TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/8 Ra 2019/13/0075

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

KStG 1988 §8 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch Dr. Walter Lichal, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Anton Sattler-Gasse 105/1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Mai 2019, Zl. RV/7102121/2013, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2008 und 2009, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die revisionswerbende GmbH wies in ihren Bilanzen für die Jahre 2008 und 2009 unter der Position „Geldverrechnung“ Forderungen in Höhe von 123.100 € (2008) und 160.000 € (2009) aus. In den parallel durchgeführten Veranlagungsverfahren für die beiden Jahre teilte die revisionswerbende GmbH auf Nachfrage des Finanzamtes vom 12. Mai 2011 mit, die Forderungen seien auf „Verrechnungen“ mit den beiden Gesellschaftern zurückzuführen; mit diesen „Verrechnungen“ sei die „Auslagerung von Spareinlagen aus der Gesellschaft“, um die ab dem 1. Oktober 2008 bestehende unbegrenzte Einlagensicherung für Privatpersonen zu nutzen, bezweckt worden.

2        Das Finanzamt stufte die auf dem Verrechnungskonto verbuchten Abgänge als verdeckte Ausschüttungen ein und schrieb der revisionswerbenden GmbH mit Haftungsbescheiden vom 3. Oktober 2011 Kapitalertragsteuer vor. Begründend führte das Finanzamt aus, dass aufgrund der Bezeichnung des Forderungskontos in der Bilanz als „Geldverrechnung“, was sich üblicherweise auf kurzfristige Verrechnungen beziehe, die Verbuchung langfristiger Geldverrechnungen auf diesem Konto nicht zulässig sei. Das Fehlen schriftlicher Vereinbarungen mit den Gesellschaftern, die einen klaren, eindeutigen, jeden Zweifel ausschließenden Inhalt über die Kredithöhe bzw. den Kreditrahmen, Rückzahlungstermine, Verzinsung und Besicherungen aufwiesen, halte zudem einem Fremdvergleich nicht stand. Die behauptete private Motivation der beiden Gesellschafter - die Auslagerung von Spareinlagen aus der Gesellschaft zwecks Nutzung der Einlagensicherung - ändere nichts an ihrer Bevorteilung.

3        Die revisionswerbende GmbH erhob gegen die beiden Haftungsbescheide Berufung (nunmehr Beschwerde). Begründend führte sie aus, durch die Auslagerung der Spareinlagen an die beiden Gesellschafter sei eine Forderung entstanden. Diese Vorgehensweise sei auch im Sinne der Finanzverwaltung, weil dadurch auch allfällige Abgabennachforderungen gesichert seien. Zudem habe die Abgabenbehörde in Unkenntnis buchhalterischer Vorgänge und Grundsätze die im Soll gebuchten Vorgänge als Auszahlungen an die Gesellschafter bezeichnet. Anders als vom Finanzamt angenommen, beträfen allerdings Vorgänge im Soll keineswegs nur „Entnahmen“ - die es im Bereich von Kapitalgesellschaften gar nicht gebe - und Vorgänge im Haben keineswegs nur Einzahlungen und Aufwendungen. Auch die Feststellung, wonach auf dem Konto „Geldverrechnung“ üblicherweise „kurzfristige Geldverrechnungen für Barauslagen der Geschäftsführer-Gesellschafter“ abgebildet würden, während „langfristige Verrechnungen i.H. von € 160.000 jedoch nicht Gegenstand solcher Geldverrechnungen“ sein könnten, zeige mangelndes buchhalterisches Wissen des Finanzamtes auf. Zudem habe das Finanzamt verabsäumt darzulegen, aus welchen Gründen das Vorliegen einer langfristigen Verrechnung angenommen werde. Da das Finanzamt Sachverhaltselemente, die für die Einstufung der verbuchten Forderungen als verdeckte Ausschüttung relevant seien (wie etwa das Vorhandensein einer schriftlichen Vereinbarung), nicht ermittelt habe, seien alle Schlussfolgerungen Spekulation und damit als Grundlage eines Bescheides ungeeignet. Das Vorliegen verdeckter Ausschüttungen wurde durch die revisionswerbende GmbH zudem mit Hinweis auf Bestimmungen des GmbH-Gesetzes und auf die Maßgeblichkeit der unternehmensrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für steuerliche Belange bestritten. Schließlich wurde mit Hinweis auf die beigelegten Unterlagen (Kapitalflussrechnung 2008 bis 2010 und Auszug des Geldverrechnungskontos) vorgebracht, dass die zum Jahresende 2009 bestehende Geldforderung zur Anschaffung von Anlagevermögen und zur Zahlung von Steuern der revisionswerbenden GmbH im Jahr 2010 verwendet worden sei.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht zunächst aus, es sei unstrittig, dass in den Jahren 2008 und 2009 den Gesellschaftern in Summe ein Betrag von 160.000 € zugekommen sei. Dieser Betrag sei in der Bilanz der revisionswerbenden GmbH für das Jahr 2009 auf dem Forderungskonto mit der Bezeichnung „Geldverrechnung“ ausgewiesen. Diese Vorgangsweise sei allerdings - im Wesentlichen - aus folgenden Gründen nicht fremdüblich, und daher sei eine verdeckte Ausschüttung an die beiden Gesellschafter in Höhe der verbuchten Forderung anzunehmen:

6        Die bilanzielle Darstellung der in Rede stehenden Beträge sei unüblich und irreführend, weil es sich dabei - nach den Ausführungen der revisionswerbenden GmbH - nicht um Zahlungsmittel, sondern um Darlehensforderungen handle. Derartige Forderungen seien aber bilanziell unter der Position „Darlehensforderungen“, und zwar jährlich und nach den jeweiligen Gesellschaftern getrennt, auszuweisen. Nur diese Art der Darstellung sei als fremdüblich anzusehen und könne das Bestehen einer Darlehensgewährung hinreichend belegen.

7        Es existiere weder eine schriftliche Vereinbarung bezüglich einer Rückzahlung (bzw. der Rückzahlungsmodalitäten) der vereinnahmten Beträge, noch seien Rückzahlungen und Rückzahlungstermine festgelegt worden. Es sei weder eine Verzinsung vereinbart worden, noch seien Zinszahlungen tatsächlich geleistet worden. Es seien zudem auch keine konkreten Sicherheiten vereinbart worden. Eine ernsthafte Rückzahlungsabsicht sei aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes nicht erkennbar und sei auch nicht vorgebracht worden. Tatsächliche Rückzahlungen seien auch nicht getätigt worden. Die revisionswerbende GmbH habe schließlich die Modalitäten und den Zeitpunkt, „wie und wann diese Gelder wieder in die Verfügungsmacht der Bf kommen werden“, nicht dargelegt.

8        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, zu der das Finanzamt keine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

9        Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10       Die Revision ist zulässig und begründet.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es in Fällen der vorliegenden Art, wenn - wie hier angenommen - zu vermuten ist, dass auf Grund des zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft bestehenden Naheverhältnisses Zahlungen erfolgten, die an einen Außenstehenden nicht unter den gleichen Bedingungen geleistet worden wären, der Prüfung, worin der dem Gesellschafter dadurch allenfalls zugewendete Vorteil besteht. Ein wesentliches Element dieser Prüfung ist die Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Rückzahlung der auf dem Verrechnungskonto verbuchten Beträge von vornherein nicht gewollt oder wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war (vgl. VwGH 26.2.2015, 2012/15/0177).

12       In diesen Fällen wäre im Vermögen der Gesellschaft entweder gar keine (wenn die buchmäßige Erfassung der vollen Forderung nur zum Schein erfolgt ist) oder zumindest keine durchsetzbare Forderung an die Stelle der ausgezahlten Beträge getreten (vgl. VwGH 17.12.2014, 2011/13/0115, und Zorn, SWK 2015, 577). Diesfalls lägen verdeckte Ausschüttungen in Höhe der verbuchten Beträge und nicht nur in Höhe eines allfälligen Vorteils aufgrund nicht getroffener Vereinbarungen über eine fremdübliche Verzinsung vor (vgl. in diesem Zusammenhang vor allem VwGH 28.4.2009, 2004/13/0059, VwSlg. 8440/F, und daran anknüpfend etwa noch VwGH 28.9.2011, 2006/13/0084; 26.2.2014, 2009/13/0112; 22.5.2014, 2011/15/0003, 0004; 17.12.2014, 2011/13/0115).

