TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/5 I413 2232994-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2020
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Entscheidungsdatum

05.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §40

Spruch

I413 2232994-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) Landesstelle Tirol vom 03.06.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit angefochtenen Bescheid vom 03.06.2020 entschied die belangte Behörde wie folgt:
„1. Sie unterlagen aufgrund Ihrer Vortragstätigkeit im Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2017 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG idgF sowie der Unfallversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 3a ASVG idgF. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2017 lagen gemäß §§ 4, 5 GSVG nicht vor.         
2. Die endgültigen monatlichen Beitragsgrundlagen nach dem GSVG betrafen im Jahr 2013 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 469,51 und in der Krankenversicherung mtl. EUR 447,88.
3. Die monatlichen Beiträge nach dem GSVG betragen im Jahr 2013 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 86,86, in der Krankenversicherung mtl. EUR 34,26, in der Unfallversicherung mtl. EUR 8,48 sowie in der Selbständigenvorsorge mtl. EUR 6,85. Es ist ein monatlicher Beitragszuschlag in Höhe von mtl. EUR 11,27 zu entrichten.         
4. Die endgültigen monatlichen Beitragsgrundlagen nach dem GSVG betragen im Jahr 2014 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 764,40 und in der Krankenversicherung mtl. EUR 240,31.
5. Die monatlichen Beiträge nach dem GSVG betragen im Jahr 2014 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 141,41, in der Krankenversicherung mtl. EUR 18,38, in der Unfallversicherung mtl. EUR 8,67 sowie in der Selbständigenvorsorge mtl. EUR 3,68. Es ist ein monatlicher Beitragszuschlag in Höhe von mtl. EUR 14,86 zu entrichten.         
6. Die endgültigen monatlichen Beitragsgrundlagen nach dem GSVG betragen im Jahr 2015 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 993,35 und in der Krankenversicherung mtl. EUR 7,16.
7. Die monatlichen Beiträge nach dem GSVG betragen im Jahr 2015 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 183,77, in der Krankenversicherung mtl. EUR 0,55, in der Unfallversicherung mtl. EUR 8,90 und in der Selbständigenvorsorge mtl. EUR 0,11. Es ist ein monatlicher Beitragszuschlag in Höhe von mtl. EUR 17,14 zu entrichten.          
8. Die endgültigen monatlichen Beitragsgrundlagen nach dem GSVG betragen im Jahr 2016 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 1.244,65 und in der Krankenversicherung mtl. EUR 128,38.
9. Die monatlichen Beiträge nach dem GSVG betragen im Jahr 2016 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 230,26, in der Krankenversicherung mtl. EUR 9,82, in der Unfallversicherung mtl. EUR 9,11 und in der Selbständigenvorsorge mtl. EUR 1,96. Es ist ein monatlicher Beitragszuschlag in Höhe von mtl. EUR 22,32 zu entrichten.          
10. Die endgültigen monatlichen Beitragsgrundlagen nach dem GSVG betragen im Jahr 2017 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 1.181,82 und in der Krankenversicherung mtl. EUR 196,33.
11. Die monatlichen Beiträge nach dem GSVG betragen im Jahr 2017 in der Pensionsversicherung mtl. EUR 218,64, in der Krankenversicherung mtl. EUR 15,02, in der Unfallversicherung mtl. EUR 9,33 und in der Selbständigenvorsorge mtl. EUR 3,00. Es ist ein monatlicher Beitragszuschlag in Höhe von mtl. EUR 21,73 zu entrichten.“

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 03.07.2020 (eingegangen am 06.07.2020).

3. Die belangte Behörde legte mit Schriftsatz vom 15.07.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 16.07.2020, die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt vor und brachte vor, dass der Bescheid laut RSb-Rückschein am 05.06.2020 übernommen worden sei. Die belangte Behörde beantragte die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen. Ferner erstattete die belangte Behörde auch inhaltlich zur Beschwerde eine Stellungnahme und beantragte das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.

