selbst bestritt einen Antrag gestellt zu haben; gegenüber der belangten Behörde meinte er dazu, dass man für ihn bei der Botschaft nachgefragt habe, dass er einen Strafregisterauszug direkt von der Polizei an die Botschaft schicken lassen hätte müssen und einen Kurs beim Goethe Institut hätte machen müssen, welches in der Nähe des Ortes sei, an dem er angeschossen worden sei; dadurch hätte man erfahren, wo er sich aufhalten würde. Letztlich steht aber fest, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau ursprünglich das dafür vorgesehene Verfahren vor der Österreichischen Botschaft angestrebt hatten, dieses letztlich aber unterlassen wurde bzw. erfolglos blieb, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlte, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer hatte im Wesentlichen behauptet, aufgrund seiner Freundschaft zu einem anderen Christen, der eine Beziehung zu einer muslimischen Frau geführt habe, nach deren Verschwinden von der Familie der Frau im Jahr 2009 angeschossen worden zu sein, dann aufgrund der Intervention dieser Familie fünf Jahre unschuldig (wegen eines angeblichen Raubüberfalls) inhaftiert gewesen zu sein und schließlich nach seiner Entlassung aus der Haft im Mai 2015 wieder Opfer eines Schussattentats geworden zu sein, bei dem sein Freund getötet worden sei.

Dass der Beschwerdeführer vor einigen Jahren eine Schussverletzung im Unterarm erlitten hat und dass er von 17.02.2010 bis zu einer Begnadigung im Mai 2015 aufgrund einer Verurteilung wegen eines Raubüberfalls in Haft war, wird dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt. Allerdings geht das Bundesverwaltungsgericht aufgrund der folgenden Erwägungen davon aus, dass weder die Schussverletzung noch die Verurteilung unter den vom Beschwerdeführer dargelegten Umständen erfolgten:

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aufzeigte, unterscheidet sich der vom Beschwerdeführer in der Erstbefragung geschilderte Sachverhalt wesentlich von den in der Befragung durch das BFA dargelegten Ereignissen. Nachdem die Erstbefragung aber nicht der näheren Erörterung der Fluchtgründe dient, wird auf diese Widersprüche im Folgenden nicht näher eingegangen, sondern dargelegt, dass der Beschwerdeführer auch im weiteren Verlauf des Verfahrens zu keiner plausiblen und stringenten Schilderung der angeblich fluchtauslösenden Ereignisse in der Lage war.

Dies beginnt schon damit, dass die Umstände der Antragstellung gegen ein dringendes Schutzbedürfnis sprechen: Der Beschwerdeführer hielt sich einige Wochen in Österreich auf und stellte keinen Antrag auf internationalen Schutz. Erst nachdem er wegen des Verdachts eines Ladendiebstahls festgehalten wurde, holte er dies nach. Auf die späte Antragstellung angesprochen, meinte er in der Verhandlung, dass er vorher noch Zeit mit seiner Ehefrau habe verbringen wollen. Bei weiteren Nachfragen erklärte der Beschwerdeführer, dass er sich entschlossen habe, den Asylantrag zu stellen, als er gemerkt habe, dass seine Ehefrau ihm nicht finanziell helfen konnte. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen Reisepass zerstörte, spricht gegen ein bei ihm vorliegendes Schutzbedürfnis.

Zudem ist das in der Einvernahme am 16.07.2019 geschilderte Vorbringen für sich genommen nicht plausibel und stimmig: XXXX sei die Freundin seines Freundes XXXX gewesen und die Familie habe ihn und XXXX dafür verantwortlich gemacht, dass XXXX zum Christentum konvertiert sei. XXXX und XXXX seien verschwunden. Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, dass er im Jahr 2010 vom Sicherheitsdienst entführt und nach dem Verbleib von XXXX und XXXX gefragt worden sei. Danach sei er von der Familie des Mädchens namens XXXX angeschossen worden. Der Beschwerdeführer sei etwa 26 oder 27 Tage im Krankenhaus geblieben. Dann habe ihn die Polizei abgeholt, eine Woche angehalten und dann ins Gefängnis gebracht. Er hätte am 17.02.2017 entlassen werden sollten, sei wegen guter Führung aber im Mai 2015 entlassen worden. Etwa zehn Tage später sei auf ihn geschossen worden, allerdings ein Freund tödlich getroffen worden. Der Beschwerdeführer sei zum Haus seines Großvaters gelaufen. Sein Vater habe ihn telefonisch informiert, dass die Polizei ihn suchen würde. Der Beschwerdeführer sei dann von der Polizei mitgenommen worden und habe bis zum nächsten Tag seine Aussage gemacht. Am Abend sei dann wieder die Polizei gekommen und habe ihn nach dem Verbleib von XXXX und XXXX gefragt. Man könne ihm „auch etwa unterschieben“, so dass er zehn Jahre in Haft komme; man werde das aber nicht machen, damit er getötet werde. Der Beschwerdeführer habe sich dann für ein paar Stunden in ein Kloster begeben und sei dann aufgrund einer Initiative seines Vaters von einer Person abgeholt worden, bei der er die nächsten acht Monate verbracht habe. Danach habe er seine Ehefrau, die für zwei Monate in Ägypten gewesen sei, geheiratet und bei ihrem Bruder gelebt.

