TE Vwgh Erkenntnis 1980/11/4 3332/79

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.1980
beobachten
merken

Index

EStG
001 Verwaltungsrecht allgemein
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag
81/01 Wasserrechtsgesetz

Norm

EStG 1972 §12 Abs1
EStG 1972 §4 Abs1
EStG 1972 §6 Z1
VwRallg
WRG 1959

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
3415/79

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde der Firma M KG in B, vertreten durch Dr. Max Keimel, Rechtsanwalt in Fürstenfeld, Bismarkstraße 14 a, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat I, vom 16. Oktober 1979, Zl. B 224/1-2/79, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für 1974, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung im Unternehmen der Beschwerdeführerin (Mühlenbau) stellte der Prüfer unter anderem fest, im Jahre 1973 habe die Firma B-AG um die wasserrechtliche Bewilligung für

1. die Errichtung einer Schleusenanlage im Werkskanal des unter PZ 477 im Wasserbuch des Bezirkes H. eingetragenen Wasserbenutzungsrechtes zur Regulierung der in den Werkskanal eintretenden Wassermenge (Änderung der Wehranlage),

2. Änderung des unter PZ 3172 eingetragenen Wasserrechtes zur Nutzwasserentnahme durch Verrohrung des Wasserkanales

.....

ersucht.

In diesem Zusammenhang habe sich die B-AG verpflichtet, der Beschwerdeführerin zur Abgeltung der nachstehend angeführten Rechtsansprüche einen Betrag von S 200.000,-- zu bezahlen:

a) alle von der Beschwerdeführerin zu treffenden Maßnahmen für die Stromerzeugung bzw. Ersatz des Ausfalles derselben während der Bachabkehr der B-AG für den bei der Beschwerdeführerin üblicherweise durch den aus der Wasserkraft gewonnenen Strom versorgten Bereich über einen Zeitraum von mindestens vier, längstens jedoch fünf Wochen, beginnend frühestens ab 11. März 1974, zu einem von der B-AG der Beschwerdeführerin bekanntzugebenden Zeitpunkt,

b) alle weiteren Maßnahmen für eine Bachabkehr der B-AG in der Dauer von maximal 2-3 Tagen, mit jeweiliger Dauer von je zehn Stunden bei Tageslicht, nach vorhergegangener einvernehmlicher Terminfeststellung der beiden Parteien. Diese Bachabkehr solle in der Zeit vom 18. Februar bis spätestens 11. März 1974 erfolgen,

c) die Beschwerdeführerin anerkenne ausdrücklich die Festlegung einer maximalen Durchflußmenge bezüglich des Werkskanales im Gelände der B-AG auf Grund vorzunehmender Bauarbeiten auf deren Gelände in Höhe von 3 m3/sec, und zwar unter der Voraussetzung der entsprechenden Wasserführung der L.

Punkt a) sei nachträglich noch insoweit erweitert worden, daß bei einer Dauer von mehr als fünf Wochen eine zusätzliche Entschädigung in Höhe von S 2.000,-- für jeden Tag zu leisten sei.

Die von der B-AG gezahlte Entschädigung von S 200.000,-- netto habe die Beschwerdeführerin als Verkauf des Wassernutzungsrechtes bezeichnet. Ein Buchwert nicht vorhanden gewesen. Es wäre daher der gesamte aufgelöste stille Rücklage gemäß § 12 EStG 1972 auf das im selben Jahr angeschaffte Betriebsgrundstück übertragen worden. Nach Auffassung des Prüfers wurde aber kein Anlagegut (Wassernutzungsrecht) verkauft. Die Entschädigung sei vielmehr für die Betriebserschwernis zum Zeitpunkt der Bauarbeiten geleistet worden. Außerdem sei sie Abgeltung der Mehrkosten, die durch die Stromerzeugung mit dem eigenen Dieselaggregat entstanden seien. Die Übertragung einer stillen Rücklage gemäß § 12 EStG 1972 sei daher nicht möglich.

Gegen die den Prüfungsfeststellungen folgenden Abgabenbescheide für 1974 erhob die Beschwerdeführerin Berufung. In dieser ist zunächst festgehalten, daß sich der Prüfungsbericht zutreffend auf schriftliche Unterlagen stütze. Die Beschwerdeführerin komme allerdings auf Grund des Schriftverkehrs und der wasserrechtlichen Bescheide zum Schluß, daß wohl ein Teilbetrag von S 28.800,-- als echter Schadenersatz für die vorliegenden Betriebserschwernisse seitens der B-AG geleistet worden sei, daß aber tatsächlich zum überwiegenden Teil der Verkauf eines Wassernutzungsrechtes vorliege. Dies gehe vor allem aus dem Bescheid des Amtes der Landesregierung vom 27. März 1974 hervor, in dem auf das gegenständliche Projekt, verfaßt von Prof. E, Bezug genommen werde. In diesem Bescheid werde mehrmals auf die Begrenzung der Wassermenge auf 3,2 m3/sec Bezug genommen. Dies bedeute aber sehr wohl, daß der Beschwerdeführerin nach den durchgeführten Umbauten durch die B-AG nur mehr eine geringere Wassermenge als seinerzeit zur Verfügung stehe. Des weiteren könne im Analogieschluß zu einer Schadenersatzberechnung des laufenden Jahres wegen einer Bachabkehr der Schadenersatz mit einer niedrigeren Summe beziffert werden, und zwar entsprechend der Dauer der Wasserabkehr und der Stromerzeugungskosten pro Stunde mit S 28.800,--. Den echten, aufgerundeten Schadenersatz würde die Beschwerdeführerin mit S 30.000,-- annehmen, also den Betrag von S 28.800,-- um anteilige Vertragskosten in Höhe von S 1.200,-- erhöhen. Davon wäre ein auf das Jahr 1975 entfallender Betrag abzuziehen, was eine Gewinnzurechnung von S 26.432,-- ergäbe. Als Zeugen für ihr Berufungsvorbringen machte die Beschwerdeführerin ihren Rechtsvertreter namhaft. Auch Rückfragen bei der Baubezirksleitung H, Abteilung Wasserbau, kämen in Betracht.

Bei der mündlichen Berufungsverhandlung wurde seitens der Beschwerdeführerin vorgebracht, für sie habe bisher immer die Möglichkeit bestanden, im offenen Gerinne (Kanal) Wasser in unbeschränkt verfügbarer Menge zu nutzen. Nunmehr sei aber eine Teilverrohrung des Kanals erfolgt, wodurch eine Einschränkung der Wassernutzung auf 3 m3 bewirkt worden sei. Aus diesem Grunde habe die B-AG eine Ablöse geleistet. Das Wirtschaftsgut „Wasserrecht“ beziehe sich auch auf die Durchflußmenge, durch die entstandene Beeinträchtigung der Nutzung sei nun der diesbezügliche Teil des Wasserrechtes aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. § 12 EStG 1972 könne nicht zum Zug kommen, da die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet habe, daß sie ihr Wasserrecht eingebüßt hätte. Sie habe lediglich vorgebracht, daß ihr durch die Verrohrung des Werkskanals von 3 m3/sec eine geringere Wassermenge als seinerzeit zur Verfügung stehe. Somit liege nur eine Beeinträchtigung des - weiterhin bestehenden - Wasserrechtes der Beschwerdeführerin vor und werde ein Teil des Betrages von S 200.000,-- als diese Beeinträchtigung abgeltende Entschädigung anzusehen sein. Jedenfalls liege aber keine Veräußerung des Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens „Wasserrecht“ vor.

Die Beschwerde macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend. Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde eine Übertragung stiller Rücklagen in Höhe von S 200.000,-- gemäß § 12 EStG 1972 nicht zuließ.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Werden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens veräußert, so können gemäß § 12 Abs. 1 EStG 1972 in der für das Streitjahr geltenden (ursprünglichen) Fassung die stillen Rücklagen, die sich als Unterschiedsbetrag zwischen den Veräußerungserlösen und den Buchwerten ergeben, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der im Wirtschaftsjahr der Veräußerung angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens abgesetzt werden. Der nächste Satz der Gesetzesstelle regelt die hier unbeachtliche Übertragung auf Teilherstellungskosten. Eine Übertragung der stillen Rücklagen ist nach den weiteren Bestimmungen des § 12 Abs. 1 leg. cit. nur zulässig, wenn bewegliche Wirtschaftsgüter im Zeitpunkt der Veräußerung mindestens zehn Jahre und unbewegliche Wirtschaftsgüter mindestens zwanzig Jahre zum Anlagevermögen des Betriebes gehört haben. Die ersten beiden Sätze gelten sinngemäß, wenn Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens infolge höherer Gewalt, durch behördlichen Eingriff oder zur Vermeidung eines solchen, nachweisbar unmittelbar drohenden Eingriffes gegen Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheiden.

Im Beschwerdefall geht es um die Übertragung stiller Rücklagen nach den ersten drei Sätzen des § 12 Abs. 1 EStG 1972; das Vorliegen der Voraussetzungen des letzten Satzes der Gesetzesstelle wurde in keinem Verfahrensstadium geltend gemacht. Die Übertragung nach den erstgenannten Vorschriften setzt die Aufdeckung stiller Rücklagen durch Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens voraus. Nach den mit dem Berufungsvorbringen weitgehend übereinstimmenden Beschwerdeausführungen ist aber schon die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes in Abrede zu stellen.

Die Beschwerdeführerin erblickt darin, daß ihr nach Durchführung der Umbauten durch die B-AG eine geringere Wasserdurchflußmenge für die Stromerzeugung zur Verfügung stehe, die Teilveräußerung des Wirtschaftsgutes Wasserrecht. Bei dieser Betrachtung kann ihr der Verwaltungsgerichtshof noch insoweit folgen, als auch ein Nutzungsrecht, und zwar im besonderen auch ein Wasserrecht (Wasserbenutzungsrecht im Sinne des Wasserrechtsgesetzes 1959), ein Wirtschaftsgut im Sinne des Einkommensteuerrechtes sein kann (hg. Erkenntnis vom 25. März 1980, Zl. 3383/79). In einem Anspruch auf eine quantitativ höhere Wassernutzung kann aber nur ein Ausfluß dieses Nutzungsrechtes und nicht selbst ein Wirtschaftsgut erblickt werden. Setzt doch der Begriff des Wirtschaftsgutes eine gewisse, bei der Veräußerung besonders ins Gewicht fallende Selbständigkeit des Wirtschaftsgutes voraus (siehe Hofstätter-Reichel, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1972, § 4 Abs. 1 Tz 11), eine Selbständigkeit, die bei einem Wirtschaftsgut nur als gegeben anzusehen ist, wenn es für sich nutzungs- und bewertungsfähig ist (Hermann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Auflage Anmerkung 16p zu § 4 EStG und die dort angeführte deutsche Rechtsprechung). Dies trifft auf den eben erwähnten Anspruch nicht zu. Gerade die von der Beschwerdeführerin angestrebte wirtschaftliche Betrachtungsweise führt nicht zur Annahme der Teilveräußerung eines Wirtschaftsgutes (eines „Wasserrechtsteiles“), sondern zu der Beurteilung, daß die Beschwerdeführerin gegenüber der B-AG auf die Ausübung ihres Wasserbenutzungsrechtes teilweise verzichtete. Dafür spricht auch, daß die Beschwerdeführerin weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof behauptete, daß die B-AG den aufgegebenen „Wasserrechtsteil“ erworben hätte. Damit fehlt es aber auch an einer Veräußerung im Sinne des § 12 Abs. 1 erster Satz EStG 1972. Daß diese Veräußerung nicht nur in grammatikalischer, sondern auch in historischer und teleologischer Auslegung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der Gesetzesstelle bildet, hat der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Vorschrift des § 6 Abs. 2 EStG 1967 in seinem Erkenntnis vom 29. Mai 1973, Zl. 530/72, Slg. Nr. 4547/F, dargelegt.

Der angefochtene Bescheid läßt sohin die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit nicht erkennen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuleisten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542.

Wien, am 4. November 1980

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Wirtschaftsgut

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1980:1979003332.X00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten