TE Bvwg Beschluss 2020/9/3 W235 2231332-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2020
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Entscheidungsdatum

03.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §21
FPG §22a
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W235 2231332-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX 04.2020, GZ. AUT0100200427003 / PAD/PA/00297035/001/20/FW, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Landespolizeidirektion Wien zurückverwiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste mit einem Visum der Kategorie D mit Gültigkeit von XXXX 11.2019 bis XXXX 04.2020, ausgestellt von der Österreichischen Botschaft Neu-Delhi, rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein.

1.2. Am XXXX 04.2020 brachte er gemäß § 22a FPG bei der Landespolizeidirektion Wien unter Verwendung des vorgesehenen Formulars einen Antrag auf Erteilung eines nationalen Visums der Kategorie D zur Verlängerung seines Aufenthalts in Österreich für die Dauer von 60 Tagen ab Erteilung des Visums ein. In einem Begleitschreiben führte der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin begründend aus, er könne aufgrund der derzeitigen COVID-19-Krisensituation die Ausreise nach Indien nicht antreten, da in Indien rigorose Ausgangs- und Reisebeschränkungen herrschen würden und der Flugverkehr eingestellt worden sei. Sein aktuelles Visum der Kategorie D laufe – ebenso wie seine Beschäftigungsbewilligung - am XXXX 04.2020 ab. Aufgrund der humanitären Ausnahmesituation werde ersucht, den rechtmäßigen Aufenthalt durch Ausstellung eines Visums D zu verlängern, bis die Heimreise angetreten werden könne. Der Antrag auf Ausstellung eines neuen Visums D werde mit dem Ersuchen übermittelt, unter Berücksichtigung der Empfehlung der EU-Kommission dem Antragsteller ein nationales Visum D mit einer Gültigkeitsdauer von zwei Monaten auszustellen.

Mit dem Antrag wurden folgende verfahrensrelevante Dokumente (in Kopie) vorgelegt:

?        Auszüge aus dem Reisepass des Beschwerdeführers, ausgestellt unter der Nr. XXXX , mit Gültigkeit vom XXXX 06.2012 bis XXXX 06.2022, aus welchen hervorgeht, dass er in Österreich über ein Visum der Kategorie D, Nr. XXXX , mit Gültigkeit von XXXX 11.2019 bis XXXX 04.2020 verfügt;

?        Bescheid des AMS vom XXXX 11.2019, mit welchem dem Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung im Rahmen einer Betriebsentsendung für die berufliche Tätigkeit als Software Engineer/IT Berater für den Zeitraum vom XXXX 11.2019 bis XXXX 04.2020 für eine Ganztagsbeschäftigung im Ausmaß von 38,5 Stunden pro Woche und einem monatlichen Entgelt von € 3.992,83 brutto erteilt wurde;

?        Mietbestätigung vom XXXX 05.2019, wonach der Beschwerdeführer ab XXXX 08.2019 unter Vereinbarung eines Mietzinses in der Höhe von € 540,00 eine Wohnung in Wien gemietet hat;

?        Bestätigung einer Versicherung mit weltweiter Gültigkeit (ausgenommen der USA), ausgestellt für den Zeitraum ab XXXX 11.2019 mit einer Grenze für Notfallrepatriierung und damit verbundenen medizinische Ausgaben in der Höhe von € 100.000,00;

?        Lohnzettel für Jänner 2020 bis März 2020, auf welchen ein monatlicher Bruttolohn in der Höhe von jeweils € 3.992,83 ausgewiesen ist, das entspricht einem Nettolohn für die Monate Jänner und Feber 2020 in der Höhe von jeweils € 2.496,26 sowie für März 2020 in Höhe von € 1.376,26 und

?        Kontoauszüge für den Zeitraum XXXX 01.2020 bis XXXX 04.2020, auf welchen ein Saldo in Höhe von 528,34 INR ausgewiesen ist

1.3. Im Verwaltungsakt befindet sich ein Ausdruck einer Online-Abfrage der Plattform „ XXXX “ betreffend Flüge von Wien nach Neu-Delhi am XXXX 05.2020. Für dieses Datum finden sich Angebote für mehrere Flüge mit jeweils zumindest einem Zwischenstopp, wobei angemerkt wird, dass COVID-19 Reisepläne beeinträchtigen könne. Ferner findet sich darauf ein weiterführender Link mit den „neuesten Reisehinweisen“.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX 04.2020 wurde der Antrag auf Erteilung eines Visums der Kategorie D gemäß § 21 FPG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 22a FPG Visa aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten würden, vor Ablauf des rechtmäßigen Aufenthalts auf Antrag im Inland nur erteilt werden würden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 1 FPG vorlägen und dies aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen notwendig sei. Im gegenständlichen Fall könnten keine Gründe des nationalen Interesses oder internationaler Verpflichtungen erkannt werden und sei ein solcher Sachverhalt auch nicht behauptet worden. Es würden zudem berechtigte Zweifel vorliegen, dass im Fall des Beschwerdeführers humanitäre Gründe im Sinne des § 22a FPG vorlägen. Gemäß § 21 Abs. 2 Z 3 FPG sei ein Antrag auf Ausstellung eines Visums D zu versagen, wenn der Fremde nicht über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfüge. Die bei Antragstellung vorgelegte Versicherung verfüge über kein Enddatum und sei daher nicht ersichtlich, ob gegenwärtig ein Versicherungsschutz vorliege. Gemäß § 21 Abs. 2 Z 3 FPG (gemeint wohl: § 21 Abs. 2 Z 4 FPG) sei ein Visum weiters zu versagen, wenn der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt verfüge. Auf dem vorgelegten Kontoauszug des Beschwerdeführers sei ein Saldo in der Höhe von 528,34 INR ausgewiesen, was nach dem aktuellen Wechselkurs € 6,39 entspreche und daher nicht ausreichend sei.

Ferner sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund eine Visumverlängerung für 60 Tage, sohin bis XXXX 06.2020, beantragt worden sei, obwohl sich bereits für Ende Mai zahlreiche Flüge von Wien nach Indien finden würden. Folglich wäre eine Ausreise bereits im Mai möglich. Eine Flugbuchung sei ferner nicht nachgewiesen worden. Ebenso wenig sei angegeben worden, ob eine Kontaktaufnahme mit den indischen Behörden erfolgt sei und, ob Informationen bezüglich etwaiger Repatriierungsflüge eingeholt worden seien.

Die Behörde könne Anträge nicht einseitig abändern. Da über den Antrag des Beschwerdeführers vor Ablauf seines Visums entschieden werden müsse, bestehe aus zeitlichen Gründen keine Möglichkeit, ihn zu einer Stellungnahme aufzufordern. Die weltweiten Reisebeschränkungen seien ausreichend lange bekannt gewesen. Warum der Antrag erst am vorletzten Werktag des legalen Aufenthalts eingebracht worden sei, sei für die Behörde nicht nachvollziehbar, zumal der Antrag spätestens 15 Kalendertage vor Ablauf des Vorvisums gestellt werden müsse und nur in begründeten dringenden Einzelfällen eine kürzere Frist zulässig sei. Aus diesen Gründen sei der Antrag auf Verlängerung des Visums D gemäß § 22a Z 1 FPG abzuweisen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin am 13.05.2020 fristgerecht Beschwerde wegen Verfahrensmängeln sowie wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts. Nach Darstellung des Sachverhalts wurde begründend ausgeführt, dass die ausgewiesene Vertreterin des Beschwerdeführers am XXXX 04.2020 von sich aus bei der belangten Behörde telefonisch nachgefragt habe, ob Unterlagen oder Dokumente zur Erledigung des Antrags fehlen würden. Aufgrund des vermeintlichen Zeitmangels sei dem Beschwerdeführer bzw. seiner Rechtsvertreterin trotz ausführlicher Nachfrage nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, eine ergänzende Stellungnahme einzubringen oder Dokumente nachzureichen. Ferner seien von der belangten Behörde die vorgelegten Urkunden nicht ausreichend berücksichtigt worden. Konkret seien die Gehaltszettel von Jänner 2020 bis März 2020 unberücksichtigt geblieben.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde dem Beschwerdeführer ein Visum gemäß § 22a Z 1 FPG auszustellen gehabt. Die belangte Behörde habe ausgeführt, dass der Antrag mindestens 15 Tage vor Ablauf seines gültigen Visums eingebracht werden hätte müssen. Damit berufe sich die Behörde auf Art. 9 Abs. 1 Verordnung (EU) 2019/1155 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (in der Folge: Visakodex). Zwar gelte gemäß § 11b FPG sinngemäß auch § 11 Abs. 1 FPG in Verfahren vor den Landespolizeidirektionen. Demnach sei im Verfahren betreffend die Erteilung eines Visums D Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden und sohin Art. 9 Abs. 1 Visakodex bei der Prüfung heranzuziehen. Allerdings handle es sich bei Art. 9 Abs. 1 Visakodex um eine Frist zur Einreichung eines Visumsantrags vor Antritt der geplanten Reise. Folglich könne diese Vorschrift auf den gegenständlichen Fall nicht angewendet werden, befinde sich doch der Beschwerdeführer bereits im Inland. Insbesondere in Zusammenhang mit der Antragstellung nach § 22a FPG müsse von dieser 15-Tage-Frist abgewichen werden und könne diese nicht sinngemäß zur Anwendung kommen, da es sich bei dem Visum nach § 22a FPG um ein Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen handle, welches nur in jenen Ausnahmefällen zu erteilen sei, wenn eine Ausreise vor Ablauf der Gültigkeit des bisherigen Visums nicht möglich sei (siehe dazu EB zu 2285/A XXV. GP, S. 53). Weder Mitte April noch Ende April [2020] sei planbar gewesen, wann eine Heimreise stattfinden könne. Auch im Beschwerdezeitpunkt sei noch nicht komplett klar, ab wann ein Flug tatsächlich wieder in Neu-Delhi landen könne, zumal Landesbeschränkungen teilweise auch tags vor Ablauf der entsprechenden Maßnahme wieder verlängert werden würden.

Hinzuwiesen sei ferner darauf, dass auch die belangte Behörde unterschiedliche Standpunkte verlautbart habe, wie mit der konkreten Situation umzugehen sei. Am XXXX 03.2020 habe die Landespolizeidirektion Wien in einer Aussendung mitgeteilt, dass der Parteienverkehr in Visa-Angelegenheiten eingestellt sei und den Betroffenen keine behördlichen Nachteile erwachsen würden, wenn die Ausreise aus Österreich faktisch unmöglich sei und das Visum auslaufe. Diese Vorgehensweise habe jedoch keinen Eingang in eine der zahlreichen Gesetzesänderungen im Zuge der COVID-19-Krise gefunden. Seitens der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers seien daraufhin verschiedene Telefonate erfolgt, um eine einheitliche Vorgehensweise für die Fälle einer notwendigen Visumbeantragung nach § 22a FPG zu finden. Am XXXX 04.2020 sei von der Behörde mitgeteilt worden, dass es aufgrund eines internen BMI-Erlasses eine Art Nachsichtregelung gebe, wonach den Visumpflichtigen vonseiten der Behörde keine negativen Konsequenzen zum Vorwurf gemacht werden könnten. Die Landespolizeidirektion empfehle, eine Kopie des Reisepasses sowie eine kurze und formlose Sachverhaltsdarstellung an die E-Mail-Adresse der zuständigen Landespolizeidirektion unter Erwähnung, dass die Ausreise faktisch unmöglich sei, zu senden. Bei der Behörde liege bereits ein Standardtext auf, welcher sodann als Bestätigung, dass mangels Verschuldens keinerlei negative Konsequenzen aus dem unrechtmäßigen Aufenthalt gezogen werden dürften, an die Verfahrensparteien ausgesandt werde. Folglich sei die Rechtsvertreterin davon ausgegangen, dass für den Fall, dass die Ausreise nicht möglich sein werde, eine solche E-Mail an die Behörde geschickt werden könne. Am XXXX 04.2020 habe die Behörde auf Nachfrage der Rechtsvertreterin mitgeteilt, dass kein Visumantrag eingereicht werden müsse. Für den Fall, dass ein Antrag eingereicht werde, sei aber eine entsprechende E-Mail-Adresse bekanntgegeben worden. Da es zu diesem Zeitpunkt keine rechtliche Klarstellung im FPG gegeben habe, sei aus anwaltlicher Vorsicht rechtzeitig ein Visumantrag gestellt worden. Der Beschwerdeführer sei insbesondere dadurch beschwert, dass ihm kein Visum ausgestellt worden sei und somit sein Aufenthalt nicht rechtmäßig sei, was dazu führe, dass er nicht über andere Schengen-Staaten ausreisen könne, da er über keinen Nachweis über ein gültiges Visum, welches in den Schengen-Staaten gültig sei, verfüge. In diesem Zusammenhang werde auf die Mitteilung der EU-Kommission vom 30.03.2020 hingewiesen. Demnach sollten die lokalen Behörden den Personen, welche auch nach Ablauf des Visums nicht ausreisen könnten, ein nationales Visum oder einen Aufenthaltstitel ausstellen.

Des Weiteren würden die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 FPG gegenständlich vorliegen. Entgegen der Ausführungen im angefochtenen Bescheid verfüge der Beschwerdeführer über einen Versicherungsschutz. Das Enddatum scheine auf der Bestätigung nicht auf, da die Versicherung bis zur tatsächlichen Rückkehr nach Indien aufrecht sei („open-end-policy“). Sobald der Beschwerdeführer in Indien sei, werde die Versicherung abgemeldet und das Enddatum eingesetzt. Die vorgelegten Lohnzettel für Jänner 2020 bis März 2020 würden belegen, dass der Beschwerdeführer einen Bruttolohn in der Höhe von € 3.992,83 beziehe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung habe er das Gehalt für April 2020 noch nicht erhalten und es sei auch nicht außergewöhnlich, dass am Ende des Monats nach Abzug der Kosten ein geringer Betrag auf dem Konto zur Verfügung stehe. Das Gehalt für April in Höhe von € 2.496,27 netto sei ihm nunmehr überwiesen worden. Der Beschwerdeführer verfüge sohin über ausreichende finanzielle Mittel, um seinen Lebensunterhalt bis zu seiner Ausreise innerhalb von 60 Tagen zu bestreiten.

Ein Visum gemäß § 22a Z 1 FPG sei zu erteilen, wenn es dem Fremden aus einem unerwarteten Notfall nicht möglich sei, das Bundesgebiet zu verlassen. Aufgrund des COVID-19-Lockdowns sei die Infrastruktur in Österreich weitgehend heruntergefahren worden. Im Zeitpunkt des Lockdowns am XXXX 03.2020 habe der Beschwerdeführer im Rahmen einer Betriebsentsendung in Österreich gearbeitet. Mit XXXX 03.2020 habe der Flughafen Wien seinen Betrieb weitestgehend eingestellt. Auch diverse Fluglinien, insbesondere die Austrian Airlines AG und die Lufthansa AG, hätten den Flugbetrieb eingestellt. Dem Beschwerdeführer sei es sohin nicht möglich gewesen, einen Direktflug nach Neu-Delhi oder einen Zubringerflug, beispielsweise über Deutschland zu einem anderen internationalen Flughafen, zu buchen. Folglich sei es für ihn faktisch unmöglich gewesen, Österreich zu verlassen. Noch schwieriger wäre es gewesen nach Indien einzureisen. In Indien seien am XXXX 03.2020 strikte Ausgangssperren ursprünglich bis XXXX 05.2020 verhängt worden. Diese seien aber bis XXXX 05.2020 verlängert worden. Der Zielflughafen Neu-Delhi bleibe für alle internationalen und nationalen Flüge bis einschließlich XXXX 05.2020 gesperrt. Ob der Flughafen tatsächlich an diesem Datum wieder geöffnet werde, lasse sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilen. Es sei folglich eine Visumdauer von zwei Monaten beantragt worden, um Flexibilität zu ermöglichen. Zum XXXX 04.2020 sei nicht vorhersehbar gewesen, wann und unter welchen Umständen die Rückreise angetreten werden könne. Nach aktuellem Stand würden ab XXXX 05.2020 auch keine Direktflüge durchgeführt werden, sodass auch sämtliche Reiserestriktionen über Transit-Flughäfen zu berücksichtigen seien. Dem Beschwerdeführer sei sohin ein Visum gemäß § 22a Z 1 FPG auszustellen, um einen rechtmäßigen Aufenthalt bis zur Ausreise aus dem Bundesgebiet zu ermöglichen.