13       Es ist daher zu prüfen, ob aus den Umständen zu schließen ist, dass die Erfassung auf dem Verrechnungskonto nach Ansicht der Gesellschaft einer tatsächlich aufrechten und durchsetzbaren Verbindlichkeit des Gesellschafters entspricht (vgl. VwGH 28.4.2009, 2004/13/0059). Dies hängt vom Gesamtbild der jeweils im Einzelfall gegebenen Verhältnisse ab (vgl. VwGH 22.5.2014, 2011/15/0003, 0004), wobei der Ernstlichkeit der Rückzahlungsabsicht hinsichtlich der von der Gesellschaft empfangenen Beträge sowie der Bonität des Gesellschafters besondere Bedeutung zukommt (vgl. mit weiteren Nachweisen VwGH 6.7.2011, 2008/13/0005).

14       Das Bundesfinanzgericht begründet die Einstufung der Zahlungen als verdeckte Ausschüttungen damit, dass nach dem Gesamtbild der Umstände eine ernst gemeinte Rückzahlungsverpflichtung (bzw. eine ernsthafte Rückzahlungsabsicht) der Gesellschafter nicht angenommen werden könne; aufgrund der nicht fremdüblichen Gestaltung der Mittelzuwendungen sei eine verdeckte Ausschüttung gegeben.

15       Wenn das Bundesfinanzgericht die Umstände der Darlehenshingabe und dabei insbesondere fehlende Vereinbarungen hinsichtlich Darlehensrückzahlung, Zinssatz, Zinsfälligkeiten und Sicherheiten als nicht fremdüblich rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund dieser Umstände nicht von vornherein auf das tatsächliche Fehlen einer ernsthaften Rückzahlungsabsicht der Gesellschafter geschlossen werden kann (vgl. in diesem Sinne vor allem VwGH 28.4.2009, 2004/13/0059, und 26.2.2015, 2012/15/0177). Dies gilt auch für die als nicht fremdüblich gerügte Art der Verbuchung der Forderung und deren Darstellung in den Bilanzen der revisionswerbenden GmbH, sofern das Vorhandensein einer Forderung dem Grunde nach erkennbar ist, was aufgrund der Abbildung einer Geldverrechnungsforderung auf der Aktivseite der Bilanz unter dem Gliederungspunkt „B. Umlaufvermögen“, Unterpunkt „III. Kassenbestand, Schecks, Guthaben bei Banken“ unzweifelhaft erscheint.

16       Ebenso wenig rechtfertigt das Fehlen von Sicherheiten für sich allein diesen Schluss oder den Schluss, die verbuchten Forderungen gegen die Gesellschafter seien ohne Wert (vgl. VwGH 21.10.2015, 2011/13/0096). Das Fehlen von Sicherheiten kann zwar die Annahme rechtfertigen, dass eine Rückzahlung der Forderung wegen absehbarer Uneinbringlichkeit nicht zu erwarten war, dies allerdings nur bei einer unzureichenden Bonität der Gesellschafter. Für eine solche Feststellung hätte es aber einer Auseinandersetzung mit der Bonität der beiden Gesellschafter bedurft, die allerdings im angefochtenen Erkenntnis unterblieben ist (vgl. dazu VwGH 26.2.2015, 2012/15/0177).

17       Wenn das Bundesfinanzgericht seine Entscheidung schließlich auch darauf stützt, dass „tatsächliche Rückzahlungen [...] nicht getätigt“ worden seien und die Revisionswerberin „nicht dargelegt“ habe, „wie und wann diese Gelder wieder in die Verfügungsmacht der Bf kommen werden“, so setzt es sich damit in aktenwidriger Weise über das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde hinweg. Wie in der Beschwerde und in der Revision vorgebracht und aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen ersichtlich, hat bereits im Jahr 2010 eine - zumindest teilweise - Tilgung der Forderung der revisionswerbenden GmbH durch die beiden Gesellschafter stattgefunden.

18       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

19       Von der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und 5 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130075.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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