In dieser Einvernahme machte der Beschwerdeführer keine Angaben zum angeblichen Verschwinden der zwei Personen (wobei er in der Erstbefragung ohnehin nur vom Verschwinden einer Kollegin gesprochen hatte); es ist unklar, warum die beiden verschwunden sind bzw. warum ihm die Schuld daran gegeben werden sollte. Während er zum BFA sagte, die Familie habe ihn angerufen und mit dem Tod bedroht, wenn er nicht sagen würde, wo sich XXXX und XXXX befinden würden, meinte er dann in der Verhandlung, die Familie gebe ihm gar nicht die Schuld am Verschwinden von XXXX , sondern daran, dass diese zum Christentum konvertiert sei. Zugleich war er in der Verhandlung gar nicht in der Lage anzugeben, ob XXXX tatsächlich konvertiert sei, während er der belangten Behörde noch erklärt hatte, sie sei konvertiert. Auch war die einzige Verbindung des Beschwerdeführers zu ihr, dass er sie gemeinsam mit seinem Freund XXXX morgens mit dem Auto zur Arbeit mitgenommen haben will. Insgesamt blieb das ganze Vorbringen rund um den Grund für die Verfolgung seiner Person durch die Familie von XXXX sehr vage und oberflächlich.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch zu Recht darlegte, betonte der Beschwerdeführer immer wieder, dass die Familie von XXXX einen starken Einfluss auf die ägyptische Polizei habe und dass er daher dort keinen Schutz zu erwarten habe bzw. von der Polizei selbst bedroht worden sei. Dies lässt sich aber nicht damit vereinbaren, dass der Beschwerdeführer wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen worden sei; ebenso wenig damit, dass der Beschwerdeführer – im Versuch, sein Vorbringen mit den Aussagen in der Erstbefragung (als er seine eigene Inhaftierung verschwieg, sondern im Gegenteil davon sprach, dass der Bruder XXXX , der ihn angeschossen habe, für fünf Jahre inhaftiert worden sei) in Einklang zu bringen – auf entsprechende Nachfrage des BFA angab, dass ein Mitglied der Familie zu fünf Jahren Haft verurteilt worden sei, weil man bei ihm eine Pistole gefunden habe. Der vom Beschwerdeführer behauptete Einfluss der Familie bei den Sicherheitsbehörden wurde daher nicht plausibel gemacht.

Das BFA legte im angefochtenen Bescheid auch anschaulich dar, dass der Beschwerdeführer seine angebliche Furcht vor Verfolgung in den letzten Jahren seiner Ausreise nicht glaubhaft machen konnte: Der Beschwerdeführer versuchte zwar den Eindruck zu erwecken, dass er sich nach dem angeblichen Schusswechsel, der seinem Freund das Leben gekostet habe, bei einem Bekannten des Vaters und dann beim Bruder seiner Ehefrau versteckt habe. Gegen diese Darstellung spricht, dass sich der Beschwerdeführer am XXXX 2016 einen Personalausweis ausstellen ließ, dass er am XXXX .2016 standesamtlich heiratete, dass er eine Hochzeitsreise nach Hurghada unternahm, wie seine Ehefrau vor dem BFA angab, und dass er sich am XXXX .2018 einen Reisepass ausstellen ließ. Der Beschwerdeführer hielt sich daher vor den Behörden seines Heimatlandes keineswegs versteckt, sondern nahm deren Dienste wiederholt in Anspruch. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer, wie in der Beschwerde behauptet, von den ägyptischen Behörden keine Hilfe zu erwarten hätte.

