TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/30 96/08/0084

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Veröffentlicht am 30.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichthof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Farid Rifaat, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Februar 1996, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß der Beschwerdeführer seit 11. Dezember 1990 als Prokurist der Slobodan Markovic Gesellschaft m.b.H. und seit 13. Juli 1990 als Prokurist der Floccari Gesellschaft m.b.H. in das Firmenbuch eingetragen ist. Überdies ist er - einer aktenkundigen Amtsbestätigung des Zentralgewerberegisters zufolge - seit 5. Juni 1991 bei der erstgenannten Gesellschaft und seit 5. November 1993 bei der zweitgenannten Gesellschaft gewerberechtlicher Geschäftsführer im Sinne des § 39 Gewerbeordnung.

Das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste widerrief - gestützt auf diesen Sachverhalt - mit Bescheid vom 13. März 1995 das "Arbeitslosengeld sowie die Notstandshilfe", in deren Bezug der Beschwerdeführer gestanden war, für die Zeit vom 31. August 1991 bis 30. Juni 1994 (mit Unterbrechungen) und verpflichtete den Beschwerdeführer zum Rückersatz zu Unrecht bezogener Leistungen in der Höhe von S 178.887,--. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Beschwerdeführer "gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 Gewerbeordnung" (gemeint: in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993) als Arbeitnehmer anzusehen, der mindestens die Hälfte der nach arbeitsrechtlichen Vorschriften geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigt sei. Laut "Auskunft des Österreichischen Gewerkschaftsbundes" betrage der monatliche Kollektivvertragslohn für 1991 S 6.870,--, für 1992 S 7.190, für 1993 S 7.475,-- und für 1994 S 7.710,-- bei 20 Stunden pro Woche. Diese Beträge überstiegen die jeweiligen monatlichen Geringfügigkeitsgrenzen für 1991 von S 2.772,--, für 1992 von S 2.924,--, für 1993 von S 3.102, und für 1994 von S 3.288,--, weshalb "Arbeitslosigkeit vorliegt" (gemeint: "nicht vorliegt").

Gegen diesen Bescheid erhob der - nunmehr anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer Berufung, in der er als richtig zugab, seit 5. Juni 1991 gewerberechtlicher Geschäftsführer der Slobodan Markovic GesmbH und seit 5. November 1993 auch der Floccari GesmbH zu sein. Richtig sei ferner, daß er "seit 1993 für die Überlassung seiner gewerberechtlichen Konzession monatlich S 2.500,-- zuzüglich USt erhalten habe" und "davor seit 1990 auch denselben Betrag für die Überlassung (seiner) Konzession an einen Würstelstand". Bis zum Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992 habe die Gewerbeordnung nicht verpflichtend vorgeschrieben, daß der gewerberechtliche Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von zumindest 20 Stunden tätig sein müsse. "Mit Blick auf die alte Rechtslage" habe der Beschwerdeführer weder unwahre Angaben gemacht, noch solche verschwiegen. Vor diesem Zeitpunkt (gemeint: vor dem Inkrafttreten der Gewerbeordnungsnovelle 1992) unterliege der Beschwerdeführer nicht dem Kollektivvertragslohn. Da er bis zum 5. November 1993 mit der Überlassung von nur einer Konzession lediglich S 2.500,-- an zusätzlichem Entgelt bezogen habe, sei er bis "zum Stichtag des Inkrafttretens der Gewerbeordnungsnovelle 1993" mit seinem damaligen Bezug unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Da somit Arbeitslosigkeit "jedenfalls bis zum 5. November 1993" gegeben sei, könnten als unberechtigt bezogene Leistungen "allenfalls jene vom 1.7.1993 bis 8.9.1993, 22.12.1993 bis 6.3.1994, 12.4.1994 bis 30.4.1994, sowie 25.5.1994 bis 30.6.1994 zu werten" sein. Er stelle daher den Antrag "den angefochtenen Bescheid des Arbeitsmarktservice dahingehend zu ändern, daß die vom 31.8.1991 bis 8.9.1991, 10.9.1991 bis 14.1.1992, 7.4.1992 bis 30.11.1992 sowie 22.4.1993 bis 30.6.1993 bezogene Leistung als gerechtfertigt zu werten und von der Vorschreibung zum Rückersatz auszunehmen".

Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdevertreter um Mitteilung der Anzahl der Stunden der Tätigkeit des Beschwerdeführers in den genannten Gesellschaften und der Höhe seines tatsächlich erhaltenen Entgelts. Der Beschwerdeführervertreter legte daraufhin mit Schreiben vom 8. November 1995 die eingangs erwähnten Firmenbuchauszüge vor und gab dazu an:

"(Der Beschwerdeführer) war in der Slobodan Markovic GesmbH nur wenige Stunden pro Woche tätig, wobei der Umfang mit etwa fünf Stunden wöchentlich angesetzt werden kann. Er erhielt hiefür ein monatliches Entgelt von S 2.500,--.

Den gleichen Arbeitsumfang hatte er bei der Floccari GesmbH, ebenso die gleiche Entgeltvereinbarung, erhielt diese aber nur in den seltensten Fällen ausbezahlt."

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 23. Februar 1996 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Dies begründete sie (nach einem Hinweis auf die von ihr angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und mit Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens einschließlich der Wiedergabe der Berufung des Beschwerdeführers) wie folgt:

"Laut Auskunft Ihres Rechtsanwaltes waren Sie bei beiden Firmen wöchentlich je fünf Stunden eingesetzt und erhielten hiefür je ein monatliches Entgelt von S 2.500,--. Da Sie mit S 5.000,-- monatlich über der Geringfügigkeitsgrenze im Jahr 1991, 1992, 1993 und 1994 liegen, war Arbeitslosigkeit nicht gegeben."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, den angefochtenen Bescheid in seiner Gesamtheit bekämpfende und dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes beantragende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie aus der obigen Wiedergabe des Berufungsantrages des Beschwerdeführers ersichtlich, hat dieser den erstinstanzlichen Bescheid ausschließlich in jenem Umfang bekämpft, in dem Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung im Zeitraum vom 31. August 1991 bis 30. Juni 1993 widerrufen und zum Rückersatz vorgeschrieben worden waren. Im übrigen (d.h. für den Zeitraum vom 1. Juli 1993 bis 30. Juni 1994) blieb der erstinstanzliche Bescheid unbekämpft.

Auch die belangte Behörde hat damit, daß sie auf die Berufung des Beschwerdeführers Bezug genommen hat, nur über den Inhalt dieser Berufung abgesprochen, weshalb auch die Bestätigung des angefochtenen Bescheides nur in diesem Sinne zu verstehen ist. Die belangte Behörde hat daher keinen weiterreichenden Abspruch getroffen als durch die eingeschränkte Berufung von ihr als "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG zu entscheiden gewesen ist, nämlich über den Zeitraum vom 31. August 1991 bis 30. Juni 1993.

Die Beschwerde ist schon deshalb berechtigt, weil eine dem § 60 AVG entsprechende Begründung der belangten Behörde im hier maßgebenden Zusammenhang fehlt:

Nach einer Bestätigung der Magistratsabteilung 63 (Seite 22 der Verwaltungsakten) war der Beschwerdeführer bei der Slobodan Markovic Gesellschaft m.b.H. seit 5. Juni 1991, bei der Floccari Gesellschaft m.b.H. aber erst seit 5. November 1993 als gewerberechtlicher Geschäftsführer tätig. In seiner Berufung hat der Beschwerdeführer dazu ausdrücklich vorgebracht, von der Floccari Gesellschaft m.b.H. "seit 1993 ... monatlich S 2.500,-- zuzüglich USt" erhalten zu haben, davor "seit 1990 auch denselben Betrag für die Überlassung (seiner) Konzession an einen Würstelstand". Aufgrund welcher Umstände die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt ist, daß der Beschwerdeführer im verbleibenden Streitzeitraum vom 31. August 1991 bis 30. Juni 1993 "mit S 5.000,-- monatlich über der Geringfügigkeitsgrenze" gelegen sei, bleibt schlechthin unerfindlich.

Sollte sich die belangte Behörde - freilich ohne dies näher zu begründen - auf den Umstand bezogen haben, daß der Beschwerdeführer nach den vorliegenden Auszügen aus dem Firmenbuch jeweils schon seit 11. Dezember 1990 bzw. seit 13. Juli 1990 als Prokurist der genannten Gesellschaften ins Handelsregister eingetragen ist, so folgt daraus ebensowenig, daß er in dieser Eigenschaft das von der belangten Behörde angenommene monatliche Entgelt in diesem Zeitraum erhalten hat. Ebenso unverständlich sind die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift zur vorliegenden Beschwerde, wonach sie vom "Anspruchslohn ... auf das der Dienstnehmer vertraglichen Anspruch hat" auszugehen gehabt hätte. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren ausdrücklich bestritten, vor dem Inkrafttreten der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 (1. Juli 1993), Dienstnehmer des Betriebes gewesen zu sein. Die belangte Behörde hat über die Art der Beschäftigung des Beschwerdeführers keine wie immer gearteten Feststellungen getroffen, sodaß sich der Bescheid auch unter diesem - in der Gegenschrift nachgeschobenen - Gesichtspunkt als unbegründet erweist.

Aufgrund der aufgezeigten Begründungslosigkeit der wesentlichen Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid war dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde wird - sofern der Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben werden sollte - bei Erlassung des Ersatzbescheides darauf Bedacht zu nehmen haben, daß - unter Berücksichtigung des in Rechtskraft erwachsenen Teilabspruches - der gesamte im Rahmen der Rückforderung geschuldete Betrag im Spruch des Bescheides festzusetzen sein wird.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung in der Sache ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996080084.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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