TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/29 Ra 2020/09/0031

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Veröffentlicht am 29.10.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/07 Personalvertretung

Norm

AVG §56
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
PVG 1967 §2 Abs1
PVG 1967 §3 Abs1
PVG 1967 §3 Abs2
PVG 1967 §4
PVG 1967 §41
PVG 1967 §41 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §28
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des AB in C, vertreten durch Mag. Dr. Michael Subarsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 14/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Mai 2020, W213 2221445-1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Bundes-Personalvertretungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalvertretungsaufsichtsbehörde beim Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags vom 13. Mai 2019 richtet, insofern dieser auf die Feststellung der Verletzung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch die Dienststellenleiterin gerichtet war, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber steht als Vertragsbediensteter in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Zuletzt war er bis 17. Februar 2019 Abteilungsvorstand an einer Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E. Seit 18. Februar 2019 wird er (wieder) als Lehrer an einer Höheren Technischen Bundeslehranstalt in D verwendet.

2        Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2019 beantragte der Revisionswerber die Prüfung der Geschäftsführung des Dienststellenausschusses an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E auf ihre Gesetzmäßigkeit und die Feststellung der Verletzung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch die Dienststellenleiterin mit näherer Begründung in folgenden - verkürzt dargestellten - Punkten:

1. Zustimmung des Dienststellenausschusses der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E am 12. Juli 2018 zur provisorischen Lehrfächerverteilung 2018/19;

2. Verletzung des Rechts auf Datenschutz durch den Vorsitzenden des Dienststellenausschusses durch Einsicht in die Personalakten des Revisionswerbers und Einholung von Auskünften bei der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in D;

3. Falschauslegung der Ausbildungsbiografie des Revisionswerbers und Nichtbefolgung des Sicherstellungserlasses im Hinblick auf die Lehrfächerverteilung und die Aufteilung von Mehrdienstleistungen durch a) den Dienststellenausschuss der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E und b) die Schulleiterin als Organwalterin auf Dienstgeberseite;

4. Verweigerung der Auskunft durch den Dienststellenausschuss auf schriftliche Anfragen des Revisionswerbers vom 30. September 2018;

5. Verletzung der Wahrheitspflicht des Obmanns des Dienststellenausschusses durch ein in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgelegtes, inhaltlich unrichtiges Schreiben;

6. Verletzung der Wahrheitspflicht des Obmanns des Dienststellenausschusses gegenüber dem Dienstgeber;

7. und 8. Nichtbeachtung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch die Schulleiterin als Organ des Dienstgebers.

3        Mit Bescheid vom 13. Juni 2019 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde den Antrag mangels Antragslegitimation des Revisionswerbers zurück. Dies erfolgte im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Revisionswerber zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr dem Zuständigkeitsbereich des Dienststellenausschusses angehöre, gegen den sich der Antrag richte, weshalb er sich nicht mehr als beschwert erachten könne.

4        In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, dass er seine „Versetzung“ beim Arbeitsgericht bekämpft habe und das Gerichtsverfahren noch anhängig sei. Es sei deshalb noch nicht abschließend geklärt, ob seine „Zwangsversetzung“ rechtswirksam gewesen sei. Die Beschwerdelegitimation bestehe daher weiterhin.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

6        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in der Sache damit, dass nach § 41 Abs. 4 Bundes-Personalvertretungsgesetz (PVG) nur ein Organ der Personalvertretung legitimiert sei, die Personalvertretungsaufsichtsbehörde wegen Verletzungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch ein Organ des Dienstgebers anzurufen. Dem Revisionswerber fehle daher insoweit die Antragslegitimation, als er die Verletzung von Vorschriften des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch die Dienststellenleiterin der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt E festgestellt wissen wolle.

7        Darüber hinaus fehle dem Revisionswerber die Antragslegitimation, weil er bereits bei Stellung des verfahrensgegenständlichen Antrags nicht mehr an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E beschäftigt gewesen sei. Der in Beschwerde gezogene Dienststellenausschuss sei zu diesem Zeitpunkt daher nicht mehr das für ihn zuständige Personalvertretungsorgan gewesen. Ein Rechtsschutzinteresse sei nur zuzuerkennen, sofern sich der Bedienstete auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung als beschwert erachten könne. Die Anhängigkeit eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens ändere nichts daran, dass der Revisionswerber bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr an der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E beschäftigt gewesen sei. Eine Feststellung nach § 41 Abs. 1 PVG könne daher das Verhalten des Dienststellenausschuss gegenüber dem Revisionswerber nicht mehr beeinflussen.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

9        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst vor, dass seine Abberufung von der Funktion eines Abteilungsvorstands der Höheren Technischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt in E, die zu seiner Überleitung an die Höhere Technische Bundeslehranstalt in D geführt habe, rechtswidrig gewesen sei. Wegen dieser rechtswidrigen Abberufung sei vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien ein Verfahren anhängig. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sieht der Revisionswerber in der Frage des Rechtsschutzinteresses eines Bediensteten, der rechtswidrig versetzt worden sei, aber in naher Zukunft an die Dienststelle zurückkehren könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10       Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG), BGBl. Nr. 133/1967, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2019, lauten (auszugsweise):

„Organe der Personalvertretung

§ 3. (1) Organe der Personalvertretung sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:

a)   die Dienststellenversammlung,

b)   der Dienststellenausschuss (Vertrauenspersonen),

c)   der Fachausschuss,

d)   der Zentralausschuss und

e)   der Dienststellen(Fach-, Zentral)wahlausschuss.

(2) Der Wirkungsbereich der Dienststellenversammlung und des Dienststellenausschusses (Vertrauenspersonen) erstreckt sich auf die Bediensteten der Dienststelle im Sinne dieses Gesetzes (§ 4), bei der der Dienststellenausschuss errichtet ist.

...

§ 41. (1) Der Aufsichtsbehörde obliegt die Aufsicht über die Personalvertretungsorgane, welche insbesondere die Sorge um die Gesetzmäßigkeit der Geschäftsführung der Organe der Personalvertretung umfasst. Die Aufsicht erfolgt von Amts wegen oder auf Antrag einer Person oder eines Organs der Personalvertretung, die oder das die Verletzung ihrer oder seiner Rechte durch rechtswidrige Geschäftsführung behauptet. Bescheide und Verordnungen der Organe der Personalvertretung unterliegen nicht der Aufsicht.

(2) Die Aufsichtsbehörde ist bei Handhabung ihres Aufsichtsrechts insbesondere berechtigt, erforderliche Auskünfte von den betroffenen Personalvertretungsorganen einzuholen, rechtswidrige Beschlüsse der Personalvertretungsorgane aufzuheben und ein Personalvertretungsorgan aufzulösen, wenn es seine Pflichten dauernd verletzt. Die Aufhebung von Beschlüssen und die Auflösung eines Personalvertretungsorgans erfolgt durch Bescheid.

(3) Die betroffenen Personalvertretungsorgane haben der Aufsichtsbehörde die verlangten Auskünfte umgehend zu erteilen. Bei diesen Auskünften gilt die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 26 nicht.

(4) Ein Organ der Personalvertretung (§ 3 Abs. 1) kann sich bei der Aufsichtsbehörde wegen behaupteter Verletzung dieses Bundesgesetzes innerhalb des letzten Jahres durch ein Organ des Dienstgebers beschweren. Jede solche Beschwerde ist von der Aufsichtsbehörde zu prüfen.

(5) Beschwerden nach Abs. 4 sind im Wege des Zentralausschusses einzubringen. Gelangt der Zentralausschuss zu der Ansicht, dass die Beschwerde unbegründet ist, so hat er sich mit dem Dienststellen(Fach)ausschuss zu beraten. Kommt ein Einvernehmen nicht zustande, so hat der Zentralausschuss die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde weiterzuleiten.

...“

zu I.:

11       Wie sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 41 Abs. 4 PVG entnehmen lässt, können Verletzungen des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch ein Organ des Dienstgebers nur durch ein (in § 3 Abs. 1 PVG aufgezähltes) Organ der Personalvertretung geltend gemacht werden.

12       Die Zurückweisung des Antrags des Revisionswerbers mangels Antragslegitimation, soweit er damit die Feststellung einer Verletzung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch die Leiterin der Dienststelle begehrte, erfolgte daher zu Recht. Dieser Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wird in der Revision auch nicht argumentativ entgegengetreten.

13       Soweit sich die Revision daher gegen die Zurückweisung des Antrags des Revisionswerbers, insoweit dieser auf die Feststellung der Verletzung des Bundes-Personalvertretungsgesetzes durch die Dienststellenleiterin gerichtet war, wendet, war sie mangels Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 133 Abs. 4 B-VG) ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

zu II.:

14       Im Übrigen gleicht der vorliegende Fall in seinen entscheidungswesentlichen Umständen insoweit, als ein gegen den Willen des Antragstellers erfolgter Dienststellenwechsel, wobei der Antragsteller gegen die Maßnahme des Dienstgebers, die zum Dienststellenwechsel führte, Rechtsbehelfe ergreift, jedenfalls von Dauer sein muss, um einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses eines die Verletzung seiner Rechte durch rechtswidrige Geschäftsführung des Dienststellenausschusses behauptenden Antrags annehmen zu können, jenem Fall, der dem - den gleichen Revisionswerber betreffenden - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Oktober 2020, Ro 2020/09/0001, zu Grunde lag. Auf dessen Begründung wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

15       Bezieht sich der Antrag auf die Überprüfung der Geschäftsführung des Dienststellenausschusses für einen Zeitraum, als der Antragsteller noch an dieser Dienststelle in Verwendung stand, so führt der Umstand, dass der Antrag - wie im vorliegenden Fall - erst nach der Überleitung des Antragsteller zu einer anderen Dienststelle gestellt wurde, für sich allein zu keiner anderen Beurteilung. Es ist daher auch im vorliegenden Fall darauf abzustellen, ob der Revisionswerber die Dienststelle des Dienststellenausschusses bereits endgültig verlassen hat oder eine Rückkehr zu dieser möglich ist. Dazu wären die erforderlichen Feststellungen zu treffen gewesen.

16       Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

17       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

18       Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 29. Oktober 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090031.L00

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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