TE Vwgh Beschluss 2020/11/2 Ra 2020/09/0057

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
43/01 Wehrrecht allgemein

Norm

AVG §59 Abs1
B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §72
HDG 2014 §72 Abs2 Z2
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2020/09/0067 B 21.12.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. August 2020, W170 2219263-1/22E, betreffend Disziplinarverfahren nach dem Heeresdisziplinargesetz 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber steht als Berufsoffizier im Dienstrang eines Brigadier des österreichischen Bundesheers in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2        Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) vom 6. März 2019 wurde gegen den Revisionswerber ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die von diesem dagegen erhobene Beschwerde wurde - nach Beschwerdevorentscheidung durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde und Vorlageantrag des Revisionswerbers - mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2019 abgewiesen.

3        Der Verfassungsgerichtshof sprach mit seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2020, V 344/2020 u.a., aus, dass die „Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019“ Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 20/2019, gesetzwidrig gewesen war und hob mit Erkenntnis vom selben Tag, E 3603/2019, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2019, wegen Verletzung des Revisionswerbers in seinen Rechten durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, auf.

4        Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis vom 5. August 2020 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers „gemäß §§ 72 Abs. 2 Z 1 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl. I Nr. 2/2014 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020,“ statt und hob den Bescheid „wegen gesetzwidriger Zusammensetzung der belangten Behörde in Folge Rechtswidrigkeit der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten für das Kalenderjahr 2019“ auf. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

5        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis in der Sache im Wesentlichen damit, dass der den Einleitungsbeschluss erlassende Senat der Disziplinarkommission im Hinblick auf die Aufhebung der Geschäftseinteilung durch den Verfassungsgerichtshof bzw. dessen Feststellung, dass diese rechtswidrig gewesen war, rechtswidrig zusammengesetzt gewesen sei, weshalb der Bescheid aufzuheben sei. Mit der Aufhebung dieser Entscheidung sei das Disziplinarverfahren aber noch nicht beendet, weil ein ordnungsgemäß zusammengesetzter Senat bzw. ab 1. Oktober 2020 die Disziplinarbehörde über die Einleitung eines Senatsverfahrens zu entscheiden haben werde.

6        Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Revisionswerber zunächst vor, dass nach dem Sinngehalt des Spruchs des angefochtenen Erkenntnisses der Beschwerde stattgegeben, das Verfahren durch das Bundesverwaltungsgericht eingeleitet (§§ 72 Abs. 2 Z 1), und der Einleitungsbeschluss der Disziplinarkommission aufgehoben werde. Daraus werden die Rechtsfragen abgeleitet, ob die angeführten Paragraphenzeichen (§§) ein Schreibfehler seien oder sie sich tatsächlich auf die dem § 72 HDG 2014 folgenden Bestimmungen bezögen und eine Einleitung verfügt worden sei. Ebenso könne es sich bei „Z 1“ um einen Schreibfehler handeln und „Z 2“ gemeint sein, womit das Verfahren eingestellt werde.

9        Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Zwar hat der Spruch (eines Erkenntnisses) nach dem gemäß § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwendenden § 59 Abs. 1 AVG die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen zu erledigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfen die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs aber nicht überspannt werden. So darf etwa neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruchs auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch als individuelle Norm einer Auslegung bedarf. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt (VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0484; 29.5.2018, Ra 2018/03/0018, u.a., je mwN). Auch die Anführung einer unzutreffenden Gesetzesstelle im Spruch stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung führen muss. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine Rechtsgrundlage besteht, die geeignet ist die Entscheidung zu tragen (VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0086, mwN).

10       Aus dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich hier zweifelsfrei, dass der Beschwerde des Revisionswerbers stattgegeben und der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid wegen gesetzwidriger Zusammensetzung der belangten Behörde aufgehoben wurde. Aus den zur Begründung für das Stattgeben der Beschwerde („Der Beschwerde wird gemäß §§ ... stattgegeben“) zitierten Bestimmung(en) lässt sich keinesfalls ableiten, dass das Verwaltungsgericht nunmehr selbst ein Disziplinarverfahren einleitete. Auch für die vom Revisionswerber begründungslos in den Raum gestellte Vermutung, dass das Verwaltungsgericht nach Z 2 des § 72 Abs. 2 HDG 2014 das Verfahren einstellen wollte, gibt es - angesichts der oben bereits dargestellten Begründung des Bundesverwaltungsgerichts - keine Anhaltspunkte. So führte das Verwaltungsgericht in seiner Begründung aus, dass mit seiner Entscheidung das Disziplinarverfahren gerade noch nicht beendet sei. Zudem versteht selbst der Revisionswerber das angefochtene Erkenntnis offensichtlich im Sinn einer ersatzlosen Behebung des Bescheids der Disziplinarkommission, erachtet er sich nach dem von ihm formulierten Revisionspunkt doch in seinem Recht, dass der Einleitungsbescheid „nicht nur ersatzlos aufgehoben“ werde (sondern das Disziplinarverfahren einzustellen gewesen wäre) verletzt.

11       Soweit im weiteren Zulässigkeitsvorbringen argumentiert wird, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bereits anlässlich der vorliegenden Entscheidung mit der Frage einer Verfahrenseinstellung hätte auseinandersetzen müssen, wird damit ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil das Bundesverwaltungsgericht von der dazu bereits vorliegenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen ist:

12       Das Fehlen einer wirksamen, die Zusammensetzung und die Zuständigkeit eines Kollegialorgans regelnden Norm im Zeitpunkt der Beschlussfassung hat dessen Unzuständigkeit zur Folge. Das Verwaltungsgericht hat diese Unzuständigkeit wahrzunehmen und die Entscheidung der belangten Behörde zu beheben. Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache hingegen wäre mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. VwGH 22.3.2012, 2010/09/0167; 24.4.2014, 2013/09/0178; siehe auch VwGH 2.6.2020, Ra 2018/11/0084; 21.11.2019, Ra 2018/10/0050; sowie etwa VwGH 6.9.2012, 2012/09/0083, zum weiteren Vorgehen im Disziplinarverfahren in einem solchen Fall).

13       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 2. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090057.L00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten