TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/15 Ra 2020/16/0049

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Veröffentlicht am 15.10.2020
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Index

E3R E02101000
E3R E02200000
E3R E02201010
E3R E02201030
E3R E02202000
E3R E11606000
E6J
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/05 Verbrauchsteuern

Norm

BAO §250
BAO §250 Abs2
BAO §256 Abs3
BAO §85 Abs2
BAO §93 Abs2
NoVAG 1991 §2
NoVAG 1991 §2 Z2
VwGG §42 Abs2 Z2
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2
31987R2658 Kombinierte Nomenklatur Anh1 Teil2 Kap87 Anm2
31992R2913 ZK 1992 Art12
32013R0952 ZK 2013 Art33
62017CJ0445 Pilato VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie der Hofrätin Dr. Reinbacher, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara über die Revision des Finanzamtes Feldkirch gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 22. Jänner 2020, Zl. RV/1100032/2018, betreffend Normverbrauchsabgabe (mitbeteiligte Partei: M F O in L, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgit Breinbauer, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Marktstraße 18a), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 14. November 2017 setzte das Finanzamt Feldkirch gegenüber dem Mitbeteiligten für ein Fahrzeug „Maverick X3XRS“ die Normverbrauchsabgabe in näher angeführter Höhe fest. Gemäß § 1 Z 3 lit. a und b des Normverbrauchsabgabegesetzes unterliege der Normverbrauchsabgabe die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 oder Z 2 leg. cit eingetreten sei oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder 12a erfolgt sei.

2        Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2017 erhob der Mitbeteiligte dagegen eine als Einspruch bezeichnete Beschwerde. Das Fahrzeug sei vom Amt der Vorarlberger Landesregierung als landwirtschaftliches Zugfahrzeug der Klasse T5 einzeln genehmigt worden. Grundlage hierfür sei eine bereits erfolgte Zulassung in Deutschland als „LOF Zugmaschine, Ackerschlepper“ gewesen. Bei dem von ihm erworbenen Fahrzeug handle es sich weder um ein Kraftrad noch um ein hauptsächlich zur Personenbeförderung gebautes Kraftfahrzeug.

3        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 19. Dezember 2017 wies das Finanzamt Feldkirch die Beschwerde als unbegründet ab und führte dazu aus:

„Die Administration der ig Lieferung des ggst Kfz Maverick X3 XRS nach zahlreichen Umbauten mit der FIN durch die Fa J in N an die Fa O GmbH ergab, dass das Kfz unmittelbar nach der Typisierung als Zugmaschine in der Genehmigungsdatenbank freigeschaltet wurde. Zulassungsbesitzer ist [Mitbeteiligter].

Mit Bescheid vom 17.10.2017 ersuchte ihn die Abgabenbehörde um Nachreichung der Rechnung für das ggst KFZ.

Mit Schreiben vom 10.11.2017 legte er zwei Rechnungen vor, Rechnung #1 über die innergemeinschaftliche Lieferung der Fa. J an die Fa.O GmbH vom 16.6.2017 (Kaufpreis EUR 30.719,66), und Rechnung #2 über die Lieferung der O GmbH an [Mitbeteiligter] in L vom 7.11.2017 (Kaufpreis EUR 37.418,25).“

4        Nach der Wiedergabe rechtlicher Bestimmungen führte das Finanzamt aus:

„Das ggst Kfz hat folgende relevante technische Daten:

Eigengewicht: 860 kg

Anhängerlast ungebremst: 500 kg

Das Zweifache des Eigengewichts des ggst Kfz beträgt 1.720 kg. Das ggst Kfz kann aber nicht mehr als 1.720 kg, sondern nur 500 kg ziehen und ist daher unabhängig von der kraftfahrrechtlichen Typisierung wegen Nichterfüllung sämtlicher Voraussetzungen für eine Einreihung als Zugmaschine zwingend in Position 8703 einzureichen und somit NoVA-pflichtig.“

5        Dagegen brachte der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2018 einen als „Einspruch gegen die Beschwerdevorentscheidung“ bezeichneten Vorlageantrag ein.

6        Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2018 reichte der Mitbeteiligte beim Bundesfinanzgericht eine „Erklärung des Sachverhaltes“ ein, worin er u.a. ausführte:

„Ich beauftragte anschließend einen Transporteur, welcher mein Fahrzeug aus Ungarn abholte, (das Fahrzeug verwende ich vorwiegend im Sommer- und Herbsturlaub im Ackerfeld in Ungarn) und nach Wien zum TÜV Austria überstellte.

Beim TÜV Austria habe ich die Überprüfung des Fahrzeuges, vor allem der Anhängerlast, in Auftrag gegeben.