4. Mit Schreiben vom 17.07.2020 teilte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerdeführerin mit, dass der RSb-Rückschein der angefochtene Bescheid am 05.06.2020 übernommen worden sei. Im Hinblick darauf, dass die Beschwerde am 06.07.2020 persönlich überbracht worden sei, stelle sich die Beschwerde als verspätet dar.

5. Fristgericht erstattete die Beschwerdeführerin zum Verspätungsvorhalt eine Stellungnahme, in der die Beschwerdeführerin ausführte, dass der Bescheid nicht im Sinne des § 26a Z 1 ZustG in der Fassung des 12. COVID-19-Gesetzes zugestellt worden sei und daher Zustellmangel vorliege, weshalb die, am 06.07.2020 der belangten Behörde vorgelegte Beschwerde als rechtzeitig anzusehen sei.

6. Mit Schreiben vom 20.08.2020 legte die belangte Behörde noch die Korrespondenz mit der österreichischen Post AG und den berichtigten Rückschein vor.

6. Am 06.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der in Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird der Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden nachstehende Feststellungen getroffen.

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist ausgebildete Rechtsanwältin und war im Zeitraum 01.08.2008 bis 31.12.2010 in der Liste der Rechtsanwälte in Tirol eingetragen. Die Beschwerdeführerin ist seit 01.01.2011 als Richterin am Landesgericht Innsbruck tätig. Bereits während ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin führte die Beschwerdeführerin Vorträge bzw. Seminare für Rechtsanwaltsanwärter für die Vorbereitung zur Rechtsanwaltsprüfung durch. Diese Tätigkeit übte die Beschwerdeführerin in weiterer Folge neben ihrer Nebentätigkeit als Richterin weiter als Nebenbeschäftigung im Sinne des § 63 RStDG aus.

Im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2017 führte die Beschwerdeführerin neben ihrer Tätigkeit als Richterin Vorträge und Seminare für Rechtsanwaltsanwärter zur Vorbereitung zur Rechtsanwaltsprüfung gegen Entgelt durch.

Am 31.07.2009 gab die Beschwerdeführerin eine Versicherungserklärung gegenüber der belangten Behörde ab, derzufolge sie als Rechtsanwältin von der Möglichkeit gebraucht gemacht habe, bei der XXXX Personenversicherung AG eine Gruppen-Krankenversicherung abgeschlossen habe. In der Versicherungserklärung teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde auch mit, dass die Postzustellung an ihre Betriebsadresse gewünscht sei.

Am 31.12.2010 beendete die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin, wobei sie dieses Ende der Tätigkeit als Selbständige der belangten Behörde nicht mitteilte und auch nicht meldete, dass sie nicht mehr an der Adresse ihrer früheren Rechtsanwaltskanzlei postalisch zu erreichen sei.

Aufgrund einer durch die belangte Behörde in allen Bundesländern durchgeführte Nachfrage bei den Rechtsanwaltskammern betreffend Rechtsanwälte, die nicht im Sinne des Opting-Out in die Gruppen-Krankenversicherung der Rechtsanwälte gewechselt hatten, erhielt die belangte Behörde davon Kenntnis, dass die Beschwerdeführerin seit 01.01.2011 nicht mehr als Rechtsanwältin tätig ist.

Mit Vorschreibung vom 26.10.2019 schrieb die belangte Behörde auf Basis des am 23.04.2015 eingelangten Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2013 eine Beitragsnachverrechnung für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2017 betreffend die selbständige Tätigkeit der Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum vor.

Die Beschwerdeführerin erzielte im Jahr 2015 Einkünfte aus selbständige Arbeit in Höhe von EUR 5.634,12, im Jahr 2014 EUR 9.172,76, im Jahr 2015 EUR 11.920,14, im Jahr 2016 EUR 14.935,85 und im Jahr 2017 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von EUR 14.181,84. Die Beschwerdeführerin erwirtschaftete in all diesen Jahren Einkünfte aus selbständiger Arbeit, welche die Versicherungsgrenze im jeweiligen Jahr überstiegen.

