TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/17 W127 2220396-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2020
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Entscheidungsdatum

17.07.2020

Norm

ASVG §30
ASVG §351c
ASVG §351g
ASVG §351h
ASVG §351j Abs1
B-VG Art133 Abs4
VO-EKO §19
VO-EKO §20 Abs3
VO-EKO §21
VO-EKO §22
VO-EKO §23 Abs1
VO-EKO §23 Abs2 Z5
VO-EKO §23 Abs2 Z6
VO-EKO §24 Abs2
VO-EKO §24 Abs3
VO-EKO §25 Abs2
VO-EKO §25 Abs3 Z1
VO-EKO §25 Abs6
VO-EKO §26 Abs2
VO-EKO §27 Abs1
VwGVG §24 Abs5
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W127 2220396-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Dr. Anna BUCSICS und Mag. Dr. Sabine VOGLER und die fachkundigen Laienrichter Prof. Mag. Heinz KRAMMER und ao. Univ.-Prof. Dr. Peter PLACHETA über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Georg Legat, gegen den Bescheid des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 22.05.2019, Zl. XXXX , Abschnitt XXXX , betreffend den Antrag auf Aufnahme der Arzneispezialität XXXX Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung in den Gelben Bereich des Erstattungskodex zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Gemäß § 351j Abs. 1 ASVG hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 2.620,00 binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Erkenntnisses bei sonstiger Exekution zu tragen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Antrag vom 09.11.2018 begehrte die XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) als vertriebsberechtigtes Unternehmen die Aufnahme der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialität (mit dem Wirkstoff XXXX ) in den Gelben Bereich des Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich (in weiterer Folge: Erstattungskodex). Die beantragte Arzneispezialität XXXX Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung (in der Folge: XXXX ) wurde vom Unternehmen gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen) eingestuft. Die Aufnahme wurde zu konkret angegebenen Fabriksabgabepreisen (FAP) in drei verschiedenen Wirkstoffstärken und mit der Verwendung

„Bei PatientInnen mit Haemophilie A, die unter laufender Therapie in den vergangenen 12 Monaten 2 oder mehr Blutungen erlitten haben und die gemäß individueller PK-Testung für eine zweimal wöchentliche Verabreichung in Frage kommen. – Indikationsstellung, Erstverordnung und Therapieüberwachung müssen von einem/einer Arzt/Ärztin oder Zentrum mit Erfahrung in der Behandlung der Haemophilie A erfolgen.“

beantragt.

2. Mit Schreiben vom 18.03.2019 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die vorläufige Feststellung zum verfahrensgegenständlichen Sachverhalt mit. Zusammenfassend wurde insbesondere ausgeführt, der gemäß § 23 Abs. 2 VO-EKO festgestellte Innovationsgrad der beantragten Arzneispezialität und die aufgrund des Vergleichs der beantragten Arzneispezialität mit den festgestellten therapeutischen Alternativen gemäß § 24 Abs. 2 VO-EKO festgestellte Fallgruppe würden nicht dem Antrag entsprechen. Die vom antragsstellenden Unternehmen beantragte Verwendung könne aus medizinischer Sicht nicht akzeptiert werden. Gemäß den wirtschaftlichen Vorgaben, die sich aus den Einstufungen ergäben, sei die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben. Daher seien die Voraussetzungen für die Anführung im Gelben Bereich des Erstattungskodex nicht gegeben, weshalb die Möglichkeit bestehe, dass eine vom Antrag abweichende Entscheidung getroffen werde. Die Beschwerdeführerin wurde darauf hingewiesen, dass sie gemäß § 26 Abs. 1 VO-EKO innerhalb von 14 Tagen zu diesem Ergebnis schriftlich Stellung nehmen könne.

3. Die Beschwerdeführerin nahm hiezu mit den Schreiben vom 25.03.2019 und 17.04.2019 Stellung, erstattete insbesondere Vorbringen zu dem Innovationsgrad und einer verlängerten Halbwertszeit der antragsgegenständlichen Arzneispezialität und modifizierte ihren verfahrenseinleitenden Antrag dahingehend, dass nunmehr ein „Preis-Capping-Modell“ für eine Dauer von drei Kalenderjahren angeboten und die Verwendung wie folgt beantragt wurde:

„Bei angeborenem Faktor VIII-Mangel (Hämophilie A) ab einem Alter von 12 Jahren.

Diagnosestellung und regelmäßige Kontrollen in entsprechender Fachabteilung bzw. -ambulanz.“

4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Aufnahme der Arzneispezialität XXXX in den Erstattungskodex gemäß § 27 Abs. 1 VO-EKO ab (Spruchpunkt 1.). In Spruchpunkt 2. wurde die Arzneispezialität XXXX aus dem Erstattungskodex gestrichen.

In der Begründung führte die belangte Behörde hinsichtlich der pharmakologischen Evaluation aus, der im Antrag angegebene Innovationsgrad gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip) sei nicht nachvollziehbar. Im Erstattungskodex befänden sich bereits Faktor-VIII-Produkte – mit gleichem ATC-Code auf der fünften Ebene – in gleicher Wirkstoffstärke und praktisch gleicher Darreichungsform. XXXX habe keine bezugnehmende Generikum-/Biosimilar-Zulassung. Es handle sich zwar um eine wirkstoffgleiche Arzneispezialität in gleicher Wirkstoffstärke und gleicher Darreichungsform wie diverse bereits im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten, die Einstufung als wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt setze arzneimittelrechtlich aber das Vorliegen der bezugnehmenden Zulassung zum Referenzarzneimittel voraus (vgl. VfGH 24.09.2014, B 1020/2012 u.a., Osmolax). Dies fehle bei der gegenständlichen Arzneispezialität, weshalb diese nicht als wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt gemäß § 23 Abs. 2 Z 1 VO-EKO zu betrachten sei. Eine andere passende Einstufung gemäß § 23 Abs. 2 VO-EKO sei nicht vorhanden. Die Einstufung nach § 23 Abs. 2 VO-EKO sei daher nicht möglich. Bei der Auswahl therapeutischer Alternativen wurden neben der von der Beschwerdeführerin angeführten Arzneispezialität XXXX weitere Präparate auf Basis der fünften Ebene des ATC-Codes herangezogen.