Der Beschwerde wurden folgende verfahrensrelevante Dokumente (in Kopie) beigelegt:

?        Mitteilung der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX 03.2020, wonach der Parteienverkehr der Abteilung Fremdenpolizei und Anhaltevollzug eingestellt wird und den betroffenen Fremden keinerlei behördliche Nachteile erwachsen, wenn die Ausreise aus Österreich faktisch unmöglich ist;

?        Interne Aktenvermerke der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers betreffend Telefonate mit der Landespolizeidirektion Wien am XXXX 04.2020 und am XXXX 04.2020;

?        „Guidance on the implementation of the temporary restriction on non-essential travel to the EU, on the facilitation of transit arrangements for the repatriation of EU citizens, and on the effects on visa policy“ der Europäischen Kommission vom 30.03.2020, in welcher sich unter Punkt 4 „Dealing with overstay caused by travel restrictions, including for visa-waived third country nationals“ folgende Ausführungen finden:

„The stay of visa holders present in the Schengen area who cannot leave at the expiry of their short-stay visa may be extended up to a maximum stay of 90/180 days by the designated Member State authorities. If the visa holders are compelled to stay beyond the extended period of 90/180 days, a national long-stay visa or a temporary residence permit should be issued by the competent national authorities“;

?        E-Mail der Versicherung „ XXXX “ vom XXXX 04.2020, wonach es sich bei der vom Beschwerdeführer abgeschlossenen Versicherung um eine „open end date policy“ handelt und das Enddatum eingesetzt wird, wenn der Beschwerdeführer nach Indien zurückkehrt;

?        Kontoauszüge des Beschwerdeführers bei der XXXX , auf welchen unter anderem eine Gutschrift vom XXXX 04.2020 in der Höhe von € 2.496,27 ausgewiesen ist;

?        Kontoauszüge des Beschwerdeführers für den Zeitraum XXXX 04.2020 bis XXXX 04.2020, auf welchen ein Saldo in Höhe von 50.489,34 INR ausgewiesen ist und

?        Reisewarnung für Indien, wonach in Indien bis einschließlich XXXX 05.2020 eine vorläufige Ausgangssperre gilt und ein Flugverbot für Linienflüge sowie Mobilitätsbeschränkungen durch die Ausgangsperre bestehen und auch Bundesstaatsgrenzen nur mit Sondergenehmigungen überquert werden dürfen

4. Mit Schriftsatz vom XXXX 05.2020 erstatte die Landespolizeidirektion Wien eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher die Begründung des Bescheids vom XXXX 04.2020 zusammengefasst wiedergegeben und ergänzend ausgeführt wurde, dass die Beschwerde abzuweisen sei.

5. Einem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 01.09.2020 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit 11.06.2020 nicht mehr in Österreich gemeldet ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 9 Abs. 3 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG durch Beschluss.

2. Zu A)

2.1. Gesetzliche Grundlagen:

2.1.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

§ 5 (1) Den Landespolizeidirektionen obliegt
1.         die Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2);
2.         die Besorgung folgender Visaangelegenheiten:
a.         die Verlängerung von Visa gemäß § 11b Abs. 2 oder Art. 33 Visakodex;
b.         die Erteilung von Visa gemäß § 22a nur mit Zustimmung des Bundesministers für Inneres;
c.         die Erteilung von Visa an der Außengrenze gemäß Abs. 2 nur mit Zustimmung des Bundesministers für Inneres;
d.         die Annullierung von Visa; soweit es sich um nationale Visa handelt, nur jener, die von Österreich erteilt wurden;
e.         die Erteilung von Visa gemäß § 20 Abs. 1 Z 10 im Inland;
3.         die Führung von Verwaltungsstrafverfahren nach diesem Bundesgesetz;
4.         die Verhängung von Verwaltungsstrafen nach § 112 und
5.         die Vorschreibung von Kosten nach § 113.

[…]

§ 9 Beschwerden

(1) Über Beschwerden gegen Entscheidungen der Landespolizeidirektionen entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Verwaltungsgerichte der Länder.

(2) Über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

(3) Über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

(4) Über Beschwerden gegen Entscheidungen gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.

(5) Ist der Beschwerdeführer nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt, kann eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, wenn der Sachverhalt abschließend feststeht.

§ 11 Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

(1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragsteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragsteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung ist auch die Rechtsmittelinstanz anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3 FPG, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

§ 11b Verfahren vor den Landespolizeidirektionen in Visaangelegenheiten gemäß § 5 Abs. 1 Z 2

(1) § 11 Abs. 1, 2, 4 und 6 bis 9 gelten sinngemäß in Verfahren vor den Landespolizeidirektionen in Visaangelegenheiten gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 mit der Maßgabe, dass bei Erteilung oder Verlängerung eines Visums die Zustellung durch Übergabe an den Empfänger in der Landespolizeidirektion erfolgt.

(2) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 4 Z 17a) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums für Saisoniers bei der örtlich zuständigen Landespolizeidirektion im Inland einzubringen. Dem Verlängerungsantrag ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 stattzugeben.

(3) Anträge auf Erteilung eines Visums für Praktikanten (§ 20 Abs. 1 Z 10) können von Drittstaatsangehörigen während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet auf der Grundlage eines von Österreich erteilten Visums D oder Aufenthaltstitels bei der örtlich zuständigen Landespolizeidirektion im Inland eingebracht werden. Dem Antrag ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 stattzugeben, sofern kein gültiges Visum gemäß § 20 Abs. 1 Z 10 vorliegt.

§ 20 Form und Wirkung der Visa D

(1) Visa D werden erteilt als

1.       Visum für den längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet;

2.       Visum aus humanitären Gründen;

3.       Visum zu Erwerbszwecken;

4.       Visum zum Zweck der Arbeitssuche;

5.       Visum zur Erteilung eines Aufenthaltstitels;

6.       Visum zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005;

7.       Visum zur Wiedereinreise;

8.       Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen;

9.       Visum für Saisoniers;

10.      Visum für Praktikanten.

(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur in den Fällen des § 24 zulässig. Visa D werden für die ein- oder mehrmalige Einreise ausgestellt und berechtigen zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet von mehr als 90 Tagen, und zwar von längstens

1.       sechs Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 1 bis 8 und 10;

2.       neun Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 9;

3.       zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 1, sofern dies aus Gründen des nationalen Interesses oder auf Grund internationaler Verpflichtungen notwendig ist; oder

4.       zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 3, sofern dies auf Grund internationaler Vereinbarungen zur Ausübung einer Tätigkeit, die vom AuslBG gemäß § 1 Z 14 AuslBVO ausgenommen ist, notwendig ist.

(3) Visa gemäß Abs. 1 sind befristet zu erteilen. Ihre Gültigkeitsdauer darf jene des Reisedokumentes nicht übersteigen. Die Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes hat, ausgenommen in begründeten Notfällen, jene eines Visums um mindestens drei Monate zu übersteigen. Eine von der erlaubten Aufenthaltsdauer abweichende Gültigkeitsdauer der Visa ist unzulässig.

(3a) Visa gemäß Abs. 1 Z 8 und 9 können mit einer Gültigkeitsdauer von weniger als 91 Tagen ausgestellt werden, sofern ein Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a) oder ein Antrag gemäß § 22a gestellt wurde und der durchgehende Aufenthalt im Bundesgebiet insgesamt 90 Tage übersteigt.

(4) Das Visum ist im Reisedokument des Fremden durch Anbringen ersichtlich zu machen.

(5) Die nähere Gestaltung sowie die Form der Anbringung der Visa D im Reisedokument wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt.

(6) Visa gemäß Abs. 1 Z 1 sowie gemäß des Visakodex können unter den Voraussetzungen, unter denen für österreichische Staatsbürger österreichische Dienstpässe ausgestellt werden, als Dienstvisa gekennzeichnet werden.

§ 21 Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung von Visa D

(1) Visa gemäß § 20 Abs. 1 Z 1, 3 bis 5 und 8 bis 10 können einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn

1.       dieser ein gültiges Reisedokument besitzt;

2.       kein Versagungsgrund (Abs. 2) vorliegt und

3.       die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint.

In den Fällen des § 20 Abs. 1 Z 4 und 5 hat die Vertretungsbehörde von der Voraussetzung der Z 3 abzusehen.

(2) Die Erteilung eines Visums ist zu versagen, wenn

1.       der Fremde den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts nicht begründet;

2.       begründete Zweifel im Verfahren zur Erteilung eines Visums an der wahren Identität oder der Staatsangehörigkeit des Fremden, an der Echtheit der vorgelegten Dokumente oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhaltes oder am Vorliegen weiterer Erteilungsvoraussetzungen bestehen;

3.       der Fremde nicht über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder er im Gesundheitszeugnis gemäß § 23 eine schwerwiegende Erkrankung aufweist;

4.       der Fremde nicht über ausreichende eigene Mittel für seinen Unterhalt und in den Fällen des § 20 Abs. 1 Z 1, 3 und 7 bis 10 für die Wiederausreise verfügt;

5.       der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;

6.       der Fremde im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;

7.       der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;

8.       gegen den Fremden ein rechtskräftiges Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht, außer im Fall des § 26a (Visa zur Wiedereinreise) oder des § 27a (Wiedereinreise während der Gültigkeitsdauer eines Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes);

9.       der Aufenthalt des Fremden die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat beeinträchtigen würde;

10.      Grund zur Annahme besteht, der Fremde werde außer in den Fällen des § 24 eine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet beabsichtigen;

11.      bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB), eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

12.      bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

13.      der Fremde öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

14.      der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 2 Z 3, 4 oder 5 ein Visum erteilen, wenn auf Grund einer im öffentlichen Interesse eingegangenen Verpflichtung eines Rechtsträgers im Sinn des § 1 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz – AHG, BGBl. Nr. 20/1949, oder auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.

(4) Wird einer Aufforderung zur Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung gemäß § 99 Abs. 1 Z 7 und Abs. 4 nicht Folge geleistet, ist der Antrag auf Erteilung eines Visums zurückzuweisen.

§ 22a Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen

Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, kann vor Ablauf des rechtmäßigen Aufenthalts auf Antrag im Inland ein Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 1 vorliegen und dies

1.       aus humanitären Gründen,

2.       aus Gründen des nationalen Interesses oder

3.       auf Grund internationaler Verpflichtungen

notwendig ist.

2.1.3. Gemäß Art. 9 Abs. 1 Visakodex idF Verordnung (EU) 2019/1155 sind Anträge frühestens sechs Monate und im Falle von Seeleuten in Ausübung ihrer Tätigkeit frühestens neun Monate vor Antritt der geplanten Reise bis in der Regel spätestens 15 Kalendertage vor Antritt der geplanten Reise einzureichen. In begründeten dringlichen Einzelfällen kann das Konsulat oder die zentrale Behörde zulassen, dass Visumanträge weniger als 15 Kalendertage vor Antritt der geplanten Reise eingereicht werden.

2.2. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Im vorliegenden Fall erweist sich die bekämpfte Entscheidung in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, reiste mit einem Schengen-Visum der Kategorie D mit Gültigkeit vom XXXX 11.2019 bis zum XXXX 04.2020 rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein. Am XXXX 04.2020 übermittelte er der Landespolizeidirektion Wien gemäß § 22a FPG einen Antrag auf Erteilung eines Visums der Kategorie D zur Verlängerung seines Aufenthalts in Österreich für die Dauer von 60 Tagen, welcher am XXXX 04.2020 bei der Behörde einlangte. Begründend führte der Beschwerdeführer aus, dass ihm die Ausreise aus Österreich vor Ablauf seines Visums infolge der zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie verhängten Reisebeschränkungen faktisch unmöglich sei und er sohin aufgrund der humanitären Ausnahmesituation ersuche, den rechtmäßigen Aufenthalt durch die Ausstellung eines Visums zu verlängern, bis er seine Heimreise antreten könne.

2.2.2. Das neu geschaffene Visum D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann Fremden erteilt werden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, sofern die allgemeinen Visumerteilungsvoraussetzungen (§ 21 Abs. 1 FPG) vorliegen und die Visumerteilung entweder aus humanitären Gründen, Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen notwendig ist. In einem solchen Fall kann die Landespolizeidirektion im Inland unter Zustimmung des Bundesministers für Inneres (§ 5 Abs. 1 Z 2 lit b FPG) ein Visum D erteilen. Durch die vorgeschlagene Adaptierung wird eine Harmonisierung mit dem vergleichbare Fälle erfassenden Art 33 Visakodex in Entsprechung von Art 20 Abs. 2 SDÜ erreicht. Dies soll nur in Ausnahmefällen gelten und besonders berücksichtigungswürdige Gründe, in denen eine Ausreise aus dem Bundesgebiet (vor Ablauf der Gültigkeitsdauer eines bestehenden Visums oder vor Ablauf des visumfreien Aufenthalts) nicht möglich ist, und längerfristige Aufenthalte erfassen, unabhängig davon, ob der Fremde gemäß dem einschlägigen Unionsrecht der Visumpflicht unterliegt oder von dieser befreit ist. Können Fremde das Bundesgebiet aus unerwarteten Notfällen nicht verlassen und müssen sie ihren visumfreien oder visumpflichtigen rechtmäßigen Aufenthalt überschreiten, beispielsweise aufgrund plötzlicher Krankenhausaufenthalte oder aufgrund unvorhergesehener Verpflichtungen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen, wie etwa der Teilnahme an internationalen Sitzungen und Verhandlungen, kann in Hinkunft ein Visum D gemäß § 22a FPG erteilt werden. Zur Erteilung ist in diesem Fall die Landespolizeidirektion zuständig (§ 5 Abs.1 FPG). Da der Aufenthalt nach einer Verlängerung gemäß § 22a FPG insgesamt über 90 Tage beträgt, liegt ein langfristiger Aufenthalt gemäß Art 18 SDÜ vor, weshalb mit der Erteilung eines Visums D vorzugehen ist (§ 20 Abs. 3a FPG) (vgl. ErläutRV (BGBl I 2017/145).

Der in den Erläuterungen angesprochene Art. 33 Visakodex sieht vor, dass Schengen-Visa in Fällen von höherer Gewalt oder aus humanitären Gründen verlängert werden können. Der Visuminhaber muss dabei schwerwiegende persönliche Gründe, die eine Verlängerung der Aufenthaltsdauer rechtfertigen, nachweisen.

2.2.3. Vorwegzunehmen ist, dass gemäß § 11b FPG im Verfahren vor den Landespolizeidirektionen in Visaangelegenheiten § 11 Abs. 1, 2, 4 und 6 bis 9 FPG sinngemäß gelten. Gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz FPG darf eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

Die Landespolizeidirektion Wien hat die Versagung des Visums D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im gegenständlichen Fall dahingehend begründet, dass die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 FPG nicht vorlägen, da der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen habe, über eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung sowie über ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts für die Dauer des beantragten Visums zu verfügen. Die Behörde hat die Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags sohin auf das Vorliegen der Versagungsgründe des § 21 Abs. 2 Z 3 und Z 4 FPG gestützt.

Begründend hat die Behörde zwar grundsätzlich zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer seinem Antrag Kontoauszüge beigelegt hat, wonach der Saldo per XXXX 04.2020 lediglich 528,34 INR, sohin etwa € 6,39, betragen habe. Allerdings hat es die Behörde verabsäumt, sich mit den vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten Lohnzetteln für den Zeitraum Jänner 2020 bis März 2020, auf welchen ein Bruttolohn in Höhe von € 3.992,83 ausgewiesen ist, sowie mit der Beschäftigungsbewilligung des AMS vom XXXX 11.2019 auseinanderzusetzen. Diese Unterlagen bieten konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines regelmäßigen Einkommens, weshalb nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Bestreitung seines weiteren Aufenthalts in Österreich für die geplante Dauer von 60 Tagen verfügt. Ebenso wenig wurde der entscheidungswesentliche Sachverhalt in Bezug auf das Vorliegen eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes geklärt, zumal alleine aus dem Umstand, dass in der vorgelegten Bestätigung kein Enddatum ausgewiesen ist, nicht darauf geschlossen werden kann, dass kein Versicherungsschutz vorliegt, wurde doch in der Beschwerde nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass es sich um eine „open end policy“ handle, bei welcher das Enddatum erst nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat eingetragen und damit der Versicherungsschutz beendet werde. Insoweit die Behörde in der Stellungnahme vom XXXX 05.2020 weiter ausführt, aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen sei nicht ersichtlich, ob er die entsprechenden Versicherungsprämien bezahlt habe, ist darauf hinzuweisen, dass sie ihre diesbezüglichen Bedenken gegenüber dem Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren offenzulegen und ihn zur Stellungnahme aufzufordern gehabt hätte.