In der Beschwerde wurde diesen dargelegten Widersprüchen nicht entgegengetreten, sondern taten sich vielmehr neue auf: In der Beschwerde fasste der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund nämlich folgendermaßen zusammen: „Der Beschwerdeführer führte in seiner Einvernahme vor der Erstbehörde aus, dass eine Kollegin aus der Firma, in der er arbeitet, verschleppt worden war. Die Brüder der Verschleppten entführten den Beschwerdeführer, folterten ihn und forderten (gemeint wohl: ihn) unter Gewalt auf, den Ort der Frau bekanntzugeben. Der Beschwerdeführer wandte sich auch an die Polizei und machte gegen die Brüder eine Anzeige. Er wurde für fünf Jahre inhaftiert und nach der Haftentlassung vom Bruder der Verschleppten angeschossen. Trotz der Verletzung wurde der Beschwerdeführer nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus von der Polizei für fünf Tage festgehalten.“ Hier ist daher wieder nur die Rede von der entführten Kollegin, wie in der Erstbefragung. Ganz anders als vor dem BFA wird in der Beschwerde auch wieder (wie in der Erstbefragung) behauptet, dass der Beschwerdeführer von den Brüdern der entführten Kollegin (und nicht vom Sicherheitsdienst) entführt worden sei. In der Beschwerde wurde zudem, im Gegensatz zu den Aussagen vor der belangten Behörde, behauptet, dass der Beschwerdeführer nach seiner Haft angeschossen worden sei. Insgesamt widerspricht der Beschwerdeführer daher mit seinem Beschwerdevorbringen seinen Aussagen vor der belangten Behörde vollkommen.

Vom Beschwerdeführer wurde dann in weiterer Folge ein Schreiben der ägyptischen Staatsanwaltschaft vorgelegt, das am 16.03.2017 ausgestellt wurde; diesem ist im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen (die folgende deutsche Übersetzung wurde vom Beschwerdeführer vorgelegt): „Am 24.01.2009 wurde obige Person wegen Diebstahl, Raubüberfall, Schläge und Tragen einer weißen Waffe (Messer) im Kreis Al-Qanatir al-Khayriyah, Provinz Qaliubiya, verdächtigt. Es wurde eine Verhandlung am 07.07.2009 durchgeführt. In der Verhandlung vom 22. Dezember 2010 wurde in Anwesenheit des Angeklagten eine Höchststrafe von sieben Jahren ausgesprochen und die Strafkosten sind zu tragen. Der Angeklagte wurde am 17.02.2010 festgenommen und am 17.02.2017 entlassen. Am 26.01.2011 hat der Vertreter des Angeklagten Berufung gegen das Urteil, zwecks dessen Entlassung von Gefängnis am 20.02.2011, Einspruch erhoben. Am 20.09.2012 hat das Berufungsgericht die formelle Berufung angenommen, aber in der Verhandlung vom 15.04.2012, hat das Berufungsgericht mit Beschluss Nr. XX diese Angelegenheit abgewiesen. Am 03.03.2015 wurde ein Beschluss über die Entlassung mit Bedingung laut beiliegenden Papieren erlassen, aber in der Verhandlung vom 04.03.2015 hat das Gericht über den anwesenden Angeklagten, die vorherigen Urteile bestätigt.“

Dieses Schreiben der ägyptischen Staatsanwaltschaft vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers aber nicht zu stärken. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer wegen der Begehung eines bewaffneten Raubüberfalls zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Während der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung nach der wohl relativ spontan erfolgten Asylantragstellung am 22.01.2019 eine Inhaftierung seiner Person noch mit keinem Wort erwähnte, versuchte er in den späteren Einvernahmen offenbar, eine Fluchtgeschichte rund um seine Inhaftierung zu erfinden. Dass man in dieses Strafurteil einfach seinen Namen eingesetzt habe und die darin angeführten Verhandlungen (am 07.07.2009 und am 22.12.2010) ohne ihn stattgefunden haben sollen, erscheint wenig plausibel; auch wenn sich aus den Länderberichten ergibt, dass die Unabhängigkeit der Justiz vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt ist und es zu willkürlichen Verhaftungen kommt, ist es wenig wahrscheinlich, dass man einen Fall aus einer anderen Provinz heranzieht, der schon verhandelt wurde (die erste Verhandlung hätte nach dem Schreiben der Staatsanwaltschaft ja schon im Juli 2009 stattgefunden, während das Verschwinden des muslimischen Mädchens erst im November 2010 stattgefunden haben soll) und diesen dann plötzlich dem Beschwerdeführer „unterschiebt“.

