TE Vwgh Erkenntnis 1987/5/12 86/11/0177

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Veröffentlicht am 12.05.1987
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Index

Fürsorge Sozialhilfe
L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien

Norm

SHG Wr 1973 §10 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des Ing. WB in W, vertreten durch Dr. Hannes Füreder, Rechtsanwalt in Wien I, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. September 1986, Zl. MA 12-9.107/83 A, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 9. September 1986 wurde „gemäß den §§ 8, 10 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. für Wien Nr. 11/73, in Verbindung mit den §§ 1, 4 und 5 Abs. 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 27.2.1973 LGBl. für Wien Nr. 13/73, in der Fassung der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 30.12.1985, LGBl. für Wien Nr. 54/85, .... der Antrag des Herrn WB vom 28.3.1986 auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes abgewiesen“.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde - wie bereits der Magistrat der Stadt Wien, MA 12, Sozialreferat für den 7. Bezirk, mit dem zugrundeliegenden erstinstanzlichen Bescheid vom 4. April 1986 -, ungeachtet der Frage, ob der auf die „Gewährung einer Dauerleistung der Sozialhilfe für sich“ lautende Antrag des Beschwerdeführers vom 28. März 1986 ein weitergehendes Begehren enthielt, mit dem angefochtenen Bescheid lediglich über einen solchen Antrag, soweit er sich „auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes“ bezog, entschieden hat. Wenn daher der Beschwerdeführer geltend macht, daß er mit diesem Antrag auch die Gewährung von Krankenhilfe begehrt habe, jedoch sein Antrag „in dieser Hinsicht noch nicht erledigt, eine Abweisung aber auch nicht begründet wurde“, so ist ihm entgegenzuhalten, daß die Krankenhilfe zwar ebenfalls, wie der Lebensunterhalt, nach § 11 Abs. 1 des Wiener Sozialhilfegesetzes LGBl. Nr. 11/1973 (WSHG) zum Lebensbedarf gehört, nicht aber einen Teil des Lebensunterhaltes darstellt (siehe die Z. 1 und 3 dieser Gesetzesstelle sowie die §§ 12 und 16 leg. cit.), weshalb der Beschwerdeführer hinsichtlich eines allfälligen Anspruches auf Gewährung von Krankenhilfe mangels Erledigung eines diesbezüglichen Antrages nicht in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt worden ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 WSHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes (und damit auch des Lebensunterhaltes) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält. Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. ist Hilfe nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfesuchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der Beschwerdeführer Zulassungsbesitzer und Eigentümer eines näher bezeichneten Pkws sei und dieses Fahrzeug als verwertbares Vermögen im Sinne des § 10 Abs. 1 WSHG anzusehen sei. Dieser Auffassung ist der Beschwerdeführer, schon im Verwaltungsverfahren mit der Behauptung entgegengetreten, daß er das genannte Fahrzeug aus näher von ihm angeführten Gründen bereits im Jahre 1983 „in den wirtschaftlichen Bereich (Verfügungsbereich) eines Dritten übergeben“ habe, er daher „seit diesem Zeitpunkt nicht mehr Halter dieses Fahrzeuges und nicht imstande“ sei, darüber „wirtschaftliche Verfügungen zu treffen“. Daß er noch Zulassungsbesitzer sei, sei darauf zurückzuführen, daß er sich im Falle einer Besserung seiner Vermögenslage und des „Rückerhalts des Führerscheines“ die Möglichkeit habe offenhalten wollen, den Pkw wieder in seinen Besitz „- ohne unnötige Geldausgaben -“ übergehen zu lassen. Zur Bekräftigung dieses Vorbringens hat der Beschwerdeführer in Ablichtung ein von ihm und PN unterfertigtes „Protokoll“ vom 9. Mai 1983 vorgelegt. Danach wurde - soweit dies für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung sein kann - die Vereinbarung getroffen, daß der gegenständliche Pkw „in vorübergehenden Bestands-, Verantwortungs-, Nutzungs- und Verfügungsbereich“ des PN übergehe. Der Beschwerdeführer bleibe „Zulassungs- und rechtmäßiger Besitzer des KFZ“, sei jedoch „nur in wirtschaftlicher Hinsicht weder Verfügungs- noch Nutzungsberechtigter“. PN verpflichte sich, „sämtliche aus der Nutzung des PKW entstehenden Kosten (wie Reparatur, Versicherungen, Strafen, etc) zu tragen bzw. zu ersetzen, auch dann, wenn sie dem Zulassungsbesitzer aufgetragen werden“. Als Kaution „für eventuelle Kostenersätze“ würden S 5.000,-- erlegt. Da der Zulassungsbesitzer keinen Führerschein besitze, gelte diese Vereinbarung „bis zur Führerscheinerlangung, jedoch mindestens bis 31.12.1986“. „Bei wirtschaftlicher Rückübernahme in den Verfügungsbereich des Zulassungsbesitzers“ seien „von diesem höchstens S 3.000,-- an Herrn PN zu bezahlen, und zwar nur dann, wenn das Auto verkehrs- und betriebssicher ist und eine gültige Begutachtungsplakette aufweist“. „Sollte gegenständliches Fahrzeug aus gesetzlicher bzw. wirtschaftlicher Hinsicht oder durch Unfall nicht mehr verkehrstauglich gemacht werden können“, gingen „die Kennzeichentafeln und das Wrack kostenlos an den Zulassungsbesitzer zurück“; die Kaution sei unter Abzug eventueller Aufwendungen rückzuerstatten. PN übernehme das Kraftfahrzeug „als Halter, Nutzungs- und Verfügungsberechtigter in seinem jetzigen Zustand, nicht probegefahren, ohne Garantie und ohne gültige Plakette jedoch wie besichtigt zum vereinbarten Preis welcher in bar erlegt wird“.

