Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des Dipl. Ing. W in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, B-Straße 30/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Land Niederösterreich vom 12. Juni 1997, Zl. Senat-PL-96-126, betreffend Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Spruchabschnitt II des angefochtenen Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten erließ gegen den Beschwerdeführer ein mit 13. März 1996 datiertes
Straferkenntnis, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:
"Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Tatzeit: 6.7.1994
Tatort: 1.) Grundstück 1927, 1928/1 und 1385/2,
KG R,
2.)
Grundstück 1385/2, KG R,
3.)
Grundstück 2906/4, KG R,
4522/4 und 413/12, KG K,
Tatbeschreibung:
Sie haben es zu verantworten, daß Sie
1.) ohne die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 Wasserrechtsgesetz 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit beeinträchtigen, getätigt haben, indem sie konsenslos zwei Teichanlagen errichtet haben.
2.) entgegen § 38 Wasserrechtsgesetz 1959 besondere bauliche Herstellungen, nämlich Anlagen innerhalb der Grenzen des Hochwasserabflußbereiches eines fließenden Gewässers, ohne die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung vorgenommen haben, indem sie konsenslos eine Wegschüttung innerhalb des Hochwasserabflußbereiches des T-Baches vorgenommen haben.
3.) ohne die gemäß § 32 Abs. 1 und 2 Wasserrechtsgesetz 1959 erforderliche wasserrechtliche Bewilligung Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit beeinträchtigen, vorgenommen haben, indem sie in die mit Bescheid vom 6. Juni 1988 der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten, Zl. 9-W-8678/16, bewilligten drei Teiche konsenslos einen Fischbesatz vorgenommen haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
Zu 1.) § 32/1 iVm § 137/3 lit. g Wasserrechtsgesetz 1959
zu 2.) § 38/1 iVm § 137/2 lit. l Wasserrechtsgesetz 1959
zu 3.) § 32/1 iVm § 137/3 lit. g Wasserrechtsgesetz 1959 Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über sie zu 1.)
und 3.) gemäß § 137/3 lit. g Wasserrechtsgesetz und zu 2.) gemäß § 137/2 lit. l Wasserrechtsgesetz eine Geldstrafe zu 1.) und 3.) von je S 10.000,-- und zu 2.) von S 5.000,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe zu 1.) und 3.) von je 10 Tagen und zu 2.) von 5 Tagen verhängt.
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 sind Sie verpflichtet, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 v.H. der verhängten Strafe, das sind zu 1.) und 3.) je S 1.000,-- und zu 2.) S 500,-- zu leisten.
Insgesamt zu bezahlen daher: S 27.500,--."
Der Beschwerdeführer berief. Die Berufung hat folgenden
Wortlaut:
"Das genannte Straferkenntnis wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.
Vorweg wird darauf hingewiesen, daß die Bestrafung nach Überzeugung des Berufungswerbers jedenfalls rechtlich gesehen zu früh erfolgt ist. Das Wasserrechtsverfahren ist nach wie vor offen und liegt grundsätzlich die Möglichkeit eines bewilligungsfähigen Vorhabens vor.
Bevor dieses Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, erscheint es nicht zielführend oder auch unzulässig, gegen den Beschuldigten ein Verwaltungsstrafverfahren einzuleiten und ihn zu bestrafen. Es wird daher ausdrücklich die Beischaffung des Aktes III/1-35.071/7 der Wasserrechtsbehörde (LH von NÖ) beantragt.
In diesem Zusammenhang muß - wie in der Äußerung vom 21. Februar 1995 hingewiesen wurde - jedenfalls darauf verwiesen werden, daß das Verwaltungsstrafrecht ein zurechenbares Verschulden verlangt.
Es wurde diesbezüglich auch dem Beweisantrag nicht entsprochen, nämlich die Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Fischereibiologie, der mit den örtlichen Fischereiberechtigten in keiner Beziehung steht.
Dieser Umstand wäre aber unbedingt notwendig gewesen.