Weitere Widersprüche traten in der mündlichen Verhandlung zu Tage, welche die Schlussfolgerung der belangten Behörde, dass das Fluchtvorbringen nicht der Wahrheit entspricht, als einzig denkmögliche zulässt: So hatte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde erklärt, dass er 2009 von zwei Männern auf einem Motorrad angeschossen worden sei, während er in der Verhandlung erklärte, nicht gesehen zu haben, wer geschossen habe. Ungeklärt ist auch der Widerspruch, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerde erklärte, von den Brüdern XXXX entführt und gefoltert worden zu sein, was zwar dem Vorbringen der Erstbefragung entspricht, zu seinen sonstigen Aussagen aber in vollkommenen Widerspruch steht. Aufgrund der Zeugenaussage seiner früheren Ehefrau in der Verhandlung steht zudem fest, dass er sich entgegen seinen Aussagen nicht die letzten Jahre vor seiner Ausreise versteckt gehalten hat.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführers nicht von der Familie eines muslimischen Mädchens, dem unterstellt wurde, zum koptischen Glauben übergetreten zu sein, verfolgt wurde.

Vorgelegt wurden im Verfahren auch medizinische Befunde, die belegen, dass beim Beschwerdeführer ein Nerv im Unterarm durchtrennt worden war. Dies spricht dafür, dass der Beschwerdeführer tatsächlich einmal angeschossen wurde. Dadurch wird aber nicht belegt, dass dies unter den vom Beschwerdeführer (im Übrigen widersprüchlich) geschilderten Umstände erfolgt ist. So könnte der Beschwerdeführer ja auch von den Sicherheitsbehörden im Zuge eines Fluchtversuchs nach der Begehung einer Straftat angeschossen worden sein.

Eine Verfolgung wegen seiner koptischen Glaubensrichtung wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet, ebenso verneinte der Beschwerdeführer in der Verhandlung ausdrücklich, dass er von den ägyptischen Behörden verfolgt werde.

Zusammengefasst kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Schluss, dass der Beschwerdeführer Ägypten nicht aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat.

2.3. Zur Rückkehrsituation:

Der Beschwerdeführer verfügt über ein familiäres Netzwerk, welches ihn in den Anfängen unterstützen kann. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer wieder in den Kreis seiner in Kairo ansässigen Familie zurückkehren kann.

Der Beschwerdeführer hat eine Berufsausbildung und auch Berufserfahrung; er ist erwerbsfähig und gesund. Seine Familie führt ein Elektrogeschäft in Kairo. Daraus leitet sich die Feststellung zur Sicherung seiner Existenz und Grundversorgung im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten ab.

In der mündlichen Verhandlung wurde von Seiten der Rechtsvertretung argumentiert, dass der Beschwerdeführer sich vor seiner Abreise in einer schwierigen finanziellen Situation befunden habe, dass er bereits seit 2009 nicht mehr gearbeitet habe und seine Eltern alt seien. Wie bereits ausgeführt, führt sein Vater aber noch ein Elektrogeschäft und war der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise sehr wohl noch im Erwerbsleben aktiv. Soweit auf eine Diskriminierung von Kopten hingewiesen wird, reicht dies nicht aus, um eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers nachzuweisen, zumal er in das Familienunternehmen zurückkehren könnte. Seine Verletzung am Arm stellt keine besondere Behinderung im Erwerbsleben dar, war er doch auch während seines Asylverfahrens für die ORS aktiv und gab er auch in der Verhandlung an, in Österreich als Elektriker arbeiten zu wollen. Von der Rechtsvertretung wurde auch auf die allgemeine Bedrohung durch terroristische Aktivitäten in Ägypten verwiesen, doch ergibt sich aus den Länderberichten keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer Opfer eines Anschlages werden sollte.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Ägypten:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für Ägypten samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland weder in seiner Einvernahme noch in seiner Beschwerde oder während der mündlichen Verhandlung substantiiert entgegen. In der Verhandlung führte er nur an, dass er mit Ägypten nichts mehr zu tun haben wolle. Von der Rechtsvertretung wurde auf die unter Punkt 1.4.1. und 1.4.4. zitierten Kapitel des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für Ägypten verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Der Beschwerdeführer brachte eine Verfolgung gegen seine Person nicht glaubhaft vor. Sein Vorbringen, dass er von einer Familie, die ihn für das Verschwinden eines Mädchens bzw. dessen Konversion verantwortlich gemacht hätte, verfolgt worden wäre, ist nicht glaubhaft, ebenso wenig dass er aufgrund einer Intervention dieser Familie ungerechtfertigt jahrelang inhaftiert war. Eine Verfolgung durch die ägyptischen Behörden oder wegen seines koptischen Glaubens wurde nicht geltend gemacht und ergibt sich eine solche auch nicht aus dem Akteninhalt bzw. den Länderberichten zu Ägypten.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht und die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen ist.

3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Der Beschwerdef

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten