TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/8 Ra 2020/07/0002

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Index

L63202 Bienenzucht Kärnten
L63206 Bienenzucht Steiermark
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
AVG §52
AVG §56
AVG §58 Abs2
AVG §60
BienenwirtschaftsG Krnt 2008 §11 Abs1
BienenwirtschaftsG Krnt 2008 §11 Abs2
BienenzuchtG Stmk 1998 §22
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24 Abs4
VwGVG 2014 §29 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des S H in S, vertreten durch Haßlinger Haßlinger & Planinc, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 27. November 2019, Zl. KLVwG-912/16/2019, betreffend einen Auftrag nach § 18 des Kärntner Bienenwirtschaftsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seiner Inhalts aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber ist Nebenerwerbsimker und hält Bienenvölker in den auf den Grundstücken Nr. 796/2 und 997/3, KG S., gelegenen Bienenständen.

2        Aufgrund einer Anordnung der Kärntner Landesregierung fand am 12. September 2018 eine Überprüfung der Bienenstände durch die Amtssachverständige für Bienenzucht und Bienenhaltung (in der Folge: Amtssachverständige) im Beisein des Revisionswerbers und der Obfrau des Bienenzuchtverbands S. statt.

3        Darauffolgend erstattete die Amtssachverständige an die Kärntner Landesregierung eine fachgutachterliche Stellungnahme vom 20. Dezember 2018.

4        Unter „C) Fachliche Grundlagen“ hielt sie zu den Merkmalen von Bienenrassen fest, Prof. Dr. Friedrich Ruttner habe nach umfangreichen morphometrischen Untersuchungen mehrerer Bienenunterarten sogenannte „Merkmalsstandards“ festgelegt (Hinweis auf Ruttner, Naturgeschichte der Honigbiene, 2. Auflage [2003], S. 39 ff, und Zuchttechnik und Zuchtauslese bei der Biene, 7. Auflage [1996], S. 127 ff). Diese gälten grundsätzlich als „Idealwert“ für Zuchtvölker. Im Falle der Bienenrasse Carnica handle es sich beim Rassenstandard zugleich um einen „Istwert“, der auf zahlreichen Messungen an der ursprünglichen Carnica-Population in Österreich basiere (Hinweis auf Ruttner [2003] S. 90).

5        In Tabelle 2 (Rassenmerkmale von Mellifera-, Carnica- und Ligusticabienen nach Ruttner [1996]) würden rassentypische Merkmale (Spalte 1: Panzerfarbe, Filzbindenbreite, Cubitalindex, Haarlänge, Hinterleibsform) für die Unterarten Mellifera, Carnica und Ligustica wiedergegeben (Hinweis auf Ruttner [1996] S. 154-155). Die Messung und Beurteilung dieser Merkmale (Morphometrie) gelte als Standardverfahren, das heute noch Gültigkeit habe.

6        Um einer definierten Rasse zu entsprechen, müssten sämtliche Merkmale zutreffen. Im gegenständlichen Fall werde bei der Beurteilung der Bienen der „natürliche Rassenstandard“ angewandt.

7        Im Rahmen der Diplomarbeit „Bestandeserhebung der Bienenpopulation in Kärnten in Bezug auf die Rassenzugehörigkeit“ (S. 17, 52) seien im Jahr 2009 rund 500 Bienenproben hinsichtlich o.a. Merkmale morphometrisch untersucht worden. Weitere Untersuchungen seien erfolgt, ebenfalls von DI Dr. E. T. im Jahr 2016 an rund 90 Kärntner Bienenproben im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.

8        Im Ergebnis sei (ua.) im Rahmen oa. Diplomarbeit festgestellt worden, dass die Gruppe der nicht-carnica-Bienen zu 90,6 % aufgrund der Panzerfarbe aus der Carnica-Rassenzugehörigkeit ausgeschieden seien. In Bezug auf die Filzbindenbreite und Haarlänge seien jeweils 7,2 % der Proben nicht-carnica-typisch. Hinsichtlich des Merkmals „Cubitalindex“ seien lediglich 2,2 % der untersuchten Bienen nicht carnica-typisch. Von den 500 Proben hätten 27,9 % nicht den Merkmalen einer Carnica-Biene entsprochen.

9        Das Merkmal „gelbe Panzerfärbung“ reiche aus, um Bienenrassen mit dunkler Panzerfärbung (Carnica) von Bienenrassen mit gelber Panzerfärbung (Ligustica, Buckfast) visuell zu unterscheiden (Hinweis auf Dr. G. S., Aprigenix, Schweiz, 2015).

10       Bei deutlichen Abweichungen vom morphometrischen Standard der Carnica (z.B. gelbe Panzerfarbe) könne allein mit morphometrischen Analysemethoden auf eine Einkreuzung mit einer fremden Rasse bzw. auf eine andere Rasse geschlossen werden (Hinweis auf Prof. Dr. K. B., Länderinstitut für Bienenkunde, Deutschland, 2015).

11       Neben der Panzerfarbe seien die „Filzbindenbreite“ und die „Form des Hinterleibs“ mit freiem Auge überprüfbar. Ein „Schnellverfahren“ zur Überprüfung der Bienenrassen folge insbesondere dem Verfahrensgrundsatz der Raschheit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit. Dagegen sei die umfassende Merkmalsbeurteilung (Morphometrie) aufgrund der erforderlichen Probenahme, Vorbereitung der Präparate, Messungen und Auswertungen außerordentlich zeit- und kostenaufwändig.

12       Unter „D) Befund“ führte die Amtssachverständige aus, es sei bei allen Völkern des Revisionswerbers eine augenscheinliche Überprüfung (Fluglochkontrolle) der an- und abfliegenden Bienen erfolgt. Stichprobenweise seien vom Revisionswerber einige Zargen zur Überprüfung geöffnet worden. Die visuelle Beurteilung der Körpermerkmale „Panzerfarbe“, „Filzbindenbreite“ und „Hinterleibsform“ sei entsprechend der in Tabelle 2 angeführten Kriterien erfolgt.

13       Beim überwiegenden Teil der Bienenvölker seien aufgrund der Panzerfarbe fremdrassige Einflüsse festgestellt worden und sei der Revisionswerber von der Amtssachverständigen darauf hingewiesen worden. Dieser habe erklärt, sein Ziel sei es, sämtliche Nicht-Carnica-typischen Völker im Jahr 2019 mit Carnica-Königinnen umzuweiseln.

14       Unter „E) Gutachten im engeren Sinn“ schlussfolgerte die Amtssachverständige, die Bienen des Revisionswerbers seien zum Großteil nicht carnica-typisch. Die visuell festgestellte Panzerfärbung mit orange-braunen Ringen sei bei den betreffenden Völkern bei mehr als 5 % der Bienen ausgeprägt. Insbesondere aus Gründen der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit des Verfahrens seien keine Proben entnommen worden. Der Revisionswerber habe bei der Überprüfung den Eindruck vermittelt, über gute fachliche Kenntnisse zu verfügen. Im Hinblick darauf, aber auch aufgrund seiner mehrjährigen Imkerpraxis, der Größe und Art der Betriebsweise gegenständlicher Imkerei sei es sehr unwahrscheinlich, dass sich der Revisionswerber mit dem Thema der „Bienenrassen“ nicht auseinandergesetzt habe. Der Verdacht, dass im gegenständlichen Fall Bienen, die nicht der Rasse Carnica entsprächen, gehalten würden, habe sich im Rahmen der Überprüfung zum Großteil bestätigt.

15       Mit Schreiben der Kärntner Landesregierung vom 2. Jänner 2019 wurde diese Stellungnahme sowohl dem Revisionswerber als auch der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht.

16       Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2019 bestritt der Revisionswerber die Richtigkeit der Stellungnahme. Dazu führte er aus, die Amtssachverständige habe darin elementare wissenschaftliche Literatur zur Rasse „Carnica“ nicht berücksichtigt, weshalb sie zum unrichtigen Schluss gelangt sei, dass die vom Revisionswerber gehaltenen Bienen zum Großteil nicht carnica-typisch seien. Sie gehe davon aus, dass sie allein aus den Körpermerkmalen Panzerfarbe, Filzbindenbreite und Hinterleibsform Rückschlüsse auf fremdrassige Einflüsse feststellen könne und habe den sich bis dato nicht stark mit dem Thema „Bienenrassen“ beschäftigenden Revisionswerber überzeugen wollen, dass die von ihm gehaltenen Bienen nicht reinrassige Carnica seien. Ihre Ausführungen hinsichtlich der ausschließlichen Kriterien für die Beurteilung der Rasse seien durch die wissenschaftliche Literatur widerlegt und es bestehe daher auch kein Grund, dem Revisionswerber eine Umweiselung im Sinn der fachgutachterlichen Stellungnahme aufzutragen.

17       Zum Beweis dafür, dass aus den von der Amtssachverständigen beschriebenen Eigenschaften und dem Aussehen der Bienen keinesfalls ein Rückschluss darauf, dass es sich nicht um Bienen der Rasse „Carnica“ handle, zulässig sei, beantragte der Revisionswerber die Einvernahme des sachverständigen Zeugen J. B. sowie des DI Dr. S. M. Aus deren Aussagen werde sich ergeben, dass die Behauptungen der Amtssachverständigen, die nicht gerichtlich beeidete Sachverständige für Bienenzucht sei, keinen Grund für eine Umweiselung darstellten.

18       Mit Bescheid vom 28. März 2019 trug die belangte Behörde gemäß § 18 des Kärntner Bienenwirtschaftsgesetzes (K-BiWG) dem Revisionswerber die Herstellung des gesetzmäßigen Zustands durch Umweiselung sämtlicher Bienenvölker, soweit sie nicht der Rasse Carnica (Apis mellifera carnica) angehören, auf Bienenvölker der Rasse Carnica bis 31. Juli 2019 auf.

19       Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er abermals die Ladung der von ihm genannten Zeugen beantragte. In den Beschwerdegründen führte er aus, die belangte Behörde habe es im gegenständlichen Fall unterlassen, sich mit dem Gutachten der Amtssachverständigen inhaltlich auseinanderzusetzen. Hätte sie dies getan, wäre sie entsprechend dem Stand der Wissenschaft verpflichtet gewesen, eine morphologische Untersuchung der Bienen durchführen zu lassen, weil nur auf diesem Weg abgeklärt werden könne, ob tatsächlich entsprechend den unrichtigen Behauptungen der Amtssachverständigen andere Bienen als „Carnica“ beim Revisionswerber vorhanden seien. Dieser bestreite ausdrücklich, dass seine Bienen nicht der Rasse „Carnica“ angehörten. Darüber hinaus seien die Feststellungen, der Spruch sowie die Auflagen des Bescheids der belangten Behörde aus vom Revisionswerber näher dargelegten Gründen mangelhaft.

20       Das Verwaltungsgericht führte daraufhin zunächst am 3. September 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der es den Revisionswerber und den von ihm beantragten Zeugen J. B. sowie die Amtssachverständige einvernahm.

21       Am Ende der Verhandlung wurde der Revisionswerber aufgefordert, dem Verwaltungsgericht binnen einer Woche eine Ausfertigung seiner 27 an die Amtssachverständige gerichteten Fragen (zur gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2018) zu übermitteln, weil sich diese auf einzelne Textpassagen aus dem vom Revisionswerber sowie dem Zeugen J. B. vorgelegten Konvolut an Unterlagen bezögen, die weder dem Verwaltungsgericht noch der Amtssachverständigen in der Kürze hätten bekannt sein können. Sodann vertagte das Verwaltungsgericht die Verhandlung auf den 30. September 2019.

22       Mit Schreiben vom 10. September 2019 übermittelte der Revisionswerber die angesprochenen Fragen an das Verwaltungsgericht, das diese an die Amtssachverständige weiterleitete.

23       Mit Stellungnahme vom 30. September 2019 erstattete die Amtssachverständige ihre Antworten auf die Fragen des Revisionswerbers.

24       In der fortgesetzten Verhandlung vom selben Tag legten sowohl der Revisionswerber als auch die Amtssachverständige weitere Beilagen vor. Zunächst wies das Verwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers auf Beiziehung des Zeugen J. B. zur Befragung der Amtssachverständigen ab. Sodann erfolgte die Einvernahme der Obfrau des Bienenzuchtverbands S. als Zeugin.

25       Schließlich wurden die an die Amtssachverständige gerichteten Fragen des Revisionswerbers erörtert, wobei das Verwaltungsgericht näher bezeichnete Fragen nicht zuließ, weil diese in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Sachverhalt stünden.

26       Letztlich wies das Verwaltungsgericht die Anträge des Revisionswerbers auf Einvernahme der Dr. G. S. und des Prof. Dr. K. B. - beide zum Beweis dafür, dass das von der Amtssachverständigen angewendete „Schnellverfahren“ nicht geeignet sei, die Bienenrasse eindeutig zu bestimmen - sowie des DI Dr. S. M. ab, weil der Sachverhalt nach ausführlicher Erörterung als hinreichend geklärt anzusehen sei.

27       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - unter Verlängerung der Frist für die Umweiselung der Bienenvölker bis zum 30. September 2020 - die Beschwerde des Revisionswerbers ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

28       Unter Punkt „III. Feststellungen und Beweiswürdigung“ führte es aus, den Revisionswerber treffe aufgrund der Feststellungen der Amtssachverständigen, dass er zum Großteil keine Bienen der Rasse „Carnica“ halte, und der Tatsache, dass er keine Ausnahmegenehmigung für die Haltung von anderen Bienen als „Carnica“ habe, die Verpflichtung zur Umweiselung sämtlicher Bienenvölker, die nicht der Rasse „Carnica“ entsprächen.

29       Die Amtssachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass es einem Imker wie dem Revisionswerber - der bei der Überprüfung den Eindruck vermittelt habe, über gute fachliche Kenntnisse zu verfügen, und aufgrund seiner mehrjährigen Imkerpraxis - aus fachlicher Sicht jedenfalls zumutbar sei, zu beurteilen, ob eine Biene der Rasse „Carnica“ angehöre oder nicht. Dies sei selbst für einen Laien erkennbar. Es gebe augenscheinliche Merkmale wie die Panzerfarbe. Diese sei bei der „Carnica“-Biene dunkel, es könne jedoch bei maximal fünf Prozent der Bienen eines Volkes ein lederfarbener Ring auftreten. Die Panzerfarbe unterscheide sich optisch von der „Buckfast-Biene“, diese erscheine orange-braun, und der „Ligustica-Biene“, diese habe gelbe Panzerringe.

30       Es gebe vier morphologische Merkmale, die Ruttner wie folgt beschreibe: Panzerfarbe, Filzbindenbreite, Haarlänge und Cubitalindex. Treffe bereits eines dieser vier Merkmale nicht auf eine Biene zu, müssten die anderen Merkmale nicht mehr untersucht werden, weil alle vier kumulativ vorliegen müssten, damit es sich um eine „Carnica-Biene“ handle. Die Methodik nach Ruttner sei in Österreich Stand der Technik. Bei der Vor-Ort-Überprüfung sei eindeutig gewesen, dass ein Großteil der gehaltenen Bienen aus Sicht der Amtssachverständigen nach der Methodik von Ruttner nicht der Rasse „Carnica“ angehöre.

31       Dazu führte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend aus, die Ausführungen der Amtssachverständigen seien in Verbindung mit den im Verfahren eingeholten Gutachten, insbesondere der fachgutachterlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2018, und sämtlichen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung sowie dem gesamtem Verwaltungsakt hinreichend klar und geeignet, festzustellen, dass der Umweiselungsauftrag der belangten Behörde zu Recht ergangen sei, weil es sich bei den vom Revisionswerber gehaltenen Bienen großteils eindeutig nicht um Bienen der Rasse „Carnica“ gehandelt habe.

32       Das Vorbringen des Revisionswerbers führe zu keinem anderen Verfahrensergebnis. Die zahlreichen an die Amtssachverständige gestellten Fragen hätten das fachliche Gutachten der Amtssachverständigen nicht erschüttern können. Sie habe selbst ausgeführt, dass sich auch nach dem vorgelegten Konvolut an Unterlagen - in der ersten Verhandlung habe der Revisionswerbers 14 Auszüge aus Büchern sowie Zeitschriften vorgelegt, der Zeuge J. B. noch weitere Auszüge - kein anderes Bild ergebe.

33       Ruttner, dessen fachliche Ausführungen die Amtssachverständige ihrem Gutachten zu Grunde gelegt habe, sei weiterhin als „das Standardwerk“ zu bezeichnen und für die gegenständliche Beurteilung heranzuziehen. Der Zeuge J. B. sei zwar fachlich einschlägig bewandert, weil er die Körmeister-Prüfung und die Wanderlehrer-Ausbildung abgelegt habe, jedoch sei er kein Sachverständiger für Bienenhaltung und Bienenzucht im Sinn des § 14 K-BiWG. Somit sei dem Fachgutachten der Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden.

34       Die Ausführungen des Revisionswerbers, dass er Bienen der Rasse „Carnica“ halte, seien somit unter Verweis auf das schlüssige Gutachten der Amtssachverständigen sowie ihre weiteren Ausführungen widerlegt. Zudem habe der Revisionswerber bei der Vor-Ort-Prüfung selbst ausgeführt, dass er im Jahr 2019 Carnica-Königinnen besorgen und die Völker, die nicht Carnica-Völker seien, umweiseln werde.

35       Die Amtssachverständige habe bei der Vor-Ort-Überprüfung - aufgrund der Fluglochkontrolle und der Anfertigung von Lichtbildern - festgestellt, dass es sich jedenfalls um mehr als 5 % nicht carnica-typische Bienen handle. Dabei habe sie die Methode der Morphologie (offenbar gemeint: Morphometrie) nach Ruttner angewandt und es müssten die vier Merkmale kumulativ zutreffen, sodass auf eine bestimmte Rasse geschlossen werden könne. Die „nicht Carnica-Bienen“ wiesen eine orange Panzerfarbe auf, eine weitere Überprüfung der anderen Merkmale sei daher nicht erforderlich. Die Amtssachverständige habe in der Verhandlung vom 3. September 2019 Farbbilder von der Überprüfung vorgelegt, auf denen sowohl carnica-typische Bienen [...] (Panzerfärbung dunkel, keine gelb/orangen Ringe) sowie carnica-typische Völker (gelb/orange Ringe am Hinterleibsegment) zu sehen seien.

36       Die Aussage des Zeugen J. B., dass es die alpine und pannonische Biene gebe und das Ausbreitungsgebiet der Carnica-Biene bis weit in die Karpaten reiche, werde als wahr zu Grunde gelegt, „jedoch geht es hier um einen Fall in Österreich und ist hier nicht das Erscheinungsbild einer Biene in den Karpaten heranzuziehen.“

37       Zu den Ausführungen des Revisionswerbers, dass die Panzerfarbe unwichtig, hingegen Eigenschaft und Leistung wichtige Merkmale seien, habe die Amtssachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass die Panzerfarbe eines von vier morphologischen Merkmalen sei, Eigenschaft und Leistung hingegen seien wichtige Zuchtmerkmale, die bei der Rassenbeurteilung nicht geprüft würden. Es werde der natürliche Rassenstandard im Sinn von Ruttner zu Grunde gelegt, nach dem nicht alle Bienen eines Volkes einheitlich vom Erscheinungsbild betreffend Farbe sein müssten, sondern es Abweichungen bis zu 5 % geben könne.

38       Es gebe in Kärnten keine Reinzuchtgebiete, wie sie das K-BiWG vorsehe. Wenn der Revisionswerber mit der Zitierung aus dem K-BiWG von den Reinzuchtgebieten (Einschränkung auf Blutstämme, Zuchtstämme und Zuchtlinien der „Carnica-Biene“) argumentiere, sei auszuführen, „dass eine Einschränkung auf Österreich vorliegt und nicht mit anderen Ländern sowie dem Balkan argumentiert werden kann.“

39       Unter Punkt „V. Rechtliche Beurteilung“ des angefochtenen Erkenntnisses gelangte das Verwaltungsgericht zu der Ansicht, das Vorbringen des Revisionswerbers und des Zeugen J. B. habe die Ausführungen der Amtssachverständigen, an deren Qualifikation und Objektivität kein Zweifel bestehe, nicht zu erschüttern vermocht. Der Revisionswerber sei den fachlichen Ausführungen überdies nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, zumal der Zeuge J. B. kein Sachverständiger für Bienenhaltung und Bienenzucht im Sinn des § 14 K-BiWG sei.

40       Die in der Verhandlung vorgebrachten Einwände bzw. vorgelegten Literaturauszüge sowie die Ausführungen des Zeugen J. B. seien nicht geeignet gewesen, eine andere Beurteilung der Sachlage herbeizuführen. Die vom Revisionswerber vorgelegten Literaturquellen wiesen grundsätzlich keinen Bezug zur Kärntner Situation auf. Hingegen stelle das K-BiWG auf die in Kärnten heimische Carnica-Biene ab. Die Einwendungen seien daher nicht geeignet gewesen, die Schlüssigkeit der Begutachtung durch die Amtssachverständige zu erschüttern.

41       Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

42       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

43       Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.

44       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

45       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

46       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

47       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, der Verwaltungsgerichtshof habe die Rechtsfrage, ob die Bestimmung des § 11 Abs. 1 K-BiWG (einschränkend) dahingehend auszulegen sei, dass ohne Bewilligung der Landesregierung nur die Haltung, Wanderung und Zucht von Bienen der „alpinen Population“ der Carnica erlaubt sei, bislang nicht beantwortet. Das Schicksal der Revision hänge von der Beantwortung dieser Rechtsfrage insofern ab, als die Amtssachverständige bei der Merkmalsbeurteilung infolge der falschen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ausschließlich von den Merkmalen der „heimischen Carnica-Biene“ ausgegangen sei, also nicht auftragsgemäß geprüft habe, ob der Revisionswerber „Carnica-Völker“ halte oder nicht, sondern ob die vom Revisionswerber gehaltenen Bienenvölker den Merkmalen der „in Österreich heimischen Carnica-Biene“ (der „alpinen Population der Carnica“) entspreche.

48       Die Revision erweist sich bereits aus diesem Grund als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

49       Die §§ 11 und 18 K-BiWG in der hier maßgeblichen Stammfassung, LGBl Nr. 63/2007, lauten:

§ 11

Bienenrassen

(1) Die Haltung, Wanderung und Zucht von Bienen, die nicht der Rasse „Carnica“ (Apis mellifera carnica) angehören, bedürfen der Bewilligung der Landesregierung.

(2) Eine Bewilligung gemäß Abs 1 darf nur erteilt werden, wenn

a)   nur Bienen einer bestimmten Rasse gehalten und gezüchtet werden;

b)   eine Steigerung der Aggression der Bienen durch Bastardisierung nicht zu befürchten ist;

c)   der mit einer flächendeckenden Bienenhaltung verbundene Nutzen für die Ökologie sowie die Bestäubung im Interesse der Landwirtschaft nicht gefährdet werden und

d)   die Zucht und Haltung von Bienen der Rasse „Carnica“ in Kärnten nicht gefährdet werden.

(3) Vor Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs 1 sind anzuhören:

a)   die Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Kärnten,

b)   die Agentur für Ernährungssicherheit (Institut für Bienenkunde).

(4) Die Landesregierung darf in Bewilligungen gemäß Abs 1 jene Bedingungen, Auflagen und Befristungen vorschreiben, die zur Einhaltung der in Abs 2 lit a bis d festgelegten Interessen einer geordneten Bienenhaltung oder -zucht erforderlich sind. Die bewilligte Bienenrasse ist anzugeben.

(5) Die Sachverständigen für Bienenzucht (§ 14) sind im Auftrag der Landesregierung berechtigt, die in Kärnten befindlichen Bienenstände hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen des Abs 1 zu überprüfen.

§ 18

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

Unbeschadet einer Bestrafung gemäß § 17 hat die Bezirksverwaltungsbehörde demjenigen, der dieses Gesetz übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert, die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes innerhalb einer angemessenen Frist aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug die entsprechenden Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten unverzüglich durchführen zu lassen.“

50       Der Verwaltungsgerichtshof hat in Zusammenhang mit einer Übertretung des § 22 des Steiermärkischen Bienenzuchtgesetzes (dort ist von Carnica-Rasse mit all ihren Stämmen die Rede) bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung allgemein von der Rasse „Carnica“ spreche. Die Feststellung der Zugehörigkeit eines Bienenvolkes zur Rasse „Carnica“ habe anhand der von den Fachleuten im Tatzeitpunkt als wissenschaftlich relevant erachteten Kriterien zu erfolgen (vgl. dazu VwGH 17.6.2010, 2008/07/0130). Dies gilt auch für die insofern vergleichbare Bestimmung des § 11 Abs. 1 K-BiWG.

51       Damit korrespondierend hielt er in weiterer Folge fest, dass auch der Gesetzgeber des K-BiWG eine eigene Definition des Begriffes „Bienenrasse“ als nicht erforderlich erachtet habe, weshalb sich der Rückgriff auf sachverständige Ausführungen als notwendig erweise. Es sei daher unbedenklich, wenn das Verwaltungsgericht in einem Verfahren betreffend eine Ausnahmebewilligung gemäß § 11 Abs. 2 K-BiWG bei der Definition der Rasse „Carnica“ die Ausführungen einer Amtssachverständigen heranziehe (vgl. VwGH 14.12.2017, Ra 2017/07/0127, mwN).

52       Wie der Revisionswerber zutreffend ausführt, geht das Verwaltungsgericht aufgrund der in den Gesetzesmaterialien zu § 11 K-BiWG enthaltenen Wendung „in Kärnten heimische Carnica-Biene“ jedoch offenkundig davon aus, dass diese Bestimmung eine Bewilligungspflicht für die Haltung, Wanderung und Zucht von Bienen, die nicht der „in Österreich“ bzw. „in Kärnten heimischen Carnica-Rasse“ angehörten, vorsehe und legt dieses Verständnis seinen rechtlichen Erwägungen zu Grunde.

53       Diese Rechtsansicht ist aber weder vom Wortlaut des § 11 Abs. 1 K-BiWG, der - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen hat - allgemein von der Rasse „Carnica“ spricht, noch von den Materialien des K-BiWG gedeckt.

54       Letzteren zu Folge habe der Carnica-Zuchtverband in Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs „Reinzuchtgebiet“ (§ 2 lit. h K-BiWG) die Definition „ein anerkanntes Gebiet, in dem an den vorhandenen oder einwandernden Bienenständen nur Bienenvölker einer bestimmten Carnica-Zuchtlinie (Zuchtstamm) gehalten und weitergezüchtet werden darf“, vorgeschlagen. Nach Ansicht des Gesetzgebers sei allerdings die alleinige Haltung von sog. „Blutlinien“ in ganzen Gebieten in der Praxis nicht durchführbar und auch nicht sinnvoll, weil damit große Einschränkungen bei der Bienenwanderung und damit Ertragseinbußen verbunden seien. Daher werde selbst bei den Reinzuchtgebieten - die es nach den dislozierten Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses in Kärnten ohnehin nicht gebe - von einer Beschränkung auf Zuchtlinien (Zuchtstämme) abgegangen und „einzig auf die Bienenrasse [ab]gestellt“.

55       Damit korresponierend wird in den Erläuterungen zum Bewilligungskriterium nach § 11 Abs. 2 lit. d K-BiWG ausgeführt, mit diesem Tatbestand solle sichergestellt werden, dass die Erhaltung der wertvollen Genressourcen der „Bienenrasse Carnica“ wirtschaftlichen Interessen vorgehe (vgl. ErläutRV LT Kärnten -2V-LG-357/82-2007, Seiten 6 und 23).

56       Aus den Gesetzesmaterialien kann daher - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - gerade nicht abgeleitet werden, dass die in § 11 Abs. 1 K-BiWG getroffene Anordnung auf die Haltung, Wanderung oder Zucht eines bestimmten Zuchtstamms, einer bestimmten Zuchtlinie oder gar einer bestimmten örtlichen Population der „Carnica-Rasse“ abstelle. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass § 11 Abs. 1 leg cit. von der Rasse „Carnica“ (apis mellifera carnica) mit allen ihr zugehörigen Stämmen und Linien spricht (vgl. dazu etwa § 7 Abs. 1 des Wiener Bienenzuchtgesetzes, auf das auch die Materialien des K-BiWG, ErläutRV LT Kärnten -2V-LG-357/82-2007, Seite 2, Bezug nehmen).

57       Die Wendungen „die in Kärnten heimische Carnica-Biene“ und „heimische Carnica-Rasse“ (vgl. etwa ErläutRV LT Kärnten Zl. -2V-LG-357/82-2007, Seiten 3 und 17 f) bringen demgegenüber lediglich zum Ausdruck, dass die Rasse „Carnica“ - im Gegensatz zu anderen Bienenrassen - auch in Kärnten beheimatet ist.

58       Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht hat das Verwaltungsgericht jedoch die für den vorliegenden Revisionsfall erforderliche Beurteilung, ob der Revisionswerber allgemein Bienen der Rasse „Carnica“ halte, nicht vorgenommen. Zudem geht aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht hervor, konkret welche anderen Bienenrassen als der „Carnica“ der Revisionswerber in seinen Bienenstöcken halte.

59       Schon deshalb hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet.

60       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird ferner ein Abweichen von näher zitierter hg. Rechtsprechung vorgebracht. Das Verwaltungsgericht habe sich nach Ansicht des Revisionswerbers nur mangelhaft mit der fachgutachterlichen Stellungnahme der Amtssachverständigen auseinandergesetzt. Er sei dieser Stellungnahme und den weiteren Ausführungen der Amtssachverständigen substantiell entgegengetreten und habe eine Vielzahl von Unschlüssigkeiten aufgezeigt. Mit diesen habe sich das Verwaltungsgericht jedoch nicht beschäftigt, sondern die Einwendungen lediglich mit Stehsätzen, insbesondere mit dem Argument, die vom Revisionswerber vorgelegten Literaturquellen seien als veraltet anzusehen, abgetan. Der Revisionswerber habe allerdings nicht nur Werke August Pollmanns, des Erstbeschreibers der Bienenrasse „Carnica“, sondern auch jene Literaturquellen, die die Amtssachverständige in ihrer Stellungnahme selbst zitiert habe, vorgelegt.

61       Hätte sich das Verwaltungsgericht mit den substantiellen Einwänden des Revisionswerbers auseinandergesetzt, hätte es die von ihm aufgezeigten Unschlüssigkeiten der fachgutachterlichen Stellungnahme erkennen können und zur Schaffung einer einwandfreien Entscheidungsgrundlage ein weiteres Gutachten einholen müssen.

62       Damit spricht der Revisionswerber letztlich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an; er rügt die Unvollständigkeit der Ermittlungen und die Unschlüssigkeit der Würdigung der vorliegenden Beweise. Nun ist die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 24.6.2015, Ra 2015/09/0038; 25.2.2016, Ra 2015/08/0108; 3.9.2019, Ra 2018/15/0035). Dieser Kontrolle halten die vorliegendenfalls getroffenen beweiswürdigenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts aber nicht stand.

63       Nach den Leitlinien der hg. Rechtsprechung trifft (auch) ein Verwaltungsgericht die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung ein Gutachten einer Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, weshalb es gehalten ist, sich im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung mit dem Gutachten auseinander zu setzen und dieses entsprechend zu würdigen (vgl. VwGH 21.1.2019, Ra 2018/03/0130, mwN).

64       Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, haben ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens aber auch dann Gewicht, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden. Die unvollständige und unrichtige Befundaufnahme vermag auch ein Laie nachvollziehbar darzulegen. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Fall verpflichtet, sich mit diesen - der Sachverhaltsfrage zuzurechnenden - Einwendungen in einer Verhandlung auseinanderzusetzen (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2017/12/0090, mwN).