Die Vorschreibung und Zahlungserinnerung ging an die gegenüber der belangten Behörde in der Versicherungserklärung vom 31.07.2009 bekanntgegebenen Adresse in der XXXX -Straße in Innsbruck, an die vormalige Kanzleiadresse. Erst die Saldenbestätigung vom 05.02.2020 erging an die Wohnadresse der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin gab zu keiner Zeit gegenüber der belangten Behörde bekannt, dass voraussichtlich die Einkünfte aus selbständiger Arbeit die Versicherungsgrenze im jeweiligen Jahr übersteigen würden.

Der angefochtene Bescheid wurde vom zuständigen Zusteller der österreichischen Post AG am 05.06.2020 kontaktlos im Postfach der Beschwerdeführerin an ihrer Wohnadresse hinterlegt. Die Beschwerdeführerin wurde weder schriftlich, noch mündlich oder telefonisch durch den Zusteller von der Zustellung verständigt. Der Zusteller vergewisserte sich nicht, ob die Beschwerdeführerin an der Abgabestelle anwesend war. Weiters beurkundete der Zusteller am Zustellnachweis weder die Form der Verständigung von der Zustellung, noch die Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war.

2. Beweiswürdigung:

Die Angaben zur Person der Beschwerdeführerin, zu ihrem beruflichen Werdegang und zu ihrer Nebenbeschäftigung ergeben sich zweifelsfrei aus dem Verwaltungsakt und aus den glaubhaften Angaben durch die Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.10.2020. Dass die Beschwerdeführerin eine Nebentätigkeit bereits als Rechtsanwältin aufgenommen hatte und diese als Richterin weiter fortsetzte, nämlich Vorträge und Seminare für Rechtsanwaltsanwärter zur Vorbereitung auf die Rechtsanwaltsprüfung zu halten, steht aufgrund der glaubhaften Aussage der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2020 aufgrund des Verwaltungsaktes zweifelsfrei fest und ist unstrittig.

Die Feststellungen zur Höhe der erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit in den Jahren 2013 bis 2017 ergeben sich zweifelsfrei aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Meldungen seitens des Finanzamtes Innsbruck für die Jahre 2013 bis einschließlich 2017 (AS 48 bis 52). Es werden diese auch der Höhe nach durch die Beschwerdeführerin nicht bestritten und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 06.10.2020 bestätigt. Dass die Beschwerdeführerin eine Versicherungserklärung am 31.07.2009 ausgefüllt und der belangten Behörde übermittelt hat, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Versicherungserklärung (AS 7), in welcher die selbständige Erwerbstätigkeit „Rechtsanwalt seit 01.08.2008“ bezeichnet wird. In dieser Sozialversicherungserklärung ist auch angegeben, dass die Postzustellung an die Betriebsanschrift gewünscht ist. Dieser Versicherungserklärung ist auch eine ab 01.08.2008, 00:00 Uhr, gültig Polizze mit der Hauptfälligkeit 01. Jänner beigeschlossen, wonach die XXXX Personenversicherung AG auf Grundlage des Antrages den Versicherungsschutz nach Maßgabe des Gruppen-Krankenversicherungs-Vertrages, der Tarifbestimmungen und der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Beschwerdeführerin übernommen hat (AS 5). Hieraus geht zweifelsfrei hervor, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2008 die Rechtsanwälten freistehende Möglichkeit des sog. Opting-Out aus dem Sozialversicherungssystem durch Abschluss einer gleichwertigen privaten Krankenversicherung entsprechend dem Gruppen-Krankenversicherungs-Vertrag für Rechtsanwälte nutzte. Aus diesem Zusammenhang ist auch evident, dass dieses sog Opting-Out nur solange gelten kann, als die Beschwerdeführerin auch als Rechtsanwältin in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen war.

Dass die Beschwerdeführerin seit 01.01.2011 als Richterin am Landesgericht Innsbruck tätig ist, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage der Beschwerdeführerin am 06.10.2020 sowie aus dem im Akt einliegenden Einkommensteuernachweisen, welche für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus selbständiger Arbeit aufweist.