Wenn die Behörde weiter moniert, dass der Beschwerdeführer keine Flugreservierung vorgelegt und nicht angegeben habe, ob eine Kontaktaufnahme mit den indischen Behörden betreffend etwaiger Repatriierungsflüge erfolgt sei, und sohin implizit Zweifel am Vorliegen der Erteilungsvoraussetzung des § 21 Abs. 1 Z 3 FPG äußert, so ist darauf hinzuweisen, dass eine umfassende Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Wiederausreise des Beschwerdeführers gesichert erscheint, nicht erfolgt ist, zumal weitere Faktoren, wie etwa korrektes Vorverhalten sowie familiäre, berufliche und finanzielle Bindungen im Herkunftsstaat, nicht berücksichtigt worden sind.

Zusammengefasst hat es die Behörde im gegenständlichen Fall verabsäumt, ihre Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzung des § 21 Abs. 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer offenzulegen und ihm die Möglichkeit zur Vorlage weiterer Unterlagen sowie zu einer abschließenden Stellungnahme einzuräumen. Das gegenständliche von der Behörde geführte Verfahren entspricht daher nicht den in § 11 Abs. 1 FPG normierten Grundsätzen, weshalb der Beschwerdeführer auch nicht in die Lage versetzt wurde, seinen Rechtsstandpunkt ausreichend zu vertreten.

Der Argumentation im angefochtenen Bescheid, wonach dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör eingeräumt werden habe können, da er seinen Antrag verspätet, konkret einen Tag vor Ablauf seines gültigen Visums D, eingebracht habe und die Behörde verpflichtet gewesen sei, in der Sache vor Ablauf dieses Visums zu entscheiden, ist entgegenzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer nach seinem Beschwerdevorbringen im Wege seiner ausgewiesenen Vertreterin am XXXX 04.2020, sohin am Tag, als der Antrag bei der Behörde eingelangt und über den Antrag entschieden worden ist, erkundigt hat, ob weitere Unterlagen oder Informationen seitens der Behörde benötigt werden. Da die Behörde in ihrer Stellungnahme vom XXXX 05.2020 dieser Darstellung nicht entgegengetreten ist, ist davon auszugehen, dass es seitens der Behörde trotz Zeitdrucks möglich gewesen wäre, dem Beschwerdeführer einen Verbesserungsauftrag zu erteilen bzw. ihm Parteiengehör zu den Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen einzuräumen.

Auch die weiteren Ausführungen der Behörde, wonach der Antrag verspätet eingebracht worden sei, da Anträge auf Erteilung eines Visums der Kategorie D gemäß § 9 Abs. 1 Visakodex spätestens 15 Kalendertage vor Antritt der geplanten Reise bzw. - im Fall eines Antrags nach § 22a FPG - 15 Kalendertage vor Ablauf des gültigen Visums zu stellen sind, erweisen sich als nicht nachvollziehbar.

Selbst wenn man von der sinngemäßen Anwendbarkeit des Art. 9 Abs. 1 Visakodex im Verfahren nach § 22a FPG ausgeht, ist zu berücksichtigen, dass Behörden gemäß Art. 9 Abs. 1 Visakodex in begründeten dringlichen Einzelfällen zulassen können, dass Visumanträge weniger als 15 Kalendertrage vor Antritt der geplanten Reise eingereicht werden können.

Im vorliegenden Fall wurde in der Beschwerde nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer von der Behörde widersprüchliche Informationen zur Erforderlichkeit der Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Visums aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 22a FPG erhalten hat und kann ihm – ausgehend von seinem Beschwerdevorbringen - daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er seinen Antrag gemäß § 22a FPG nicht bereits 15 Tage vor Ablauf seines (Vor-)visums der Kategorie D eingebracht hat. Konkret wurde mit Presseaussendung der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX 03.2020 mitgeteilt, dass der gesamte Parteienverkehr in Visa-Angelegenheiten ab dem XXXX 03.2020 eingestellt werde. Den betroffenen Fremden würden demnach keinerlei behördliche Nachteile erwachsen, wenn die Ausreise aus Österreich faktisch unmöglich sei. Es würden keine Konsequenzen in nachfolgenden Verfahren drohen, da die betroffenen Personen kein Verschulden an der Nichtausreise treffe. Laut Aktenvermerk der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers wurde ferner am XXXX 04.2020 von der Landespolizeidirektion Wien telefonisch bekanntgegeben, es werde empfohlen, eine Kopie des Reisepasses sowie eine kurze und formlose Sachverhaltsdarstellung, in welcher die faktische Unmöglichkeit der Ausreise erwähnt werde, an die E-Mail-Adresse der zuständigen Landespolizeidirektion zu schicken. Daraufhin werde von der Landespolizeidirektion mit einem Standardtext bestätigt, dass mangels Verschulden keinerlei negativen Konsequenzen aus dem unrechtmäßigen Aufenthalt gezogen werden dürften. Laut Aktenvermerk vom XXXX 04.2020 hat die Behörde auf neuerliche Nachfrage einerseits mitgeteilt, dass die Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Visums nicht erforderlich sei, andererseits habe die Behörde jedoch eine E-Mailadresse bekanntgegeben, falls ein Antrag auf Erteilung eines Visums der Kategorie D gestellt werde. Auch dieser Sachverhaltsdarstellung ist die Behörde in ihrer Stellungnahme vom XXXX 05.2020 nicht entgegengetreten.

Aufgrund der kaum vorhersehbaren Entwicklungen der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Reisebeschränkungen, der fehlenden Adaptierung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 im Rahmen der COVID-19-Gesetzgebung sowie der teilweise widersprüchlichen Informationen der Landespolizeidirektion Wien betreffend die Vorgehensweise in Visa-Angelegenheiten kann es dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er den verfahrensgegenständlichen Antrag erst kurz vor Ablauf seines (Vor-)visums eingebracht hat. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde offenbar auch selbst von der Rechtzeitigkeit des Antrags ausgegangen ist, hätte sie doch ansonsten den Antrag als verspätet zurückzuweisen gehabt.

2.2.4. Die weitere Argumentation der Behörde, wonach im Fall des Beschwerdeführers berechtigte Zweifel am Vorliegen von humanitären Gründen bestehen, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar.

Wie bereits ausgeführt, begründete der Beschwerdeführer seinen Antrag dahingehend, dass ihm eine Ausreise aus Österreich vor Ablauf seines Visums der Kategorie D mit Gültigkeit bis zum XXXX 04.2020 aufgrund der pandemiebedingten Reisebeschränkungen faktisch unmöglich sei. Dieser Argumentation ist die Behörde im angefochtenen Bescheid nicht entgegengetreten, sondern hat vielmehr darauf hingewiesen, dass sich „bereits Ende Mai“ – sohin ca. ein Monat nach Ablauf des Visums - zahlreiche Flüge von Wien nach Indien finden würden. Folglich ist auch die Behörde von der faktischen Unmöglichkeit der rechtzeitigen Ausreise vor Ablauf des (Vor-)visums ausgegangen und bleibt sohin gänzlich offen, aufgrund welcher konkreter Anhaltspunkte das Vorliegen von humanitären Gründen seitens der Behörde bezweifelt wird.

Insoweit die Landespolizeidirektion Wien argumentiert, es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer ein Visum für die Dauer von zwei Monaten, sohin bis zum XXXX 06.2020, beantragt habe, obwohl bereits Ende Mai Flugverbindungen zwischen Wien und Indien bestünden, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Behörde im angefochtenen Bescheid nicht offenlegt, woher sie die Informationen betreffend die bestehenden Flugverbindungen im Mai 2020 bezieht. Im Verwaltungsakt liegt der Ausdruck einer Online-Abfrage der Plattform „ XXXX “ auf, wonach am XXXX 05.2020 verschiedene Flüge von Wien nach Neu-Delhi mit jeweils einem oder zwei Zwischenstopps angeboten worden sind. Diese Abfrage enthält jedoch den expliziten Hinweis, dass die COVID-19-Pandemie Reisepläne beeinträchtigen könne und daher die neuesten Reisehinweise zu beachten seien. Eine Auseinandersetzung der Behörde mit allfälligen Reisehinweisen ist jedoch weder dem angefochtenen Bescheid noch dem sonstigen Akteninhalt zu entnehmen. Ferner wurde in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt, dass auch allfällige Reiserestriktionen in Bezug auf Transit-Flughäfen zu berücksichtigen gewesen wären, gab es doch zu diesem Zeitpunkt – auch nach der im Akt aufliegenden amtswegig eingeholten Abfrage – keine direkten Flugverbindungen zwischen Wien und Neu-Delhi.

Dem Beschwerdevorbringen kann zudem nicht entgegengetreten werden, wenn ausgeführt wird, dass die Entwicklungen der Pandemie sowie die damit verbundenen Reiserestriktionen im Zeitpunkt der Antragstellung kaum vorhersehbar gewesen sind und Informationen betreffend die Verlängerung von Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie aus diesem Grund regelmäßig nur kurz vor deren Inkrafttreten bekanntgegeben wurden. Vor diesem Hintergrund erweist sich die vom Beschwerdeführer beantragte Visumdauer von 60 Tagen als angemessen.

2.3. Im fortgesetzten Verfahren wird sich die Behörde unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen mit sämtlichen vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Unterlagen auseinanderzusetzen und den Beschwerdeführer allenfalls zur Vorlage weiterer Unterlagen, wie etwa einer Zahlungsbestätigung der Versicherungsprämien, aufzufordern haben. Weiters wird die Behörde auch zu berücksichtigen haben, dass der Beschwerdeführer seit 11.06.2020 über keine aufrechte Meldung in Österreich mehr verfügt und sohin davon auszugehen ist, dass er die Heimreise nach Indien angetreten hat bzw. sich auch aktuell in Indien befindet. Sollte die Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers nicht vollinhaltlich Rechnung tragen wird sie ferner ihre Bedenken offenzulegen und dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu einer abschließenden Stellungnahme zu geben haben, dies unter der Prämisse, dass die vorgehaltenen Bedenken auch für den Beschwerdeführer näher ausgeführt und inhaltlich ausreichend nachvollziehbar begründet werden. Weiters hat die belangte Behörde ihre Feststellungen nachvollziehbar darzulegen.

2.4. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Einreisetitel Ermittlungspflicht finanzielle Mittel Kassation Krankenversicherung mangelnde Sachverhaltsfeststellung Pandemie

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W235.2231332.1.00

Im RIS seit

16.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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