Bereits in der Rechtfertigung vom 8. November 1994 hat der Beschuldigte darauf hingewiesen, daß es sich um lange Jahre, ja sogar Jahrzehnte bestehende Eisteiche handelt, die bisher keinerlei negative Auswirkungen oder Beeinträchtigungen entfaltet haben.
Das Grundstück 1358/2 KG R hat der Beschuldigte im vorliegenden Zustand von seinem Rechtsvorgänger erworben.
Schließlich wird auch noch darauf hingewiesen, daß schon im genannten Straferkenntnis Ungenauigkeiten sind, die mit einer für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit jedenfalls unaufgeklärt geblieben sind.
Es ist nämlich ungeprüft geblieben, welche konkrete Einwirkungen auf benachbarte Gewässer oder auf deren Beschaffenheit hervorgerufen worden sind (Spruch 1 des Erkenntnisses). Tatsächlich ergibt sich nämlich keinerlei negative Auswirkung. Was schließlich den behaupteten Fischbesatz betrifft, so hat der Berufungswerber lediglich Amuren eingesetzt und wäre durch ein entsprechendes fischereibiologisches Gutachten im Sinne der obigen Ausführungen leicht nachzuweisen gewesen, daß die Teiche nur zu Erholungszwecken dienen und Dipl.-Ing. W nicht an einem übermäßigen Fischbestand schon aus grundsätzlichen Überlegungen heraus interessiert ist.
Ungeklärt und ungeprüft blieb in diesem Zusammenhang ferner, inwiefern unmittelbare oder mittelbare Einwirkung durch den Fischbesatz auf andere Gewässer erfolgt sind. Lediglich Vermutungen reichen nicht aus, um hier ein zurechenbares Verschulden zu begründen. Wesentlich erscheint in diesem Zusammenhang, daß das wasserrechtliche Verfahren nach wie vor nicht abgeschlossen ist und bei der Oberbehörde (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft) nach wie vor anhängig ist und noch nicht entschieden ist.
Wenn schon aus der Sicht der Oberbehörde seit knapp 1 1/2 Jahren keine Entscheidung vorliegt, so kann dies nur für eine entsprechende rechtliche Kompliziertheit sprechen, was aber wiederum indiziert, daß der Beschuldigte daher sehr wohl der Überzeugung sein konnte, daß ein bewilligungsfähiges Projekt vorliegt. Dies umso mehr, da der Beschuldigte einen Landschaftsplaner und Landschaftsarchitekten, nämlich Herrn Dipl.-Ing. F, eingeschaltet hat.
Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammenhang, wonach die BH St. Pölten als Wasserrechtsbehörde bereits etwa sechs bis sieben Jahre zuvor im Verfahren 9-W-8678/16 eine positive Erledigung in Aussicht gestellt wurde. Der Beschuldigte beantragt daher im Rahmen dieses Berufungsverfahren einerseits die Beischaffung des bezughabenden Aktes 9-W-8678/16, legt weiters der Berufungsbehörde vor, eine Kopie der von ihm eingebrachten Berufung zu III/1-35.071/7. Auch diese aktenkundig erfaßten Umstände rechtfertigen keinesfalls ein zurechenbares Verschulden des Beschuldigten. Schließlich wird auch noch ersucht bzw. beantragt, bis zur rechtskräftigen Erledigung des anhängigen Berufungsverfahrens das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen.
Der Beschuldigte bekämpft auch vorsorglich die Strafhöhe. Es wurde eine Geldstrafe von insgesamt S 27.500,-- verhängt.
Die Behörde hat für jeden Vorgang drei verschiedene Strafen verhängt, weshalb hier eine unzulässige Kumulierung erblickt wird. Jedenfalls wäre auch mit einer wesentlich milderen Geldstrafe im Zweifel das Auslangen zu finden gewesen, wobei diese Ausführungen seitens des Beschuldigen lediglich vorsorglich erhoben werden."
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 1997 gab die belangte Behörde der Berufung hinsichtlich der Spruchpunkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses Folge, behob das erstinstanzliche Straferkenntnis und verfügte in diesem Umfang die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens (Spruchabschnitt I).