Dass die zuständigen Einkünfte aus der Nebenbeschäftigung die jeweilige Versicherungsgrenze, die im jeweiligen Jahr galt, überstiegen hat, ergibt sich aus der Höhe in den AS 48 bis 52 ausgewiesenen Einkünften aus selbständiger Arbeit im Verhältnis zu dem jeweiligen Jahr geltenden Versicherungsgrenze (diese betrug 2013 EUR 4.641,60 p.A., 2014 EUR 4.743,72 p.A, 2015 EUR 4.871,76 p.A., 2016 EUR 4.988,64 p.A. und 2017 EUR 5.108,40.)

Dass die Beschwerdeführerin ihre geänderte Adresse in Folge der Niederlegung ihrer Rechtsanwaltstätigkeit der belangten Behörde nicht zur Kenntnis gebracht hat, ergibt aus der glaubhaften Aussage der Beschwerdeführerin vom 06.10.2020.

Dass die belangte Behörde erstmals aufgrund des im Verwaltungsakt einliegenden Schreiben der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 24.06.2019 darüber Kenntnis erhielt, dass die Beschwerdeführerin vom 01.08.2008 bis zum 31.12.2010 in die Liste der Rechtsanwälte der Tiroler Rechtsanwaltskammer war, ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Schreiben der Tiroler Rechtsanwaltskammer (AS 13). Dass die belangte Behörde erst an diesem Datum von der Beendigung von der Rechtsanwaltstätigkeit der Beschwerdeführerin erstmals Kenntnis erlangte, scheint glaubhaft, zumal die belangte Behörde aus den vom Bundesrechnungszentrum übermittelten Einkunftsdaten lediglich die Einkunftsart, Einkommen und verschiedene Daten zu Bescheid und Erstellung zum Bemessungsjahr enthält. Wie diese dargestellten Einkunftsarten tatsächlich erwirtschaftet wurden, geht aus diesen Meldungen nicht hervor. Der belangten Behörde lag die Versicherungserklärung vom 31.07.2009 vor, wonach die Beschwerdeführerin Rechtsanwältin sei und in welcher auch ausdrücklich gewünscht wurde, dass als Postanschrift die Kanzleiadresse zu verwenden sei. Die Beschwerdeführerin teilt selbst mit, dass sie die Beendigung der Rechtsanwaltstätigkeit und auch die Adressänderung der belangten Behörde nicht bekanntgegeben hat. Es ist auch nachvollziehbar und glaubhaft, wenn die belangte Behörde angibt, dass sie aufgrund der Vielzahl von Akten nicht in Einzelfall Nachforschungen nachgeht, wenn zusätzlich zur selbständigen Tätigkeit auch Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit hervorgehen. Dies ist deshalb auch glaubhaft, da es eine gerichtsbekannte Tatsache ist, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Selbstständige auch nicht selbständige Tätigkeiten ausüben und es so zu einem „Splitting“ der jährlichen Einkommen kommt. Glaubhaft ist es auch, dass die belangte Behörde dann tätig werden würde, wenn im umgekehrten Fall erstmals neben einer unselbständigen Tätigkeit eine selbständige Tätigkeit gemeldet würde, zumal der Umstand der Erwirtschaftung aus selbständiger Tätigkeit wesentliche Anknüpfungsmoment für den Eintritt der Versicherungspflicht nach dem GSVG ist.

Die Feststellungen zur Zustellung der Vorschreibung, der Zahlungserinnerung und auch weiterer Unterlagen an die ehemalige Kanzleiadresse der Beschwerdeführerin geht eindeutig aus den vorgelegten Urkunden hervor.

Die Feststellungen zur Zustellung des bekämpften Bescheides ergeben sich unzweifelhaft aus dem vorgelegten Rückschein (Beilage ./A), aus den weiteren „Verständigung“-Rückschein sowie aus den glaubhaften Aussagen des Zustellers im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.10.2020. Der Zusteller teilte im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst mit, dass er das Schriftstück lediglich in das Postfach der Beschwerdeführerin an ihrer Wohnadresse hinterlegt hatte, ohne weitere Schritte, wie sie gesetzlich vorgesehen sind, wahrzunehmen. Insbesondere erkundigte er sich nicht, ob die Beschwerdeführerin ortsabwesend sei und verständigte auch nicht die Beschwerdeführerin bzw. eine in ihrem Haushalt lebende Person von der Hinterlegung des Schriftstückes, wie es zB über das Anläuten über die Gegensprechanlage der über die Sprechanlagen möglichen Mitteilung, dass ein RSb-Brief im Postfach einliege, möglich gewesen wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

I. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde.

3.1. Gemäß § 26a ZustellG, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 42/2020, gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis von einer Verwaltungsbehörde zu übermittelnde Dokumente folgende Erleichterungen:  
„1. Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird, die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem die Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.          
2. Ist das Dokument anderen Personen als dem Empfänger zuzustellen oder kann es diesem zugestellt werden (§ 13 Abs. 1 2. Satz und Abs. 2 bis 4 und §§ 14 bis 16), ist Z 1 sinngemäß anzuwenden.         
3. Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, sind vom Zusteller auf den Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden; § 22 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. § 22 Abs. 4 ist mit folgenden Maßgaben anzuwenden:          
a) Die elektronische Beurkundung hat anstatt durch den Übernehmer durch den Zusteller zu erfolgen.          
b) Die Beurkundung der Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls derer Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, kann, wenn sie aus technischen Gründen nicht auf dem Zustellnachweis elektronisch erfolgen, auf anderer elektronischer Weise folgen; auch diese Daten sind dem Absender unverzüglich zu übermitteln“.

Diesem im § 26a ZustellG nominierten Zustellvorgang hat der Zusteller nicht entsprochen. Er hinterlegte einfach den RSb versendeten angefochtenen Bescheid im Brieffach der Beschwerdeführerin, ohne diese von der Zustellung zu verständigen. Dass eine Gefährdung der Gesundheit des Zustellers durch eine solche Verständigung, welche z.B. über die Sprechanlage eines Mehrparteienhauses ohne weiteres ohne direkten Kontakt möglich gewesen wäre, überhaupt denkbar gewesen wäre, ist im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Es ist somit von keiner Gesundheitsgefährdung des Zustellers durch eine solche Verständigung auszugehen. Es ist auch keine Beurkundung im Sinne des § 26a Z 3 ZustellG erfolgt.

Damit erweist sich die Zustellung des angefochtenen Bescheides als mangelhaft und ist der Angabe der Beschwerdeführerin, sie hätte den angefochtenen Bescheid erst am 08.06.2020 erhalten, nicht entgegen zu treten. Aus diesem Grund- im Zweifel – von der Rechtzeitigkeit der Beschwerde, welche am 06.07.2020 der belangten Behörde persönlich übergeben wurde, was gerechnet vom 08.06.2020 der letzte Tag wäre, auszugehen.

3.2. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG sind selbständige erwerbstätige Personen, die aufgrund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit und/oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Sinne der § 22 Z 1 bis 3 und Z 5 und(oder) § 23 EStG 1988 erzielen, wenn aufgrund dieser betrieblichen Tätigkeiten nicht bereits Pflichtversicherung nach einem anderen oder nach diesem Bundesgesetz eingetragen ist, in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert.

Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit knüpft hierbei an den Betriebsbegriff im Sinne einkommenssteuerrechtlicher Regelung an. Der Betrieb wird mit der Herstellung der entsprechenden Strukturen begründet und besteht nach Versicherten solange, bis die wesentlichen Grundlagen dieser Struktur entweder entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden oder diese Struktur zerschlagen werden (Betriebsaufgabe bzw. Liquidation). Bloß zeitweises Nichttätigsein ist keine Beendigung, wenn noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden (vgl. dazu Scheiber in Sonntag, GSVG, 9. Aufl., 2020 § 2 Rz 61). In diesem Sinne ist die Vortragstätigkeit der Beschwerdeführerin als betriebliche Tätigkeit einzustufen. Dass die Beschwerdeführerin nicht jeden Monat Kurse abhält, es also zwischen den einzelnen Vorträgen und Seminaren Perioden gibt, in denen sie diese Tätigkeit nachgeht, steht der betrieblichen Tätigkeit im Sinne des GSVG nicht entgegen. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin als Richterin eine Nebenbeschäftigung im Sinne des § 63 RStDG ausübt, entbindet die Beschwerdeführerin nicht von der Pflichtversicherung nach dem GSVG. Es ist im österreichischen Sozialversicherungsrecht nicht fremd, dass eine Person mehrfach versichert ist. Diese Doppel- und/oder Mehrfachversicherung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich (VfSg 4714/1964, 4801/1964, 6181/1970, 14802/1997 sowie B 869/03). Mit der Aufnahme der betrieblichen Tätigkeit beginnt an diesem Tag die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung. Hat allerdings der Versicherte die Meldung nicht innerhalb der Frist gemäß § 18 GSVG von einem Monat nach dem Eintritt der Voraussetzungen für Beginn und Ende der Pflichtversicherung dem Versicherungsträger gemeldet, beginnt die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung mit Beginn des Kalenderjahres, in dem die Beitragsgrundlage die Grenzen des § 25 Abs. 4 Z 2 GSVG übersteigt, es sei denn, der Versicherte macht glaubhaft, dass er die betriebliche Tätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt begonnen hat (§ 6 Abs. 4 Z 1 GSVG). Die Pflichtversicherung endet – sofern die für die Versicherungspflicht maßgebenden Einkommensgrenzen weiterhin überschritten werden – frühestens mit dem letzten des Kalendermonats, indem die Beendigung der betrieblichen Tätigkeit erfolgt. Aus dem ganzjährigen Betrieb des Unternehmens ergibt sich, dass im Einkommensteuerbescheid binnen festgestellte betriebliche Tätigkeit im gesamten Kalenderjahr ausgeübt wurde, sodass die Pflichtversicherung für das gesamte Jahr festgestellt wurde.

Dass die Beschwerdeführerin in einigen Monaten keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erwirtschaftet hat, steht dem nicht entgegen, weil die betriebliche Tätigkeit über das ganze Jahr durchgehend ausgeübt wurde, zumal noch weitere betriebliche Tätigkeiten beabsichtigt werden. Auch der Umstand, dass die Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit stark schwanken und je nach Auftragslage auch in manchen Monaten mit Null zu beziffern sind, ergibt sich aus der Natur der selbständigen Tätigkeit, welche eben gerade im Gegensatz zu Einkünften aus unselbständigen Tätigkeit gerade nicht fortlaufend und gleichbleibend sind. Daher besteht kein Zweifel, dass die Vortragstätigkeit der beschwerdeführenden Partei nicht auf bloß wenige Wochen oder Tage zu beschränken war, sondern jeweils für das gesamte Jahr entsprechend den Meldungen seitens des Finanzamtes zu bemessen war.

3.3. Nach § 40 Abs. 1 GSVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen von drei Jahren von Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Meldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffenen Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, indem der Zahlungspflichtige hiervon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen abhängig ist.

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin es unterlassen, die Beendigung ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin, welche zur gesamten Ausklammerung der Einkünfte selbständiger Tätigkeit durch die belangte Behörde geführt hat, weil sie diese Einkünfte der Rechtsanwaltstätigkeit zugeordnet hatte und aufgrund des erfolgten Opting-Out in der Krankenversicherung für die belangte Behörde keine Veranlassung bestand, diese Einkünfte in die Pflichtversicherung einzubeziehen.