65       Im Fall eines bis zuletzt unschlüssigen Gutachtens ist vom Verwaltungsgericht ein anderer Sachverständiger heranzuziehen (vgl. VwGH 23.1.2020, Ra 2019/07/0093, mwN).

66       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung unterliegt es grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 14.2.2020, Ra 2020/07/0001, mwN).

67       Darüber hinaus muss im Fall der Rüge von Verfahrensmängeln bereits in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz des gerügten Mangels für den Verfahrensausgang dargelegt werden (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0377 bis 0379, mwN).

68       Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Revisionsfall vor.

69       Der Revisionswerber führt näher begründet aus, das von ihm geforderte weitere Gutachten hätte ergeben, dass die Behauptung der Amtssachverständigen, es müssten nach Ruttner alle vier Merkmale (Panzerfarbe, Filzbindenbreite, Haarlänge und Cubitalindex) kumulativ vorliegen, damit es sich um eine Biene der Rasse „Carnica“ handle, keine Stütze in der Fachliteratur finde.

70       Die Amtssachverständige vertrat in ihrer Stellungnahme vom 20. Dezember 2018 den Standpunkt, bei einer Biene müssten sämtliche der genannten Merkmale vorliegen, damit diese einer definierten Rasse entspreche. Unter Verwies auf Dr. G. S. führte sie zudem aus, das Merkmal „gelbe Panzerfärbung“ reiche aus, um Bienenrassen mit dunkler Panzerfärbung (Carnica) von Bienenrassen mit gelber Panzerfärbung (Ligustica, Buckfast) visuell zu unterscheiden. Sie schlussfolgerte jedoch unter „E) Gutachten im engeren Sinn“, ein „Großteil“ der Bienen sei „nicht carnica-typisch“, weil diese Bienen eine Panzerfärbung mit „orange-braunen Ringen“ aufwiesen.

71       Auf die im Schreiben vom 10. September 2019 gestellte Frage Nr. 22 des Revisionswerbers, ob die Amtssachverständige einen Beleg für diese Behauptung vorweisen könne, antwortete diese in ihrer Stellungnahme vom 30. September 2019, der Rassestandard für die „Carnica“ sei als „Norm“ zu sehen und es sei daher „schlüssig“, dass sämtliche Merkmale zutreffen müssten. Als „Beleg“ verwies sie im Zusammenhang mit der Frage der Panzerfarbe der „Carnica“ auf Feststellungen von H. Ruttner (1996): „Ecken und ein Ring von bräunlicher Färbung bei im übrigen typischen Carnica-Merkmalen sind hingegen nicht als Bastardzeichen zu werten.

72       Dieses Zitat kann die Behauptung der Amtssachverständigen aber nicht stützen. Bereits nach dem vom Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung vom 3. September 2019 vorgelegten Auszug aus Ruttner (Zuchttechnik und Zuchtauslese bei der Biene, 1983, S. 128) sei in der Merkmalsbeurteilung den Farbzeichen kein zu großes Gewicht beizulegen. Denn die ursprüngliche „Carnica“ sei in der Panzerfarbe keineswegs uniform. In ihrem Heimatgebiet finde man überall neben rein dunklen Völkern (nur 20 Prozent bei österreichischen „Carnica-Völkern!“) solche, bei denen ein Teil der Bienen einen braunen Hinterleibsring oder große Ecken aufwiesen. Das sei ganz sicherlich kein Bastardzeichen.

73       Zudem ist dem - vom Revisionswerber ebenso vorgelegten - Werk Ruttners, Naturgeschichte der Honigbienen: Biologie, Sozialdenken, Arten und Verbreitung, (2003) im Kapitel „Merkmalsbeschreibung der Österreichischen Carnica“, S. 90, zu entnehmen, dass helle Ringe am Hinterleib in der angestammten Population in allen Gebieten Österreichs einschließlich der entlegensten Täler bei etwa einem Zehntel bis fast der Hälfte der Völker aufträten, wenn auch jeweils nur bei wenigen Bienen (5-10%). Dieses Merkmal als Hybridzeichen aufzufassen sei demnach sicher falsch, es gehöre eindeutig zum natürlichen Variationsspektrum dieser Biene.

74       Aus den vom Revisionswerber angeführten Literaturquellen geht somit hervor, dass die Panzerfarbe, wie die von der Amtssachverständigen angenommenen „orange-braunen Ringe“, gerade kein ausschlaggebendes Kriterium für die Zuordnung von Bienen zur Rasse „Carnica“ ist. Der Revisionswerber hat daher mit seinem Einwand substantiiert aufgezeigt, dass die oben wiedergegebene Behauptung der Amtssachverständigen einer weiteren Überprüfung bedürfe.

75       Zur Relevanz der Einholung des vom Revisionswerbers geforderten weiteren Gutachtens wird vorgebracht, die Amtssachverständige habe unrichtig behauptet, bei der Vor-Ort-Prüfung die Methode der „Morphologie“ (gemeint: Morphometrie) nach Ruttner angewandt zu haben.

76       Dazu führt der Revisionswerber stichhaltig ins Treffen, dass nach der von Ruttner (1983), S. 126, beschriebenen Merkmalsbeurteilung eine Probe von rund 50 bis 100 Bienen zu entnehmen sei, wobei es sich für die Untersuchung nicht vermeiden lasse, die Tiere zu töten. Die Amtssachverständige hat nach dem unbestrittenen Sachverhalt jedoch keine Proben entnommen, sondern sich auf eine visuelle Beurteilung einiger Bienen des Revisionswerbers beschränkt und darauf ihre Stellungnahme vom 20. Dezember 2018 gestützt. Damit ist jedoch evident, dass sie die Methode der Morphometrie bei der Vor-Ort-Überprüfung gerade nicht angewendet hat.