Die belangte Behörde hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß ein Verkauf des Pkws vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden sei; vielmehr habe dieser die Gründe dargelegt, weshalb er ihn nicht verkaufen wolle. Er sei daher nach wie vor Eigentümer dieses Fahrzeuges „und als solcher auch Verfügungsberechtigter im zivilrechtlichen Sinn, daher rechtlich durchaus in der Lage, den Wagen zu verkaufen und über den Erlös zu verfügen“. Der Umstand, daß er keinen Führerschein besitze, „dürfte wohl für einen Verkauf dem Grunde nach kein echtes Hindernis darstellen, eher das Gegenteil ist der Fall, da ein PKW für jemanden, der keine gültige Lenkerberechtigung hat, so gut wie keinen Gebrauchswert hat und schon aus diesem Grunde eine Realisierung des Wertes sinnvoll erscheint“. Die Laufzeit des Vertrages mit PN betrage „mindestens bis 31.12.1986“, bei Rückübertragung an den Beschwerdeführer seien jedoch von diesem höchstens S 3.000,-- zu bezahlen. Bei vorzeitiger Vertragskündigung, die auch nach dem vorliegenden „Protokoll“ nicht auszuschließen sei, wäre daher allenfalls dieser Betrag vom Beschwerdeführer zu entrichten. Insgesamt könne auch unter Einbeziehung des Schriftsatzes vom 27. August 1986 (mit welchem das angeführte „Protokoll“ vorgelegt wurde) nicht geschlossen werden, daß der Beschwerdeführer als Eigentümer und Zulassungsbesitzer über den gegenständlichen Pkw „keine rechtswirksamen Verfügungen treffen kann, die sich wirtschaftlich zu seinen Gunsten auswirken würden“. Nach Auffassung der belangten Behörde müßte der Beschwerdeführer im Hinblick auf die von ihr angestellten Erwägungen in der Lage sein, durch den Verkauf seines Pkws seinen Lebensbedarf aus dem Erlös für etwa drei bis vier Monate ohne Gewährung von Sozialhilfe zu decken.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich den rechtlichen Schlußfolgerungen, die die belangte Behörde aus der zwischen dem Beschwerdeführer und PN getroffenen Vereinbarung vom 9. Mai 1983 - von deren Rechtsgültigkeit die belangte Behörde ausgegangen ist - gezogen hat, nicht anzuschließen. Legt man nämlich den Inhalt dieser Vereinbarung, wie er sich aus dem betreffenden „Protokoll“ nach dem Wortlaut und der darin klar zum Ausdruck kommenden Parteienabsicht im Sinne des § 914 ABGB ergibt, aus, so kann nicht davon die Rede sein, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über das gegenständliche Fahrzeug verfügungsberechtigt gewesen wäre. Er war zwar formell weiterhin Eigentümer des Fahrzeuges, jedoch - unabhängig von der Beurteilung der Frage, ob einer bzw. welcher der im ABGB geregelten Vertragstypen die mit          PN abgeschlossene Vereinbarung zuzuordnen ist oder ob es sich hiebei um einen Vertrag sui generis handelt - in der Ausübung seines Eigentumsrechtes insofern beschränkt, als ihm darüber die Verfügungsberechtigung während des aufrechten Bestehens des Vertrages mit PN entzogen war. Es wäre daher einer Verwertung des Pkws des Beschwerdeführers durch (den von der belangten Behörde als möglich angenommenen) Verkauf jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht der Umstand entgegengestanden, daß der Beschwerdeführer gegenüber PN vertraglich „mindestens bis 31.12.1986“ gebunden war. Die von der belangten Behörde herangezogene Möglichkeit einer „vorzeitigen Vertragskündigung“ läßt sich der Vereinbarung nicht entnehmen, sondern wurde darin lediglich auf eine „Rückübertragung“ an den Beschwerdeführer (mit der Verpflichtung zur Bezahlung eines Betrages von höchstens S 3.000,--) nach Vertragsablauf Bedacht genommen. Nur für den Fall des Vorliegens bestimmter, dem Vertragszweck widersprechender Umstände ist eine frühere Vertragsauflösung vorgesehen; aber selbst wenn solche, nach der Aktenlage nach nicht vorhandene Umstände gegeben gewesen sein sollten, wäre eine den Vorstellungen der belangten Behörde entsprechende Verwertung des Fahrzeuges nicht (mehr) in Betracht gekommen.

Da somit die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, 12. Mai 1987

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1987:1986110177.X00

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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