§ 18 GSVG verpflichtet allerdings Pflichtversicherte den Eintritt der Voraussetzungen für den Beginn und das Ende der Pflichtversicherung binnen einen Monat nach deren Eintritt dem Versicherungsträger zu melden. Die Beschwerdeführerin wäre daher verpflichtet gewesen, nach Beendigung der Rechtsanwaltstätigkeit und dem hierdurch bedingten Wegfall des erfolgten Opting-Out in die Gruppenversicherung bei der XXXX Personenversicherung AG, welche nämlich an die Rechtsanwaltstätigkeit geknüpft war, diesen Umstand der belangten Behörde zu melden. Da die belangte Behörde keine Nachforschungspflicht trifft, von Amts wegen Beginn und Ende der Pflichtversicherung zu überprüfen – dies geht aus § 18 Abs. 1 GSVG im Umkehrschluss hervor – traf die Beschwerdeführerin eine entsprechende Sorgfaltswidrigkeit, welche ihr insofern zuzurechnen ist, als von einer vormaligen Rechtsanwältin zu erwarten gewesen wäre, dass sie sich zumindest soweit erkundigt hätte, um zu erkennen, ob ihre Ansicht zutrifft, dass die durch ihre Nebenerwerbstätigkeit nach wie vor anfallenden selbständigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit tatsächlich von der Pflichtversicherung nach dem GSVG ausgeschlossen wären.

Daher kommt im gegenständlichen Fall die lange Verjährungspflicht von fünf Jahren in Betracht, weil im Sinne der Rechtsprechung des VwGH ein Meldepflichtiger sich alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse zu verschaffen muss und den Mangel im Fall einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung unter gehörigen Sorgfalt vertreten hat. Als grundsätzliche rechtskundige Rechtsanwältin hätte die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihres Wechsels des Berufes nach den von ihr zu fordernden Grundwissen zumindest Zweifel an der Beitragsfreiheit haben müssen, sodass sie zumindest eine Erkundungspflicht trifft (VwGH 27.07.2001, 2001/08/0069; vgl auch VwGH 14.09.2005, 2004/08/0104). Hierbei ist es unerheblich, ob die belangte Behörde ihre Vorschreibung ihrerseits allenfalls sorgfaltswidrig an einer nicht mehr existenten Adresse der beschwerdeführenden Partei zugestellt hat oder nicht.

3.4. Aufgrund der Vortragstätigkeit sowie aufgrund der Bindungswirkung an die einkommenssteuerrechtliche Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten und der ausgewiesenen Höhe der Einkünfte der Beschwerdeführerin aus selbstständiger Tätigkeit im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2017 unterlag die Beschwerdeführerin somit der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Zutreffend hat die belangte Behörde die lange Verjährungsfrist zur Anwendung gebracht, weil – wie die belangte Behörde zu Recht ausführt - die Beschwerdeführerin die Angaben über das Versicherungsverhältnis betreffend ihre Vortragstätigkeit unterließ. Daher war im gegenständlichen Fall ausgehend von der erstmaligen Kenntnis der belangten Behörde von Ende der Rechtsanwaltstätigkeit im Jahre 2010 aufgrund des Schreiben der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 24.06.2019 und ausgehend am 23.04.20 eingelangten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2013 die Beitragsnachverrechnung für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.12.2017 vorzuschreiben. Eine Verjährung der Beiträge für die Jahre 2013 und 2014 zudem nicht vor.

3.5. Da die Beschwerde die Vorschreibung von Beiträgen für den vorgenannten Zeitraum nur im Grunde, nicht aber der Höhe nach angreift und sich im Rahmen des durchgeführten Verfahrens keine Bedenken gegen die Rechnung der vorgeschriebenen Beiträge ergeben haben, ergibt sich somit eine Beitragsschuld in Höhe von € 13.036,56 zzgl. der Verzugszinsen gemäß § 35 GSVG. Der Beschwerde war sohin der Erfolg zu versagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sich das gegenständliche Erkenntnis auf die klare und eindeutige Rechtslage nach dem GSVG stützt und sohin bereits aufgrund der eindeutigen Rechtslage keine Rechtsfrage von Bedeutung vorliegt. Zudem beruht das Erkenntnis auf der nicht als uneinheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und betrifft einen Einzelfall, der für sich gesehen nicht reversibel ist.

Schlagworte

Einkommenssteuerbescheid Meldepflicht Nebentätigkeit Pflichtversicherung Rechtsanwälte selbstständig Erwerbstätiger Sorgfaltspflicht Verjährungsfrist Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2232994.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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