77       Dies versuchte sie in der (fortgesetzten) mündlichen Verhandlung vom 30. September 2019 schließlich damit zu erklären, dass die Merkmalsbeurteilung nach Ruttner nur bei Bienen angezeigt sei, die keine „gelbe Panzerfarbe“ hätten. Dies spricht im vorliegenden Fall jedoch für die Anwendbarkeit der ins Treffen geführten Merkmalsbeurteilung, weil nach den bereits angesprochenen Ausführungen der Amtssachverständigen in der Stellungnahme vom 20. Dezember 2018 unter „E) Gutachten im engeren Sinn“ ein „Großteil“ der Bienen des Revisionswerbers eine Panzerfärbung mit „orange-braunen Ringen“ und somit gerade keine „gelbe Panzerfarbe“ aufweise, weshalb ihre gesamten Ausführungen zur „gelben Panzerfarbe“ jeglicher Relevanz für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren entbehren.

78       Wie der Revisionswerber ferner zutreffend vorbringt, konnte die Amtssachverständige auch die Wissenschaftlichkeit der von ihr als „Schnellverfahren“ bezeichneten visuellen Beurteilung der Panzerfarbe der vom Revisionswerber gehaltenen Bienen nicht darlegen.

79       Auf die in der Stellungnahme vom 10. September 2019 gestellte Frage Nr. 21 des Revisionswerbers, ob die Amtssachverständige Quellen hinsichtlich des in ihrer Stellungnahme vom 20. Dezember 2018 in Bezug auf die Morphometrie enthaltenen Verweises auf Dr. G. S. nennen könne, antwortete die Amtssachverständige in ihrer Stellungnahme vom 30. September 2019, dass sie mit Dr. G. S. persönlich gesprochen habe, wobei sie in der mündlichen Verhandlung vom selben Tag dazu angab, nicht sagen zu können, wie lange dieses Gespräch zurückliege.

80       Der Revisionswerber legt nachvollziehbar Zweifel dar, ob eine solche Aussage von Dr. G. S. stammen könne, resümiert diese doch in dem - vom Revisionswerber vorgelegten - Fachartikel „Morphometrie versus Genetik zur Rassenbeschreibung der Honigbiene“, Schweizerischen Bienen-Zeitung, 03/2016, dass der Aussagewert der Morphometrie nicht viel höher sei, „als die Wahrscheinlichkeit, beim Werfen einer Münze Kopf oder Zahl zu erhalten.“

81       Auch hinsichtlich des in der Stellungnahme vom 20. Dezember 2018 angeführten Zitats des Prof. Dr. K. B. - dessen Einvernahme der Revisionswerber ebenso beantragt hat -, dass bei deutlichen Abweichungen vom morphometrischen Standard der „Carnica“allein mit morphometrischen Analysemethoden auf eine Einkreuzung mit einer fremden Rasse bzw. auf eine andere Rasse geschlossen werden könne, verwies die Amtssachverständige auf ein mit diesem geführtes - lange zurückliegendes - Gespräch, ohne jedoch eine Quelle zum Beleg dieses Zitats anzuführen.

82       Damit scheint sie das von ihr angewendete „Schnellverfahren“ auf nicht überprüfbare mündliche Quellen gestützt zu haben. Eine Sachverständige hat aber die von ihr oder anderen gefundenen oder sonst innerhalb des Fachgebiets allgemein anerkannten Erfahrungsgrundsätze in ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall in einer für den nicht Sachkundigen ersichtlichen Weise darstellend offenzulegen (vgl. VwGH 18.2.1994, 93/07/0102).

83       In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts, der Zeuge J. B. sei zwar fachlich einschlägig bewandert, jedoch der Amtssachverständigen mangels seiner Eigenschaft als Sachverständiger nach § 14 K-BiWG nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, nicht zu überzeugen vermag. Nach der Aktenlage hat der Zeuge J. B. im Wesentlichen dieselben Ausbildungen wie die Amtssachverständige absolviert, weshalb der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen kann, weshalb dieser keine fachlichen Ausführungen zum gegenständlichen Fall hätte treffen können. Dies wird auch dadurch untermauert, dass das Verwaltungsgericht selbst die Aussagen des Zeugen zu den beiden unterschiedlichen Populationen der Carnica als zutreffend erachtete.

84       Letztlich wird auch darauf hingewiesen, dass die in der fachgutachterlichen Stellungnahme der Amtssachverständigen enthaltene Schlussfolgerung, mehr als 5 % der Bienen des Revisionswerbers seien nicht „carnica-typisch“, ebenso nicht schlüssig ist, weil nicht ansatzweise erkennbar ist, worauf die Amtssachverständige diese Behauptung stützt.

85       Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der Revisionswerber die Schlüssigkeit der Ausführungen der Amtssachverständigen substantiiert erschüttert hat. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens einen für den Revisionswerber günstigeren Verfahrensausgang erwarten ließe.

86       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen - prävalierender - Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

87       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. Oktober 2020

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Begründung der Wertung einzelner Beweismittel Besondere Rechtsgebiete Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070002.L01

Im RIS seit

30.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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