TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 I404 1239733-4

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Veröffentlicht am 20.08.2020
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Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I404 1239733-4/155Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. ALGERIEN, vertreten durch: XXXX , Asyl-Rechtsberatung der Caritas der ED Wien, Mariannengasse 11, 1090 Wien, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 17.12.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid kommt somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zu.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Algeriens, reiste unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein und stellte erstmals im Jahr 2003 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.07.2003 wurde der Antrag vom damaligen Bundesasylamt negativ beschieden und diese Entscheidung wurde in zweiter Instanz rechtskräftig bestätigt.

2.       Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und stellte am 12.07.2007 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der Antrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, die Entscheidung wurde nach erhobener Berufung rechtskräftig.

3.       Am 30.09.2015 stellte er den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz und gab begründend an, dass er Algerien im Jahr 2003 wegen politischer Verfolgung verlassen habe.

4.       Vor der belangten Behörde fanden niederschriftliche Einvernahmen am 17.01.2017 und am 27.06.2018 statt. Der Beschwerdeführer gab zu seinen Fluchtgründen an, dass er beim XXXX gearbeitet habe und Opfer von Bestechungsversuchen geworden sei. Er sei Mitglied eines Vereins für Demokratie in Algerien gewesen, was aufgrund seiner Arbeit beim XXXX nicht erlaubt gewesen sei. Erst im Jahr 2015 habe er erfahren, dass er im Jahr 2003 von einem algerischen Gericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

5.       Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 17.12.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt VI.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.). Außerdem wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 17.05.2004 verloren hat (Spruchpunkt VIII.).

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass sich der Beschwerdeführer in Widersprüchlichkeiten verstrickt habe und verwies auf verschiedene Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation. Die als Beweismittel vorgelegte Kopie eines algerischen Gerichtsurteiles könne nicht zur Untermauerung des Vorbringens des Beschwerdeführers gewertet werden, weil es sich laut Anfragenbeantwortung der Staatendokumentation lediglich um einen algerischen Strafregisterauszug und nicht um ein Gerichtsurteil handle. Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer auf Grund politischer Aktivitäten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

6.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 16.01.2019.

7.       Mit Erkenntnis vom 26.02.2019, Zl. I412 1239733-4/4E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass Spruchpunkt VIII. ersatzlos behoben werde. Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich den beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde an.

8.       In der dagegen fristgerecht erhobenen außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht und abweichend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Das Bundesverwaltungsgericht habe es insbesondere unterlassen, Feststellungen zur Verurteilung in Algerien und zur psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers zu treffen.

9.       Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2019, Zl. Ra 2019/18/0116-10, wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.02.2019, Zl. I412 1239733-4/4E wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründet wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung des BFA substantiiert bestritten habe und Unterlagen vorgelegt habe, welche geeignet seien, den Ausführungen des BFA entgegenzutreten. Daher hätten die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgelegen. Das Bundesverwaltungsgericht werde sich im fortgesetzten zum einen Verfahren in Hinblick auf das verhängte Einreiseverbot mit der Art und Schwere der in Österreich zu Grunde liegenden Straftaten auseinandersetzen müssen, und zum anderen Feststellungen zur behaupteten lebenslangen Haftstrafe in Algerien treffen müssen, insbesondere, ob und für welches Delikt dem Beschwerdeführer eine derartige Haftstrafe drohe.

10.      Infolge dieser Aufhebung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2019 ist die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des BFA vom 17.12.2018 wieder unerledigt.

11.      Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.06.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I412 abgenommen und der Gerichtsabteilung I404 am 03.08.2020 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

1.2. Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG kann das Bundesamt einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs.5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

2. Zu Spruchpunkt A)

2.1. Die belangte Behörde hat gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil der Beschwerdeführer aus Algerien, einem sicheren Herkunftsstaat stammt.

Der Beschwerdeführer machte geltend, dass im Verfahren dennoch durch die vorgelegten Beweismittel und die Recherche der Staatendokumentation klar hervorgekommen sei, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland in Abwesenheit zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt worden sei. Die Haftstrafe sei in Relation zu dem zugrundeliegenden Delikt überlang und somit als unrechtmäßiger Freiheitsentzug und daher Eingriff in seine durch Art. 3 und 5 der EMRK geschützten Rechte zu werten.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG ist einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die zur Verfügung stehende Aktenlage bedarf einer näheren Überprüfung, um eine Gefährdung im Sinne des § 18 Abs. 5 BFA-VG ausschließen zu können. Insbesondere sind – wie im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aufgetragen- nähere Feststellungen dahingehend zu tätigen, ob und für welches Delikt dem Beschwerdeführer in Algerien eine Haftstrafe droht. Diesbezüglich bedarf es daher zumindest der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Einvernahme des Beschwerdeführers.

2.2. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ist daher ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass der Beschwerde somit gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukommt.

2.3. Gegenständlich war ein Teilerkenntnis (vgl. auch § 59 Abs. 1 letzter Satz AVG) zu erlassen, da das BVwG über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden hat (vgl. VwGH vom 19.06.2017, Fr 2017/19/0023).

Der Spruch des Bescheides der belangten Behörde war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruchpunkt VII. bezieht.

2.4. Über die Beschwerde gegen die restlichen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ergeht eine gesonderte Entscheidung.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, vorstehend im Einzelnen zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewährung von internationalem Schutz ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht.

Schlagworte

Asylverfahren aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Kassation real risk reale Gefahr sicherer Herkunftsstaat Spruchpunktbehebung Teilerkenntnis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I404.1239733.4.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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