Wie erwartet hat sich bei der Prüfung herausgestellt, dass die Anhängelast den Anforderungen ohne weitere Umbaumaßnahmen als Ackerschlepper entspricht. Das Gutachten habe ich Ihnen als Anlage beigelegt.“

7        Diesem Schreiben legte er einen „Prüfbericht“ der TÜV Austria Automotive GmbH vom 1. Februar 2018 bei.

8        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge, hob den vor ihm bekämpften Bescheid - ersatzlos - auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9        Nach Schilderung des Verfahrensganges stellte das Bundesfinanzgericht fest:

„Das beschwerdegegenständliche Geländefahrzeug, ein Maverick X3 XRS, wurde am 16.6.2017 von der Firma J in N in Deutschland um einen Kaufpreis in Höhe von insgesamt 30.719,66 Euro an O GmbH in L geliefert. In diesem Kaufpreis war auch ein Betrag in Höhe von 1.922,69 Euro für den Umbau des Fahrzeugs zur LOF-Zugmaschinenzulassung side by side enthalten (vgl. die Rechnung vom 7.6.2017). ‚LOF‘ bedeutet ‚Land oder Forstwirtschaft‘, unter ‚side by side‘ ist die Einrichtung eines Beifahrersitzes zu verstehen. Am 7.7.2017 erging ein Einzelgenehmigungsbescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung gemäß §§ 28 und 34 des Kraftfahrgesetzes 1967, mit dem die Verwendung des Fahrzeugs als Zugmaschine T5 unter der Auflage der Verwendung nach den Angaben und Richtlinien des Herstellers, der Bombardier Recreational Products Inc., bis 6.7.2019 zugelassen wurde (vgl. Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 7.7.2017). Am 10.7.2017 erfolgte die Zulassung des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen auf den Bf. Laut Anhang zum Genehmigungsbescheid und Zulassung hat das Fahrzeug ein Eigengewicht von 860 kg, eine zulässige Gesamtmasse von 1.034 kg, eine höchstzulässige Achslast von 420 kg (vorn) und 650 kg (hinten), eine Anhängemasse mit Auflaufbremsung von 590 kg und eine ungebremste Anhängemasse von 500 kg. Die tatsächliche Anhängelast betrug aber bereits im Zeitpunkt der Zulassung des Fahrzeugs in Österreich zumindest 1.720 kg. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Technischen Überwachungsvereins (TÜV) vom 1.2.2018 (siehe dazu weiter unten).

Mit Datum 7.11.2017 legte die O GmbH eine Rechnung über die Veräußerung des Fahrzeugs an den Bf. um einen Kaufpreis in Höhe von 31.181,88 Euro (vgl. diese Rechnung). Diesen Kaufpreis setzte das Finanzamt als Bemessungsgrundlage für die Normverbrauchsabgabe an.“

10       Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht u.a. aus:

„Gemäß § 2 NoVAG gelten als Kraftfahrzeuge

1.   Krafträder .....,

2.   Personenkraftwagen und andere hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaute Kraftfahrzeuge (ausgenommen solche der Position 8702), einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen (Position 8703 der Kombinierten Nomenklatur).

.....

Nicht als Kraftfahrzeuge im Sinne des § 2 NoVAG gelten somit all jene Fahrzeuge, die nicht unter die in § 2 NoVAG genannten Positionen der Kombinierten Nomenklatur fallen. Dazu gehörten auch Zugmaschinen der Position 8701 KN.

Zu den Zugmaschinen laut Position 8701 KN gehören Einschlepper (Unterposition 8701 10 10), Sattel- Straßenzugmaschinen (Unterposition 8701 20), Gleiskettenzugmaschinen (8701 30 00) und andere, mit einer Motorleistung von 18 kW bis mehr als 130 kW (Unterpositionen 8701 01 10 [gemeint wohl: 8701 91 10] bis 8701 95 90).

Zu diesen anderen Zugmaschinen gehörten laut den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur in der Fassung vom 4.3.2015, C 076/01, z.B. sogenannte ‚Geländefahrzeuge‘, die zur Verwendung als Zugmaschine bestimmt sind und folgende Merkmale aufweisen:

- eine Lenkstange mit zwei Griffen, an der die Kontrolleinrichtungen für die Steuerung des Fahrzeugs montiert sind; die Lenkung wird durch Drehen der zwei Vorderräder bewirkt und beruht auf einem Kraftwagenlenksystem (Ackermann Prinzip);

-    Bremssysteme an allen Rädern;

-    ein Automatikgetriebe und einen Rückwärtsgang;

-    einen Motor, der speziell für die Benutzung in schwer zugänglichem Gelände entwickelt und bei niedriger Drehzahl eine ausreichende Zugkraft für angehängte Gerätschaften liefert;

-    die Kraft wird über die Wellen auf die Räder übertragen und nicht mittels einer Kette;

-    die Reifen haben ein tiefes Profil, das für unbefestigtes Gelände geeignet ist;

-    eine Ankupplungsvorrichtung beliebiger Art, z.B. einen Anhängehaken, mit der das Fahrzeug mindestens das Zweifache seines Eigengewichts ziehen und schieben kann;

-    eine Anhängelast (nicht gebremst), von mindestens dem Zweifachen seines Eigengewichts. Diese kann durch technische Unterlagen wie Benutzerhandbuch, Bescheinigung des Herstellers oder einer nationalen Behörde mit genauer Angabe der Anhängelast des Geländefahrzeugs in Kilogramm und seines Eigengewichts (Gewicht des Fahrzeugs ohne Flüssigkeiten, Personen oder Ladung) nachgewiesen werden.

Weisen Geländefahrzeuge alle diese Merkmale auf, sind sie als Ackerschlepper und Forstschlepper einzureihen. Weisen sie nicht alle diese Merkmale auf, sind sie in die Position 8703 einzustufen.

Das Fahrzeug wurde als Zugmaschine T5 mit Bescheid von der Vorarlberger Landesregierung einzelgenehmigt und im Inland zum Verkehr zugelassen. Die höchste zulässige Anhängelast, ungebremst, wurde in diesen Dokumenten jeweils mit 500 kg angegeben. Der TÜV überprüfte im Zeitraum vom 22.1.2018 bis zum 31.1.2018, ob das Fahrzeug in dem in der BRD genehmigten Zustand auch den erforderlichen Kriterien für die Einstufung als Ackerschlepper und Forstschlepper auf Rädern gemäß dem Amtsblatt der Europäischen Union 2015/C 076/01 entsprach. Dabei kam er zum Ergebnis, dass sämtliche Merkmale für die Einstufung des Fahrzeugs als Ackerschlepper oder Forstschlepper gegeben waren. Insbesondere wurde festgestellt, dass das Fahrzeug für eine Anhängelast (ungebremst) von 1.720 kg und damit dem doppelten des Eigengewichts geeignet war (vgl. Punkt 3.8. Anhängelast auf Seite 5 des Gutachtens). Die gutachterliche Schlussfolgerung lautet:

Auf Grund der durchgeführten Prüfungen und deren Ergebnisse wird festgestellt, dass das gegenständliche Fahrzeug gemäß Amtsblatt der Europäischen Union/C 076/01 den Vorschriften als Ackerschlepper und Forstschlepper (ausgenommen Einachschlepper) auf Rädern entspricht (vgl. Punkt 4. auf Seite 7 des Gutachtens)‘.

...

Dem Einwand des Finanzamtes in der Stellungnahme zum Vorlageantrag, wonach das nachträglich eingeholte Gutachten keinen Einfluss auf den angefochtenen Bescheid habe, weil das Fahrzeug nach dem für die Entstehung der Steuerschuld maßgeblichen Zeitpunkt gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 NoVAG, d.i. der erstmaligen Zulassung am 10.7.2017, umgebaut worden sei und dieser Umstand nichts (mehr) an der bereits entstandenen Steuerschuld ändere, kann nicht gefolgt werden. Aus den Akten ist keinerlei Hinweis zu entnehmen, der auf einen derartigen nachträglichen Umbau auch hindeuten würde. Feststellbar ist einzig der Umbau des Fahrzeugs zu einer kraftfahrrechtlich zulassungsfähigen Zugmaschine (LOF side by side) und der erfolgte noch vor der Verbringung des Fahrzeuges nach und Zulassung in Österreich in Deutschland.

Der Umstand, dass die höchstzulässige Anhängelast (ungebremst) in der Zulassung und der Einzelgenehmigung mit 500 kg angegeben wurde, steht dieser rechtlichen Beurteilung nicht entgegen, ist doch für die Einstufung eines Fahrzeugs als Kraftfahrzeug ausschließlich die zolltarifarische Einstufung eines Fahrzeuges im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung und nicht dessen kraftfahrrechtliche Einordnung maßgeblich (vgl. .....).

Beim in Rede stehenden Fahrzeug handelt es sich somit nicht um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 2 NoVAG und lagdaher in der Zulassung dieses Fahrzeuges im Inland kein der Normverbrauchsabgabe unterliegender Vorgang vor.“

11       Die dagegen erhobene Revision des Finanzamtes Feldkirch legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12       Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); der Mitbeteiligte reichte mit Schriftsatz vom 26. Mai 2020 eine Revisionsbeantwortung ein.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14       Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15       Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Das revisionswerbende Finanzamt begründet die Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst damit, bei der Rechtsfrage der Qualifizierung des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges als Kraftfahrzeug im Sinn des § 2 Z 2 des Normverbrauchsabgabegesetzes seien vom Bundesfinanzgericht nicht alle wesentlichen Aspekte für die Einreihung geprüft worden, sondern ein unschlüssiges Gutachten als Beweismittel herangezogen und dementsprechend der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses unschlüssig begründet worden. Es fehle auch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Kraftfahrzeug der gegenständlichen Type als Ackerschlepper oderForstschlepper oder als andere Zugmaschine unter Zugmaschinen (Position 8701 der KN) oder mangels Vorliegens der erforderlichen Merkmale dafür unter Personenkraftwagen und andere Kraftfahrzeuge, ihrer Beschaffenheit nach hauptsächlich zur Personenbeförderung bestimmt (ausgenommen solche der Position 8702), einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen (Position 8703) zu subsumieren sei.

17       Die Revision ist zulässig und berechtigt.

18       § 1 des Normverbrauchsabgabegesetzes (NoVAG) lautet:

„§ 1. Der Normverbrauchsabgabe unterliegen die folgenden Vorgänge:

1.   Die Lieferung von bisher im Inland nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen, die ein Unternehmer (§ 2 UStG 1994) im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, ausgenommen die Lieferung an einen anderen Unternehmer zur gewerblichen Weiterveräußerung.

2.   Der innergemeinschaftliche Erwerb (Art. 1 UStG 1994) von Kraftfahrzeugen, ausgenommen der Erwerb durch befugte Fahrzeughändler zur Weiterlieferung.

3.   a) Die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland, sofern die Steuerpflicht nicht bereits nach Z 1 oder Z 2 eingetreten ist oder nach Eintreten der Steuerpflicht eine Vergütung nach § 12 oder § 12a erfolgt ist.

b)   Als erstmalige Zulassung gilt auch ...

4.   ...“

Als Kraftfahrzeuge gelten gemäß § 2 Z 2 NoVAG:

„Personenkraftwagen und andere hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaute Kraftfahrzeuge (ausgenommen solche der Position 8702), einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen (Position 8703 der Kombinierten Nomenklatur).“

19       Abgabenschuldner ist gemäß § 4 Z 1 NoVAG in den Fällen der Lieferung (§ 1 Z 1 leg. cit) der Unternehmer, der die Lieferung ausführt, gemäß § 4 Z 1a NoVAG im Falle des innergemeinschaftlichen Erwerbs der Erwerber und gemäß § 4 Z 2 NoVAG im Fall der erstmaligen Zulassung (§ 1 Z 3) derjenige, für den das Kraftfahrzeug zugelassen wird.

20       Das Bundesfinanzgericht hat - anders als das Finanzamt - das in Rede stehende Kraftfahrzeug als Zugmaschine unter die Position 8701 und nicht unter die Position 8703 der KN eingereiht und deshalb als nicht der Normverbrauchsabgabe unterliegendes Kraftfahrzeug angesehen

21       Die Formulierung des Tatbestandsmerkmales des § 2 Z 2 NoVAG „Personenkraftwagen und andere hauptsächlich zur Personenbeförderung gebaute Kraftfahrzeuge (ausgenommen solche der Position 8702), einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen (Position 8703 der Kombinierten Nomenklatur)“ entspricht der Position 8703 der Kombinierten Nomenklatur - KN „Personenkraftwagen und andere Kraftfahrzeuge, ihrer Beschaffenheit nach hauptsächlich zur Personenbeförderung bestimmt (ausgenommen solche der Position 8702), einschließlich Kombinationskraftwagen und Rennwagen“. Dabei ist mit dem verfassungsrechtlich gebotenen statischen Verweis auf Normen des Unionsrechts, die ohne Verweisung nicht anzuwenden wären, sohin ohne dass eine unionsrechtliche Verpflichtung dafür besteht (vgl. VfGH 3.10.2003, G 49/03ua, VfSlg 16.999), die im Zeitpunkt der Kundmachung des § 2 Z 2 NoVAG in der durch Art. X des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 21/1995 geänderten Fassung maßgebliche Fassung der KN heranzuziehen.

22       Die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmales ist sohin eine Frage der Einreihung in den Zolltarif, wie er im Teil II der Kombinierten Nomenklatur geregelt ist.

23       Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung [EWG] Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif, ABl. L 256 vom 7.9.1987, (KN-VO) wird von der Kommission eine Warennomenklatur - Kombinierte Nomenklatur oder abgekürzt KN genannt - eingeführt, die u.a. den Erfordernissen des Gemeinsamen Zolltarifs genügt, welche u.a. gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c) der KN-VO die Einführenden Vorschriften und die Zusätzlichen Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln umfasst und welche gemäß Art. 1 Abs. 3 KN-VO in Anhang I der KN-VO enthalten ist.

24       Die Kombinierte Nomenklatur (Anhang I der KN-VO) enthält in Teil I die Einführenden Vorschriften und darunter in Titel I die Allgemeinen Vorschriften und in Teil II den Zolltarif.

25       Anhang I - KN, Teil I - Einführende Vorschriften, Titel I - Allgemeine Vorschriften, Kapitel A. Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur lautet:

Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:

1.   Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten nichts anderes bestimmt ist - die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

2.   ...

3.   Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:
a) Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. ...
b) Mischungen ...
c) Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.“

26       Die Anmerkung 2 zu Kapitel 87 (Zugmaschinen, Kraftwagen, Krafträder, Fahrräder und andere nicht schienengebundene Landfahrzeuge, Teile davon und Zubehör) der Kombinierten Nomenklatur in der Fassung der Verordnung (EG) der Kommission vom 20. Dezember 1994, ABl. L 345 vom 31.12.1994, lautet:

„2.  Im Sinne des Kapitels 87 sind Zugmaschinen Kraftfahrzeuge, die im Wesentlichen zum Ziehen oder Schieben anderer Fahrzeuge, Geräte oder Lasten gebaut sind. Sie können auch Zusatzvorrichtungen haben, die es möglich machen, im Zusammenhang mit der Hauptverwendung der Zugmaschinen, Werkzeuge, Geräte, Saatgut, Düngemittel usw. zu befördern.“

27       In Kapitel 87 der KN in dieser Fassung fallen in die Position 8701 Zugmaschinen (ausgenommen Zugkraftkarren der Position 8709).

28       Darunter sind unter dem KN Code 8701 10 Einachsschlepper, unter dem KN Code 8701 20 Sattel- Straßenzugmaschinen unter dem KN Code 8701 30 00 Gleiskettenzugmaschinen und unter dem KN Code 8701 90 andere Zugmaschinen erfasst.

29       Die anderen Zugmaschinen werden einerseits nach ihrer Motorleistung und andererseits jeweils in Ackerschlepper und Forstschlepper, auf Rädern und in „andere“ eingeteilt (KN Codes 8701 90 11 bis 8701 90 90).

30       Die Erläuterungen der Kommission (Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a zweiter Anstrich der KN-VO) sind zwar nicht verbindlich, stellen aber wichtige Hilfsmittel für die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs dar und liefern als solche wertvolle Hinweise für dessen Auslegung (vgl. für viele etwa EuGH 27.2.2020, C-670/19, Gardinia Home Decor GmbH, Rz 38).

31       Die Erläuterungen der Kommission ABl. C 342 vom 5.12.1994 und auch spätere Erläuterungen führen zu den Unterpositionen 8701 90 11 bis 8701 90 50 aus:

4.   Hierher gehören mit drei oder mehr Rädern ausgestattete Zugmaschinen, die ihrer Bauweise und Ausstattung nach erkennbar zur Verwendung in landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder forstwirtschaftlichen Betrieben bestimmt sind. Die Höchstgeschwindigkeit dieser Fahrzeuge ist gering (in der Regel auf der Straße nicht mehr als 25 km/h).

     Ackerschlepper verfügen im allgemeinen über eine hydraulische Vorrichtung (Kraftheber) zum Heben und Senken von landwirtschaftlichen Geräten (Eggen, Pflügen usw.), über eine Zapfwelle, durch die andere Maschinen oder Geräte angetrieben werden können, und über eine Vorrichtung zum Ankuppeln von Anhängern. Sie können auch mit einer hydraulischen Vorrichtung zum Betätigen von Hebe- oder Fördergeräten (Heuladern, Düngerladern usw.) ausgestattet sein, sofern diese als Zubehör anzusehen sind.

     Hierher gehören auch Ackerschlepper besonderer Bauart, z.B. Schlepper mit überhöhtem Fahrgestell für Weinberge und Baumschulen sowie Handschlepper und sogenannte Motorgeräteträger.

     Gleichzeitig mit den Ackerschleppern gestellte auswechselbare landwirtschaftliche Geräte werden stets, auch wenn sie an den Schleppern angebracht sind, nach Beschaffenheit eingereiht (Positionen 8432, 8433 usw.).

     Das besondere Kennzeichen für Forstschlepper ist das Vorhandensein einer festangebrachten Seilwinde, die zum Abschleppen gefällter Bäume dient.

     Nach Anmerkung 2 zu Kapitel 87 können Schlepper dieser Unterpositionen auch Zusatzvorrichtungen haben, wie Ladeflächen oder Lademulden, um im Zusammenhang mit ihrer Hauptverwendung landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Maschinen und Geräte, Düngemittel, Saatgut usw. zu befördern.

     Nicht hierher gehören Grundmaschinen zum Rasenmähen (Aufsitzmäher oder Rasen- oder Gartentraktoren genannt), die ein fest angebrachtes Mähwerk und nur eine einzige, als Mähwerksantrieb dienende Kraftabnahmevorrichtung besitzen (siehe die Erläuterungen zu Position 8433).“

32       Zu den Unterposition 8701 90 90 (andere) führen diese Erläuterungen an:

„Hierher gehören z. B.:

1.   Zugmaschinen für die Bauwirtschaft;

2.   Zugmaschinen (Zugköpfe) mit einer Achse, für Gelenkkraftwagen.

Nicht hierher gehören z.B. schlepperähnliche Spezialmaschinen mit überbreiten Gleisketten (sogenannte Pistenwalzen) zum Ebnen und Verdichten des Schnees auf Skipisten usw. (Position 8479).“

33       Die Erläuterungen der Kommission ABl. C 133 vom 30.5.2008 führen erstmals (und später auch die vom Bundesfinanzgericht zitierten Erläuterungen der Kommission ABl. C 76 vom 4.3.2015) zu den Unterpositionen 8701 90 11 bis 8701 90 90 an:

„andere

Hierher gehören z.B. so genannte ‚Geländefahrzeuge‘, die zur Verwendung als Zugmaschinen bestimmt sind und folgende Merkmale aufweisen:

-    eine Lenkstange mit zwei Griffen, an der die Kontrolleinrichtungen für die Steuerung des Fahrzeugs montiert sind; die Lenkung wird durch Drehen der zwei Vorderräder bewirkt und beruht auf einem Kraftwagenlenksystem (Ackermann-Prinzip);

-    Bremssysteme an allen Rädern;

-    ein Automatikgetriebe und einen Rückwärtsgang;

-    einen Motor, der speziell für die Benutzung in schwer zugänglichem Gelände entwickelt ist und bei niedriger Drehzahl eine ausreichende Zugkraft für angehängte Gerätschaften liefert;

-    die Kraft wird über Wellen auf die Räder übertrage und nicht mittels einer Kette;

-    die Reifen haben ein tiefes Profil, das für unbefestigtes Gelände geeignet ist;

-    eine Ankupplungsvorrichtung beliebiger Art, z.B. einen Anhängehaken, mit der das Fahrzeug mindestens das Zweifache seines Eigengewichts ziehen oder schieben kann;

-    eine Anhängelast (nicht gebremst) von mindestens dem Zweifachen seines Eigengewichts. Diese kann durch technische Unterlagen, wie Benutzerhandbuch, Bescheinigung des Herstellers oder einer nationalen Behörde mit genauer Angabe der Anhängelast des Geländefahrzeugs in Kilogramm und seines Eigengewichts (Gewicht des Fahrzeugs ohne Flüssigkeiten, Personen oder Ladung) nachgewiesen werden.

Wenn sie alle vorgenannten Merkmale aufweisen und die Erfordernisse der Erläuterungen zu den Unterpositionen 8701 90 11 bis 8701 90 50 erfüllen, sind sie als Ackerschlepper und Forstschlepper einzureihen. Andernfalls gehören sie zu Unterposition 8701 90 90.

Wenn sie nicht alle der oben angeführten Merkmale aufweisen, sind die so genannten ‚Geländefahrzeuge‘ in Position 8703 einzureihen.

Diese Unterpositionen schließen auch die so genannten ‚Quads‘ (Position 8703 oder Unterposition 9503 00 10 (siehe Erläuterungen zu dieser Unterposition)) aus.“

34       Die im drittvorletzten Absatz der wiedergegebenen Erläuterungen erwähnten Erläuterungen zu den Unterpositionen 8701 90 11 bis 8701 90 50 lauten:

„Ackerschlepper und Forstschlepper (ausgenommen Einachsschlepper), auf Rädern

Hierher gehören mit drei oder mehr Rädern ausgestattete Acker- oder Forstschlepper, die ihrer Bauweise und Ausstattung nach erkennbar zur Verwendung in landwirtschaftlichen, gartenbaulichen oder forstwirtschaftlichen Betrieben bestimmt sind.

Derartige Fahrzeuge haben in der Regel eine Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h.

Ihre Motoren können maximale Zugkraft leisten, z.B. bei Verwendung eines Sperrdifferentials.

Die Reifen des Fahrzeugs haben ein tiefes Profil, das für landwirtschaftliche, gartenbauliche und forstwirtschaftliche Zwecke geeignet ist.

Ackerschlepper verfügen im Allgemeinen über eine hydraulische Vorrichtung zum Heben und Senken von landwirtschaftlichen Geräten (Eggen, Pflügen usw.), über eine Zapfwelle, durch die andere Maschinen oder Geräte angetrieben werden können, und über eine Vorrichtung zum Ankuppeln von Anhängern. Sie können auch mit einer hydraulischen Vorrichtung zum Betätigen von Hebe- oder Fördergeräten (Heuladern, Düngerladern usw.) ausgestattet sein, sofern diese als Zubehör anzusehen sind.

Hierher gehören auch Ackerschlepper besonderer Bauart, z.B. Schlepper mit überhöhtem Fahrgestell für Weinberge und Baumschulen sowie Handschlepper und so genannte Motorgeräteträger.

Gleichzeitig mit den Ackerschleppern gestellte auswechselbare landwirtschaftliche Geräte werden stets, auch wenn sie an den Schleppern angebracht sind, nach Beschaffenheit eingereiht (Positionen 8432, 8433 usw.).

Ein besonderes Kennzeichen von Forstschleppern ist das Vorhandensein einer fest angebrachten Seilwinde, die zum Abschleppen gefällter Bäume dient.

Nach Anmerkung 2 zu Kapitel 87 können Schlepper dieser Unterpositionen auch Zusatzvorrichtungen haben, die es möglich machen, im Zusammenhang mit der Hauptverwendung der Zugmaschinen land- oder forstwirtschaftliche Werkzeuge, Geräte, Düngemittel, Saatgut usw. zu befördern.

Nicht hierher gehören Grundmaschinen zum Rasenmähen (Aufsitzmäher oder Rasen- und Gartentraktoren genannt), die ein fest angebrachtes Mähwerk und nur eine einzige, als Mähwerksantrieb dienende Kraftabnahmevorrichtung besitzen (siehe Erläuterungen zu Positionen 8433 11 10 bis 8433 19 90).“

35       Die rechtliche Beurteilung, unter welche Position der KN das in Rede stehende Fahrzeug einzureihen ist, setzt Sachverhaltsfeststellungen voraus, welche im angefochtenen Erkenntnis fehlen.

36       Deshalb ist auch nicht beurteilbar, ob die Voraussetzungen der Anmerkung 2 zu Kapitel 87 der KN erfüllt sind. Das in Rede stehende Fahrzeug muss im Wesentlichen zum Ziehen oder Schieben anderer Fahrzeuge, Geräte oder Lasten gebaut sein, um in die Position 8701 eingereiht zu werden, es genügt nicht, dass das Fahrzeug dazu lediglich geeignet wäre. Nach dem Wortlaut dieser Anmerkung - „Kraftfahrzeuge, die im Wesentlichen zum Ziehen oder Schieben anderer Fahrzeuge, Geräte oder Lasten gebaut sind“ - ist der dem genannten Fahrzeug innewohnende Hauptverwendungszweck für seine Tarifierung entscheidend. Dieser Verwendungszweck wird durch das allgemeine Erscheinungsbild dieses Fahrzeugs und durch die Gesamtheit seiner Merkmale, die ihm seinen wesentlichen Charakter verleihen, bestimmt (vgl. für viele EuGH 25.7.2018, C-445/17, Pilato SpA, Rz 29).

37       Der Verweis auf das erwähnte „Gutachten“ kann die vermissten Feststellungen nicht ersetzen, denn das als „Prüfbericht“ bezeichnete „Gutachten“ enthält als „1.1. Beschreibung des geprüften Fahrzeugs“ außer dem für die Art des Fahrzeugs verwendeten, als rechtliche Wertung anzusehenden Begriff „Zugmaschine/T5“, der Angabe verschiedener technischer Werte (für höchst zulässige Achslast, Eigengewicht und zulässige Gesamtmasse), der Fahrgestellnummer und des Kennzeichens nur zu „Fahrgestell Type“ die Bezeichnung „Maverick X3 XRS“.

38       Im Übrigen wird bereits unter Punkt 3.1. (Lenkung) des „Gutachtens“ die Bedieneinrichtung als Lenkrad bezeichnet und lässt eine Abbildung der einzelne Bauteile zeigenden Photos im „Gutachten“ erkennen, dass die Lenkung aus einem Lenkrad mit drei Speichen besteht, an welchem keine Bedien- oder Kontrolleinrichtungen ersichtlich sind. Die vom Bundesfinanzgericht erwähnten späteren Erläuterungen der Kommission nennen demgegenüber als Merkmal für die Einreihung in die Position 8701 90 der KN u.a. „eine Lenkstange mit zwei Griffen, an der die Kontrolleinrichtungen für die Steuerung des Fahrzeugs montiert sind“.

39       Das Fehlen der zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen stellt eine Verletzung von Verfahrensvorschriften iSd § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG dar.

40       Das Fehlen der im angefochtenen Erkenntnis vermissten unabdingbaren Sachverhaltsfeststellungen erklärt sich auch daraus, dass die Beschwerde den Erfordernissen des § 250 BAO nicht entsprochen hat.

41       § 250 Abs. 2 BAO lautet:

„(2) Wird mit Bescheidbeschwerde die Einreihung einer Ware in den Zolltarif angefochten, so sind der Bescheidbeschwerde Muster, Abbildungen oder Beschreibungen, aus denen die für die Einreihung maßgeblichen Merkmale der Ware hervorgehen, beizugeben. Ferner ist nachzuweisen, dass die den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende Ware mit diesen Mustern, Abbildungen oder Beschreibungen übereinstimmt.“

42       Diese Bestimmung erfasst nicht nur Beschwerden gegen Bescheide über verbindliche Zolltarifauskünfte (Art. 33 des Unionszollkodex, früher Art. 12 des Zollkodex der Gemeinschaften), bei denen die Einreihung in den Zolltarif den Spruchgegenstand bildet, sondern alle Fälle, in denen der Spruch eines bekämpften Bescheides von der Einreihung in den Zolltarif abhängt.

43       Denn diese Bestimmung war bereits mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 151/1980 eingeführt und durch das Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 (FVwGG 2012), BGBl. I Nr. 14/2013, nur insoweit neugefasst worden, als statt dem Wort „Berufung“ das Wort „Bescheidbeschwerde“ verwendet wurde. Bis zur Geltung des Zollkodex (Verordnung [EWG] Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. L 302 vom 19.10.1992) in Österreich durch den Beitritt zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 kannte die österreichische Rechtsordnung eine der verbindlichen Zolltarifauskunft entsprechende Bestimmung nicht und konnte die Einreihung in den Zolltarif ausschließlich bei Bescheiden angefochten werden, bei denen diese in der Begründung zu erläuternde Einreihung eine Auswirkung auf den Spruch hatte, ohne selbst (wie bei der verbindlichen Zolltarifauskunft) einen Bestandteil des Spruches eines Bescheides zu bilden.

44       In der Regel waren davon Fälle umfasst, bei denen von der Einreihung einer Ware in den Zolltarif die Höhe des Zollsatzes und damit die Höhe von Eingangsabgaben abhing (vgl. etwa VwGH 29.10.1998, 98/16/0146, und Stoll, BAO, Band 3, 2577f).

45       Auch außerhalb des Zollrechts kann die Frage der Steuerbarkeit (vgl. etwa § 2 des Mineralölsteuergesetzes 1995 oder § 2 des Erdgasabgabegesetzes), des Steuersatzes (vgl. etwa §10 UStG 1994 und Anlage 1 und 2 dazu) oder einer Steuerbefreiung (vgl. § 2 der Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung) von der Einreihung einer Ware (eines Gegenstandes) in den Zolltarif abhängen. § 250 Abs. 2 BAO ist auch auf Bescheidbeschwerden anzuwenden, bei denen die Steuerbarkeit, die Steuerbefreiung oder die Höhe des Steuerbetrages von der Einreihung des Gegenstandes in den Zolltarif abhängt.

46       Ist somit die Steuerbarkeit nach § 2 NoVAG von der Einreihung des Fahrzeuges in den Zolltarif abhängig, weil als Kraftfahrzeuge iSd § 2 NoVAG nur bestimmte Fahrzeuge dort genannter Positionen und Unterpositionen der KN gelten, dann ist in Fällen, in denen strittig ist, ob es sich um ein Kraftfahrzeug iSd § 2 NoVAG handelt, § 250 Abs. 2 BAO anzuwenden.

47       Entspricht eine Bescheidbeschwerde in solchen Fällen dem Erfordernis des § 250 Abs. 2 BAO nicht, so ist ein Mängelbehebungsauftrag zu erlassen (§ 85 Abs. 2 BAO). Wird ein solcher nicht fristgerecht erfüllt, gilt die Beschwerde als zurückgenommen und ist sie gemäß § 256 Abs. 3 BAO von der Behörde mit Beschwerdevorentscheidung oder vom Verwaltungsgericht mit Beschluss als zurückgenommen zu erklären (vgl. auch VwGH 12.6.2020, Ra 2017/16/0116).

48       Das Verwaltungsgericht, welchem keine den Erfordernissen des § 250 BAO entsprechende Beschwerde vorliegt, ist zu einer Sachentscheidung nicht zuständig. Trifft es eine solche dennoch, ohne dass zuvor ein Mängelbehebungsauftrag erteilt und fristgerecht erfüllt wurde, so belastet es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes (vgl. VwGH 19.12.2017, Ro 2017/16/0011).

49       Im vorliegenden Revisionsfall wurden die in § 250 Abs. 2 BAO genannten Unterlagen, welche zur erforderlichen Sachverhaltsfeststellung erforderlich sind, weder der Beschwerde beigegeben noch wurde ein Mängelbehebungsauftrag erteilt noch sind diese Unterlagen ohne einen solchen nachgereicht worden. Das erwähnte „Gutachten“ der TÜV Austria Automotive GmbH vom 1. Februar 2018 bildet aus den oben angeführten Gründen keine solche Unterlage. Dennoch traf das Bundesfinanzgericht die angefochtene Sachentscheidung.

50       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.

51       Im Übrigen sei bemerkt, dass - Steuerbarkeit des in Rede stehenden Fahrzeuges vorausgesetzt - zur Erfüllung des Tatbestandes des subsidiären § 1 Z 3 NoVAG und mit dem Abgabenschuldner nach § 4 Z 3 leg. cit. aufzuklären wäre, weshalb das in Rede stehende Fahrzeug nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis vom Verkäufer in Deutschland an eine O GmbH in L geliefert worden sei und damit nicht der Tatbestand des § 1 Z 2 NoVAG (innergemeinschaftlicher Erwerb durch die O GmbH, welche dann als Abgabenschuldner nach § 4 Z 1a NoVAG in Betracht käme) erfüllt wäre. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre aufzuklären, ob durch eine Lieferung der O GmbH an den Revisionswerber der Tatbestand des § 1 Z 1 NoVAG (wobei die O GmbH als Abgabenschuldner nach § 4 Z 1 NoVAG in Betracht käme) erfüllt wäre. Dabei fällt auf, dass die in den vorgelegten Akten des Verfahrens enthaltene Rechnung über die Lieferung des in Rede stehenden Fahrzeuges an den Revisionswerber vom 7. November 2017 von einer O GmbH in der Schweiz ausgestellt wurde, während die Rechnung des deutschen Verkäufers vom 7. Juni 2017 an eine O GmbH in Österreich gerichtet ist.

Wien, am 15. Oktober 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62017CJ0445 Pilato VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160049.L00

Im RIS seit

19.07.2021

Zuletzt aktualisiert am

20.07.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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