Unter Spruchabschnitt II wies die belangte Behörde die Berufung gegen Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (Vorwurf der konsenslosen Wegschüttung innerhalb des Hochwasserabflußbereiches des T-Baches) gemäß § 63 Abs. 3 AVG zurück.
In der Begründung zu Spruchabschnitt II heißt es, zu Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses führe die Berufung einleitend aus, daß das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach angefochten werde, die nachfolgenden Ausführungen bezögen sich jedoch ausschließlich auf die Spruchpunkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses. Hinsichtlich Punkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses müsse daher festgestellt werden, daß ein begründeter Berufungsantrag nicht vorhanden sei, weshalb infolge Unverbesserbarkeit dieses Mangels die Berufung gegen Punkt 2 zurückzuweisen gewesen sei.
Gegen Spruchabschnitt II dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine inhaltliche Behandlung seiner Berufung verletzt erachtet.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Eine Berufung ist nur dann gesetzmäßig erhoben, wenn sie einen Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung enthält. Bei der Auslegung des Merkmales eines "begründeten" Berufungsantrages darf aber kein strenger Maßstab angelegt werden. Eine allenfalls unklare oder unzutreffende Begründung einer Berufung kann nicht mit dem Fehlen einer solchen gleichgesetzt werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 509 f, angeführte Rechtsprechung).
Der Beschwerdeführer hat in der Berufung vorgebracht, die Bestrafung sei zu früh erfolgt, weil das Wasserrechtsverfahren nach wie vor offen sei. Eine Beschränkung dieses Vorbringens auf die Punkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntisses ist der Berufung nicht zu entnehmen. Zwar ist weder der Berufung noch dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen, ob das in der Berufung angesprochene Wasserrechtsverfahren lediglich die in den Punkten 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angesprochenen Teiche oder auch die Wegschüttung im Hochwasserabflußbereich zum Inhalt hat, doch ist dies für die Einstufung des Berufungsvorbringens als Berufungsbegründung nicht entscheidend. Dem Berufungsvorbringen ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, die erfolgte Bestrafung sei infolge des anhängigen Wasserrechtsverfahrens unzulässig. Die Auffassung von der Unzulässigkeit einer Bestrafung bezieht sich mangels entsprechender Einschränkung auf das gesamte erstinstanzliche Straferkenntnis. Es würde sich daher an der Eignung dieses Berufungsvorbringens als Berufungsbegründung unabhängig von ihrer inhaltlichen Unrichtigkeit auch dann nichts ändern, wenn sich das in der Berufung angesprochene Wasserrechtsverfahren nur auf die von den Punkten 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erfaßten Teiche beziehen sollte.
Weiters hat der Beschwerdeführer in der Berufung mangelndes Verschulden geltend gemacht, ohne daß sich diesbezüglich eine Einschränkung ausschließlich auf die Punkte 1 und 3 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses erkennen ließe.
In der Berufung findet sich auch der Einwand, das Grundstück Nr. 1358/2 der KG R habe der Beschwerdeführer im vorliegenden Zustand von seinem Rechtsvorgänger erworben. Auf diesem Grundstück findet sich (auch) die von Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses umfaßte Wegschüttung. Genau dasselbe Argument hat der Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung im erstinstanzlichen Strafverfahren vorgebracht, wobei aus dieser Rechtfertigung eindeutig ersichtlich ist, daß sie sich auf den Vorwurf der konsenslosen Wegschüttung im Hochwasserabflußbereich bezieht.
Schließlich hat sich der Beschwerdeführer in der Berufung auch gegen die Straffestsetzung gewendet, die er als unzulässige Kumulierung und überdies als zu hoch erachte. Daß dies eine Berufungsbegründung darstellt, bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Der angefochtene Bescheid war lediglich in einfacher Ausfertigung vorzulegen. Für die zweite Ausfertigung konnte daher kein Stempelgebührenersatz zuerkannt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997070110.X00Im RIS seit
20.11.2000