Auch die im Antrag angegebene Fallgruppe § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO (die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen) wurde im Zuge der medizinisch-therapeutischen Evaluation als nicht nachvollziehbar erachtet und die Fallgruppe wurde wie folgt festgestellt: „Die beantragte Arzneispezialität ist eine weitere Therapieoption mit gleichem oder ähnlichem therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen im Vergleich zu den im Rahmen der pharmakologischen Evaluation festgelegten Arzneispezialitäten (§ 24 Abs 2 Z 2 VO-EKO).“ Ein zusätzlicher Nutzen für Patienten/Patientinnen der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen sei nicht nachgewiesen worden; klinische Vergleichsstudien mit therapeutischen Alternativen seien nicht vorgelegt worden.

Im Rahmen der gesundheitsökonomischen Evaluation führte die belangte Behörde aus, die beantragte Arzneispezialität erfülle die Anforderungen gemäß § 31 Abs. 3 Z 12 lit. b ASVG (nunmehr § 30b Abs. 1 Z 4 lit. b ASVG) iVm § 25 Abs. 6 VO-EKO, wonach für die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex der Preis der gegenständlichen Arzneispezialität den EU-Durchschnittspreis jedenfalls nicht überschreiten dürfe. Basierend auf den um 10 % verminderten Behandlungskosten gegenüber der als therapeutische Alternative herangezogenen Arzneispezialität XXXX Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung (in weiterer Folge: XXXX ) wäre eine Preisreduktion um bis zu 45,8 % erforderlich, um den Anforderungen der Verfahrensordnung zu genügen. Da das beantragte „Preis-Capping-Modell“ erst ab Überschreiten einer gewissen jährlichen Umsatzschwelle zur Anwendung käme, ändere es nichts an der Unwirtschaftlichkeit der beantragten Preise. Selbst wenn man den gesamten für das erste Erstattungsjahr prognostizierten Umsatz dem Kalenderjahr 2019 zurechne, würde dies einer Reduktion um rund 23 % entsprechen. Dies wäre immer noch weit entfernt von den Anforderungen gemäß § 25 Abs. 2 iVm Abs. 5 VO-EKO und § 25 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 6 VO-EKO. Für das zweite und dritte Erstattungs- bzw. Kalenderjahr würden zudem durch das „Preis-Capping-Modell“ noch geringere Aufwandsreduktionen als für das erste Jahr zustande kommen, wodurch die Unwirtschaftlichkeit im Vergleich zu den Anforderungen der VO-EKO stärker ausgeprägt wäre als im ersten Erstattungs- bzw. Kalenderjahr. Außerdem gälte das angebotene „Preis-Capping-Modell“ nur für die ersten drei Kalenderjahre im Erstattungskodex – für die Zeit ab 2022 würde keine Umsatzgrenze zur Anwendung kommen. Dies wäre eine „de facto Preiserhöhung“ innerhalb des Erstattungskodex, weil im vierten Jahr (ohne Umsatzgrenze) für alle auf Kosten der Sozialversicherung abgegebenen Packungen wieder der volle (unwirtschaftliche) Preis gezahlt werden müsse. Selbst wenn man der Argumentation des Unternehmens in der medizinisch-therapeutischen Evaluation dahingehend folgen würde, dass man von der Fallgruppe nach § 25 Abs. 2 Z 4 VO-EKO ausginge, wäre die Wirtschaftlichkeit keinesfalls erfüllt, da stets die günstigste therapeutische Alternative als Richtschnur heranzuziehen sei. Dies sei derzeit XXXX .

Die Voraussetzungen für die Anführung im Gelben Bereich des Erstattungskodex seien daher nicht gegeben, der Antrag sei somit gemäß § 27 Abs. 1 VO-EKO abzuweisen und die Arzneispezialität aus dem Roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen gewesen.

5. Gegen diesen Bescheid richtete sich die vorliegende, fristgemäß eingebrachte Beschwerde in vollem Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

In der Begründung wurde insbesondere auf die Ausführungen in Stellungnahmen vom 25.03.2019 und 17.04.2019 verwiesen. Betreffend eine mangelhafte bzw. unrichtige pharmakologische Evaluation wurde auf die Bedeutung einer verlängerten Wirkstoff-Halbwertszeit mit Reduktion der Injektions-/Infusionshäufigkeit und einer gesteigerten Therapietreue sowie auf eine verstärkte Anwendung in der Prophylaxe mit Verringerung des Faktorverbrauchs und Verbesserung des Lebensgefühls der Patienten/Patientinnen hingewiesen. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (in der Folge: Hauptverband; nunmehr: Dachverband der Sozialversicherungsträger) habe nicht beachtet, dass es sich für eine beantragte Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex bei den therapeutischen Alternativen, in Bezug auf die das Vorliegen einer wesentlichen therapeutischen Innovation mit einem wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen für Patienten/Patientinnen (bzw. für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen) zu beurteilen sei, um Arzneispezialitäten aus dem Grünen Bereich handle (unter Hinweis auf VwGH 14.09.2016, Ra 2016/08/0090). Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeute dieser Judikatur-Grundsatz, dass der wesentliche zusätzliche therapeutische Nutzen für Patienten/Patientinnen mit keiner im Grünen Bereich gelisteten Arzneispezialität verglichen werden könne, weil auf der maßgeblichen ATC-Ebene B02BD02 keine Arzneispezialität im Grünen Bereich des Erstattungskodex gelistet sei.

Zur Einstufung der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialität gemäß § 23 Abs. 2 VO-EKO führte die Beschwerdeführerin zunächst aus, dass der eingesetzte Wirkstoff ,, XXXX “ eine Weiterentwicklung aus der Basissubstanz ,, XXXX “ darstelle und es sich dabei um einen neuen Wirkstoff für die Behandlung von Hämophilie A handle. Abweichend vom sonstigen AFC-Klassifikationsschema würden alle zur Behandlung von Hämophilie A (Gerinnungsfaktor VIII) zugelassenen Arzneispezialitäten insgesamt, also ohne die sonst übliche Wirkstoff-Differenzierung auf der fünften ATC-Ebene, einheitlich unter dem identen ATC-Code B02BD02 zusammengefasst. Dies ändere aber nichts daran, dass der XXXX -Wirkstoff ,, XXXX “, daher insbesondere in PEGylierter Form, neu sei und sonst in keiner anderen im Erstattungskodex gelisteten Arzneispezialität vorkomme. Darüber hinaus sei die Verweigerung der pharmakologischen Einstufung von XXXX seitens der belangte Behörde rechtswidrig. Betreffend den Vergleich von XXXX mit therapeutischen Alternativen – insbesondere XXXX – erstattete die Beschwerdeführerin weiteres Vorbringen zu einer durch die „ XXXX -PEGylierung“ bewirkten Verlängerung der Wirkstoff-Halbwertszeit.

Hinsichtlich der medizinisch-therapeutischen Evaluation räumte die Beschwerdeführerin ein, zunächst eine Selbsteinstufung nach § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO vorgenommen zu haben. Im Rahmen der Stellungnahme vom 17.04.2019 sei der Aufnahmeantrag aber auf einen „wesentlichen Zusatznutzen von XXXX “ modifiziert, also erkennbar eine „Evaluation-Höherstufung nach § 24 Abs.2) Ziff.5./6. VO-EKO“ vorgenommen worden, wobei die Alternative der Ziffern 5 und 6 über § 25 Abs. 2 Z 5 VO-EKO gesundheitsökonomisch irrelevant sei.

Hinsichtlich des seitens des Hauptverbandes gerügten Fehlens klinischer Vergleichsstudien zwischen XXXX und XXXX wurde ausgeführt, dass die Vorlage solcher Studien aus zeitlichen Gründen denkunmöglich gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber mit Erkenntnis vom 14.09.2016 zur Zahl Ra 2016/08/0090 unter Rz 15 den Nachweis eines wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzens auch durch anerkannte Surrogatparameter als erbracht anerkannt, also nicht zwingend auf direkten Vergleichsstudien beharrt. Daher seien alle von der Beschwerdeführerin vorgelegten Nachweise für die Selbsteinstufung nach § 24 Abs. 2 Z 5/6 VO-EKO im Wege einer nachvollziehbaren Gesamtwürdigung heranzuziehen und auszuwerten. Dies habe der Hauptverband aber aufgrund seiner einseitigen Konzentration auf eine direkte Vergleichsstudie unterlassen, was den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung belaste. Zur Relevanz und Aussagekraft der vorgelegten Evaluationsunterlagen mit der Evidenz-Validität nach § 24 Abs. 3 VO-EKO wurde darauf hingewiesen, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29.01.2019, Zl. Ra 2018/08/0238, festgehalten habe, dass die „Validität der Evidenz“ (die Aussagekraft der Unterlagen) nach dem – von prospektiven Studien bis zu den Stellungnahmen von Experten/Expertinnen – abgestuften Qualitätskatalog des § 24 Abs. 3 VO-EKO zu bemessen sei, bedeute nicht, dass nicht auch „nachrangigen“ Unterlagen ein entscheidender Beweiswert zukommen könne.

Die Beschwerdeführerin brachte zum Beschwerdegrund der mangelhaften bzw. unrichtigen gesundheitsökonomischen Evaluation insbesondere vor, dass die verfahrensgegenständliche Arzneispezialität einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen aufweise und es außer Betracht bleiben könne, ob dieser Zusatznutzen nur für eine Untergruppe oder die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen nachgewiesen sei, weil für diese beiden unterschiedlichen medizinisch-therapeutischen Evaluationsgruppen des § 24 Abs. 2 Z 5 oder Z 6 die gesundheitsökonomische Wirtschaftlichkeit einheitlich nach § 25 Abs. 2 Z 5 VO-EKO zu beurteilen sei. Da der wesentliche Zusatznutzen von XXXX „offensichtlich“ im Sinne des § 25 Abs. 2 Z 5 letzter Satz VO-EKO sei, habe es auch nicht der Vorlage einer pharmaökonomischen Studie bedurft. Die Beschwerdeführerin führte Details zu dem angebotenen Preismodell aus und stellte den Antrag, in der mündlichen Verhandlung eine in der Sitzung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (HEK) vom 09.05.2019 protokollierte, von der HEK-Mehrheitsmeinung abweichende, begründete Auffassung der Wirtschaftskammer Österreich zu verlesen. Der dargestellte Zusatznutzen als auch das dargestellte Preismodell würden schon jeweils für sich allein das positive gesundheitsökonomische Kosten-/Nutzen-Kalkül für XXXX rechtfertigen. Jedenfalls aber gelte dies für eine mit dieser Beschwerde dargelegte Verknüpfung dieser beiden XXXX -Vorteile.

Die Beschwerdeführerin fasste die Beschwerdepunkte schwerpunktartig zusammen wie folgt:

„1)       XXXX mit dem Wirkstoff ‚ XXXX ‘ ist zwingend pharmakologisch nach § 23 Abs.2) Zif.5. VO-EKO einzustufen;

2)       durch die PEGylierung dieses Wirkstoffes und die damit verbundene Verlängerung der Halbwertzeit ist XXXX mit dem Wirkstoff der Arzneispezialität XXXX pharmakologisch nicht vergleichbar;

3)       trotz Fehlens einer direkten Vergleichsstudie XXXX vs. XXXX lassen sich diese Unterschiede über Studien indirekt belegen, die mit anerkannten Surrogatparametern arbeiten;

4)        XXXX ist zwingend medizinisch-therapeutisch nach § 24 Abs.2) Zif.5. oder Zif.6. VO-EKO einzustufen;

5)       die dazu vorgelegten Fachartikel belegen den wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Patientinnen-Nutzen von XXXX , auch gegenüber der Vergleichs-Arzneispezialität XXXX ;

6)       die gegenteiligen Auffassungen des Hauptverbandes leiden an verfahrensrechtlich-methodischen Mangeln;

7)        XXXX ist zwingend gesundheitsökonomisch nach § 25 Abs.2) Zif.5. VO-EKO einzustufen;

8)       das angebotene Höchstausgaben-Preismodell ist sinnvoll und weist ein positives Nutzen-/Kostenkalkül auf;“,

modifizierte den Geltungszeitraum ihres Preismodells und beantragte unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6. In ihrer Stellungnahme vom 11.06.2019 [richtig wohl: 11.07.2019] replizierte die belangte Behörde auf das Beschwerdevorbringen und beantragte die Abweisung der Beschwerde. Der Hauptverband wies darauf hin, dass gegenständlich keine Einstufung gemäß § 23 Abs. 2 VO-EKO zutreffend gewesen und eine ziffernmäßige Einstufung daher nicht erfolgt sei. Eine Einstufung als Z 1 sei nicht möglich gewesen, da dies gemäß einschlägiger Judikatur (vgl. VfGH 24.09.2014, B 1020/2012 u.a.) das Vorliegen einer bezugnehmenden Zulassung zum Referenzarzneimittel voraussetze. Durch die ziffernmäßige Nichteinstufung nach § 23 Abs. 2 VO-EKO sei dem Unternehmen kein Nachteil entstanden, da sämtliche therapeutische Alternativen im Bescheid angeführt worden seien, eine medizinisch-therapeutische Einstufung nach § 24 VO-EKO erfolgt sei und die gesundheitsökonomische Evaluation – und somit der Preis – auf dem Ergebnis der medizinisch-therapeutischen Evaluation nach § 24 VO-EKO basiere.

Zur Kritik an der medizinisch-therapeutischen Evaluation wurde unter Verweis auf das von der Beschwerdeführerin angeführte Judikat des Verwaltungsgerichtshofes festgehalten, dass nach grundsätzlicher Prüfung der Eintrittsvoraussetzung in den Gelben Bereich (wesentlicher zusätzlicher Nutzen im Vergleich zu Arzneispezialität aus dem Grünen Bereich) sich die medizinisch-therapeutische Einstufung auf die therapeutischen Alternativen im Gelben Bereich zu beziehen habe. Gemäß den Angaben in den jeweiligen Fachinformationen sei die Halbwertszeit der beantragten Arzneispezialität mit jener der unter den therapeutischen Alternativen angeführten Arzneispezialität XXXX vergleichbar. Darüber hinaus sei im Bescheid dargelegt worden, dass die Halbwertszeit im gegenständlichen Fall von untergeordneter Bedeutung sei, da die häufigste Form der Behandlung die Bedarfsbehandlung (somit der Regelfall gemäß § 22 Abs. 1 VO-EKO) sei. Da seitens der Beschwerdeführerin kein Zusatznutzen nachgewiesen worden sei, sei ein vergleichbarer Nutzen für Patienten/Patientinnen festgestellt und eine Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO vorgenommen worden. Der Vorwurf, der Hauptverband habe sich mit den vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend auseinandergesetzt oder keine eigenständigen Schlussfolgerungen gezogen, sei daher unrichtig. Die Behauptung, dass direkte Vergleichsstudien zeitlich nicht möglich gewesen wären, ändere nichts am fehlenden Nachweis eines Zusatznutzens.

Völlig unverständlich sei die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass der Stellungnahme vom 17.04.2019 eine Modifizierung der medizinisch-therapeutischen Selbsteinstufung des vertriebsberechtigten Unternehmens von § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO auf Z 5 oder Z 6 zu entnehmen sei. Eine solche Modifikation sei weder herauszulesen noch sei sich die Beschwerdeführerin zum jetzigen Zeitpunkt im Klaren darüber, auf welche ziffernmäßige Einstufung genau sich diese angebliche Modifikation gerichtet hätte. In der genannten Stellungnahme finde sich lediglich unter Punkt 4 ein modifiziertes ökonomisches Angebot, welches im Bescheid in der gesundheitsökonomischen Evaluation berücksichtigt worden sei. Das nunmehrige Vorbringen zu einer Modifikation der medizinisch-therapeutischen Selbsteinstufung falle unter das Neuerungsverbot gemäß § 351h Abs. 4 ASVG.

Da seitens der Beschwerdeführerin kein Zusatznutzen nachgewiesen worden sei, sei ein vergleichbarer Nutzen für Patienten/Patientinnen festgestellt und eine Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 VO-EKO vorgenommen worden. Darauf basierend habe in weiterer Folge die gesundheitsökonomische Evaluation ergeben, dass die vom Unternehmen angebotenen Preise deutlich über jenen aufgrund der rechtlichen Bestimmungen geforderten gelegen seien und sei der Antrag daher abzuweisen gewesen.

7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 24.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Mit Replik vom 09.10.2019 zur Stellungnahme der belangten Behörde vom 11.06.2019 erstattete die Beschwerdeführerin zunächst Vorbringen betreffend das vom Hauptverband eingewendete Neuerungsverbot gemäß § 351h Abs. 4 ASVG und führte zu einem wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten/Patientinnen von XXXX insbesondere aus, dass die Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 VO-EKO durch den Hauptverband vorzunehmen sei. Es komme daher nur auf das materielle Vorbringen und den materiellen Inhalt der vorgelegten Unterlagen an, nicht aber auf die konkrete ziffernmäßige Einstufung des antragstellenden Unternehmens. Zur pharmakologischen Evaluation wurde ausgeführt, das konstitutive Element für einen neuen Wirkstoff im Sinne des § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO sei der für XXXX wesentliche und charakteristische Verarbeitungsschritt der PEGylierung mit dadurch erreichter Verlängerung der Halbwertszeit (vgl. EMA-Fachinformationen für XXXX und XXXX ). Wegen des unterschiedlichen/neuen Wirkstoffes von XXXX sei die antragsgegenständliche Arzneispezialität nicht mit der vom Hauptverband herangezogenen Arzneispezialität XXXX therapeutisch vergleichbar. Die Vorteile einer verlängerten Halbwertszeit würden sich auch bei einer Bedarfsbehandlung verwirklichen. Soweit der Hauptverband sich zur Frage, welche Behandlungsform zum Therapievergleich heranzuziehen sei, auf den von der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft publizierten „Bericht zum Österreichischen Hämophilie Register“ bezogen habe, wurde auf den Berichtsstand 30.09.2015 hingewiesen, der zum Entscheidungszeitpunkt mehr als dreieinhalb Jahre alt bzw. überholt gewesen sei. Unter Zugrundelegung des unter einem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Registerberichtes vom 09.10.2018 ergebe sich nur bei durchschnittlicher Betrachtung aller Patienten/Patientinnen bzw. aller Schweregrade das zahlenmäßige Überwiegen der Bedarfsbehandlung, hingegen nicht bei Betrachtung von Patienten/Patientinnen mit schwerer Hämophilie, bei denen die Prophylaxe-Behandlung eindeutig überwiege. Bezugnehmend auf eine einheitliche ATC-Klassifizierung für Hämophilie-Arzneispezialitäten wurde ausgeführt, für Zwecke eines therapeutischen Erstattungskodex-Vergleiches könne es nicht auf die einheitlich-unterschiedslose ATC-Klassifikation ankommen, sondern es bedürfe eines die Wirkunterschiede berücksichtigenden Rückgriffs auf den publizierten aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und der praktischen Erfahrungen aus dem In- und Ausland. Hinsichtlich der von der belangten Behörde geforderten direkten Pharmakokinetik-Vergleichsstudie von XXXX vs. XXXX wurde schließlich vorgebracht, eine solche Studie würde in einer erheblichen körperlichen und zeitlichen Belastung für die Studien-Probanden resultieren und würden daher kaum Hämophilie-Patienten/Patientinnen freiwillig rekrutiert werden können.

Neben dem bereits erwähnten Hämophilie-Registerbericht vom 09.10.2018 wurde der Replik – betreffend die therapeutische/klinische Relevanz einer durch Wirkstoff-PEGylierung hervorgerufenen verlängerten Halbwertszeit – auch ein Auszug aus der Vergleichsstudie von Carcao et al. 2019 beigeschlossen.

9. Die belangte Behörde nahm zu der Replik vom 09.10.2019 mit Schreiben vom 04.12.2019 Stellung und führte aus, dass entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin gemäß Punkt 1.17 der Anlage zur VO-EKO eine Selbsteinstufung gemäß § 24 Abs. 2 VO-EKO für alle Anträge nach Abschnitt IV verpflichtend sei. Ein Entfall von Angaben im Falle einer Selbsteinstufung als wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt treffe gegenständlich nicht zu. Der Hauptverband hielt fest, dass eine Antragsmodifikation betreffend eine konkrete andere Einstufung gemäß § 24 Abs. 2 VO-EKO weder mit der Stellungnahme vom 17.04.2019 noch mit der Beschwerde erfolgt sei und die Beschwerdeführerin sich auch in der Replik nicht festgelegt habe, ob die beantragte Arzneispezialität einen wesentlichen therapeutischen Zusatznutzen für eine Untergruppe oder die Mehrzahl der für die Behandlung in Frage kommenden Patienten/Patientinnen habe. Trotz der konkreten Selbsteinstufung durch die Beschwerdeführerin sei der Hauptverband in seinem Bescheid auf die Stellungnahme des Unternehmens vom 17.04.2019 eingegangen und habe nochmals begründet, dass aufgrund der vorliegenden Unterlagen kein Zusatznutzen im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen – und damit schon gar kein wesentlicher Zusatznutzen – nachgewiesen und somit nur ein vergleichbarer Nutzen für Patienten/Patientinnen festgestellt worden sei.

Hinsichtlich des Vorwurfs der Verwendung einer nicht aktuellen Version des Berichts zum Österreichischen Hämophilie-Register wurde festgehalten, dass die aktuelle Version vom 09.10.2018 von der Beschwerdeführerin im Laufe des gesamten Verfahrens nicht vorgelegt worden sei. Auch eine Berücksichtigung der neueren Ausgabe des Berichtes würde aber nichts daran ändern, dass innerhalb der Hämophilie A die Patienten/Patientinnen, die ein Faktor-VIII-Produkt im Bedarfsfall (und nicht regelmäßig prophylaktisch) anwenden, die hauptsächliche Gruppe der Patienten/Patientinnen darstellen würden. Überdies sei der Bericht erst mit der Replik und damit zu spät in das Verfahren eingebracht worden.

Zu dem Vorbringen in der Replik, die „bisherige IND-Regelung [sei] detaillierend aufzufächern“, führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin meine damit offenbar die bestimmte Verwendung gemäß § 31 Abs. 3 Z 12 ASVG (nunmehr § 30b Abs. 1 Z 4 ASVG). Eine Modifikation der beantragten Verwendung sei bereits mit Stellungnahme vom 17.04.2019 beantragt und vom Hauptverband akzeptiert worden, eine neuerliche – auf den Hämophilie-Registerbericht vom 09.10.2018 gestützte – Modifikation falle unter das Neuerungsverbot gemäß § 351h Abs. 4 ASVG, zumal der aktuelle Bericht auch nicht mit der Beschwerde vorgelegt worden sei. Darüber hinaus lege § 351h Abs. 4 ASVG fest, dass Einschränkungen oder Klarstellungen des Antragsbegehrens im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen seien. Eine neuerliche Modifikation der beantragten bestimmten Verwendung zum jetzigen Zeitpunkt sei daher ausgeschlossen.

10. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.02.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde aufgefordert, zu einer Reihe von Fragen betreffend einen Zusatznutzen gegenüber Standard-Faktor-VIII-Konzentraten, die Durchführung der Bedarfstherapie und eine Auswertung von Verbrauchsdaten für Faktor-VIII-Produkte zu beantworten. Weiters wurde – unter Berücksichtigung des Hämophilie-Registerberichts vom 09.10.2018, laut dem bei Patienten/Patientinnen mit schwerer Hämophilie A die prophylaktische Gabe die bei weitem häufigste Anwendung sei – aufgefordert anzugeben, was eine Evaluation unter diesem Gesichtspunkt ergebe bzw. wie sich eine Gruppe der Patienten-/Patientinnen beschreiben lasse, die (theoretisch) von einer verlängerten Halbwertszeit profitieren könnte.

11. Die Beschwerdeführerin beantwortete die übermittelten Fragen mit Schreiben vom 28.02.2020 und beantragte die Befragung eines namhaft gemachten sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung.

12. Die belangte Behörde nahm mit Schreiben vom 10.03.2010 ebenfalls zu dem Fragenkatalog des Bundesverwaltungsgerichtes Stellung.

13. Mit Schreiben vom 13.05.2020 zog die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Befragung des mit Schreiben vom 28.02.2020 namhaft gemachten sachverständigen Zeugen zurück und verzichtete auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

14. Die belangte Behörde stimmte mit Schreiben vom 20.05.2020 dem Entfall einer mündlichen Verhandlung zu.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt und in den Gerichtsakt sowie durch Einsichtnahme in den Erstattungskodex.

1. Feststellungen

Die verfahrensgegenständliche Arzneispezialität XXXX Pulver und Lösungsmittel zur Herstellung einer Injektionslösung (ATC-Code B02BD02) beinhaltet den Wirkstoff XXXX . Die zentrale Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde erfolgte am 08.01.2018, Zulassungsnummer EU/1/17/1247.

Die Beschwerdeführerin beantragte am 09.11.2018, modifiziert am 17.04.2019, als vertriebsberechtigtes Unternehmen dieser Arzneispezialität die Aufnahme in den Gelben Bereich des Erstattungskodex zu jeweils einem Fabriksabgabepreis von € 1.520,00 (2.000 I.E. [Internationale Einheit]), € 760,00 (1.000 I.E.) sowie € 390,00 (500 I.E.) und mit einem „Preis-Capping-Modell“ für die Jahre von 2019 bis 2021 und mit folgender bestimmter Verwendung:

„Bei angeborenem Faktor VIII-Mangel (Hämophilie A) ab einem Alter von 12 Jahren.

Diagnosestellung und regelmäßige Kontrollen in entsprechender Fachabteilung bzw. -ambulanz.“

Die Arzneispezialität wurde im Antrag der Fallgruppe gemäß § 23 Abs. 2 Z 5 VO-EKO („Die beantragte Arzneispezialität hat einen neuen Wirkstoff einer im Erstattungskodex angeführten Wirkstoffgruppe mit einheitlich definiertem Wirkprinzip.“) und gemäß § 24 Abs. 2 Z 4 VO-EKO („Die beantragte Arzneispezialität hat einen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für die Mehrzahl der Patienten / Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu therapeutischen Alternativen (§ 23 Abs. 1).“) zugeordnet.

Unter Zugrundelegung des beantragten Preises – ohne Berücksichtigung des erst ab Überschreiten einer bestimmten jährlichen Umsatzschwelle zur Anwendung gelangenden „Preis-Capping-Modells“ – ergeben sich für die Arzneispezialität XXXX bei einer Dosis von 2000 I.E. (Schlüsselstärke) Behandlungskosten (Basis FAP) in Höhe von € 1.520,00.

XXXX hat keine bezugnehmende Generikum-/Biosimilar-Zulassung.

In Österreich ist die Bedarfsbehandlung die häufigste Form der Behandlung von Patienten/Patientinnen mit Hämophilie A.

Neben der antragsgegenständlichen Arzneispezialität eignen sich für eine Behandlung und Prophylaxe von Blutungen bei Patienten/Patientinnen ab einem Alter von 12 Jahren mit Hämophilie A (kongenitalem Faktor-VIII-Mangel) auch andere Faktor-VIII-Produkte (mit gleichem ATC-Code auf der fünften Ebene) in gleicher Wirkstoffstärke und praktisch gleicher Darreichungsform. Von diesen Arzneispezialitäten kommt insbesondere die im Gelben Bereich des Erstattungskodex gelistete Arzneispezialität XXXX als Vergleichsprodukt in Betracht, bei der die Behandlungskosten (Basis FAP) bei einer Dosis von 2000 I.E. € 940,00 betragen.

Für die Arzneispezialität XXXX wurde kein zusätzlicher therapeutischer Nutzen für die Mehrzahl der Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen nachgewiesen. Auch ein zusätzlicher therapeutischer Nutzen für eine Untergruppe von Patienten/Patientinnen, welche für die Behandlung mit dem beantragten Mittel in Frage kommen, wurde nicht nachgewiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen betreffend die genannten, im Roten bzw. Gelben Bereich gelisteten Arzneispezialitäten und die Preise ergeben sich aus dem Erstattungskodex und dem Verfahrensakt.

Der Inhalt des verfahrensgegenständlichen, mit Stellungnahme vom 17.04.2019 modifizierten Antrages und die Behandlungskosten der angeführten Arzneispezialitäten ergeben sich ebenfalls aus dem Verfahrensakt und insbesondere auch aus dem Bescheid, dem diesbezüglich nicht entgegengetreten wurde.

Das Bestehen einer bezugnehmenden Generikum-/Biosimilar-Zulassung wurde nicht behauptet und geht auch aus dem Akteninhalt nicht hervor.

Die Feststellung zur häufigsten Behandlungsform in Österreich beruht auf dem auch der Empfehlung der HEK zugrundeliegenden Bericht der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft zum Österreichischen Hämophilie Register vom 30.09.2015. Auch aus dem von der Beschwerdeführerin – erst im Rahmen der Replik vom 09.10.2019 – ins Treffen geführten aktuelleren Hämophilie-Register-Bericht vom 09.10.2018 ergibt sich diesbezüglich kein abweichendes Ergebnis lediglich mit der Einschränkung, dass bei Patienten/Patientinnen mit schwerer Hämophilie A (FVIII-Restaktivität 1 %) dem letztgenannten Bericht zufolge die prophylaktische Behandlung überwiegt. Von insgesamt 658 erfassten Patienten/Patientinnen werden in diesem Bericht 283 Patienten/Patientinnen dieser Gruppe zugeordnet.

Die Feststellungen zu Vergleichsprodukten (insbesondere zu XXXX ) stützen sich auf die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Empfehlung der HEK vom 09.05.2019, aus welcher hervorgeht, dass auch die dort bzw. im Bescheid angeführten, gentechnisch hergestellten Faktor-VIII-Präparate (mit gleichem ATC-Code) in der beantragten Indikation eingesetzt werden und daher therapeutische Alternativen sind. Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, dass es sich bei den in der Empfehlung der HEK bzw. im Bescheid angeführten therapeutischen Alternativen um Arzneispezialitäten mit der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform und dem gleichen ATC-Code (auf der fünften Ebene) handelt, die ebenfalls zur Behandlung der beantragten Indikation zugelassen sind.

Aus der Empfehlung der HEK ergibt sich weiters, dass ein zusätzlicher Nutzen für Patienten/Patientinnen der beantragten Arzneispezialität im Vergleich zu den therapeutischen Alternativen nicht nachgewiesen wurde. Klinische Vergleichsstudien mit therapeutischen Alternativen wurden nicht vorgelegt und hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin betreffend einen Zusatznutzen der beantragten Arzneispezialität zentral ins Treffen geführten verlängerten Halbwertszeit von XXXX haben die HEK sowie die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass in den jeweiligen Fachinformationen eine Halbwertszeit (arithmetischer Mittelwert +/- Standardabweichung bzw. 95% Vertrauensbereich) von XXXX ( XXXX ) mit 15,01 h +/- 3.89 bei Erwachsenen ab 18 Jahren bzw. 13,80 h +/- 4.01 bei 12- bis 18-Jährigen und von XXXX ( XXXX ) mit 14,2 h (Variationskoeffizient 26,0 %) bei Erwachsenen ab 18 Jahren bzw. 14,3 h (Variationskoeffizient 33,3 %) bei 12- bis 18-Jährigen angegeben wird (vgl. Pkt. 1.2 der Empfehlung der HEK). Ein relevanter Unterschied in der Halbwertszeit, aus dem allenfalls im Vergleich zu XXXX ein therapeutischer Zusatznutzen abgeleitet werden könnte, ist demzufolge nicht erkennbar; eine direkte pharmakokinetische Vergleichsstudie von XXXX versus XXXX wurde nicht vorgelegt.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Arbeit von Mahlangu et al. (2018), aus welcher nicht hervorgeht, dass die Kriterien für eine verlängerte Halbwertszeit (EHL – extended half life) bereits vor der Datenanalyse festgelegt wurden, sowie die vorgelegten Fachartikel und RWE (Real World Evidence)-Analysen nicht geeignet, einen klinisch relevanten Unterschied zwischen XXXX und XXXX zu belegen (vgl. Pkt. 1.2 der Empfehlung der HEK sowie S. 3 des Abschnittes „Medizinische Stellungnahme“ der Stellungnahme des Hauptverbandes vom 11.06[07.].2019), umso mehr als in den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen kein Vergleich von XXXX mit XXXX vorgenommen wurde. Zu dem in der Beschwerde relevierten Fachartikel von Lambert, Benson und Dolan et al. (2018) führte die Beschwerdeführerin selbst aus, dass sich die Autoren/Autorinnen lediglich „aus Gründen der Vollständigkeit“ mit der Frage einer Verlängerung der Halbwertszeit durch den XXXX -Wirkstoff beschäftigten, diesen letztlich in den Fachartikel aber nicht einbezogen haben.

Die HEK wies im Übrigen darauf hin, dass in Deutschland sowohl der Gemeinsame Bundesausschuss als auch das IQWIG keinen Nachweis eines Zusatznutzens anerkannt hätten.

Ferner ist festzuhalten, dass gemäß § 22 Abs. 3 VO-EKO (mit den in Abs. 4 und 5 genannten Ausnahmen) nur publizierte Daten für die Entscheidung heranzuziehen sind. Erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens vorgelegte Unterlagen könne überdies wegen des in § 351h Abs. 4 ASVG normierten Neuerungsverbotes (vgl. hiezu die Ausführungen unter Pkt. II.3.6.) nicht berücksichtigt werden.

In der Gesamtbetrachtung ist daher nicht von einem therapeutischen Zusatznutzen der beantragten Arzneispezialität auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis:

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Artikel 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß § 351h Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurde.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Angelegenheiten nach § 351h ASVG hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, der aus dem/der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen besteht, wobei zwei davon Fachärzte/Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte/Fachärztinnen mit dem Additivfach klinische Pharmakologie und zwei Ökonomen/Ökonominnen mit spezifischen Kenntnissen im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich (Gesundheitsökonomen/Gesundheits-ökonominnen) sind (§351i Abs. 1 ASVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Artikel 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

3.2. Im Beschwerdefall maßgebende Rechtsgrundlagen:

Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 in der Fassung des Sozialversicherungs-Organisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2018:

„3. UNTERABSCHNITT

Dachverband der Sozialversicherungsträger

Aufgaben

§ 30. (1) Die in den §§ 23 bis 25 bezeichneten Versicherungsträger und die Träger der im § 2 Abs. 2 bezeichneten Sonderversicherungen gehören dem Dachverband der Sozialversicherungsträger (im Folgenden kurz Dachverband genannt) an.

(2) Dem Dachverband obliegt
1.         die Beschlussfassung von Richtlinien zur Förderung der Zweckmäßigkeit und Einheitlichkeit der Vollzugspraxis der Sozialversicherungsträger;
2.         die Koordination der Vollziehungstätigkeit der Sozialversicherungsträger;
3.         die Wahrnehmung trägerübergreifender Verwaltungsaufgaben im Bereich der Sozialversicherung.

[…]“

„Koordination der Vollziehungstätigkeit

§ 30b. (1) Zur zentralen Erbringung von Dienstleistungen für die Sozialversicherungsträger gehören:
1.         […]
4.         die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:
a)         Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach § 351c Abs. 1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien nach § 30a Abs. 1 Z 12. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.
b)         Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien nach § 30a Abs. 1 Z 12. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.
c)         Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en oder Darreichungsform) beziehen.
[…].“

„Abschnitt V

Erstattungskodex

Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§ 351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Dachverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Dachverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Dachverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) […]

(3) Zur Beurteilung eines Antrages nach Abs. 1, insbesondere inwieweit ein wesentlicher therapeutischer Nutzen für Patienten und Patientinnen oder eine wesentliche therapeutische Innovation vorliegt, sind vom Antragsteller pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Unterlagen vorzulegen. Das vertriebsberechtigte Unternehmen ist verpflichtet, bei der Antragstellung auf Aufnahme in den Erstattungskodex mitzuteilen, wann der Patentschutz der in der jeweiligen Arzneispezialität enthaltenen Wirkstoffe in Österreich endet. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren zur Aufnahme in den Erstattungskodex und über den Umfang, die Qualität und den Zeitpunkt der Vorlage von Unterlagen, werden in der Verfahrensordnung (§ 351g) geregelt. Abs. 1 letzter Satz ist anzuwenden.

(4) […]

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§ 351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) […]

Entscheidung des Dachverbandes

§ 351d. (1) Der Dachverband hat schriftlich über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission im Rahmen des ihm nach diesem Bundesgesetz eingeräumten Ermessens zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw.) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten die selben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Dachverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Dachverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist.“
„Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§ 351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Dachverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität, Form und Zeitpunkt der vorzulegenden Unterlagen festzusetzen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Dachverband im Internet kundzumachen.

(1a) Anbringen einschließlich aller im Verfahren zu berücksichtigenden Unterlagen sind schriftlich über das Internetportal www.sozialversicherung.at einzubringen. Zur Erörterung dieser Anbringen ist eine mündliche Kommunikation zwischen Dachverband und vertriebsberechtigtem Unternehmen zulässig. Erscheint diese im Einzelfall nicht zweckmäßig, so kann der Dachverband dem vertriebsberechtigten Unternehmen die schriftliche Einbringung als Anbringen binnen angemessener Frist auftragen. Eine mündliche Verhandlung vor dem Dachverband findet nicht statt. Die Verfahrensordnung nach Abs. 1 hat Regelungen über die Voraussetzungen und den Ablauf einer Anhörung vor der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission für vertriebsberechtigte Unternehmen zu enthalten. Die Akteneinsicht erfolgt über das Internetportal www.sozialversicherung.at. Patentrechtliche Vorfragen sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Dachverband.

[…]

(2) In der Verordnung nach Abs. 1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Dachverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Dachverband insbesondere zu empfehlen,

1.       ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2.       […]

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen. Die Sitzungen sind nicht öffentlich.

[…]

Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Erstattungskodex

§ 351h. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet

1.       über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens,

a)       dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurde oder

b)       über dessen Antrag nicht fristgerecht (§ 351d Abs. 1) entschieden wurde;

2.       über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen bzw. von Amts wegen aufgenommen wird.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Dachverbandes, mit denen Anträge nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurden, oder wenn über diese Anträge nicht fristgerecht (§ 351e Abs. 1 und 2) entschieden wurde.

(3) Beschwerden nach Abs. 1 und 2 sind binnen vier Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Dachverbandes beim Dachverband über das Internetportal www.sozialversicherung.at einzubringen. Eine Beschwerdevorentscheidung und eine Nachholung des Bescheides nach den §§ 14 bis 16 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind unzulässig. Der Dachverband hat dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich die Beschwerde unter Anschluss der Verfahrensakten vorzulegen. Dem Dachverband steht es frei, binnen vier Wochen ab Einbringung der Beschwerde eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht abzugeben. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach § 351c Abs. 10 Z 1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§ 351c Abs. 2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. § 13 Abs. 2 VwGVG ist nicht anzuwenden.

(4) In der Beschwerde oder in der Stellungnahme nach Abs. 3 können sich das vertriebsberechtigte Unternehmen und der Dachverband nur auf Tatsachen und Beweise beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Dachverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Dachverband bereits eingebracht worden sind. Das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise im Beschwerdeverfahren ist nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in der ersten Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise zulässig. Solche neuen Tatsachen und Beweise dürfen überdies nur dann berücksichtigt werden, wenn diese entweder in der Beschwerde oder der Stellungnahme des Dachverbandes nach Abs. 3 bereits eingebracht wurden. Diese Stellungnahme des Dachverbandes ist vom Bundesverwaltungsgericht als Bestandteil der Begründung der Entscheidung des Dachverbandes nach Abs. 3 erster Satz zu berücksichtigen. Eine Einschränkung oder Klarstellung des Antragbegehrens ist ausgeschlossen. Zum Ergebnis eines vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten allfälligen neuen Beweisverfahrens ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Patentrechtliche Vorfragen sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Dachverbandes im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 28 Abs. 2 VwGVG bei Rechtswidrigkeit abzuändern. Der Dachverband hat im Falle einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach § 28 Abs. 4 VwGVG innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach § 351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Entscheidung des Dachverbandes aufgehoben, mit der ein Antrag wegen mangelnder Erstattungsfähigkeit (§ 351c Abs. 2 und 4) der Arzneispezialität nach § 351c Abs. 1 abgewiesen wurde, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Dachverband die Frist nach § 351c Abs. 1 neu zu laufen.“

„Kostentragung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 351j. (1) Die Kosten des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht werden durch einen pauschalierten Kostenersatz in der Höhe von 2 620 Euro abgegolten. Den Kostenersatz hat diejenige Partei des Beschwerdeverfahrens zu tragen, die im Beschwerdeverfahren unterlegen ist. Im Falle eines teilweisen Unterliegens ist der Kostenersatz von beiden Parteien zur Hälfte zu tragen. In Verfahren bei Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Dachverband hat den Kostenersatz jedenfalls der Dachverband zu tragen, wenn nicht die Beschwerde mangels Säumigkeit zurückgewiesen wird.

(2) Der Bundeskanzler und der Bundesminister für Finanzen sind ermächtigt, den Kostenersatz durch Verordnung neu festzusetzen, sobald und soweit sich der von der Bundesanstalt „Statistik Österreich“ verlautbarte Verbraucherpreisindex 2010 oder ein an dessen Stelle tretender Index gegenüber der für Jänner 2013 verlautbarten und in der Folge gegenüber der der letzten Festsetzung zugrunde gelegten Indexzahl um mehr als 10% geändert hat. Der neue Betrag ist aus dem im ersten Satz genannten Betrag im Verhältnis der Veränderung der für Jänner 2013 verlautbarten Indexzahl zu der für die Neufestsetzung maßgebenden Indexzahl zu berechnen, jedoch auf ganze zehn Euro kaufmännisch auf- oder abzurunden. Für die Erhebung des festgestellten Kostenersatzes ist das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zuständig.“

Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach § 351g ASVG (VO-EKO), avsv Nr. 47/2004 idF avsv Nr. 40/2020:

„IV. Abschnitt: Aufnahme in den Erstattungskodex

Unterlagen und Stellungnahmen

§ 17. Das Verfahren zur Aufnahme in den Erstattungskodex wird entweder vom Dachverband gemäß § 351c Abs. 5 ASVG oder auf Antrag des vertriebsberechtigten Unternehmens eingeleitet. Die Bestimmungen dieses Abschnitts mit Ausnahme der Bestimmungen über Gutachten gemäß § 26 Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß für Verfahren, die durch den Dachverband eingeleitet werden.

Antrag auf Aufnahme in den Erstattungskodex

§ 18. Das antragstellende Unternehmen hat pro in Österreich zugelassener und gesichert lieferbarer Arzneispezialität (pro Zulassungsnummer) dem Dachverband einen vollständigen Antrag gemäß dem Stammdatenblatt, dem pharmakologischen, dem medizinisch-therapeutischen und dem gesundheitsökonomischen Unterlagenverzeichnis der Anlage zur Aufnahme in den Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex zu stellen.

Unterlagen und Stellungnahmen

§ 19. (1) Alle zur Entscheidung über den Antrag notwendigen Unterlagen sind unter einem mit dem Antrag gemäß § 18 vorzulegen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.

(2) Während des laufenden Verfahrens sind weitere Unterlagen und Stellungnahmen nur auf Verlangen des Dachverbandes zu übermitteln. Werden diese Unterlagen und Stellungnahmen vom antragstellenden Unternehmen nicht binnen offener Frist beigebracht, werden sie im laufenden Verfahren und für die Entscheidung nicht berücksichtigt.

(3) Entgegen den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 vom antragstellenden Unternehmen übermittelte Unterlagen (inklusive des beantragten Preises) sind im Verfahren und für die Entscheidung nur dann zu berücksichtigen, wenn diese

1. zum Zeitpunkt der Antragsstellung nicht vorlagen,

2. wesentliche neue Erkenntnisse beinhalten,

3. den Erfordernissen der §§ 22 Abs. 3 und 4 sowie 24 Abs. 4 entsprechen,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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